Kliniken fehlen Medikamente gegen Problemkeime

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Management & Krankenhaus vom 13.12.2011
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Quellrubrik:
020
Hygiene
Nummer:
12
Kliniken fehlen Medikamente gegen Problemkeime
Auf deutschen Intensivstationen breiten sich seit einigen Jahren Erreger aus, gegen die herkömmliche Antibiotika nicht
wirken: Der Anteil besonders widerstandsfähiger Kolibakterien etwa verzehnfachte sich innerhalb von acht Jahren.
Infektionen mit dem multiresistenten
Erreger Staphylococcos aureus (MRSA)
dagegen nehmen langsam ab. Gegen
neue mehrfach resistente Bakterien
kommen die Kliniken jedoch kaum noch
an. Denn gegen sie werden keine neuen
Antiinfektiva entwickelt, bemängelt die
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Stattdessen greifen Ärzte auf alte Medikamente mit starken Nebenwirkungen
zurück. Die DGAI empfiehlt dringend
einen rationalen Einsatz von Antibiotika.
Auf Intensivstationen kommen pro
1.000 Patiententage rund vier Infektionen mit den gefürchteten MRSA-Keimen vor. Das ist fast zwar drei Mal häufiger als Infekte mit den kaum bekannten Escherichia-coli-Stämmen aus der
Gruppe der gramnegativen Bakterien.
Jedoch stiegen z. B. Infektionen mit
3GC-Escherichia coli in den Jahren
2001 bis 2008 von 0,16 auf 1,39 pro
1.000 Patiententage. "Diesem enormen
Anstieg multiresistenter gramnegativer
Problemkeime wie Escherichia coli
haben wir derzeit nur wenig entgegenzusetzen", erläutert Prof. Dr. Hugo Van
Aken, Generalsekretär der DGAI aus
Münster.
Denn neue Antiinfektiva gegen diese
Bakterien würden nicht entwickelt.
Zudem sei das Darmbakterium 3GC-E
coli selbst gegen moderne BreitbandAntibiotika wie etwa Cephalosporine
der dritten Generation widerstandsfähig
- und meist gleichzeitig auch gegen
andere Antibiotikaklassen. Die alarmierenden Zahlen veröffentlichte zuletzt
das nationale Überwachungssystem für
Antibiotikaverbrauch und resistente
Erreger SARI (Surveillance der Antibiotika-Anwendung und der bakteriellen
Resistenzen auf Intensivstationen) in
Berlin und Freiburg.
"Die Folgen des Fehlens von Antiinfektiva können sich dramatisch
entwickeln", warnt Priv.-Doz. Dr. Maria
Deja von der Klinik für Anästhesiologie
mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Berliner Charité: Forscher
zeigten in einer europäische Studie, dass
in bestimmten Regionen bei Patienten
mit einer Lungenentzündung alte Medikamente eingesetzt werden mussten,
weil herkömmliche Präparate unwirksam waren. "Diese veralteten Medika-
© PMG Presse-Monitor GmbH
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mente verursachen aber oft starke
Nebenwirkungen wie Nierenversagen,
was tödlich enden kann", sagt Dr. Deja.
Außerdem zeigte ein Überwachungssystem, dass einzelne Antibiotikaklassen
auf Intensivstationen zunehmend häufiger im Einsatz sind: So verdoppelte sich
der Verbrauch an Carbapenemen, die
breit wirksam sind und als Reserveantibiotika gelten. "Bei steigendem Verbrauch von Carbapenemen besteht die
Gefahr, dass sich resistente Bakterien
selektiv vermehren - ein Teufelskreis",
erklärt Dr. Deja.
Ärzte müssen unnötige Behandlungen
mit Antibiotika unbedingt vermeiden,
damit Bakterien weniger Resistenzen
entwickeln, rät die DGAI. "Zu lange
oder nicht wirksame Antibiotikagaben
sind ebenso unnötig wie Therapien mit
Antibiotika, obwohl keine bakterielle
Infektion vorliegt", betont Prof. Van
Aken. Nur ein von der DGAI geforderter rationaler Antibiotikaeinsatz könne
die rasche Ausbreitung von Resistenzen
vermindern.
| www.dgai.de |
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