15.03.13 Gesunder Rucken

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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 13.03.2015
THEMA:
GESUNDER RÜCKEN
Autorin:
Uschi Müller
EXPERTIN VOR ORT:
SABINE NIKOLAI-REETZ
DIP.- SPORTWISSENSCHAFTLERIN, GESUNDHEITSMANAGEMENT „RÜCKEN“
Unser Rücken besteht aus 34 Wirbeln, rund 150 Muskeln und zahllosen Sehnen und Bändern.
Dazu kommt noch ein eigenes Nervensystem, das ebenso umfangreich ist, wie das im Gehirn.
Dieser filigrane aber erstaunlich stabile Apparat gibt uns Halt. Die Muskeln sind die Motoren
des Rückens. Unterforderte Muskeln können zu Haltungsschäden und Rückenschmerzen führen.
Rückenbeschwerden bedingen die häufigsten Arbeitsausfälle. Erst an zweiter Stelle folgen die
psychischen Erkrankungen. Mehr als einmal im Leben hat jeder Mensch Rückenbeschwerden.
Erstaunlich ist, dass in 90 Prozent aller Fälle keine eindeutige Diagnose abgegeben werden
kann. Die Schmerzen sind unspezifisch und haben keine klare Ursache.
Die meisten Rückenbeschwerden kann man mit einem Schnupfen vergleichen, der einen für
kurze Zeit beeinträchtigt und dann plötzlich wieder weg ist. Der Schmerz gerät in Vergessenheit
und man findet schnell wieder zu seinen alten, nicht unbedingt rückengerechten Gewohnheiten
zurück. Das rächt sich oft, denn die Rückenschmerzen können nach ein bis zwei Jahren wieder
auftreten. Es ist arbeitsaufwändig sein Verhalten zu verändern. Wer keinen Spaß an der Bewegung sucht, wird sich nicht langfristig dazu motivieren können. Erst wenn der Rückenschmerz
einen wieder zu zwingt, aktiv zu werden überdenkt man sein Verhalten erneut. Sich von einem
Bewegungsmuffel zu einem Sportfan zu entwickeln, kann lange dauern. Umso wichtiger ist der
Spaßfaktor beim Sport.
Die Ursachen für Rückenprobleme sind vielfältig. Die meisten Fälle entstehen aus Bewegungsmangel, einseitiger oder schwerer körperlicher Belastung oder psychischer Überforderung und Stress. Der zunehmende Leistungsdruck, schlechte Zeiteinteilung und die ständige
Erreichbarkeit halten uns und unsere Rückenmuskulatur unter Dauerspannung und können
langfristig zu Muskelverspannungen und somit zu Rückenbeschwerden führen.
Rund 85% aller Rückenbeschwerden haben ihre Ursache nicht in einer Krankheit. Das heißt sie
können durch gesundheitsorientiertes Verhalten vermieden werden. Regelmäßiges, zielgerichtetes Muskeltraining für Bauch- und Rückenmuskulatur. Das macht den Rücken stark und
beugt Beschwerden vor. Die Stärkung der inneren Kraft, die einem hilft auch den Rückenschmerz zu begegnen, wird dabei gleich mit trainiert.
Wohltaten für den Rücken
Die richtige Sitzposition: Es gibt keine ideale Sitzposition. Die nächste Sitzposition ist immer
die beste und der beste Stuhl ist der, auf dem man gerade nicht sitzt. Man sollte dynamisch
sitzen: einmal aufrecht, dann wieder lümmeln, zurücklehnen, vorbeugen, zusammensacken,
dann wieder durchstrecken. Eine starre Haltung mögen die Bandscheiben gar nicht, denn die
Bandscheiben leben von der Bewegung.
Viel Bewegung: Die beste Arznei für den Rücken ist Bewegung. Ein täglich durchgeführtes
Bewegungstraining fördert und stärkt die Muskulatur. Für einen lebenslang fitten Rücken geht
es nicht darum, bestimmte Bewegungen zu erlernen, da es keine falschen Bewegungen gibt
und jede Bewegung für die Rückengesundheit zählt. Wer mit Spaß aktiv ist, bleibt dabei und
Bewegung kann zum Genuss werden. Man sollte natürlich bei starken Rückenschmerzen nicht
gleich kilometerweit laufen, aber sich auch auf keinen Fall regungslos ins Bett legen und warten. Auch im Alltag lässt sich einiges mehr an Bewegung erreichen: Lassen Sie öfter mal das
Auto stehen und meiden Sie Rolltreppe und Aufzug. Steigen Sie zwei Stationen früher aus dem
Bus und gehen Sie den Rest des Weges zu Fuß.
Auch am Arbeitsplatz gibt es Bewegungstricks: Gehen Sie beim Telefonieren umher, gehen Sie
selbst zum Drucker und zum Faxgerät. Machen Sie in der Mittagspause einen Spaziergang.
Vermeidung von Rückenschmerzen am Arbeitsplatz: Die meisten von uns bekommen ihre
Rückenschmerzen nach stundenlangem Sitzen am Schreibtisch, vor dem Computer oder
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abends vor dem Fernsehgerät. Damit erst gar keine Rückenschmerzen aufkommen, sollte man
sich alle 30 Minuten aufrecht hinsetzen oder aufstehen, die ausgestreckten Arme so weit wie
möglich ausbreiten, sie soweit es geht nach hinten drücken, sodass man zwischen den Schulterblättern ein Ziehen verspürt. Diese Übung jeweils eine Minute ausführen, eine kurze Pause
machen und wiederholen. Das ist ein wunderbarerer Ausgleich gegen das stundenlange leicht
vorgeneigte Sitzen. Oder einfach zum Telefonieren Aufstehen und Tief ein- und ausatmen.
Es gibt viele Behauptungen zum Thema „Rücken“ und dessen Gesundheit, die so nicht
immer stimmen:
"Männer und Frauen haben gleich häufig Rückenschmerzen"
Falsch! Frauen leiden deutlich häufiger an akuten Rückenschmerzen, die sie außerdem als
intensiver beschreiben. Einen Unterschied gibt es außerdem, was den Ort des Schmerzes angeht: Während Frauen häufiger an Nacken- und Schulterschmerzen leiden, beklagen sich
Männer öfter über Kreuzschmerzen, also Rückenschmerz im Bereich der Lendenwirbel.
„Ein starker Rücken tut nicht weh!“ Diese Behauptung stimmt nicht immer. Es gibt muskulöse Rücken, die dennoch schmerzen. Das Geheimnis eines gesunden, fitten Rückens liegt daher in der kleinen, tiefen Rückenmuskulatur. Sie hält die Wirbelsäule im Gleichgewicht und bewahrt vor Rückenschmerzen. Die tiefen Muskeln sitzen direkt an den Wirbelkörpern. Geräte im
Fitness-Center helfen da nicht. Asiatische Medizin-Techniken wie Yoga, Chi-Gong und Thai Chi
stärken die Tiefenmuskulatur viel besser.
"Kälte kann Rückenschmerzen auslösen" Eher nein. An den meisten Rückenbeschwerden,
die im Winter schlimmer werden, ist Bewegungsmangel schuld - einfach, weil in den kalten Monaten die Couch für viele verlockernder scheint. Ausnahme ist "Zug" im Nacken, zum Beispiel
durch leichtsinniges Cabriofahren.
„Ergonomische Sitzmöbel tun dem Rücken immer gut!“ Auch diese Behauptung stimmt nur
fallweise. Da sich das Sitzmöbel dem Rücken anpasst, bleibt dieser beim Sitzen vollkommen
passiv. Und das ist das Problem. Der Rücken muss auch beim Sitzen aktiv bleiben. Deshalb ist
es besser, zeitweise auf einem einfachen Holzstuhl oder auf einer derben, einfachen Biergartenbank Platz zu nehmen.
"Wer viel sitzt, bekommt Rückenschmerzen" Das stimmt so nicht. Nicht jeder, der beispielsweise aus beruflichen Gründen viel sitzt, entwickelt automatisch Rückenschmerzen. Allerdings sollten Sie bei einer Tätigkeit im Sitzen für einen körperlichen Ausgleich vor und nach
der Arbeit sorgen. Während der Arbeit tun kleine Bewegungspausen gut. Das größte Problem
langen Sitzens ist die Bewegungsarmut, die die Rückenmuskulatur auf Dauer schwächt.
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„Schonung ist wichtig für den schmerzenden Rücken!“ Ganz falsch. Für die Rückenmuskeln gilt das Gleiche, wie für das Gehirn: Was nicht benutzt wird, verkümmert. Wer den Rücken
nicht belastet, schwächt die Tiefenmuskeln, die Bandscheiben werden ungenügend versorgt die Stabilität geht verloren. Wirbelknochen werden porös und das Risiko für Arthrose wächst.
Oft werden die Folgen der Inaktivität mit Alterserscheinungen verwechselt. Studien haben ergeben, dass ein Körper ohne Input, schneller zerfällt. 3 Wochen Bettruhe entsprechen einem
Muskelzerfall von Menschen zwischen dem 40 und 60 Lebensjahr. Der Tipp: Bewegen Sie sich
oft und natürlich, nehmen Sie beim Tragen und Heben von schweren Dingen die richtige Haltung ein. Und je kräftiger der Rücken ist, desto weniger Probleme macht er, auch wenn mal
eine falsche Haltung eingenommen wird.
„Wer Rückenschmerzen hat, muss sofort zum Arzt oder in die Klinik!“ Rückenschmerzen
müssen nicht sofort therapiert werden. Erfahrene Orthopäden bestätigen, dass 90 Prozent aller
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Rückenschmerzen nach sechs Wochen von selbst wieder verschwinden. Mit oder ohne medizinische Behandlung. Wichtig ist nur, den Rücken aktiv zu halten und in einem Kurzentrum oder
der Rückenschule entsprechende Übungen zu erlernen. Nehmen Sie bei Rückenschmerzen
keine Schonhaltung ein und schlucken Sie nicht gleich starke Schmerztabletten, die meist erhebliche Nebenwirkungen haben. Vertrauen Sie auf natürliche Behandlungen. Bedenken Sie:
80 Prozent der Rückenschmerzen entstehen nicht, weil der Rücken überfordert wurde, sondern
weil er unterfordert ist!
LITERATUR:
„Rückenfit am Arbeitsplatz“ und „BGF in der Pflege“ sind die Themen der beiden neuen Broschüren, die jetzt vom BGF-Institut veröffentlicht wurden. Beide Broschüren stehen zum Download im Internet bereit, können aber auch kostenlos als Einzelexemplar oder in größeren Stückzahlen bei [email protected] bestellt werden.
• Blech, Jörg »Heilen mit Bewegung«, 2007 bei S. Fischer Verlag (aktualisierte TB Ausgabe
:2009 )
• Batrow, Kay; Schwachstelle Rücken; 2014, Trias Verlag ISBN: 9783830469025
• Brunkhorst, H.: Rücken Qi Gong; erscheint 25.3.2015; Trias Verlag; ISBN: 9783132003118
• Larsen; C.; Dommitzsch, D.; Starker rücken, starkes Kind, 2009; Trias Verlag
ISBN: 9783830434450
• Petra Regelin: Vital & beweglich ein Leben lang, Trias Verlag, Stuttgart
• Achim Schmauderer: Wirbelsäulen-Gymnastik, Gräfe & Unzer Verlag
• Wolter T, Knoeller S, Berlis A, Hader C.: CT-Guided Cervical Selective Nerve Root Block
with a Dorsal Approach. In: American Journal of Neuroradiology 2010 Nov;31(10):1831-6
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