BUSINESS EXCELLENCE Die Vorteile hoher Kundenloyalität Positive Mundpropaganda Von Anne M. Schüller Loyalität ist die schärfste Waffe des Verbrauchers. Wer mehr Kunden verliert, als er gewinnt, wer am Schluss mehr untreue als treue Kunden hat, bei dem ist selbst das beste Verkäufergeschwader machtlos. Der Anteil an profitablen, loyalen und illoyalen Kunden sowie Fluktuationsraten und Abwanderungsgründe sollten demnach systematisch erfasst und miteinander verknüpft werden. K undenloyalität steigert die Wertschöpfung, denn loyale Kunden kaufen öfter, sie kaufen mehr, sie sind (meist) weniger preissensibel. Und sie helfen, Werbekosten zu sparen. Aber das ist noch nicht alles. Ein durch und durch loyaler Kunde kommt ja nicht nur immer wieder, er generiert auch Mund-zu-Mund-Geschäft. Nicht als Stammkunde, sondern als aktiver Empfehler ist der Konsument am profitabelsten, so wird das meiste Geld verdient. Wer die Loyalität seiner Käufer gewinnt und dauerhaft bewahren kann, sichert sich mehr Umsatz und reduziert gleichzeitig seine Kosten (siehe beide Kasten). Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirt und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Nach zwanzig Jahren Führungspositionen in Vertrieb und Marketing ist sie heute als Marketing Consultant, Referentin, Hochschuldozentin und Buchautorin tätig. Sie gehört zum Kreis der «Excellent Speakers». Anne M. Schüller Marketing Consulting, Harthauserstr. 54, D-81545 München, Tel. +49 (0)89 6423 208, [email protected], www.anneschueller.de 16 Das Ersparte kann wiederum loyalitätsfördernd investiert werden: in umsatzträchtige Innovationen, in kundenfokussierte Mitarbeiter, in guten Service und in loyalitätsorientiertes Marketing. Wie sich die Loyalitätsspirale immer weiter nach oben dreht So entsteht eine Loyalitätsspirale, die sich immer weiter nach oben dreht. Wie hoch die Kostenvorteile durch loyale Kunden sind, erkennen Unternehmen erst dann in aller Deutlichkeit, wenn sie beginnen, diese verursachungsgerecht auf Neukunden und Bestandskunden aufzuteilen. Das Rechnungswesen muss demnach sein Mess-Instrumentarium nebst Kennzahlensystem stärker auf Loyalitätsaspekte ausrichten. Die andere ZielgruppenSegmentierung Die Neukunden-Gewinnung ist in vielen Branchen heute völlig ausgereizt. Die Märkte sind gesättigt. Erstnutzer werden immer seltener. Das Wachsen geht nur noch zu Lasten des Wettbewerbs. Doch das Abjagen von Kunden funktioniert, wenn man dem Rabattgeschrei der Unternehmen lauscht, anscheinend fast nur noch über den Preis. Dies führt zu einer Margensituation, die kurzfristiges Neugeschäft kaum noch rentabel macht. Loyale Bestandskunden hingegen bieten ein oft immer noch unterschätztes, sehr ergiebiges und kostengünstig zu bearbeitendes Potenzial. Gerade dort, wo die Anlaufkosten der Neukunden-Gewinnung hoch sind, ist der Ausbau eines profitablen Stammkundengeschäfts – gekoppelt mit einem systematischen Empfehlungsmarketing – höchst erstrebenswert. Bilden Sie doch statt Ihrer klassischen Zielgruppen-Segmentierung einmal die folgenden drei Kategorien: ■ illoyale Kunden ■ bedingt loyale Kunden ■ durch und durch loyale Kunden Definieren Sie die Kriterien, die etwa einen durch und durch loyalen Kunden kennzeichnen. Dann analysieren Sie genau, wie sie an diese gekommen sind, was Nur zwei Fragen statt komplexe Kundenstudien sie auszeichnet und wie sie sich verhalten. Mit diesem Wissen lassen sich Profile und Prozesse erstellen, mit deren Hilfe man systematisch auf die Suche nach neuen loyalen Kunden gehen kann. So lernen Sie auch, solche Der Nutzen auf der Umsatzseite Untersuchungen und Beobachtungen bestätigen – abgesehen von wenigen Ausnahmen – bei durch und durch loyalen Kunden immer wieder Folgendes: – Höhere Wiederkauf-Raten: Loyale Kunden kaufen öfter und konzentrieren ihre Kaufkraft auf wenige Anbieter. Dies fördert auch die Planbarkeit und Budgetierung von Umsatzverläufen. – Zusatzverkäufe: Loyale Kunden kaufen mehr, denn sie sind mit dem kompletten Angebot beziehungsweise Sortiment besser vertraut. Und sie kaufen auch hochwertiger. – Geringere Preissensibilität: Loyale Käufer sind grosszügiger. Die Rolle des Preises relativiert sich, sie vergleichen seltener. – Längere Verweildauer: Loyale Kunden sind immun gegenüber anderen Anbietern oder vergleichbaren Leistungen und resistent gegenüber Abwerbeversuchen. – Kostenlose Verkäufer: Empfehlungen bringen einen Vertrauensvorschuss und damit höhere beziehungsweise schnellere Kaufbereitschaft bei dem, der die Empfehlung erhält. Als glühende Verehrer verteidigen Empfehler ihre Lieblingsmarke auch gegen jede Art von Angriffen. – Homogeneres Kundenmix: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Dies fördert die Spezialisierung auf erwünschte Kundengruppen. – Mehrumsatz durch Anregungen beziehungsweise Innovationsanstössen loyaler Käufer: Der Kunde wird zum Ideengeber und kostenlosen Unternehmensberater. MQ Management und Qualität 6/2007 BUSINESS EXCELLENCE Kunden zu meiden, bei denen alle Loyalisierungsbemühungen zwecklos sind. Denn Loyalität lässt sich nicht bei allen und jedem erreichen. Kennzahlen für Loyalität entwickeln Das Fokussieren auf Kundenloyalität zahlt sich in jedem Fall aus. Hier eine Auswahl von Fragen, die zu einem loyalitätsbasierten Kennzahlensystem führen können: ■ Wie viele Kunden gewinnen wir pro Jahr beziehungsweise Zeitperiode? Welche davon sind profitabel und loyal – und warum genau? ■ Ab wann ist ein Kunde loyal? An welchen Faktoren messen wir dies? ■ Welches weitere Loyalitätspotenzial steckt im Unternehmen unserer Kunden? ■ Kennen unsere Kunden unsere komplette Leistungspalette? ■ Welche Kundenbeziehungen wollen wir aus-, welche abbauen? ■ Wie viel kostet es uns, einen neuen Kunden zu gewinnen? ■ Wie viel kostet es uns, einen bestehenden Kunden zu halten? ■ Wie hoch ist die durchschnittliche Verweildauer unserer Kunden (nach Kunden-Segmenten, Berufsgruppen, Geschlecht, Familienstand, Altersgruppen, u.ä. getrennt) ■ Wie viele Kunden verlieren wir pro Jahr beziehungsweise Zeitperiode? Wie hoch ist die Fluktuationsrate in den unterschiedlichen Bereichen, Regionen, Filialen? Wie kommt es zu diesen Unterschieden? ■ Wie viel Umsatz beziehungsweise zukünftigen Umsatz verlieren wir durch abwandernde Kunden? ■ Warum verlieren wir diese Kunden? Wie erfahren wir davon? ■ Bei wem kaufen diese die Leistung nun ein und warum? ■ Welche negative Mund-zuMund-Werbung entsteht uns hierdurch? ■ Welche unserer Kunden sind abwanderungsgefährdet? Was können wir dagegen tun? Lässt Der Nutzen auf der Kostenseite Untersuchungen und Beobachtungen bestätigen – abgesehen von wenigen Ausnahmen – Folgendes: – Niedrigere Akquisitionskosten: Loyalisieren ist günstiger als Neukunden gewinnen. Stammkunden brauchen weniger klassische Werbung. – Optimierter Werbemitteleinsatz: Durch Konzentration aller Aktivitäten auf die loyalsten Zielgruppen und gezieltere Ansprache entstehen geringere Streuverluste. – Reduktion von Geschäftsrisiken: Geringere Debitorenprobleme, denn loyale Kunden zahlen besser beziehungsweise verursachen weniger Ausfälle. – Verringerte Prozesskosten: planbares Wiederkaufverhalten kommt Einkauf, Logistik und Lagerhaltung zugute und führt zu optimierten Prozesszeiten. Es entstehen geld- und/oder zeitsparende Ablaufroutinen, da Käufer und Mitarbeiter gut miteinander vertraut sind. – Weniger Mitarbeiterfluktuation: Die Mitarbeiterloyalität steigt aufgrund der externen Bestätigung durch loyale Kunden. Es entsteht eine Mitarbeiter-Käuferbindung. Der Arbeitgeber wird zunehmend attraktiv: Stolz auf die Arbeit und den Arbeitsplatz. – Sinkende Kosten für die Gewinnung und Ausbildung neuer Mitarbeiter: Loyale Mitarbeiter werben neue, passende Mitarbeiter durch positive Mundpropaganda. – Geringere Reklamationskosten: Treue Kunden sind toleranter gegenüber Fehlern und grosszügiger bei der Fehlerbereinigung. Sie halten ihren Lieblingsunternehmen auch dann noch die Treue, wenn einmal nicht alles rund läuft – in dem begründeten Vertrauen, dass die das schon wieder hinbekommen. – Honorarfreies Mitarbeiter- und Management-Coaching durch engagierte Käufer: Dies reduziert die Kosten für externe Berater und führt zu kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. MQ Management und Qualität 6/2007 sich ein Frühwarnsystem installieren? ■ Wie viele beziehungsweise welche Kunden verlieren wir, weil wir Mitarbeiter verlieren? Aufschlussreich ist auch die Untersuchung der Frage, welche Loyalität am höchsten ist: ■ die zum Unternehmen selbst? ■ die zu den Angeboten und Services beziehungsweise Marken des Unternehmens? ■ oder die zu den Ansprechpartnern? Die Empfehlungsrate ermitteln Die Empfehlungsrate gehört zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Sie sollte im Geschäftsbericht ganz vorne stehen. Denn wer heute nicht mehr empfehlenswert ist, ist morgen nicht mehr kaufenswert. Hierbei interessiert vor allem: ■ Wie viele Kunden empfehlen uns weiter – und warum genau? ■ Wie viele Kunden sind aufgrund einer Empfehlung zu uns gekommen – und warum genau? «Zunehmende Kundenloyalität ist offensichtlich immer einer der wichtigsten Faktoren für Wachstum», schreibt der USamerikanische Loyalitätsexperte Frederick F. Reichheld (Harvard Business Manager, März 2004). Auf der Basis ausgiebiger Analysen kommt er zu dem Schluss, dass Unternehmen, die die höchste Zahl an positiven Empfehlern (abzüglich der Kritiker) hatten, im untersuchten Dreijahreszeitraum auch die höchsten Umsatzzuwächse erzielten. Dies traf beispielsweise bei Fluggesellschaften, Autovermietern und Internetanbietern, aber auch in anderen Branchen zu. Eine der markantesten Erkenntnisse seiner Untersuchung lautet: Unternehmen brauchen keine komplexen Kundenstudien, sondern am Ende nur ein, zwei Fragen, die kontinuierlich gestellt Lesetipp Anne M. Schüller: Zukunftstrend Kundenloyalität – Endlich erfolgreich durch loyale Kunden BusinessVillage, 2. erweiterte Auflage 2006, 116 Seiten, als E-Book EUR 14,80 (www.businessvillage.de), Druck-Version Euro 21,80, ISBN 3-934424-53-8 werden und auf deren Resultate hin schnelle Reaktionen möglich sind. Als mit Abstand effektivste Frage schlägt er die folgende vor: «Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen X an einen Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?» Weshalb empfehlen Sie uns? In Zukunft können sich Unternehmen also in vielen Fällen kosten- und zeitintensive Erhebungen zur Kundenzufriedenheit sparen. Schon allein regelmässig gestellte Empfehlungsfragen bringen es an den Tag. Ein weiterer Formulierungsvorschlag: ■ Können Sie sich vorstellen, uns weiter zu empfehlen? ■ Und wenn ja: weshalb genau? ■ Und wenn nein: weshalb nicht? Die Frage nach dem «weshalb» ist besonders wertvoll, denn sie eröffnet zusätzliche Lerngewinne und deckt konkreten Handlungsbedarf auf. Hier gleich noch zwei Beispiele: ■ Wenn es eine Sache gibt, für die Sie uns garantiert weiterempfehlen würden, was wäre das für Sie? ■ Und wenn es eine Sache gibt, für die Sie uns ganz sicher nicht weiterempfehlen können, was wäre das für Sie? Analysieren Sie auch: Wie hoch ist die Abschlussquote bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem? Solches Vorgehen macht Sie schnell und flexibel. Auf Basis der Resultate lässt sich unverzüglich ein Sofortprogramm installieren, das Schwachstellen beseitigt und die Empfehlungsraten weiter steigert. ■ 17