Wie politisch ist die Jugend?

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Datum: 26.09.2015
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Auflage: 8'176
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 374.003
Abo-Nr.: 1044548
Seite: 20
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Wie politisch ist die Jugend?
Schüler der Kantonsschule Urdorf sprechen über Politik
«Wähler
soll man aus
der Reserve
locken»
Interessieren sich die Jungen für Politik? Ein Gespräch unter Gymnasiasten zeig Erstaunliches: Nicht nur sorgen sich die 17-Jährigen um die Sicherung ihrer AHV-Rente, auch ist ihnen
Anstand in der Politik ein Anliegen.
VON ALEX RUDOLF (TEXT)
ALEX SPICHALE (FOTOS)
Sie sind 17 Jahre alt, können also
noch nicht wählen. Für welche politischen Themen begeistern Sie sich
trotzdem?
Sina Hort: Ich halte die Bildungspolitik
für ein wichtiges Thema, weil wir Kantonsschüler unmittelbar davon betroffen sind. Als Erwachsener hat man den
Bezug zu Ausbildungsthemen wohl ein
themen interessieren mich weniger.
Leonie Rimann: Direkte Betroffenheit
ist ein gutes Stichwort. Obwohl ich noch
nicht abstimmen und wählen darf, interessiert mich die AHV. Gerade für unsere Generation gibt es in diesem Bereich
offene Fragen, für die wir uns interessieren sollten.
Nicola Canziani: Ja. Wir wissen nicht,
ob unsere Rente dann zum Leben
reicht. Es ist schade, dass nicht mehr
Junge in der Politik vertreten sind. Die
Entscheidungsträger sind oft jene, wel-
che die Konsequenzen ihrer Politik
sche Themen?
Yara Küng: Gibt es einen aktuellen Anlass oder regt man sich über etwas auf,
dann kommt es schon vor. Ein grosses
Thema ist die Politik in meinem Freundeskreis jedoch nicht.
Über welche Themen regen Sie sich
denn speziell auf?
wenig verloren.
Max Zappe: Themen, bei denen die
Nicolas Graf: Im Fokus der Öffentlich- Meinungen auseinandergehen, haben
keit stehen derzeit die Flüchtlingspro- Potenzial für gute Diskussionen.
blematik und die Energiewende. Diese Nicola Canziani: Da kann ich Max nur
Themen sind auch für uns relevant. Bil- zustimmen In der Politik geht es dar-
nicht mehr betreffen.
Die Classe politique braucht also eine Verjüngungskur. Was würden Sie
in der Schweizer Politik sonst noch
ändern?
Sina Hort: Bei der Podiumsdiskussion
von vorhin haben die Teilnehmer teilweise aneinander vorbeigeredet. Wenn
aber mal vom selben gesprochen wur-
de, nahmen die politischen Gegner die
Argumente der anderen nicht wirklich
ernst. Das bringt niemanden weiter.
dung ist zwar wichtig, aber derzeit um, Konflikte zu lösen. Verschiedene Nicola Canziani: Genau. Ich glaube,
nicht zentral.
Meinungen sollen abgewogen und dis- dass sich die Linken und die Rechten
gar nicht recht zuhören.
kutiert werden.
Sprechen Sie mit Ihren Kollegen und Fiona Turner-Hehlen: Ich finde Politik Yara Küng: Mir ist es wichtig, dass poliKlassenkameraden oft über politispannend, wenn sie unmittelbar etwas tische Argumente durch Fakten belegmit Menschen zu tun hat. Wirtschafts- bar sind. Das Festlegen auf das klassi-
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sche Links-Rechts-Schema muss nicht zu sehr mit den Ängsten der Menschen
sein. Auch sollte man sich respektvoll spielt. Viele Parteien betreiben Angstbehandeln.
mache, ohne dabei konkrete Lösungen
anzubieten.
Die Schweizer Politiker haben unter- Yara Küng: Stimmt. Dabei stören mich
einander also keinen respektvollen Plakate nur selten. Aber dass Parteien
Umgang?
nun auch Lieder machen und mit denen
Max Zappe: Im Vergleich zu anderen in den Charts landen, das regt mich auf.
Staaten, in deren Parlamenten fast nur Das hat für mich nichts mehr mit Politik
gestritten wird, hat die Schweizer Politik
eine gute Kultur entwickelt. Ich interessiere mich stark für die US-Politik, und
dort geht es kaum noch um Inhalte.
Wahlkampf nach amerikanischem
Vorbild ist ein gutes Stichwort. So
wird in der Schweiz auch zunehmend die Partei gehört, die am lautesten brüllt. Was halten Sie von den
derzeitigen Kampagnen?
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man noch viel emotionaler und lässt
sich eher von Propaganda beeinflussen.
Dass man erst politisiert wird, wenn
man sich auch seine eigene Meinung bilden kann, finde ich gut.
Wo wurde das Interesse für die Politik geweckt? Zu Hause?
Max Zappe: Ich bespreche politische
Themen in der Regel beim Nachtessen
zu tun.
Max Zappe: Abstimmungs- oder Wahl- mit meiner Familie
werbung sollte ohnehin verboten wer- Leonie Rimann: Bei mir war das
den. Die Informationen des Bundes im gleich. Ich glaube, das ist bei den meisAbstimmungsbüchlein reichen doch ten von uns der Fall.
völlig aus.
Nicola Canziani: Max, die Stimmbetei- Angenommen, Sie könnten bei den
ligung ist schon heute im Keller. Würde National- und Ständeratswahlen am
nur noch der Staat über die Abstim- 18. Oktober Ihren Stimmzettel in die
mungen und Wahlen informieren, dann
Nicolas Graf: Wähler müssen ein wenig würden wohl noch weniger Menschen
aus der Reserve gelockt werden. Als an die Urne gehen.
Partei geht es ja darum, Aufmerksam- Fiona Turner-Hehlen: Vielleicht. Aber
Urne werfen. Wissen Sie, welche
Parteien oder Personen Sie wählen
würden?
Max Zappe: Nein. Ich finde mehrere
keit zu erhalten. Auch könnte ich mir wäre Staatskunde schon früher in der Parteien gut.
Leonie Rimann: Im Unterricht haben
vorstellen, dass extreme Kampagnen Schule ein Pflichtfach, wären die Menwie beispielsweise diejenige mit den schen auch nicht auf Wahlwerbung an- wir unser Wählerprofil online erstellt.
schwarzen Schafen der SVP Bürger zur gewiesen, um sich eine Meinung zu bil- Dadurch erhielten wir eine Wahlempden.
Meinungsbildung animieren.
Fiona Turner-Hehlen: Ich finde es
fehlung. Wenn ich abstimmen und wählen darf, werde ich sicherlich auf diese
Tools zurückgreifen.
Yara Küng: Ich identifiziere mich stark
mit einer Partei. Zwar pflichte ich nicht
nicht in Ordnung, dass Parteien unter- Sind die anderen auch dieser Meischiedlich grosse Budgets für Wahlwer- nung?
bung haben. Eine Partei mit viel Geld ist Nicola Canziani: Nein.
allen Parolen bei, doch genug, um ihr
präsenter als eine mit wenig. Das ist für
meine Stimme zu geben.
Warum
nicht?
mich keine redliche Demokratie.
Leonie Rimann: Mich stört, dass man Nicola Canziani: Als Jugendlicher ist
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J
Bei den Themen Wahlwerbung und politische Bildung gehen die Meinungen der sieben Kantonsschüler auseinander( Max, Sina, Nicola, Fiona, Nicolas, Leonie und Vara (von links)
SCHÜLER DER KANTONSSCHULE URDORF
Sie dürfen zwar noch nicht wählen, klare Haltungen haben sie trotzdem
Sina Hort
Nicola Canziani
Leonie Rimann
Max Zappe
«Ich halte die Bildungspolitik für ein
wichtiges Thema,
weil wir Kantonsschüler unmittelbar
davon betroffen
sind.»
«Als Jugendlicher ist
man noch viel emotionaler. Man lässt
sich daher viel eher
von Propaganda beeinflussen.»
«Obwohl ich noch
nicht abstimmen und
wählen darf, interessiert mich die AHV.
Gerade für uns gibt
es in diesem Bereich
offene Fragen.»
«Ich fände es gut,
wenn Wahl- oder Abstimmungswerbung
verboten würde. Das
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Abstimmungsbüchlein des Bundes gibt
die nötigen Informationen.»
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«Plakate finde ich in
Ordnung. Aber dass
Parteien nun auch
Lieder machen und
mit denen in den
Charts landen, das
regt mich auf.»
«Ich könnte mir vorstellen, dass durch
extreme Kampagnen
wie diejenige mit den
schwarzen Schafen
der SVP die Bürger
zur Meinungsbildung
animiert werden.»
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«Ich finde Politik
spannend, wenn sie
unmittelbar etwas mit
den Menschen zu
tun hat. Wirtschaftsthemen interessieren
mich weniger.»
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