Videoanalyse der Zwergohreule in Unterkärnten Auswertung von Infrarotaufnahmen aus einem Nistkasten Brutsaison 2007 Auftraggeber Amt der Kärntner Landesregierung Abt. 20, Uabt. Naturschutz Mießtaler Straße 1 9020 Klagenfurt Verfasserin Mag.a Yoko Muraoka Hintere Zollamtsstr. 3/7 1030 Wien Wien, November 2009 Auftraggeber Amt der Kärntner Landesregierung Abt. 20, Uabt. Naturschutz Mießtaler Straße 1, 9020 Klagenfurt Anschrift der Verfasserin Mag.a Yoko Muraoka Hintere Zollamtsstr. 3/7, 1030 Wien E-mail: [email protected] Fotos / Bildmaterial Videoaufnahmen © E. Modritsch / E. Kury. Fotos (sofern nicht anders angegeben) © E. Modritsch Coverfotos Standbilder von Infrarotaufnahmen aus dem Zwergohreulen-Nistkasten im Jahr 2007 (E. Modritsch, E. Kury) Zitiervorschlag Muraoka Y (2009): Videoanalyse der Zwergohreule in Unterkärnten: Auswertung von Infrarotaufnahmen aus einem Nistkasten – Brutsaison 2007. Unveröffentlichter Bericht, erstellt im Auftrag des Amtes der Kärntner Landesregierung, Abt. 20, Uabt. Naturschutz. Wien, 30 pp. Videoanalyse Zwergohreule 2007 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...................................................................................................................................... 3 Ziel der Studie .................................................................................................................................... 3 2. Material und Methodik................................................................................................................ 4 2.1 Videoaufnahmen .......................................................................................................................... 4 2.2 Dokumentation, Bestimmung der Beutetiere & Datenanalyse..................................................... 5 2.3 Meteorologische Messdaten......................................................................................................... 5 3. Ergebnisse ..................................................................................................................................... 6 3.1 Chronologischer Überblick des Brutablaufs ................................................................................ 6 3.2 Nahrungsanalyse .......................................................................................................................... 7 3.2.1 Anzahl dokumentierter Beutegaben.................................................................................... 7 3.2.2 Beutezusammensetzung im Überblick ................................................................................ 8 3.2.3 Heuschrecken in der Beute der Zwergohreule .................................................................... 9 Anteile von Larven und Imagines...................................................................................... 10 Anteile von Männchen und Weibchen ............................................................................... 10 3.2.4 Zeitliche Variationen in Fütterungsaktivität und Beutewahl ............................................ 11 Änderung der Fütterfrequenz im Brutverlauf ................................................................... 11 Beutezusammensetzung im saisonalen Verlauf................................................................. 12 Phänologie einzelner Heuschreckenarten in der Beute .................................................... 13 Tageszeitliche Variation ................................................................................................... 15 3.2.5 Beteiligung und Beutewahl der Altvögel.......................................................................... 16 3.2.6 Einfluss der Witterung ...................................................................................................... 17 4. Beschreibung und Lebensraumansprüche häufig festgestellter Heuschreckenarten .......... 19 Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda ....................................................................... 19 Zwitscherschrecke Tettigonia cantans....................................................................................... 19 Grünes Heupferd Tettigonia viridissima.................................................................................... 20 Alpen-Strauchschrecke Pholidoptera aptera............................................................................. 20 Gewöhnliche Strauchschrecke Pholidoptera griseoaptera ....................................................... 21 5. Diskussion ................................................................................................................................... 21 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................................. 27 Danksagung .................................................................................................................................... 28 Literatur.......................................................................................................................................... 28 1 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Für die Videoanalyse adaptierter Zwergohreulen-Nistkasten............................................... 4 Abb. 2: Standbilder der verfügbaren Kameraeinstellungen............................................................... 4 Abb. 3: Unterschiede in der Gefiederzeichnung von Männchen und Weibchen............................... 5 Abb. 4: Anzahl der Beutegaben in verschiedenen Phasen der Brutperiode ...................................... 7 Abb. 5: Männchen, Weibchen und nicht geschlechtsbestimmte Heuschrecken in der Beute ......... 11 Abb. 6: Anzahl der Beutegaben pro Stunde im Laufe der Brutsaison............................................. 11 Abb. 7: Beutetiergruppen in der Nahrung der Zwergohreule im Brutverlauf ................................. 12 Abb. 8: Beutetiergruppen vor und während der Jungenaufzucht .................................................... 12 Abb. 9: Heuschrecken in der Nahrung der Zwergohreule im Laufe der Brutsaison ....................... 13 Abb. 10: Phänologisches Auftreten von Heuschrecken in der Beute der Zwergohreule................. 14 Abb. 11: Prozentuale Häufigkeit von Beutetiergruppen vor vs. nach Mitternacht.......................... 15 Abb. 12: Variationen in der Beutewahl der Zwergohreule im nächtlichen Verlauf ........................ 15 Abb. 13: Fütterungsintensität der Altvögel im nächtlichen Verlauf................................................ 17 Abb. 14: Videomaterial, Beutegaben und Niederschlagsperioden in der Brutsaison 2007 ............. 18 Abb. 15: Lage der Untersuchungsgebiete quantitativer Nahrungsanalysen der Zwergohreule....... 22 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Beutezusammensetzung im Überblick .................................................................................. 8 Tab. 2: Heuschrecken in der Beute der Zwergohreulen .................................................................... 9 Tab. 3: Larven, Imagines und altersunbestimmte Heuschrecken in der Beute................................ 10 Tab. 4: Tageszeitliche Verteilung der Beutegaben.......................................................................... 15 Tab. 5: Beutespektrum von Männchen und Weibchen.................................................................... 16 Tab. 6: Das Nahrungsspektrum der Zwergohreule im europäischen Vergleich.............................. 22 Tab. 7: Artenliste der von Derbuch (2009) im Raum Wurdach festgestellten Heuschrecken......... 24 2 Einleitung 1. Einleitung Das österreichische Vorkommen der Zwergohreule Otus scops liegt am Nordrand des regelmäßig besetzen europäischen Verbreitungsareals. Das Kärntner Brutvorkommen – gleichzeitig das größte regelmäßige Brutvorkommen der Art in Österreich – konzentriert sich auf die klimatisch begünstigten Becken- und Hügellandschaften im südlichen Teil des Bundeslandes, wobei das Hauptverbreitungsgebiet in der Gemeinde Köttmannsdorf und am Plöschenberg liegt (Rass 2006, Malle & Probst 2008). Der Kärntner Bestand wird aktuell auf 15 bis 20 Brutpaare geschätzt (R. Probst, pers. Mitt.). Die Zwergohreule gilt österreichweit als vom Aussterben bedroht (Frühauf 2005). Die Nahrung der Zwergohreule besteht vornehmlich aus Großinsekten, während Kleinsäuger, Vögel und andere Wirbeltiere nur gelegentlich erbeutet werden (Herrera & Hiraldo 1976). Die Nahrungszusammensetzung variiert regional (z.B. Alivizatos et al. 2005), doch können in Abhängigkeit von saisonalen oder witterungsbedingten Verschiebungen in Beuteabundanz und -verfügbarkeit auch lokale Unterschiede in der Beutezusammensetzung bestehen (Bavoux et al. 1993). Die ausreichende Verfügbarkeit gut erreichbarer Beute ist eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Reproduktion. Nahrungsanalysen können Aufschluss über lokal wichtige Beutetiere geben und dazu beitragen, lebensraumverbessernde Maßnahmen zu deren Erhalt und Förderung zu treffen. Die Identifikation und Quantifizierung von Beutetieren wild lebender Zwergohreulen erweist sich dabei angesichts ihrer nächtlichen Lebensweise als schwierig. Studien zur Nahrungszusammensetzung der Zwergohreule beruhen daher meist auf der Analyse von Beuteresten und / oder Gewöllen (z.B. Keller & Parrag 1996) oder auf Direktbeobachtungen im Freiland (z.B. Henninger & Banderet 1990). Die Analyse von Beuteresten und Gewöllen kann jedoch oft nur fragmentarische Informationen liefern oder aber ein verzerrtes Bild der Nahrungszusammensetzung zugunsten gut nachweisbarer (z.B. aufgrund unverdaulicher oder hart sklerotisierter Körperteile) Beutetiere erzeugen (vgl. Marchesi & Sergio 2005, Selås et al. 2007). Die bislang vollständigsten Ergebnisse konnten durch die Installation von InfrarotFotofallen gewonnen werden, die neben der quantitativen Erfassung der Beutetiere und ihrer Identifikation wertvolle Einblicke in das Verhalten und die Biologie der Zwergohreule gewährten (Arlettaz et al. 1991, Arlettaz & Fournier 1993, Bavoux et al. 1993, Heller & Arlettaz 1994). Ziel der Studie Ziel der Studie war es, die Beutezusammensetzung der Zwergohreule im Kärntner Hauptverbreitungsgebiet anhand von Infrarot-Videoaufnahmen aus einem Nistkasten zu untersuchen (vgl. Derbuch 2007). Der vorliegende Bericht fasst die Beobachtungen zur Nahrungsbiologie und zum Brutablauf eines Zwergohreulen-Brutpaares in Mostitz nahe Wurdach, Gemeinde Köttmannsdorf, in der Brutsaison 2007 zusammen, wobei das Hauptaugenmerk auf die Identifikation und Quantifizierung der wichtigsten Beutetiere gerichtet wird. Zusätzlich werden Daten zum Fütterungsverhalten (z.B. Fütterfrequenz) sowie mögliche witterungsbedingte Einflüsse auf die Beutewahl beleuchtet und der Brutablauf von der Eiablage bis zum Nestverlassen der Jungvögel dokumentiert. 3 Videoanalyse Zwergohreule 2007 2. Material und Methodik 2.1 Videoaufnahmen Im Frühjahr 2007 wurden drei Infrarotkameras an einem Zwergohreulen-Nistkasten in Mostitz (46°34’18’’ N, 14°11’35 O, 720 müA, Probst & Malle 2009) montiert (Abb. 1): (1) Eine Kamera, die von außen auf den Nistkasten gerichtet die Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung des Nistkastens filmte; (2) eine Kamera, die vom Dach auf den Boden gerichtet die Geschehnisse im Nistkasteninneren dokumentierte; und (3) eine an der Nistkasteninnenseite auf das Einflugloch gerichtete Kamera, die die Beuteübergaben zwischen den Altvögeln aufzeichnete (Abb. 2 und 3). Abb. 1: Für die Videoanalyse adaptierter Zwergohreulen-Nistkasten: Eine Kamera ist außen auf den Nistkasten gerichtet, die zweite Kamera befindet sich im Dach des Nistkastens. Die Seitenkamera ist nicht abgebildet. Abb. 2: Standbild der drei Kameraeinstellungen wie sie für die vorliegende Auswertung zur Verfügung standen. Außenkamera (links oben): Zu Beginn der Saison fanden die meisten Beuteübergaben im Freien statt, wobei nur bei größeren Beutetieren (im Foto ein Schmetterling) eine genauere Zuordnung möglich war. Durch die im Dach montierte Kamera (rechts oben) konnte der Fortschritt des Brutverlaufs (Eiablage, Schlüpfen der Jungvögel) mitverfolgt werden. Auf dem Bild sind 4 Eier sichtbar. Die auf das Flugloch gerichtete Seitenkamera (links unten) ermöglichte die Bestimmung der Beutetiere bei der Übergabe. Datum und Uhrzeit der Aufnahme sind eingeblendet. Das Filmmaterial wurde von den Betreibern (E. Modritsch, E. Kury) mit der Software VideoReDo™ (http://www.videoredo.com) editiert, wobei Zeiträume ohne nennenswerte Aktivität (z.B. Intervalle ohne Beuteeintrag) herausgeschnitten wurden. Etwaige Vorkommnisse in diesen Zeiträumen, die der Autorin nicht bekannt sind, fließen nicht in den vorliegenden Bericht ein. Das für die Auswertung übermittelte Material umfasst 120 Videoclips aus 65 Nächten (Zeitraum 12. Mai bis 18. Juli 2007), die in Summe rund 595 Stunden Aufnahmedauer, zusammengeschnitten auf ca. 247 Stunden abdecken. Bis auf wenige Ausfälle waren die Aufnahmen ab dem 14. Mai mit Ton versehen. 4 Material und Methodik Aufgrund von Kameraausfällen liegen vom 15. Mai, 6. und 16. Juni keine Videoaufzeichnungen vor. Teilweise Ausfälle („Steckenbleiben“ des Films) fanden gehäuft gegen Ende der Saison statt, wodurch die Fütterungsaktivität in einigen Nächten (insbesondere am 3., 6. und 7. Juli) nur unvollständig dokumentiert wurde. 2.2 Dokumentation, Bestimmung der Beutetiere & Datenanalyse Jede Beuteübergabe wurde tabellarisch mit Datum und Uhrzeit notiert. Soweit erkennbar, wurde ab dem Zeitpunkt, ab dem beide Altvögel fütterten, das Geschlecht des beutetragenden Altvogels notiert. Die Unterscheidung von Männchen und Weibchen erfolgte anhand der Gefiederzeichnung (Abb. 3) und des Verhaltens. Die erbeuteten Individuen wurden, so weit erkennbar, einer Tiergruppe zugeordnet. Um die Größe der Beutetiere besser einschätzen zu können, wurden zu Vergleichszwecken die Schnäbel von 21 Zwergohreulen-Bälgen (ssp. scops) aus der Vogelsammlung des Naturhistorischen Museums Wien vermessen. Bei Heuschrecken wurde zudem auf eine Bestimmung wenn möglich auf Artniveau Wert gelegt. Zusätzlich wurde das Geschlecht der Tiere (anhand des Fehlens oder Vorhandenseins von Ovipositor und Cerci) sowie, ob es sich um ein Larvalstadium oder um eine Imago handelt, notiert. Vor allem bei kurzflügeligen Arten war eine solche Zuordnung anhand des Videomaterials jedoch oftmals nicht eindeutig möglich. Anfang Juli nahm die Zahl bestimmbarer Beutetiere rasant ab, da die Kamera von den zunehmend größer werdenden Jungvögeln häufig verdeckt wurde. Aufnahmen nach dem 10. Juli wurden daher nicht mehr in die Nahrungsanalyse mit einbezogen. Die statistische Auswertung erfolgte mit Statistica 7.1 (StatSoft Inc. 2005). Abb. 3: Die Altvögel (Männchen oben, Weibchen unten) konnten zumeist anhand ihrer Gefiederzeichnung unterschieden werden. Links oben: das Männchen bei der Übergabe einer LaubholzSäbelschrecke an das Weibchen. Links unten: Weibchen nach der Beuteübergabe an die Jungen. Die Aufnahmen links wurden mit der Seitenkamera, jene rechts mit der Kamera im Nistkastendach aufgezeichnet. 2.3 Meteorologische Messdaten Bei der Sichtung des Videomaterials wurden Niederschlags- und Windereignisse notiert. Zusätzlich werden Messwerte von Niederschlag und Temperatur der Wetterstation Klagenfurt Flughafen (448 müA), ca. 12 km Luftlinie vom Brutrevier entfernt, herangezogen. 5 Videoanalyse Zwergohreule 2007 3. Ergebnisse Schlüpfen & Jungenaufzucht Eiablage & Inkubationsphase Balz & Brutplatzwahl 3.1 Chronologischer Überblick des Brutablaufs 6 12.05. – 18.05. Nestzeigen des Männchens, das wiederholt in den Nistkasten fliegt, mit den Füßen scharrt und das Weibchen lockt. 19.05. Erste dokumentierte Beutegaben durch das Männchen. 20.05. –22.05. Das Weibchen sitzt nun öfters im Nistkasten, scharrt, dreht Runden und singt. Beutegaben werden größtenteils noch im Freien überreicht, häufig gefolgt von ausgiebigem gegenseitigem Kraulen und Schnäbeln. 23.05. Gegen Ende der Nacht fliegt das Weibchen in den Nistkasten und übertagt erstmals darin. In Folge verbringt sie die Tage im Nistkasten. 26.05. Das Weibchen verbringt die meiste Zeit außerhalb des Nistkastens, in dem sie untertags das erste Ei abgelegt hat. 26.05. – 27.05. Mehrmals erscheint ein zweites Männchen und versucht, mit dem Weibchen zu kopulieren. Auch in den folgenden Nächten können vereinzelt Kopulationsversuche beobachtet werden. 28.05. Im Nistkasten befinden sich 2 Eier. 30.05. Im Nistkasten befinden sich 3 Eier. 01.06. Im Nistkasten befinden sich 4 Eier. Das Weibchen verbringt nun deutlich mehr Zeit auf dem Gelege. 03.06. Das Weibchen hat untertags das 5. Ei abgelegt. Damit ist das Gelege vollständig. 04.06. –20.06. Brüten des Weibchens. Beuteübergaben erfolgen zunehmend, gegen Ende der Bebrütungsphase ausschließlich im Nistkasten. 21.06. 1. Jungvogel geschlüpft. 22.06. 2. Jungvogel geschlüpft. 23.06. 3. Jungvogel geschlüpft. 24.06. 4. und 5. Jungvogel geschlüpft. 26.06. Ab nun beteiligt sich auch das Weibchen an der Nahrungssuche. 14.07. Ausfliegen der ersten beiden Jungvögel. 15.07. Ausfliegen des 3. Jungvogels. 16.07. Ausfliegen der letzten beiden Jungvögel. Ergebnisse 3.2 Nahrungsanalyse 3.2.1 Anzahl dokumentierter Beutegaben Insgesamt liegen 2152 Beutetiere der Mostitzer Zwergohreulen vor: Im Zeitraum von 19. Mai bis 10. Juli (51 Nächte) wurden 2146 Beutegaben registriert (Median: 21 Beutetiere / Nacht, Min–Max: 1–211 bzw. 3,1 Beutegaben / Stunde, Min–Max: 0,3–29,3). Als „Beutegabe“ wurden sämtliche Fälle gewertet, in denen einer der Altvögel mit Beute erschien mit der scheinbaren Absicht zu füttern. Die verbleibenden sechs Beutetiere waren fünf Ohrwürmer, die das Weibchen von der Nistkastenwand pickte und fraß, sowie eine Fledermaus, von der Datum und Uhrzeit der Übergabe unbekannt sind (vgl. Kap. 3.2.2). Die Zahl der Beutegaben variierte in verschiedenen Phasen der Brutperiode (Abb. 4): Zu Beginn der Aufzeichnungen, während Balz, Paarung und Brutplatzwahl, wurde nur ein geringer Anteil von Beutegaben registriert, die größtenteils außerhalb des Nistkastens übergeben wurden. Während der Eiablage nahm die Zahl der dokumentierten Übergaben deutlich zu, wobei Beutetiere erst ab der Ablage des vierten Eies (1. Juni) vornehmlich zum Nistkasten getragen wurden. Dies könnte den Beginn des „festen Brütens“ durch das Weibchen kennzeichnen. Während der Inkubationsphase verließ das Weibchen noch gelegentlich den Nistkasten, wobei es auch Beute übernahm und außerhalb des Nistkastens verzehrte. Der Großteil der Übergaben erfolgte jedoch im Nistkasten bis, ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des ersten Jungvogels (21. Juni) und der damit einher gehenden Jungenaufzucht, Beutetiere ausschließlich im Nistkasten übergeben wurden. In den Zeitraum von 21. Juni bis 10. Juli fallen 77,5% aller anhand des Videomaterials dokumentierten Beutegaben. Zwischen 3. und 7. Juli kam es aufgrund technischer Probleme vermehrt zu teilweisen Kameraausfällen (Abb. 14). Die geringe Zahl dokumentierter Beutegaben in diesem Zeitraum kann daher die tatsächliche Fütterungsaktivität nicht widerspiegeln. Am 9. Juli hingegen fanden aufgrund von starken, lang anhaltenden Niederschlägen, nur wenige Beutegaben statt (vgl. Kap 3.2.6). Abb. 4: Anzahl der Beutegaben in verschiedenen Phasen der Brutsaison (n=2146): Zu Beginn wurden Beutetiere meist im Freien übergeben (schwarz), ab dem Schlüpfen des ersten Jungvogels ausnahmslos zum Nistkasten getragen (grau). Starke Schwankungen gegen Ende der Saison sind technisch (aufgrund von Kameraausfällen) oder witterungsbedingt. 7 Videoanalyse Zwergohreule 2007 3.2.2 Beutezusammensetzung im Überblick Die Nahrung der untersuchten Zwergohreulen bestand zu einem überragenden Teil (99,1% aller dokumentierten Beutetiere) aus Wirbellosen (Tab. 1), wovon 77,6% auf nur vier Insektenordnungen entfielen. 21% konnten aufgrund ihrer Größe und / oder der Videoqualität nicht näher bestimmt werden und wurden daher als unbestimmte Invertebraten verzeichnet. Unter den restlichen Wirbellosen wurde ein Hundertfüßer (Chilopoda) – mit hoher Wahrscheinlichkeit handelte es sich um einen Spinnenläufer Scutigera coleoptrata – sowie zehn mittelgroße bis große Webspinnen (Araneae) registriert. Unter den verzeichneten Insektengruppen wurden fünf Ohrwürmer (Dermaptera), die das Weibchen von der Nistkastenwand pickte, und acht mittelgroße bis große Zikadenarten, darunter die Bergsingzikade Cicadetta montana festgestellt. Den weitaus größten Anteil (62,4% der Invertebrata) nahmen jedoch die Heuschrecken (Orthoptera) ein, wobei durchwegs Langfühlerschrecken (Ensifera) identifiziert wurden. Diese entstammten größtenteils zwei Familien, den Sichelschrecken (Phaneropteridae, 293 Exemplare) und den eigentlichen Laubheuschrecken (Tettigoniidae, 730 Exemplare). Auf die festgestellten Arten wird in Kap. 3.2.3 näher eingegangen. Mit 327 Exemplaren (15,2% aller Beutetiere) stellten Schmetterlinge (Lepidoptera) die zweitgrößte Beutetiergruppe nach den Heuschrecken dar. In 14 Fällen handelte es sich um Raupen, wobei je ein Exemplar den Spannern (Geometridae) und den Schwärmern (Sphingidae) sicher zugeordnet werden konnte. Unter den Imagines wurde mehrfach die Hausmutter Noctua pronuba, ein Eulenfalter (Noctuidae) registriert. Unter den Säugetieren (0,9%) wurden 18 Langschwanzmäuse (Muridae) festgestellt. Ob es sich dabei um Wald- (Apodemus sylvaticus) oder Hausmäuse (Mus musculus) handelte, die sich in Größe und Aussehen ähneln, muss aufgrund der Aufnahmequalität (durch die Vögel verdeckte Beutetiere, Farbgebung in der Infrarotaufnahme) dahingestellt bleiben. Der Eintrag einer Fledermaus (Chiroptera) wurde aufgezeichnet, doch versehentlich beim Editieren des Filmmaterials gelöscht (G. Malle, pers. Mitt.). Eine genauere Bestimmung ist daher nicht möglich. Taxonomische Einheit Invertebrata Chilopoda Arachnida Insecta Scutigeromorpha Araneae Scutigeridae Dermaptera Orthoptera Forficulidae Phaneropteridae Tettigoniidae Gryllotalpidae indet. Hemiptera Lepidoptera Cicadidae Invertebrata indet. Vertebrata Mammalia Chiroptera Rodentia Summe 8 Muridae N % 2133 1 10 1670 5 293 727 3 307 8 327 452 19 1 18 99,12 0,05 0,46 77,60 0,23 13,62 33,78 0,14 14,27 0,37 15,20 21,00 0,88 0,05 0,84 2152 100,00 Tab. 1: Beutezusammensetzung der Mostitzer Zwergohreulen: Absolute und prozentuale Häufigkeiten der erbeuteten Taxa im Zeitraum 19. Mai bis 10. Juli 2007. Ergebnisse 3.2.3 Heuschrecken in der Beute der Zwergohreule In Summe konnten 1330 Beutetiere eindeutig als Heuschrecken identifiziert werden. 54,7% davon entfallen auf die Familie der Tettigoniidae („Laubheuschrecken“, Tab. 2). Die häufigste Art und zugleich das häufigste Beutetier allgemein war die Zwitscherschrecke (Tettigonia cantans, 323 Exemplare). Ihre Schwesternart, das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima), wurde mit 36 Individuen ungleich seltener registriert. 215 Individuen der Gattung Tettigonia konnten keiner der beiden Arten zugeordnet werden, wobei es sich vornehmlich um männliche Tettigonia-Larven handelte. Als zweithäufigste Art wurde die Laubholz-Säbelschrecke (Barbitistes serricauda, 292 Exemplare) aus der Familie der Sichelschrecken (Phaneropteridae) identifiziert. Die Gattungen Tettigonia und Barbitistes repräsentierten gemeinsam 65,1% aller bzw. 84,8% aller artbestimmten Heuschrecken in der Beute der untersuchten Zwergohreulen. Des Weiteren wurden 149 Individuen (11,2% aller Heuschrecken) der Gattung Pholidoptera registriert. Dabei handelte es sich um die Alpen-Strauchschrecke (Pholidoptera aptera, 87 Ex.) und die Gewöhnliche Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera). 24 Exemplare konnten keiner Art zugeordnet werden. Drei Mal wurden Individuen der Gattung Metrioptera festgestellt. In einem Fall könnte es sich dabei um die Kurzflügelige Beißschrecke (Metrioptera brachyptera), ein Mal um Roesels Beißschrecke (Metrioptera roeselii) gehandelt haben, eine sichere Zuordnung war jedoch nicht möglich. Drei Mal wurde der Eintrag einer Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) festgestellt. Des Weiteren gelang je ein Nachweis der Gattung Phaneroptera (vermutlich Phaneroptera falcata, Gemeine Sichelschrecke), sowie der seltenen Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger. Familie Deutscher Name / Wissenschaftlicher Name N % Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda Sichelschrecke sp. Phaneroptera sp. 293 292 1 22,03 21,95 0,08 Zwitscherschrecke Tettigonia cantans Grünes Heupferd Tettigonia viridissima Heupferd sp. Tettigonia sp. Beißschrecke sp. Metrioptera sp. Alpen-Strauchschrecke Pholidoptera aptera Gewöhnliche Strauchschrecke Pholidoptera griseoaptera Strauchschrecke sp. Pholidoptera sp. Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger 727 323 36 215 3 87 38 24 1 54,66 24,29 2,71 16,17 0,23 6,54 2,86 1,80 0,08 3 3 0,23 0,23 Orthoptera indet. 307 23,08 Summe 1330 100,00 Phaneropteridae Tettigoniidae Gryllotalpidae Maulwurfsgrille Gryllotalpa gryllotalpa Tab. 2: Orthoptera in der Beute der Mostitzer Zwergohreulen. 9 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Mit 307 Individuen ist der Anteil an unbestimmten Heuschrecken hoch. Der Großteil davon wurde im Juli registriert (vgl. Abb. 9), als die Jungen durch ihre zunehmende Größe und heftiges Betteln die Kamera bei der Beuteübergabe oft verdeckten. In einigen Fällen konnte eine genauere Bestimmung nicht vorgenommen werden, da kein Videomaterial der Seitenkamera vorlag (z.B. 29. Juni). Schließlich umfassen diese unbestimmten Individuen auch kleinere Exemplare – kleine Arten oder Larvenstadien – die anhand des Videomaterials nicht näher bestimmt werden konnten. Anteile von Larven und Imagines Bei 875 (65,8%) aller erbeuteten Orthoptera konnte festgestellt werden, ob es sich um Heuschreckenlarven oder um adulte Tiere handelte (Tab. 3). Insgesamt wurden 566 Imagines (42,6%) und 309 (23,2%) Larven registriert, wobei durchwegs späte (letzte oder vorletzte) Larvenstadien festgestellt wurden. Bei 455 Heuschrecken (34,2%) war eine eindeutige Zuordnung nicht möglich. Anteile von Männchen und Weibchen Bei 71,7% aller Heuschrecken konnte das Geschlecht der Tiere festgestellt werden, wobei der Anteil an Männchen (34,6%) und Weibchen (37,1%) sich in etwa die Waage hielt. 28,3% der Heuschrecken konnten nicht zugeordnet werden, eine Verschiebung der Männchen- bzw. Weibchen-Anteile wäre daher möglich. Die anteilsmäßige Verteilung von Männchen, Weibchen und nicht geschlechtsbestimmter Individuen für einzelne Arten ist in Abb. 5 dargestellt. Während bei Barbitistes serricauda die Zahl der festgestellten Männchen überwog, wurden von Tettigonia cantans, Pholidoptera aptera und Pholidoptera griseoaptera mehr Weibchen in der Beute registriert als Männchen. Bei Tettigonia viridissima war das Verhältnis hingegen ausgeglichen. Die scheinbare Bevorzugung von Weibchen von T. cantans wird durch die hohe Zahl männlicher Tettigonia sp.-Individuen relativiert, die vor allem durch Männchen-Larven repräsentiert sind. Während Weibchen augrund ihrer Legeröhre bereits als Larven gut voneinander unterscheidbar sind, können Männchen von T. cantans und T. viridissima oft erst als Imagines voneinander unterschieden werden. Bei Pholidoptera-Arten hingegen Wissenschaftlicher Name Phaneroptera sp. Barbitistes serricauda Tettigonia cantans Tettigonia viridissima Tettigonia sp. Metrioptera sp. Pholidoptera aptera Pholidoptera griseoaptera Pholidoptera sp. Ephippiger ephippiger Gryllotalpa gryllotalpa Orthoptera indet. Summe 10 N % Larven % Imagines % indet. 1 292 323 36 215 3 87 38 24 1 3 307 100,00 15,07 30,96 13,89 63,26 33,33 3,45 26,32 12,50 0,00 0,00 1,95 0,00 68,84 67,18 86,11 25,12 33,33 48,28 42,11 8,33 0,00 66,67 0,00 0,00 16,10 1,86 0,00 11,63 33,33 48,28 31,58 79,17 100,00 33,33 98,05 1330 Tab. 3: Absolute Häufigkeiten festgestellter Heuschreckentaxa und Prozentanteile von Larven, Imagines und Individuen, die keiner Gruppe zugeordnet werden konnten. Ergebnisse Abb. 5: Anteile männlicher, weiblicher und nicht geschlechtsbestimmter Individuen von Barbitistes serricauda (Base, n=292), Tettigonia cantans (Teca, n=323), Tettigonia viridissima (Tevi, n=36), Tettigonia sp. (Tesp, n=215), Pholidoptera aptera (Phap, n=87), Pholidoptera griseoaptera (Phgr, n=38), Pholidoptera sp. (Phsp, n=24) und unbestimmter Orthoptera (indet., n=307) in der Beute . muss der hohe Anteil nicht geschlechtsbestimmter Individuen von Pholidoptera sp. berücksichtigt werden. Generell können ohne die zeitgleich Erfassung der Männchen- und Weibchenanteile unter den Beutetieren im Gebiet keine Rückschlüsse auf eine geschlechtsspezifische Bevorzugung bei einzelnen Arten gezogen werden. 3.2.4 Zeitliche Variationen in Fütterungsaktivität und Beutewahl Änderung der Fütterfrequenz im Brutverlauf Entsprechend der unterschiedlichen Anzahl festgestellter Beutegaben, variierte auch die Fütterfrequenz beträchtlich im Laufe der Saison (Kruskal-Wallis ANOVA, H4,50=33,7, p<0,0001): Zwischen 19. Mai und 20. Juni (Dekaden 1 bis 3 in Abb. 6) schwankte der Median zwischen 0,9 und 3,3 Beutegaben pro Stunde. In der letzten Junidekade nahm die Fütterfrequenz zu (Dek. 4: Median=5,8 Beutegaben / h), und stieg im Juli (Dek. 5) auf einen Median von 16,3 Beutegaben pro Stunde. In Summe lag der Median der Beutegaben vor dem Schlüpfen der Jungvögel (19. Mai bis 20. Juni) bei 2 Beutegaben pro Stunde, während er danach, ab dem Schlüpfen des ersten Jungvogels und der damit einhergehenden Jungenaufzucht, mit 10 Beutegaben pro Stunde auf das Fünffache stieg (vgl. auch Abb. 14). Abb. 6: Anzahl der Beutegaben pro Stunde in Dekaden (50 Nächte im Zeitraum 19. Mai bis 10. Juli 2007, n=2145 Beutegaben). 11 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Abb. 7: Anteilsmäßige Verteilung von Beutetiergruppen in der Nahrung der Zwergohreule und Anzahl der registrierten Beutegaben pro Nacht. Da zu Beginn der Saison die meisten Beuteübergaben außerhalb des Nistkastens erfolgten, blieben die meisten Beutetiere in diesem Zeitraum unbestimmt. Nach der Ablage des 4. von 5 Eiern (2. Juni) wurde Beute meist im Flugloch des Nistkastens übergeben, wodurch eine Bestimmung der Beutetiere über die Seitenkamera möglich wurde. Nächte mit vielen unbestimmten Individuen später in der Saison beruhen auf Kameraausfällen (25./29. Juni) bzw. darauf, dass die Kamera mit zunehmender Größe der Jungvögel von diesen verdeckt wurde. Beutezusammensetzung im saisonalen Verlauf Die anteilsmäßige Verteilung der Beutetiergruppen in der Nahrung der Zwergohreule zeigte deutliche Unterschiede im saisonalen Verlauf (Abb. 7). Bedingt durch die anfänglich geringe Anzahl dokumentierter Beutegaben können keine eindeutigen Aussagen über die bevorzugte Beutewahl zu Beginn der Saison gemacht werden. Der hohe Anteil nicht identifizierter Beutetiere im Mai und Anfang Juni ist darauf zurückzuführen, dass sich das Weibchen zu dieser Zeit meist außerhalb des Nistkastens befand und die Beuteübergaben dementsprechend überwiegend im Freien erfolgten (Abb. 4). Erst mit der Fertigstellung des Geleges verbrachte das Weibchen zunehmend mehr Zeit im Nistkasten, wodurch die Bestimmung der Beutetiere über die Seitenkamera möglich wurde (vgl. Kap. 3.2.1). In der ersten Junihälfte wurden vor allem Nachtfalter erbeutet, während nur ein geringer Anteil der Beute auf Heuschrecken entfiel. Danach änderte sich das Bild schlagartig: ab Mitte Juni machten Heuschrecken den überwiegenden Teil der Beute aus, der Anteil an Nachtfaltern fiel stark ab und blieb im weiteren Verlauf auf niedrigem Niveau. Kleinsäuger und „Andere“ (Hundertfüßer, Zikaden etc.) machten durchwegs nur einen geringen Anteil der Beute aus (Abb. 7). Abb. 8: Anteilsmäßige Gewichtung verschiedener Beutetiergruppen vor (19. Mai bis 20. Juni, n=483 Beutegaben) und während der Jungenaufzucht (21. Juni bis 10. Juli, n=1663). Die Gruppe „Andere“ besteht durchwegs aus anderen Insekten und unbestimmten Wirbellosen. 12 Ergebnisse Abb. 9: Prozentuale Häufigkeiten einzelner Heuschreckenarten (Balkenplot, linke Achse) und Anzahl registrierter Orthoptera pro Nacht (Linienplot, rechte Achse) im Laufe der Saison (n=1330 Heuschrecken). Vor dem 7. Juni wurden keine Heuschrecken in den Nistkasten eingetragen. Der hohe Anteil unbestimmter Beutetiere am 25. und 29. Juni ist auf Ausfälle der Seitenkamera zurückzuführen. Das Videomaterial aus diesen Nächten liegt fast ausschließlich von der Kamera im Dach des Nistkastens vor, wobei die Beute meist durch den fütternden Altvogel verdeckt wurde. Ebenso stieg gegen Ende der Saison der Anteil an nicht bestimmbarer Beute, da die heftig bettelnden Jungen mit zunehmender Größe die Kamera verdeckten. Die Bedeutung von Schmetterlingen und Heuschrecken als Beute im Brutverlauf wird beim Vergleich der Nahrungszusammensetzung in den Perioden vor versus ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens der Jungvögel besonders deutlich (Abb. 8). Phänologie einzelner Heuschreckenarten in der Beute Die Phänologie der häufigsten Heuschreckenarten ist nur bedingt anhand des Videomaterials feststellbar, da (1) Art und Anzahl von Heuschrecken, die außerhalb des Nistkastens übergeben wurden, weder bestimmt noch quantifiziert, und (2) ein hoher Anteil der im Nistkasten übergebenen Heuschrecken nicht auf Artniveau bestimmt werden konnte. Ab dem 5. Juli (Pentade 38) nimmt der Anteil unbestimmter Heuschrecken überhand (Abb. 9, 10), weshalb die dargestellten Phänogramme nicht den tatsächlichen phänologischen Verlauf widerspiegeln können. Barbitistes serricauda wurde erstmals am 7. Juni in der Beute registriert (Imago). Während die Art zu Beginn nur vereinzelt festgestellt wurde, kam es ab Ende Juni (Pentade 36, Abb. 10) zu einer deutlichen Zunahme vor allem adulter Individuen in der Beute. Tettigonia cantans wurde ab dem 9. Juni registriert, eine Imago wurde erstmals am 18. Juni eingetragen. Ein quantitativer Anstieg war früher als bei Barbitistes serricauda feststellbar und erreichte bereits Ende Juni (Pentade 36) ein Plateau, wobei 61,2% der eingetragenen Tiere durch Imagines repräsentiert waren. Ihr Anteil stieg in Pentade 37 noch weiter auf 79,8%. Tettigonia viridissima wurde ab dem 18. Juni (Imago: 19. Juni) festgestellt. Die Anzahl des Grünen Heupferds könnte aufgrund der zahlreichen Tettigonia sp.-Exemplare unterschätzt 13 Videoanalyse Zwergohreule 2007 worden sein, jedoch wurden auch Imagines, die gut von der Schwesternart unterschieden werden können, nur in geringen Zahlen registriert. Individuen von Tettigonia sp. wurden ab dem 8. Juni festgestellt. Dabei handelte es sich vornehmlich um Männchen-Larven, deren Artzugehörigkeit nicht festgestellt werden konnte. Später in der Saison stieg hingegen der Anteil an Imagines, die, im Video teilweise verdeckt, nicht näher bestimmt werden konnten. Ein quantitativer Anstieg zeichnete sich, ähnlich wie bei T. cantans, bereits in Pentade 35 ab. Eine Imago von Pholidoptera aptera wurde erstmals am 8. Juni eingetragen. Die Art wurde durchwegs in geringen Zahlen registriert, wobei die Unterscheidung von Larven und Imagines oft nicht eindeutig möglich war. Pholidoptera griseoaptera wurde erstmals am 24. Juni, eine Imago am 30. Juni, und damit erst spät in der Saison festgestellt. Individuen der Gattung Pholidoptera wurden zwischen 21. Juni und 8. Juli registriert. Aufgrund des späten Auftretens in geringen Zahlen können hier keine phänologischen Muster abgelesen werden. Abb. 10: Absolute Häufigkeiten (Pentadensummen) einzelner Heuschreckenarten (Imagines, Larven und Individuen, die nicht eindeutig einer Altersklasse zugeordnet werden konnten) in der Beute der untersuchten Zwergohreulen. Die unterbrochene Linie markiert den Zeitpunkt, ab dem der dargestellte phänologische Verlauf aufgrund der hohen Anzahl unbestimmter Individuen nicht mehr als repräsentativ angesehen werden kann. Pentade 32: 5. bis 9. Juni; Pentade 38: 5. bis 9. Juli. 14 Ergebnisse Tageszeitliche Variation Beutegaben Uhrzeit N % 20:00-21:00 5 0,23 21:00-22:00 352 16,43 22:00-23:00 370 17,23 23:00-24:00 298 13,91 24:00-01:00 227 10,50 01:00-02:00 233 10,88 02:00-03:00 215 9,99 Tab. 4: Tageszeitliche Verteilung der Beutegaben, 19. Mai bis 10. Juli 2007. 99,8% aller Beutegaben wurden zwischen 21:00 und 05:00 Uhr registriert, nur vereinzelt fanden frühere bzw. spätere Einträge statt (frühester Zeitpunkt 20:46 Uhr am 27. Juni, spätester Zeitpunkt 05:05 Uhr am 28. Juni, Tab. 4). Die fütterungsintensivste Phase fiel in den Zeitraum zwischen 21:00 und 23:00 Uhr. Auch in der Beutewahl zeigen sich leichte Verschiebun04:00-05:00 200 9,34 gen im nächtlichen Verlauf (Abb. 11 und 12): Obwohl 05:00-06:00 2 0,09 Heuschrecken zu jeder Zeit am stärksten in der Beute Summe 2146 100,00 vertreten waren, nahm ihr Anteil nach Mitternacht leicht ab, während sich der Anteil an Schmetterlingen in den Stunden nach Mitternacht verdoppelte. Diese Zunahme beruht vor allem auf der steigenden Anzahl registrierter Schmetterlinge in den frühen Morgenstunden (Abb. 12 links). 03:00-04:00 244 11,39 Der zeitliche Verlauf registrierter Orthoptera in der Beute wird gut durch die beiden häufigsten Heuschreckenarten wiedergegeben (Abb. 12 rechts). Zu Beginn des Abends, in den fütterungsintensivsten Stunden, dominierte T. cantans, während in den Stunden nach Mitternacht B. serricauda häufiger erbeutet wurde. In Summe wurden 61,9% aller T. cantans vor, und 38,1% nach Mitternacht erbeutet, während es sich bei B. serricauda genau umgekehrt verhielt (33,2% vs. 66,8%). Abb. 11: Prozentuale Häufigkeit verschiedener Beutetiergruppen vor und nach Mitternacht (n=2146 Beutegaben). Abb. 12: Wichtige Beute der Zwergohreule im nächtlichen Verlauf. Anzahl erbeuteter Individuen pro Stunde gemittelt über 38 Nächte im Zeitraum 1. Juni bis 10. Juli 2007. Registrierungen der beiden wichtigsten Beutetiergruppen (links) und der zwei häufigsten Heuschreckenarten (rechts) im Laufe der Nacht. 15 Videoanalyse Zwergohreule 2007 3.2.5 Beteiligung und Beutewahl der Altvögel Während der Jungenaufzucht beteiligte sich das Weibchen erstmals am 26. Juni an der Nahrungssuche. Im Zeitraum vom 26. Juni bis 10. Juli wurden 41,6% der Beutegaben durch das Männchen und 20,5% durch das Weibchen erbracht. Ab dem 4. Juli steigt der Anteil an Beuteübergaben, bei denen der fütternde Altvogel nicht erkannt werden konnte (insgesamt 37,9%). Auf die gesamte Auswertungsperiode (19. Mai bis 10. Juli) bezogen, wurden 58,8% der Beute durch das Männchen, 14,5% durch das Weibchen eingetragen. Zwischen 26. Juni und 3. Juli wurden 840 Beutegaben registriert, von denen 99,3% einem der Altvögel zugeordnet werden konnte. In diesem Zeitraum schwankte die Beteiligung des Weibchens pro Nacht zwischen 7,2% und 41,7%. Rund ein Drittel der Beute wurde in diesen Nächten vom Weibchen eingetragen (Tab. 5). Vorhergehende, nicht auf den Videoaufnahmen dokumentierte Übergaben zwischen den Altvögeln können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Abb. 13 zeigt die Fütterungsaktivität der Altvögel im nächtlichen Verlauf als Abweichung von der durchschnittlich von ihnen eingetragenen Beutezahl in diesem Zeitraum. Das Männchen fütterte besonders intensiv zu Beginn der Aktivitätszeit. Bei nachlassender Fütterungsaktivität des Männchens wurde Beute verstärkt vom Weibchen eingetragen. Die geringste Anzahl an Beuteeinträgen wurde zwischen 2:00 und 3:00 Uhr Früh registriert. Männchen und Weibchen legten unterschiedliche Präferenzen in der Wahl der beiden wichtigsten Beutetiergruppen an den Tag: Während das Männchen verhältnismäßig häufiger Heuschrecken fütterte, wurden Schmetterlinge eher vom Weibchen erbeutet (χ2=4,17, p=0,041). Von den beiden häufigsten Beutetieren wurde Tettigonia cantans bevorzugt vom Männchen eingetragen, Barbitistes serricauda hingegen vom Weibchen (χ2=30,48, p<0,0001). Obwohl Pholidoptera griseoaptera überwiegend vom Weibchen erbeutet worden zu sein scheint, konnte kein anteilsmäßiger Unterschied festgestellt werden (Binomial Test, p=0.1214). Taxonomische Einheit Chilopoda Arachnida Insecta Scutigeromorpha Araneae Orthoptera Barbitistes serricauda Tettigonia cantans Tettigonia viridissima Tettigonia sp. Pholidoptera aptera Pholidoptera griseoaptera Pholidoptera sp. Andere / indet. Auchenorrhyncha Lepidoptera Invertebrata indet. Mammalia Rodentia Summe 16 Muridae N %M %W 1 9 791 223 214 18 100 39 34 12 111 3 40 29 7 0,00 55,56 72,44 64,13 86,92 83,33 85,00 79,49 35,29 50,00 59,46 100,00 57,50 37,93 57,14 100,00 37,50 27,56 35,87 13,08 16,67 15,00 20,51 64,71 50,00 40,54 0,00 42,50 62,07 42,86 840 70,24 29,76 Tab. 5: Beutespektrum von Männchen und Weibchen: Summe der Beutetiere und prozentuale Häufigkeiten der von Männchen und Weibchen eingetragenen Taxa im Zeitraum 6. Juni bis 3. Juli 2007. Ergebnisse Abb. 13: Fütterungsintensität der Altvögel im nächtlichen Verlauf im Zeitraum 26. Juni bis 3. Juli 2007. Dargestellt ist die prozentuale Abweichung vom Mittelwert. Positive Werte kennzeichnen eine verstärkte, negative eine verminderte Fütterungsaktivität bezogen auf die durchschnittliche Zahl der von Männchen (Mittelwert=6,8 Beutegaben/h) und Weibchen (Mittelwert=3,2) eingetragenen Beute. 3.2.6 Einfluss der Witterung Im Zeitraum 19. Mai bis 10. Juli wurden in 16 Nächten Niederschläge in Klagenfurt verzeichnet, darunter 14 Nächte mit nur leichten oder kurz anhaltenden Regenfällen. Die höchsten Niederschlagssummen wurden am 28. Mai und am 9. Juli gemessen (Abb. 14). In beiden Nächten konnten auch auf den Videoaufnahmen starker Regen, Gewitter und lebhafter Wind beobachtet werden. Im Gegensatz zum 28. Mai fiel das Gewitter am 9. Juli in die fütterungsintensive Jungenaufzuchtsphase. Das Alter der Jungvögel betrug zu diesem Zeitpunkt 16 bis 19 Tage (vgl. Kap. 3.1). Am 9. Juli wurden zwischen 21:30 und 3:30 Uhr sechs Beutetiere (= ein Beutetier pro Stunde) eingetragen. Aufgrund technischer Probleme endet die Aufzeichnung bereits kurz nach 3:30 Uhr. Zum Vergleich: Am Vortag wurden im selben Zeitraum 106 Beutetiere (17,7 Beutegaben / h), am darauf folgenden Tag 124 Beutegaben (20,7 Beutegaben / h) eingetragen. In dem genannten Zeitraum entspricht der Beuteeintrag am 9. Juli 4,8 bis 5,6% der beiden umgebenden Tage. Abb. 14 (nächste Seite): Dauer des vorliegenden Videomaterials, dokumentierte Beutegaben und Niederschlagsperioden zwischen 19. Mai und 10. Juli 2007. Nur Aufnahmen zwischen 20:00 und 6:00 Uhr sind berücksichtigt. Nach dem Schlüpfen der Jungvögel stieg die Zahl der Beutegaben deutlich an, wobei sich ab dem 26. Juni auch das Weibchen an der Nahrungssuche beteiligte. Zeiträume, in denen anhand des Videomaterials Niederschläge festgestellt werden konnten, sind blau hinterlegt. Die in Klagenfurt gemessenen Niederschlagssummen (20:00 bis 6:00 Uhr) geben einen Eindruck über die Stärke eines Niederschlagsereignisses. 17 Videoanalyse Zwergohreule 2007 18 Beschreibung häufiger Heuschreckenarten 4. Beschreibung und Lebensraumansprüche häufig festgestellter Heuschreckenarten Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda (nach Hafner & Zimmermann 1998, Waeber & Strätz 2003, Bellmann 2006) Die Imagines von Barbitistes serricauda – der nach Tettigonia cantans am zweithäufigsten festgestellten Heuschreckenart (292 Individuen) – werden 15 bis 20 mm groß. Die Larven halten sich in der Krautschicht oder an Blättern niederer Sträucher auf und ernähren sich dementsprechend von Blättern krautiger Pflanzen und Laubblättern niederer Büsche und Bäume. Nach der Imaginalhäutung halten sich die vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Tiere in der Strauch- und Baumschicht auf und ernähren sich fast ausschließlich von Blättern holziger Pflanzen. Das Weibchen legt seine Eier in Rindenritzen oder morsches Holz. Nach der fakultativ ein- bis zweijährigen Embryonalentwicklung können Larven der Laubholz-Säbelschrecke vor allem ab Anfang Mai angetroffen werden. Sie durchlaufen fünf Larvenstadien bis zur Imaginalhäutung, die ab Ende Juni stattfindet. In ihren Lebensraumansprüchen wird Barbitistes serricauda als heliophil und thermo-mesohygrophil beschrieben. Die Männchen stridulieren vorwiegend in der Dämmerung und nachts, wobei der im Ultraschallbereich liegende Gesang bei ca. 15 bis 10°C eingestellt wird. Als entscheidend für ihr Vorkommen nennen Waeber & Strätz (2003) neben klimatischen Faktoren vor allem das Angebot an Gehölzpflanzen mit vielschichtiger, grobspaltiger Rinde für die Eiablage und krautiger Unterwuchs als Larvalhabitat. Aufgrund ihrer kryptischen Lebensweise ist die Art nur durch Keschern der Larven in gehölznahen Krautsäumen und durch Verhören stridulierender Männchen mit einem Bat detector gut erfassbar. Zwitscherschrecke Tettigonia cantans (nach Detzel 1998a, Kuhn 2003b, Bellmann 2006) Die Zwitscherschrecke war mit 323 registrierten Individuen die häufigste Heuschreckenart und zugleich das am häufigsten festgestellte Beutetier der Mostitzer Zwergohreulen im Jahr 2007. Aufgrund des hohen Anteils unbestimmbarer Tettigonia-Larven dürfte ihr mengenmäßiger Anteil in der Beute jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit noch höher liegen. Mit 20 bis 35 mm ist Tettigonia cantans deutlich kleiner als ihre Schwesternart und unterscheidet sich von dieser vor allem durch ihre vergleichsweise kürzeren Flügel. Im Gegensatz zu Tettigonia viridissima ist die Zwitscherschrecke daher nicht flugfähig. An warmen Tagen hält sie sich gerne in der Krautschicht auf und steigt bei abendlicher Abkühlung in höhere Straten auf. Sowohl Larven als auch Imagines ernähren sich von Insekten und Pflanzen. Sie gilt als äußerst aggressive Art, die trotz ihrer geringeren Größe auch dem Grünen Heupferd gefährlich werden kann. Die Eiablage erfolgt in den Boden, wobei die Bodenfeuchte als der bestimmende Faktor für die Verbreitung der Art angesehen wird: Aufgrund ihres geringen Wassergehalts sind die Eier auf eine gewisse Bodenfeuchte angewiesen und äußerst empfindlich gegenüber Austrocknung. Während der Embryonalentwicklung, die einenthalb bis fünf Jahre dauert, reicht eine Austrocknung des Bodens von vier bis acht Wochen, um die Schlüpfquote wesentlich zu reduzieren. Die Larven (ab Ende April) durchlaufen sechs Larvenstadien bis zur Imaginalhäutung. In Bayern tritt Tettigonia 19 Videoanalyse Zwergohreule 2007 cantans durchschnittlich 14 Tage vor dem Grünen Heupferd auf, das eine höhere Wärmesumme für seine Entwicklung benötigt (vgl. jedoch Derbuch 2009). Im Rahmen ihrer Bevorzugung feucht-kühler Standorte ist sie den verschiedensten Habitaten anzutreffen, wobei Hochstaudenfluren, aber auch höhere Vegetationsstrukturen wie Gebüsche als wichtige Ausstattungsmerkmale genannt werden. Auch auf der Sattnitz stellte Derbuch (2009) bei beiden Tettigonia-Arten eine Bevorzugung von Flächen mit dichteren Gehölzbeständen (Waldränder, Hecken, größere Feldgehölze) gegenüber solchen mit Einzelbäumen fest. Grünes Heupferd Tettigonia viridissima (nach Detzel 1998b, Kuhn 2003a, Bellmann 2006) Das Grüne Heupferd, das mit 28 bis 42 mm zu den größten heimischen Heuschreckenarten zählt, wurde mit mindestens 36 Individuen in der Beute nachgewiesen. Im Frühjahr (Mai, Juni) sind die Larven sind im Grünland vor allem in der Krautschicht zu finden. Letzte Larvenstadien und Imagines halten sich zuerst in der Krautschicht, später in der Baum- und Strauchschicht von Hecken und angrenzen Säumen auf. Aufgrund dieser kleinräumigen Mobilität betont Detzel (1998b) die Notwendigkeit von Biotopkomplexen aus Grünland, Gebüschen und Säumen. Larven und Imagines ernähren sich räuberisch von Insekten, doch wird auch pflanzliche Kost verzehrt. Die Eiablage erfolgt im Boden im Grünland, wobei wärmere und trockenere Stellen bevorzugt werden als bei Tettigonia cantans. Die Entwicklung der Eier, die auch Trockperioden gut überdauern können, benötigt einenthalb bis über fünf Jahre. Larven schlüpfen ab Ende April / Anfang Mai. Nach sieben Larvenstadien können die flugfähigen Imagines vornehmlich ab Juli beobachtet werden. Tettigonia viridissima gilt als sehr anpassungsfähige Art verschiedenster Lebensräume, wobei Detzel (1998b) die höchsten Individuendichten für leicht verbuschte Flächen mit gut ausgebildeter Krautschicht angibt, während höhere Berglagen von dieser leicht thermophilen Art gemieden werden. Alpen-Strauchschrecke Pholidoptera aptera (nach Stadelmann 2003, Baur & Roesti 2006, Bellmann 2006) Pholidoptera aptera wurde mit mindestens 87 Individuen in der Beute der Mostitzer Zwergohreulen nachgewiesen, wobei der auf den Infrarotaufnahmen besonders auffällige Farbkontrast und die Tatsache, dass die Beine eingetragener Alpen-Strauchschrecken meist an die Knien abgezwickt waren, besonders ins Auge fielen. Die Männchen von Pholidoptera aptera werden als scheue und einzelgängerische Tiere beschrieben, die sich bevorzugt in der Krautschicht oder im unteren Bereich von Büschen aufhalten. Ihr lauter Gesang kann bis tief in die Nacht anhalten. Weibchen werden hingegen auch abseits, im offenen Gelände, angetroffen. Die Alpen-Strauchschrecke erreicht eine Körperlänge von 20 bis 25 mm und ist aufgrund ihrer kurzen Flügel nicht flugfähig. Die Ernährung ist überwiegend räuberisch, doch auch pflanzliche Kost wird gefressen. Die Eier werden in den Boden abgelegt und brauchen mindestens zwei Jahre bis zum Schlupf der Larven. Die AlpenStrauchschrecke bevorzugt landwirtschaftlich wenig oder ungenutzte Gebiete, wobei Sträucher und diverse Hochstaudenfluren als wichtige Habitatrequisiten angeführt werden. 20 Diskussion Gewöhnliche Strauchschrecke Pholidoptera griseoaptera (nach Detzel 1998c, Wagensonner 2003, Bellmann 2006) Pholidoptera griseoaptera zählt mit einer Körpergröße von 15 bis 20 mm zu den kleineren der festgestellten Heuschreckenarten und wurde mit 38 Individuen in der Beute registriert. Die Larven der Gewöhnlichen Strauchschrecke halten sich bodennah im Gras auf und ernähren sich vor allem von Gräsern und Kräutern. Die Imagines sind hingegen in dichter Vegetation in Hecken, Gebüschen und Bäumen meist in der Nähe von Waldsäumen anzutreffen, wo sie sich von Kräutern und anderen Vegetabilien, aber auch von Kleininsekten und Insektenlarven ernähren. Die Eiablage erfolgt in feuchte bis nasse Bodensubstrate (auch in Waldsäumen und unter Gebüsch) oder in Pflanzenmaterial wie tote Äste und verrottendes Holz. Die Eier haben einen erhöhten Feuchtigkeitsbedarf und sind empfindlich gegen Austrocknung. Dennoch ist die Besonnung des Bodens vorteilhaft für eine erfolgreiche Embryogenese. Nach einer zweijährigen Entwicklung schlüpfen die Larven im Mai und durchlaufen sieben Larvenstadien bis zur Imaginalhäutung (Anfang Juni). Singende Männchen können bis in die Zeit der ersten Nachtfröste angetroffen werden. Trotz ihrer Flugunfähigkeit gilt Pholidoptera griseoaptera als äußerst vagil und als gute Pionierart. Das Vorhandensein windgeschützter Gehölzstrukturen, die geeignete feuchte Eiablagesubstrate bieten, wird als maßgeblich für das Vorkommen der Art erachtet. 5. Diskussion Die Zwergohreule nutzt ein übersichtliches Beutespektrum, das generell durch einen hohen Insektenanteil gekennzeichnet ist, während Wirbeltiere nur gelegentlich erbeutet werden. Die ausreichende Verfügbarkeit gut erreichbarer Beute ist eine unerlässliche Voraussetzung für die erfolgreiche Reproduktion und somit ein wesentlicher Qualitätsfaktor des Brutreviers. Die Kenntnis lokal wichtiger Beutetiere kann daher hilfreiche Informationen für den Artenschutz liefern. Neben regionalen Unterschieden können aufgrund saisonaler oder witterungsbedingter Verschiebungen in Beuteabundanz und -verfügbarkeit oder aber aufgrund von individuellen Vorlieben auch lokale Unterschiede in der Beutezusammensetzung und -diversität bestehen (z.B. Bavoux et al. 1993, Tryjanowski et al. 2003, Karlsson 2004, Alivizatos et al. 2005). Das Ziel der vorliegenden Studie bestand daher in der möglichst vollständigen Erfassung der brutzeitlichen Nahrungskomposition und Identifikation der wichtigsten Beutetiere einer Zwergohreulenfamilie im Kärntner Hauptverbreitungsgebiet. Ungeachtet methodischer Unterschiede in Erfassungsweise und -zeitraum stimmen die gewonnen Ergebnisse mit anderen quantitativen Untersuchungen überein (Tab. 6), die allesamt die überwiegend insektivore Ernährungsweise der Zwergohreule widerspiegeln. Der Insektenanteil (77,6%) in der Beute der Mostitzer Zwergohreulen scheint zwar auf den ersten Blick vergleichsweise niedrig, doch beruht dieser Unterschied auf der hohen Anzahl unbestimmter Invertebraten – vermutlich überwiegend Insektenbeute – die anhand des Videomaterials nicht zugeordnet werden konnten. Dieser Umstand ist auf die lange Auswertungsperiode, die in dieser Studie berücksichtigt wurde, zurückzuführen. In vergleichbaren Studien untersuchten Arlettaz et al. (1991) im 21 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Abb. 15: Lage der 8 Untersuchungsgebiete in Tab. 6: 1 – Île d’Oléron (W-Frankreich); 2 - Walliser Alpen (SW-Schweiz); 3 – Oltrepò Pavese, Lombardei (Italien); 4 – Orbetello, Toskana (Italien); 5 – Raum Trento (italienische Alpen); 6 – diese Studie; 7 – Mattersburger Hügelland, Burgenland (O-Österreich); Raum Szekszárd (SW-Ungarn). Satellitenbild: Google Earth. Tab. 6: Das Nahrungsspektrum der Zwergohreule im europäischen Vergleich: Prozentanteile von Invertebraten, Insekten und Wirbeltieren sowie jener Beutetiergruppen, die jeweils mindestens 10% der Beute ausmachten, sind angeführt. Mit + gekennzeichnete Gruppen wurden mit <10% in der Beute festgestellt. Quellen: 1Bavoux et al. (1993), 2 Arlettaz et al. (1991), 3Perani et al. (1997), 4Sorace (1991), 5Marchesi & Sergio (2005), 6diese Studie, 7Keller & Parrag (1996), 8Streit & Kalotás (1991). Lage der Untersuchungsgebiete s. Abb. 15. Region INVERTEBRATA Annelida Arachnida Myriapoda Insecta Odonata Dermaptera Mantodea Phasmatodea Orthoptera Hemiptera Neuroptera Coleoptera Hymenoptera Lepidoptera Diptera Gastropoda VERTEBRATA Aves Mammalia Amphibia Reptilia N Beutetiere N Brutpaare Zeitraum Methode* Île d’Oléron (FR)1 96,5 + + 89,3 Wallis (CH)2 96,4 Lombardei (IT)3 k. A. Toskana (IT)4 97,1 Trento (IT)5 98,8 Kärnten (AT)6 99,1 Burgenland (AT)7 89,6 Szekszárd (HU)8 97,2 + + + + + + + 92,2 99,3 95,7 98,0 77,6 89,6 97,2 + + + 68,2 + + + + 78,6 + 61,8 40,4 + + + + 92,9 + + + 13,0 46,5 + + + + 27,6 + + 87,9** 20,0 14,7 + + 32,7 13,5 + 15,2 + + + + 2,8 1,6 + + + 2365 6 1987-88 d 669 2 1989 d 0,0 429 6 1992 a 2,9 1,2 0,9 10,4 2,8 + + + + + + + + + + 70 1 1990 a 504 20 2002-03 a, b, e 2152 1 2007 c 394 (2+); 7 (1993);1995 a, b 640 43 1979-90 b, e * Erfassungsmethode: a – Gewölle, b – Beutereste, c – Infrarotkamera, d – Infrarot-Fotofalle, e – Direktbeobachtung (Freiland) ** ausschließlich Formicidae 22 Diskussion Schweizer Kanton Wallis und Bavoux et al. (1993) an der französischen Atlantikküste die Beuteeinträge von Zwergohreulen mit Hilfe von Infrarot-Fotofallen in Nistkästen, wobei Daten einzelner Brutpaare aus zwei bis sechs Nächten (Bavoux et al. 1993) bzw. von zwei Brutpaaren aus insgesamt 14 Nächten (Arlettaz et al. 1991) ausgewertet wurden. Das herangezogene Material stammte durchwegs aus der Nestlingsperiode, während Beutegaben vor dem Schlüpfen der Jungvögel unberücksichtigt blieben. Im Gegensatz dazu umfasst die vorliegende Studie Beobachtungen eines einzigen Brutpaares aus 51 Nächten. Ließe man Beutetiere, die außerhalb des Nistkastens übergeben wurden, außer Acht, würde der Insektenanteil 81,8% betragen. Wäre der Auswertungszeitraum weiter beschränkt auf jene (12) Nächte während der Jungenaufzucht, in denen mindestens 90% der Beutegaben bestimmt werden konnten, stiege der Insektenanteil in der Beute weiter auf 96%. In diesem Fall würden Nächte, von denen keine Aufzeichnungen der Seitenkamera vorliegen und jener Zeitraum, ab dem die Jungvögel durch ihre zunehmende Größe und heftiges Betteln die Kameralinse meist verdeckten, nicht miteinbezogen werden – wie es auch den beiden einzigen aufgrund der Erfassungsmethode tatsächlich vergleichbaren Studien von Arlettaz et al. (1991) und Bavoux et al. (1993) entspräche. So gesehen erscheint der Insektenanteil der Mostitzer Zwergohreulen in Relation zu den genannten Studien ausgesprochen hoch, während der (zahlenmäßige) Anteil an Wirbeltieren – ungeachtet des berücksichtigten Untersuchungszeitraums – dementsprechend gering ausfällt (Tab. 6). Die am häufigsten registrierten Beutetiergruppen waren Heuschrecken (Orthoptera, 61,8% aller Beutetiere) und Schmetterlinge (Lepidoptera, 15,2%). Die überragende Bedeutung von Heuschrecken in der Beute wird noch deutlicher, wenn wiederum nur jene Nächte berücksichtigt würden, in denen mindestens 90% aller Beutetiere bestimmt werden konnten: 90,1% aller in diesen Nächten eingetragenen Beutetiere waren Heuschrecken. Schmetterlinge machten in diesem Zeitraum 5,5% der Beutegaben aus, wodurch ihre Bedeutung als Beute jedoch unterschätzt würde, da sie vor allem früher in der Saison – vor dem zahlreichen Auftreten großer Heuschreckenindividuen – eine wichtige Futterquelle darstellten (s. unten). Zahlreiche Untersuchungen und Einzelbeobachtungen veranschaulichen die Bedeutung insbesondere von Laubheuschrecken (Tettigoniidae), als wichtige Beutetiere der Zwergohreule. Vor allem das weit verbreitete Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima), das zu den größten Orthoptera Mitteleuropas zählt, wird oftmals als zahlenmäßig wichtigstes Beutetier genannt, etwa in den Walliser Alpen (Arlettaz et al. 1991, Arlettaz & Fournier 1993) oder im Raum Trento in den italienischen Alpen (Marchesi & Sergio 2005). In Mostitz erbeuteten die Zwergohreulen vor allem seine etwas kleinere Schwesternart, die Zwitscherschrecke (T. cantans). Während Heuschrecken auf bestimmte Futterpflanzen angewiesen sind, wird das Vorkommen oder Fehlen von Heuschreckenarten im Wesentlichen von Temperatur, Feuchtigkeit und dem Vorhandensein von Vegetationsstrukturen, die für die Ei- und Larvalentwicklung benötigt werden, bestimmt. Obwohl beide Tettigonia-Arten auch gemeinsam vorkommen, zeigen sie deutliche Unterschiede in ihren ökologischen Ansprüchen: Während T. cantans eine Bevorzugung für feucht-kühle Standorte an den Tag legt, gilt T. viridissima als wärmeliebend und feuchtigkeitsempfindlich (z.B. Detzel 1998a, b, vgl. auch Kap. 4). Klimatische und edaphische Faktoren spielen vor allem während der Embryogenese eine bedeutende Rolle, da T. cantans für die Eientwicklung auf Gebiete mit höheren 23 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Niederschlägen bzw. höherer Luftfeuchte angewiesen ist, während die Eier von T. viridissima eine geringere Feuchtigkeit benötigen (Ingrisch 1988). Die Verhältnisse auf der Sattnitz dürften das Vorkommen von T. cantans als Art der feuchteren bzw. höheren Lagen somit begünstigen, die aufgrund ihrer Größe und Häufigkeit das bevorzugte Beutetier der Zwergohreulen darstellte (vgl. auch Derbuch 2007, 2009). Das rezente Hauptverbreitungsgebiet der Zwergohreule in Kärnten zeichnet sich durch einen erhöhten Anteil großer Heuschreckenarten aus, wobei im Jahr 2008 T. cantans deutlich vor anderen Arten vergleichbarer Größe dominierte (Derbuch 2009). Beim Vergleich der von den Zwergohreulen erbeuteten Heuschreckenarten mit den von Derbuch (2009) im Jahr 2008 im Raum Wurdach festgestellten Taxa, zeigen sich jedoch einige Unterschiede hinsichtlich Artenspektrum und -abundanzen (Tab. 7). Während kleinere Ensifera (Pholidoptera griseoaptera, Leptophyes albovittata) aufgrund ihrer geringen Größe und den damit verbundenen Identifikationsschwierigkeiten in der Videoanalyse unterschätzt worden sein könnten, dürfte das Fehlen von Kurzfühlerschrecken (Caelifera) in der Beute auf die primär tagaktive Lebensweise dieser sehr wärmebedürftigen Heuschrecken zurückzuführen sein (Ingrisch & Köhler 1998). Auffällig ist jedoch, dass Barbitistes serricauda und Pholidoptera aptera, die im Jahr 2007 regelmäßig von der Zwergohreule erbeutet wurden, in Derbuch’s Liste zur Gänze fehlen. Obwohl B. serricauda aufgrund ihrer dämmerungs- und nachtaktiven Lebensweise in Büschen und Bäumen sowie ihres im Ultraschallbereich liegenden Gesangs leicht übersehen werden kann (vgl. Kap. 4), ist es erstaunlich, dass im Jahr 2008 nicht eine einzige Laubholz-Säbelschrecke im Gebiet erfasst wurde. Noch mehr verwundert das Fehlen von Pholidoptera aptera, die sich durch einen sehr lauten, gut erfassbaren Gesang auszeichnet. Heuschreckenpopulationen können starken jährlichen Dichteschwankungen unterliegen (Ingrisch & Köhler 1988). Jährliche Abundanzunterschiede wichtiger Beutetiere sind somit möglich und könnten Variationen in der bevorzugten Beutewahl der Zwergohreule bedingen. Gleichzeitig müssen sich hohe Populationsdichten nicht unbedingt in der Beutenutzung der Zwergohreule widerspiegeln, etwa wenn Arten aufgrund ihrer Größe (z.B. Leptophyes albovittata) oder Lebensweise (z.B. Gryllus campestris) eine weniger lohnende oder schlecht erreichbare Beute darstellen. ENSIFERA Leptophyes albovittata Leptophyes sp. Tettigonia cantans Tettigonia viridissima Tettigonia sp. Pholidoptera griseoaptera Gryllus campestris Ensifera indet. CAELIFERA Tetrix tenuicornis Chorthippus dorsatus Chorthippus parallelus Caelifera indet. Summe 24 Larven Imagines Summe % Tag 56 175 231 84,62 0 5 0 0 5 9 0 37 4 8 31 10 2 113 7 0 4 13 31 10 7 122 7 37 1,47 4,76 11,36 3,66 2,56 44,69 2,56 13,55 35 7 42 15,38 0 0 0 35 1 1 5 0 1 1 5 35 0,37 0,37 1,83 12,82 91 182 273 100,00 Nacht Tab. 7: Artenliste der von Derbuch (2009) im Jahr 2008 im Raum Wurdach festgestellten Heuschrecken. Die Punkte kennzeichnen, ob eine Art bei Tag und / oder bei Nacht registriert wurde (vgl. Derbuch 2009). Diskussion Zur Untersuchung dieser Zusammenhänge empfiehlt sich die zeitgleiche (jahres- und tageszeitlich) Erfassung wichtiger Beutetiergruppen (Heuschrecken, Nachtfalter) in besetzten Brutrevieren einerseits und deren Nutzung durch die Zwergohreule andererseits unter zu Hilfenahme von Methoden, die eine möglichst vollständige Erfassung der tatsächlichen Beuteverfügbarkeit und -nutzung durch die Zwergohreule gewährleisten (z.B. Ultraschalldetektor für leise singende Heuschreckenarten; Video-Nistkästen für Nahrungsanalyse). Obwohl der lange Untersuchungszeitraum eine hohe Anzahl unbestimmter Beutetiere bedingt, konnten auf diese Weise bemerkenswerte zeitliche Variationen in Beutewahl und zusammensetzung sowohl im saisonalen als auch im tageszeitlichen Verlauf beobachtet werden: Bis Mitte Juni bestand die Nahrung hauptsächlich aus Schmetterlingen, die – wenngleich der Heuschreckenanteil zu Beginn aufgrund der zahlreichen unbestimmbaren Beutetiere, die im Freien übergeben wurden, vermutlich unterschätzt wurde – die zahlenmäßig bedeutendste Beute während Eiablage und Bebrütungsphase darstellten. Mit der steigenden Verfügbarkeit von Heuschrecken erfolgte gegen Mitte Juni, wenige Tage vor dem Schlüpfen des ersten Jungvogels, ein relativ abrupter Wechsel, nach dem die Beute fast ausschließlich aus Heuschrecken bestand. Schmetterlinge wurden in Folge vor allem in den frühen Morgenstunden erbeutet, während der Fütterungspeak in den ersten Aktivitätsstunden vor allem durch das Eintragen zahlreicher T. cantans bewältigt wurde. Nach Mitternacht nahm die Anzahl erbeuteter Heuschrecken ab, wobei in der zweiten Nachthälfte B. serricauda als Heuschreckenbeute dominierte. Während Heuschrecken somit die häufigste Beute vor allem während der fütterungsintensiven Phase der Jungenaufzucht repräsentieren, darf die Bedeutung von Schmetterlingen in Phasen verminderter Heuschrecken-Verfügbarkeit nicht außer Acht gelassen werden. Als häufigste Beute vor dem Schlüpfen der Jungvögel stellen sie eine wichtige Nahrungsquelle für die Altvögel dar, die zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung ihrer Energiereserven für die erfolgreiche Bewältigung der energetisch aufwendigen Brutperiode wesentlich beitragen (vgl. Martin 1987). Die zeitlichen Variationen in der Beutewahl spiegeln Unterschiede in der Beuteabundanz wider, die auf eine unterschiedliche Verfügbarkeit wichtiger Beutetiergruppen im saisonalen Verlauf als auch einzelner Arten im tageszeitlichen Verlauf deuten. Während der saisonale Wechsel auf dem phänologischen Auftreten von Heuschrecken (v.a. großer Larven und Imagines) beruht, könnten unterschiedliche Bevorzugungen im tageszeitlichen Verlauf möglicherweise auf eine verminderte Verfügbarkeit der bevorzugten Beute (T. cantans) nach Mitternacht zurückzuführen sein, aufgrund derer in der zweiten Nachthälfte vermehrt andere Arten (B. serricauda, Schmetterlinge) eingetragen wurden. Sowohl T. cantans als auch B. serricauda steigern ihre Gesangsaktivität in den Abendstunden bis weit in die Nacht (zit. in Waeber & Strätz 2003, Schirmel und Fartmann 2007). Ihre Lautäußerungen (vgl. Heller 1988) sind für die Zwergohreule jedoch nur schlecht bzw. im Falle von B. serricauda gar nicht wahrnehmbar (Mikkola 1983, zit. in Dyson et al. 1998, Mebs & Scherzinger 2000). Die ursprüngliche Annahme, dass Heuschreckenmännchen aufgrund ihrer Gesangaktivität bevorzugt von der Zwergohreule erbeutet werden sollten, wurde bereits von Heller & Arlettaz (1994) widerlegt, die keinen Unterschied in der Anzahl erbeuteter Männchen und Weibchen von T. viridissima in der Beute der Zwergohreule feststellen konnten. Der Männchengesang, der der Partnerfindung und Revierabgrenzung dient, verstärkt jedoch die Bewegungsaktivität von Heuschrecken im Raum. Während 25 Videoanalyse Zwergohreule 2007 bei T. cantans die Männchen stationär an einem Ort verbleiben und von den Weibchen phonotaktisch aufgesucht werden, antwortet bei B. serricauda das Weibchen auf den Gesang des Männchens, das daraufhin phonotaktisch auf das Weibchen zuläuft (Stumpner & Meyer 2001, Runkel 2002). Individuen, die sich auf der Suche nach einem Geschlechtspartner aktiv bewegen stellen eine viel auffälligere und zugänglichere Beute dar als z.B. in der Vegetation versteckte, stationär singende Männchen. Dies erklärt, warum auch nicht stridulierende Larven sowie Arten, die keine Lautäußerungen erzeugen (z.B. Meconema thalassinum) in der Beute der Zwergohreule nachgewiesen wurden (Arlettaz & Fournier 1993, Heller & Arlettaz 1994). In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die vorliegenden Ergebnisse tatsächlich auf eine Bevorzugung von Männchen bei B. serricauda und von Weibchen bei T. cantans zu deuten. Unter Ausschluss der nicht geschlechtsreifen Larven wäre das Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen jedoch weit ausgeglichener. Für die statistische Überprüfung wäre zudem die zeitgleiche Erfassung der Männchen- und Weibchenanteile adulter Heuschrecken im Jagdrevier der Zwergohreule erforderlich, um Rückschlüsse auf eine mögliche geschlechtsspezifische Bevorzugung ziehen zu können. Die Temperatur, bei deren Unterschreitung die Männchen den Gesang einstellen, wird für B. serricauda mit 15 bis 10°C angegeben (Detzel 1998a, zit. in Waeber & Strätz 2003) für T. cantans mit 9°C (zit. in Kuhn 2003a). Demnach sollte die Aktivität von B. serricauda bereits bei milderen Temperaturen abnehmen als die von T. cantans. Zwar liegen keine Temperaturmessungen aus Mostitz vor, doch zeigen die in Klagenfurt gemessenen Werte, dass die Temperatur in der Regel im nächtlichen Verlauf stetig abnahm (ZAMG, unveröffentl. Daten). In Klagenfurt fiel die Temperatur regelmäßig unter 15°C, vereinzelt unter 10°C, und es kann davon ausgegangen werden, dass diese Werte auch im Brutrevier der Zwergohreule oftmals unterschritten wurden. Da B. serricauda jedoch vorwiegend in der zweiten (kühleren) Nachthälfte erbeutet wurde, dürfte ein Unterschreiten der für die Stridulationsaktivität notwendigen Minimaltemperatur nicht ausschlaggebend für die unterschiedliche Bevorzugung der beiden Hauptbeutetiere im nächtlichen Verlauf gewesen sein. Auch unterschiedliche Beutepräferenzen der Altvögel könnten zur tageszeitlichen Variation in der bevorzugten Heuschreckenbeute beigetragen haben, da sich das Weibchen nach Mitternacht, in Phasen verminderter Fütterungsaktivität des Männchens, verstärkt an der Nahrungssuche beteiligte. Während letzteres vor allem T. cantans erbeutete, bevorzugte das Weibchen die etwas kleinere B. serricauda. Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang ob die Bevorzugung unterschiedlicher Heuschreckenarten der beiden Altvögel auf Unterschieden in der Verfügbarkeit dieser Beutetiere beruht oder aber eine tatsächliche Vorliebe für diese Arten (z.B. aufgrund von Größenunterschieden, Jagdhabitat und -technik) widerspiegelt (vgl. Arlettaz & Fournier 1993). Eine Bevorzugung kleinerer Beutetiere durch das Weibchen scheint aufgrund der Ergebnisse von Arlettaz & Fournier (1993) jedoch unwahrscheinlich: In ihrer Studie wurden große Beutetiere (T. viridissima, Mäuse) eher vom (etwas größeren) Weibchen eingetragen als vom Männchen. Sie schlagen vor, dass die unterschiedliche Beutewahl auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Raumnutzung (z.B. Größe des Jagdreviers, Habitatnutzung) von Männchen und Weibchen zurückzuführen sein könnte. Eine telemetrische Untersuchung zur Untermauerung dieser Vermutung ist bis dato jedoch ausständig. 26 Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden 2152 Beutetiere eines in Mostitz bei Wurdach, Gemeinde Köttmannsdorf brütenden Zwergohreulenpaares in der Brutsaison 2007 analysiert. Der Auswertungszeitraum (19. Mai bis 10. Juli) umfasst weite Teile der Brutperiode: die Eiablage (26. Mai bis 3. Juni), die Inkubationsphase, das Schlüpfen der Jungvögel (21. bis 24 Juni), und die Nestlingsperiode bis wenige Tage vor dem erfolgreichen Ausfliegen aller fünf Jungvögel. Die Nahrung der untersuchten Zwergohreulen bestand fast ausschließlich (99,1%) aus Invertebraten, wobei Heuschrecken (61,8%,) und Schmetterlinge (15,2%) die am häufigsten vertretenen Beutetiergruppen waren. Die zahlenmäßig wichtigsten Beutetiere – die Zwitscherschrecke Tettigonia cantans und die Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda – repräsentierten gemeinsam mindestens 28,6% aller Beutetiere. Andere Wirbellose (Spinnen, Hundertfüßer, Ohrwürmer) wurden nur vereinzelt registriert. In Summe machten Insekten 77,6% der Beute aus, doch dürfte ihr Anteil (ebenso wie der Anteil der häufigsten Beutetiere) aufgrund des hohen Anteils unbestimmter Invertebratenbeute weit höher liegen. Der auch im Vergleich mit anderen Studien geringe Wirbeltieranteil (0,9%) bestand aus Langschwanzmäusen und einer Fledermaus. Die Videoanalyse offenbarte bemerkenswerte zeitliche Variationen in der Beutwahl, die auf dem saisonalen Wechsel der bevorzugten Beutetiergruppe (Schmetterlinge vs. Heuschrecken) und auf tageszeitlichen Unterschieden der bevorzugt erbeuteten Beutetierart (T. cantans vs. B. serricauda) beruhten und auf das Vorhandensein einer zahl- und artenreichen Großinsektenfauna im Gebiet deuten, die eine ausreichende Nahrungsverfügbarkeit in allen Phasen der Brutperiode gewährleistet und die Kompensation von Nahrungsengpässen ermöglicht. Dies könnte das beständige, doch kleinräumige Brutvorkommen der Zwergohreule im Süden Kärntens erklären. Die im Jahr 2007 gewonnenen Ergebnisse lieferten wertvolle Einblicke in die Nahrungsbiologie der Zwergohreule im Raum Plöschenberg; gleichzeitig werfen sie weitere Fragen zu Nahrungsnutzung und Beuteerwerb der Zwergohreule auf: Welche Eigenschaften (z.B. anatomisch-morphologische Merkmale, saisonale Abundanzveränderungen, tageszeitliche Aktivitätsmuster etc.) kennzeichnen die genutzten Beutetiere? Können diese Eigenschaften geschlechtsspezifische Beutepräferenzen erklären oder beruhen diese auf einer unterschiedlichen Raumnutzung der Altvögel? Der Einfluss der Witterung konnte aufgrund der trocken-warmen Verhältnisse (www.zamg.ac.at) in der Brutsaison 2007 nur am Rande beleuchtet werden. Zudem können Heuschreckenpopulationen insbesondere aufgrund von klimatischen Bedingungen starken jährlichen Schwankungen unterliegen (z.B. Ingrisch & Köhler 1998). Daher stellt sich des Weiteren die Frage, wie das Brutgeschäft in einem Jahr schlechter Beuteverfügbarkeit bewältigt werden kann? Die Beantwortung dieser Fragen könnte wesentliche Aufschlüsse über die Nahrungsökologie dieser gefährdeten Kleineule in Kärnten liefern. 27 Videoanalyse Zwergohreule 2007 Danksagung Mein Dank gilt Thomas Zuna-Kratky für die hilfreiche Unterstützung bei der Heuschreckenbestimmung; Remo Probst und Christian Schulze für Anregungen und Diskussion; Gerald Malle, der den Kontakt mit den Betreibern der Kamera herstellte und die Übermittlung des Videomaterials veranlasste, sowie Hans-Martin Berg, Werner Petutschnig und Verena Stagl für Auskünfte und Unterstützung. Ernst Modritsch und Emanuel Kury editierten die Aufnahmen. Die Software Statistica wurde vom Department für Populationsökologie, Universität Wien, zur Verfügung gestellt. Wetterdaten wurden von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Regionalstelle Kärnten, kostengünstig bereitgestellt. Die vorliegende Studie wurde auf Initiative von BirdLife Österreich, Landesgruppe Kärnten durchgeführt und vom Amt der Kärntner Landesregierung, Abt. 20, Uabt. Naturschutz finanziert. Literatur ALIVIZATOS H, GOUTNER V, ZOGARIS S (2005): Contribution to the study of the diet of four owl species (Aves, Strigiformes) from mainland and island areas of Greece. Belgian Journal of Zoology 135: 109–118. ARLETTAZ R, FOURNIER J (1993): Existe-t-il une ségrégation sexuelle de la prédation chez le hibou petit-duc Otus scops? Alauda 61: 257–263. ARLETTAZ R, FOURNIER J, JUILLARD M, LUGON A, ROSSEL D, SIERRO A (1991): Origines du déclin de la population relictuelle du Hibou petit-duc, Otus scops, das les Alpes valaisannes (sud-ouest de la Suisse): une approche empirique. Pp 15-30 in Juillard et al. (eds), Rapaces Nocturnes. Actes du 30e Colloque interregional d’ornithologie Porrentruy (Suisse). BAUR B, BAUR H, ROESTI C, ROESTI D (2006): Die Heuschrecken der Schweiz. 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