ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Kapitel 1 Der Zustand der Materie Gase (Edelgase, Halogene, Wasserstoff, …) Verdampfen Flüssigkeiten (Brom, Quecksilber) Kondensieren Sublimieren Verfestigen (speziell: Kristallisieren) Resublimieren (Kondensieren) Feststoffe (Schwefel, Eisen) Schmelzen 1.1 Stoffsysteme Homogene / Heterogene Stoffsysteme Phase: Ein System, das hinsichtlich seiner Zusammensetzung und seiner physikalischen Eigenschaften an jeder Stelle einer Probe identisch ist (und auch charakteristisch) wird Phase genannt. Beispiel: Verschiedene Phasen mit verschiedenen Farben und Dichten 1.1.1 Homogene Stoffsysteme (1 Phase) Eine Phase ist ein homogener Teil eines Systems, der von anderen Teilen abgegrenzt ist. Beispiel: Wasser liegt in drei Phasen vor: Eis (festes Wasser) Wasser (flüssig) Wasserdampf (gasförmig) Der Aggregatszustand eines Stoffes hängt im Wesentlichen von Temperatur und Druck ab. Diese Abhängikeit wird in Phasendiagrammen dargestellt. 1 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Das Phasendiagramm von Wasser Die Phasendiagramme von Wasser und Kohlenstoffdioxid im Vergleich (anomales Verhalten des Wassers) Was ist jenseits des kritischen Punktes? 2 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 1.1.2 Heterogene Stoffsysteme (2 oder mehr Phasen) Beispiele: Gemenge (Zement); Gemische (Sand); Agglomerate (Granit) • • • • • Gase bilden nur homogene Gemische (1-phasig), z.B. Luft: 20% O2, 78% N2, 1% Ar, … Flüssigkeiten sind reine Stoffe, Mischungen (2 oder mehr Flüssigkeiten) oder Lösungen von Festkörpern in einer Flüssigkeit. Feststoffe sind reine Stoffe, Mischungen (heterogen) oder feste Lösungen (z.B. Legierungen) Reine Stoffe (Reinstoffe = 1-phasig) können Elemente oder (chemische) → Verbindungen sein. Die Elemente (und auch die Verbindungen) unterscheiden sich wiederum in Isotopen-reine und solche in denen die Atome als verschiedene Isotope vorkommen. Flüssigkeit Gas Feststoff Fest Flüssig Gasförmig Suspension (Schlamm) Rauch Feste Suspension (Milchglas) Emulsion (Milch) Aerosol, Nebel, (Dampf) Feste Emulsion (Töpferton ungebrannt) Schaum immer homogen !!! Fester Schaum (Bimsstein, Tuft) Die Trennung von Stoffgemischen ist von großer Bedeutung in der (chemischen) Industrie, Bergbau, Analytik und im Labor. Bekannte Beispiele sind: Destillation = Trennung zweier Flüssigkeiten; Sieben = Trennung zweier Feststoffe (oder verschiedener Korngrößen bei einem Feststoff); Windsichten = Gas/Feststoff. Trennmethoden zeigen: Destillation, Sieben, Zentrifugieren, … 1.2 Die Atome und ihr Aufbau (Atombau) von atomos (griechisch) = unteilbar Aufgebaut aus Protonen bilden zusammen den Atomkern Neutronen } Elektronen bauen die Elektronenhülle von Atomen auf *************************************************************************** <EXKURS ATOMBEGRIFF> Vorstellung der kleinsten unteilbaren Einheit der Materie (nach LEUKIPP, DEMOKRIT, EPIKUR) 6.- 4. Jahrhundert v.Chr. Unendlich teilbare Materie (nach ARISTOTELES) 4. Jahrhundert v.Chr. Johannes KEPLER vertritt die Ansicht, dass es kleinste, unteilbare Einheiten geben muss, basierend auf seinen Überlegungen zur Symmetrie von Eiskristallen. John DALTON (1766 – 1844) prägt den heutigen Atombegriff: Dalton stellt Überlegungen an, basierend auf den stöchiometrischen Gesetzen: 3 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 • • • Gesetz der konstanten Proportionen PROUST (1754 – 1826). Das Gewichtsverhältnis zweier sich zu einer chemischen Verbindung vereinigende Elemente ist konstant Gesetz der äquivalenten Proportionen RICHTER (1762 – 1807). Elemente vereinigen sich stets im Verhältnis bestimmter Verbindungsgewichte (Äquivalentgewichte) oder ganzzahlige Vielfache dieses Gewichts zu chemischen Verbindungen Gesetz der multiplen Proportionen DALTON. Die Gewichtsverhältnisse zweier sich zu verschiedenen chemischen Verbindungen vereinigenden Elemente stehen im Verhältnis einfacher, ganzer Zahlen zueinander (FeS, FeS2, N2O, NO, NO2, N2O3, N2O4…) -Hofmannscher Zersetzungsapparat liefert 2:1 (H2 zu O2) Volumina bei der Zersetzung von H2O. -Gleichgewicht NO2; N2O4: (bei Zimmertemperatur; braun) 2 NO2 N2O4 (bei tiefer Temperatur, farblos) -N2O ist ein gutes Oxidationsmittel: Der bellende Hund; CS2 + 2 N2O CO2 + ¼ S8 + 2 N2 Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts war DALTONS Theorie umstritten. ******************************************************************************** Atome sind aufgebaut aus den drei Elementarteilchen: Protonen, Neutronen und Elektronen Teilchen Masse Ladung (g) (u) (C) −24 Neutron 1,008665 0 1,6748·10 −24 Proton 1,007276 1,6725·10 +1,602·10−19 Elektron 0,000549 0,9109·10−27 −1,602·10−19 u = atomare Masseneinheiten. C = Coulomb. e = Elementarladung (e) 0 +1 −1 1) Die Bausteine – J. J. THOMSON Neutronen, Protonen bilden den Kern des Atoms, Elektronen die Hülle. Die letzteren werden von J. J. THOMSON als Kathodenstrahlen 1897 experimentell belegt. THOMSON beschreibt Atome in einem Art Rosinenkuchenmodell, nach dem in einem positiv geladenen Brei die negativen Ladungen wie Rosinen herumschwimmen 2) Planetenmodell des Atoms Das leere Atom - Der Rutherfordsche Streu-Versuch Ernest RUTHERFORD führte 1911 ein entscheidendes Experiment zur Frage durch, wie die Teilchen innerhalb eines Atomes verteilt sind: Mit seinem Assistenten Geiger (Geiger-Müller-Zähler) untersuchte er die Streuung von α-Teilchen (positiv geladenen 4He-Kernen) an einer Goldfolie. Da die Elektronen im Atom zu leicht sind, um α-Teilchen abzulenken, kommen als Streuzentren nur die positiven Ladungen infrage. Aus dem Ergebnis des Experiments konnte Rutherford schließen, dass die positive Ladung in einem 4 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 ganz kleinen Volumen, dem sogenannten Atomkern, konzentriert sein muss. Könnte man ein Atom so vergrößern, dass es einen Durchmesser von 1 m hätte, dann wäre der Atomkern ca. 0,1 mm groß. Sowohl die gesamte positive Ladung als auch fast die gesamte Masse eines Atoms befindet sich in dessen Kern. Der übrige Raum ist "leer", bis auf die Elektronen, die sich in diesem Raum aufhalten (der Raum ist also nicht leer im Sinne eines Vacuums). Wie sind aber die Elektronen dort verteilt? Das "Planetenmodell" des Atoms Zur selben Zeit war Niels BOHR, der zu der Zeit als Postdoc in Cambridge bei Thomson arbeitete, gerade einmal 26 Jahre alt. Nachdem BOHR von den aufregenden Entdeckungen bei RUTHERFORD gehört hatte, wechselte er spontan zu ihm nach Manchester. Dort begann er sich mit dem Aufbau des Atoms zu beschäftigen, speziell mit der Frage, wie sich die Elektronen um den Kern bewegen könnten. Dabei hatte er ein großes Vorbild vor Augen: Unser Planetensystem. Im Vergleich zur Größe des Planetensystems ist die Sonne sehr klein. Wenn wir das Planetensystem so verkleinern könnten, dass es in eine Kugel von 1 m Radius passen würde, dann hätte die Sonne einen Durchmesser von etwa 0,2 mm. Die Sonne entspricht also dem Atomkern und die Planeten auf ihren elliptischen Bahnen den Elektronen. Sogar die Abhängigkeit zwischen Kraft und Abstand ist für die Schwerkräfte und die elektrischen Kräfte gleich. Alles schien zu passen. Es blieb nur ein Problem: Bei den hohen Geschwindigkeiten, die die Elektronen auf ihrer Bahn um den Kern haben, müssten sie dauernd Energie verlieren, indem sie nach den Gesetzen der Elektrodynamik Licht oder allgemeiner elektromagnetische Wellen abstrahlen. Und in ganz kurzer Zeit wären sie in den Kern gestürzt. Bei den Planeten gibt es übrigens einen ähnlichen Effekt, allerdings sind u.a. die Geschwindigkeiten wesentlich kleiner, so dass die Planeten nicht so schnell in die Sonne stürzen. 3) Das Bohrsche Atommodel Niels BOHR postulierte 1913 ein "Axiom", welches sagt, daß es einige wenige stabile Bahnen des Elektrons um den Atomkern gibt, d.h. Bahnen, auf denen das Elektron keine Energie verliert. Zu jeder dieser erlaubten Bahnen gehört eine bestimmte konstante Gesamtenergie, die sich als Summe der kinetischen und der potentiellen Energie des Elektrons ausdrücken läßt. Was ist aber das Auswahlprinzip, das Kriterium, welches erlaubte und nicht erlaubte Bahnen unterscheidet? Die klassiche Physik liefert dazu keine Aussage; bei Planeten ist z.B. jede Bahn erlaubt. Das BOHRsche Axiom oder Postulat nimmt als entscheidenden Größe den Drehimpuls D des Elektrons, D = m · v · r (mit m = Masse, v = Geschwindigkeit und r = Radius der Bahn). Nicht mehr alle Drehimpulse sind erlaubt, sondern nur noch ganz bestimmte. Das Auswahlkriterium oder die Bohrsche Quantenbedingung, die Bohr für die Drehimpulse wählte, heißt m · v · r = (n . h)/2π = n · ħ Mit n = 1, 2, 3, 4, (Quantenzahlen)... h = PLANCKsches Wirkungsquantum = 6,626 · 10–34 Js und ħ = "h quer" als Abkürzung für h/2π BOHR hat, in anderen Worten, den Drehimpuls gequantelt. Die Zahl n ist eine "Quantenzahl". Sie bestimmt letztlich, daß nur bestimmte Werte des Drehimpulses vorkommen können. Elektronen zwischen erlaubten Bahnen wechseln, unter Energieabgabe oder Energieaufnahme. Diese Energiebeträge sind feste Beträge = Quanten und entsprechen der Differenz der Energie der zwei Bahnen. Es gilt die sog. Frequenzbedingung: 5 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 ∆E = E2 – E1 = h · ν E E2 (ν = Frequenz der absorbierten elektromagnetischen Strahlung) ∆E = h . ν E1 Weshalb „versagt“ hier die klassische (NEWTONsche) Physik? Weil die Teilchen sehr klein sind und kohärenter als makroskopische Teilchen. 4) Die Quanten-Mechanik (Orbital-Theorie) Teilchen und Welle – Die Wellenfunktion Ψ Die SCHRÖDINGER-Gleichung: H · Ψ=E·Ψ Der Hamilton-Operator: Der Energie-Operator: Wenn zeitunabhängig = Observable oder Energieeigenwert Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung (beschreibt statische Phänomene): Die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung (beschreibt dynamische Phänomene): Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit: 2 Das Betragsquadrat |Ψ(r)| der Wellenfunktion Ψ(r) eines Teilchens an einem gegebenen Ort r = (x,y,z) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen an diesem Ort zu finden. Orbitale: s, p und d-Atomorbitale in räumlicher Darstellung (links) und als Konturlinien (50 und 90%) (rechts) 6 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 5) Das PAULI-Prinzip - Die Quantenzahlen: Das Prinzip von Wolfgang PAULI (1925) besagt, dass bei Vertauschung von Fermionen die Wellenfunktion antisymmetrisch ist. Für Elektronen (oder andere Fermionen), die den gleichen Raum belegen, gilt daher, daß sie nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Hauptquantenzahl n n = 1, 2, 3, 4, 5, 6, …, ∞ Nebenquantenzahl l l = 0, 1, 2, 3, 4, 5…,(n–1) / s, p, d, f, g, h, … Magnetische Quantenzahl m m = –l, –l+1,…,0,…+l Spinquantenzahl s s = +½, –½ Von hier kommt man dann zum Aufbauprinzip (→Periodensystem der Elemente) 6) Die HEISENBERGSCHE Unschärfe-Relation: Aus der Quantelung und der Kohärenz folgt, daß entweder der Ort oder der Impuls eines Teilchens (oder Welle) gemessen werden kann, nicht beides zugleich. Zu guter Letzt: Kann man den Aufbau der Atome experimentell beweisen – Kann man Atome sehen, Elektronen, Neutronen und Protonen? Atome kann man „sehen“ (Atommikroskopie), ihr Aufbau lässt sich jedoch nicht direkt experimentell bestimmen. Durch Beugung von Strahlung (Röntgen, Protonen, α-Teilchen, …) an Atomen, Kernen, Elektronen lassen sich Beugungsbilder erzeugen, die die Anordnung der Teilchen „zeigen“. Die Beobachtung einzelner Teilchen ist nicht möglich. Abbildung 1.1 Rasterkraftmikroskop-Aufnahme von Kobaltatome auf einer Kupferoberfläche (NIST = National Institute of Standards and Technology, USA) 7 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Atombau und das Periodensystem der Elemente sind experimentell untermauert durch Atomspektroskopie (Henry MOSELEY 1887 – 1915). Das Prinzip der Atomabsorptionsspektroskopie wird heute noch zur Elementanalytik angewandt (AAS) Versuch Flammenfärbung ******************************************************************************** <EXKURS FLAMMENFÄRBUNG> Element K Li Ba Sr Ca Na Rb Cs Flammenfärbung violett karminrot grün rot ziegelrot gelb rotviolett blau Wellenlänge Hauptlinie 766,5 nm 670,8 nm 524,2 nm; 513,7 nm Mehrere Linien zw. 635 und 686 nm 610 – 680 kontinuierlich; 460,7 nm 589,5 nm + 589,99 nm 780 nm 455,5 nm Erklärung des Phänomens beim Natrium: Ionisierung in der Flamme − e Fang Na fest → Na Dampf → Na + → Na * angeregt E 3p 3p h . ν = Lichtquant h. ν Emission 3s angeregter Zustand des Natrium-Atoms 3s Grundzustand (= Grund-Elektronen konfiguration) des Natriumatoms ******************************************************************************** 1.3 Die Elemente - Das Periodensystem der Elemente (PSE) 1.3.1 Historisch • Mittelalter und davor: wenige Elemente bekannt; Ordnungsprinzip: Reaktivität • ab dem 18. Jahrhundert: Genaue Ermittlung der Atommassen; Ordnungsprinzip: relative Atommassen (Grund: Entwicklung der Wägetechnik) • daraus entwickelte 1829 Johann Wolfgang DÖBEREINER (1780 – 1849) seine Triadenregel: 8 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Li Mrel 6,9 Na 23,0 K 39,1 ∆(Mrel) Ca Mrel 40 Sr 87,6 Ba 137,3 16,1 S Mrel 32 Se 79 Te 127,6 47,6 16,1 • ∆(Mrel) ∆(Mrel) Cl Mrel 35,5 Br 80 I 127 47 49,7 ∆(Mrel) 44,5 48,6 47 1869 Dimitri J. MENDELEJEW (1834-1907) und unabhängig davon Julius Lothar MEYER (1830-1895) formulieren ein PSE basierend auf steigenden relativen Atommassen und der periodischen Wiederkehr von chemischen Eigenschaften der Elemente MENDELEJEWS Vorraussagen (aus dem PSE abgeleitet) sagt auch Eka-Aluminium voraus + Eigenschaften → später gefunden: Gallium Ga + Eigenschaften nahezu wie vorrausgesagt Eka-Mangan → Technetium Tc Dwi-Mangan → Rhenium Re Eka-Tellur → Polonium Po Eka-Silicium → Germanium Ge Nomenklatur Eka Dwi → das Erste (sanskrit) → das Zweite MENDELEJEWS & MEYERS PSE ist rein empirisch • Henry MOSELEY (1887-1915) bestätigt experimentell (Atomspektroskopie) die „VAN DE BROEKsche Hypothese“, dass die Ordnungszahl und die Kernladungszahl identisch sind → Einige Änderungen im PSE (gegenüber M+M): Ni ist leichter als Co, dennoch ist die Reihenfolge: Fe – Co – Ni – Cu Ar ist schwerer als K, daher Cl – Ar – K • Moderne Atomtheorie (ab 1910): BOHR, SCHRÖDINGER, HEISENBERG, DIRAC u.a. 1.3.2 Das Aufbauprinzip PAULI-Prinzip: • In einem Atom (d.h. in der Hülle eines bestimmten Atoms) darf es keine zwei Elektronen geben, die in allen Quantenzahlen übereinstimmen. . • Die Energieniveaus sind eindeutig durch drei Quantenzahlen (n, l, m) gekennzeichnet • Im feldfreien Raum können durch die Quantenzahl m unterschiedene Energieniveaus „entartet“ (energiegleich) sein. • Jedes Energieniveau kann durch maximal zwei Elektronen „besetzt“ werden; diese beiden Elektronen müssen sich durch die Spinquantenzahl s unterscheiden 9 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Zwei Regeln zur Auffüllung der Elektronen: 1) Die Auffüllung der Elektronen erfolgt nach steigender Energie 2) Die HUNDschen Regeln sagen, daß energiegleiche = entartete Orbitale erst einfach dann zweifach befüllt werden Anzahl der Elektronen Die Valenz-Elektronenkonfiguration (im Grundzustand): H: 1s1 He: 1s2 C: 1s2 2s2 2p2 = [He] 2s2 2p2 Na: [Ne] 3s1 10 1s2 Nebenquantenzahl (Art des Orbitals) Haupt-Quantenzahl (Schale) ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Cl: [Ne] 3s2 3p5 Achtung, sobald die Energien von Orbitalen mit verschiedenen Quantenzahlen ähnlich werden kommt es auch zu „unregelmäßigen“ Grundzstands-Konfigurationen Cr: [Ar] 4s1 3d5 oder Pr: [Xe] 6s2 5d1 4f2 • • • Bei der Chemie eines Elements sind nur die Valenzelektronen beteiligt. Ähnliche Valenzelektronen zweier Elemente bedeutet, daß sie auch ähnliche Chemie „machen“ Dadurch ergeben sich die Gruppen im Periodensystem (PSE) 1.3.3 Aufteilung des Periodensystems in Gruppen (senkrecht) = Elementfamilie = ähnliche chemische Eigenschaften in Perioden (waagrecht) = steigende Ordnungszahl (Masse) = Atombau Perioden Periode Elemente 1. Periode H He 2. Periode Li Be B C N O F 3. Periode Na ................................. 4. Periode K ................................. 5. Periode Rb ................................. 6. Periode Cs .................................. 7. Periode Fr ................................... * ergibt sich aus dem Atombau !!! Ne Ar Kr Xe Rn Eka-Rn (Z = 118) Hauptgruppen (nach IUPAC-Nomenklatur): Gruppe 1 Gruppe 2 NebenGruppe 13 Gruppe 14 Gruppen H Li Be B C Na Mg Al Si K Ca Ga Ge Cs Sr In Sn Rb Ba Tl Pb Fr Ra … ... Anzahl der Elemente* 2 8 8 18 18 32 32 Gruppe 15 Gruppe 16 Gruppe 17 Gruppe 18 N P As Sb Bi … O S Se Te Po … Namen der Hauptgruppenelemente: 1. Gruppe Alkalimetalle 2. Gruppe Erdalkalimetalle 13. Gruppe Erdmetalle (Triele) 14. Gruppe Kohlenstoffgruppe (Tetrele) 15. Gruppe Pnikogene (Feuerbildner, Pentele) 16. Gruppe Chalkogene (Erzbildner) 17. Gruppe Halogene (Salzbildner) 18. Gruppe Edelgase Die Hauptgruppenelemente werden auch s- und p-Block-Elemente genannt. 11 F Cl Br I At … He Ne Ar Kr Xe Rn … ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Nebengruppen (nach IUPAC): 1) 3. – 12. Gruppe wird nach dem ersten Element benannt z.B. Titan – Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe 3 4 5 6 7 8 9 10 Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd La Hf Ta W Re Os Ir Pt Ac Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Gruppe 11 Cu Ag Au Rg Gruppe 12 Zn Cd Hg … davon abweichende Sammelnamen: Eisengruppe: Fe, Co, Ni Platin–Metalle: Ru, Rh, Pd Os, Ir, Pt Münz–Metalle: Cu, Ag, Au Die Gruppen 4 bis 12 werden auch d-Block-Elemente genannt 2) Lanthanide: Die 14 Elemente Cer (Ce) – Lutetium (Lu), „befüllen“ die sieben 4f-Orbitale 3) Actinide: Die 14 Elemente Thorium (Th) – Lawrencium (Lr), „befüllen“ die sieben 5f-Orbitale In Zukunft: Elemente mit g Valenzelektronen (erstmals in der 8. Periode (von Element 119 bis Element 168) Abbildung 1.1 Periodensystem der Elemente (PSE) 12 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 1.3.4 Ionen Atome oder Moleküle, die eine effektive elektrische Ladung tragen (positiv + oder negativ −) weil sie ein oder mehrere Elektronen zuviel oder zuwenig haben. • Anionen sind negativ geladen: OH−, H−, SO42− • Kationen sind positiv geladen: H+, K+, NH4+ • Ionen tragen ganze Vielfache von Elementarladungen 1.3.5 Isotope Isotopie ist das Auftreten von verschiedenen Atomsorten bei einem natürlich vorkommenden Element. Die Isotope eines Elements (Atom-Sorten) unterscheiden sich dabei lediglich in der Anzahl der Neutronen (und damit natürlich auch in der Masse) nicht in der Zahl der Protonen oder Elektronen. Alle diese Isotope haben denselben Elementnamen (Ausnahme Wasserstoff). Teilchen mit unterschiedlicher Protonenzahl sind unterschiedliche Atome, selbst wenn sie gleiche Massenzahlen haben wie z.B. 11B (5 Protonen + 6 Neutornen) und 11C (6Protonen + 5 Neutronen). Isotope des Wasserstoffs: 1 H = 1 Proton + 1 Elektron; Name: Wasserstoff H = 1 Proton + 1 Elektron + 1 Neutron; Name: Deuterium 3 H = 1 Proton + 1 Elektron + 2 Neutron; Name: Tritium Beim Wasserstoff verdoppelt bzw. verdreifacht sich die Masse von 1H nach 2H nach 3H. Daher ist die Chemie, der drei Isotope doch deutlich verschieden voneinander. Das rechtfertigt die verschiedenen Namen. Bei anderen Elementen spielt die Neutronenzahl naturgemäß für die Chemie keine oder eine recht geringe Rolle. 2 Isotope der anderen Elemente werden durch ihre Massenzahl gekennzeichnet, das Elementsymbol und der Name ist (natürlich) dasselbe. Die drei wesentlichsten Unterschiede zwischen Isotopen der schwereren Elemente sind die Masse und der Kernspin sowie die Kernstabilität (→Radioaktivität). Beispiele 1) Kohlenstoff (Mr = 12,011) 12 13 14 Isotop C C C besteht aus 6 Protonen + 6 Neutronen + 7 Neutronen + 8 Neutronen Masse 12 u 13 u 14 u Häufigkeit (%) 98,83 1,07 Kernspin 0 1/2 0 Stabilität Stabil stabil t1/2 (β−) = 5730 a Mr = relative Atommasse; 1 u ist die atomare Masseneinheit, in erster Näherung haben Protonen und Neutronen dieselbe Masse = 1. t1/2 oder HWZ ist die radioktive Halbwertszeit; a = Jahre, d = Tage. 2) Sauerstoff (Mr = 15,9994) 15 Isotop ° besteht aus 8 p +7N Masse 15 u Häufigkeit (%) Kernspin ½ Stabilität t1/2 (β+) = 122 s 16 ° +8N 16 u 99,762 0 stabil 13 17 O +9N 17 u 0,038 5/2 stabil 18 O + 10 N 18 u 0,200 0 stabil ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 3) Chlor (Mr = 35,453) 34 Isotop Cl besteht aus 17 p + 17 n Masse 34 u Häufigkeit (%) Kernspin 0 Stabilität t1/2 (β+) = 1,52 s 4) Uran (Mr = 238,029) 234 Isotop U besteht aus 92 p + 142 n Masse 234 u Häufigkeit 0,0055 Kernspin 0 Stabilität t1/2 (α) = 2,455.105 a 35 36 Cl + 18 n 35 u 75,76 3/2 stabil Cl + 19 n 36 u 2 t1/2 (β−/β+) = 3.105 a / - 235 U + 143 n 235 u 0,7204 7/2 t1/2 (α) = 7,04.108 a 237 U + 145 n 237 u ½ t1/2 (β−) = 6,75 d 37 Cl + 20 n 37 u 24,24 3/2 stabil 238 U + 146 n 238 u 99,274 0 t1/2 (α) = 4,468.109 a 1.4 Das Elementsymbol Historisch: Elementsymbole als Abkürzung mit zusätzlichen (nicht wissenschaftlichen) Aspekten So wurden beispielsweise den 7 (bekannten) Metallen die 7 Himmelskörper zugeordnet: • Gold – Sonne • Silber – Mond • Eisen – Mars • Quecksilber (engl. Mercury) – Merkur • Zinn – Jupiter • Blei – Saturn; Bleivergiftung wird noch bis heute als Saturnismus bezeichnet • Kupfer – Venus Heute: Die Elementsymbole sind gebräuchliche Kürzel für ein chemisches Element z.B. S = Schwefel (lat. sulfur) Fe = Eisen (lat. ferrum) H = Wasserstoff (lat. hydrogenium) O = Sauerstoff (franz. oxygène) K = Kalium (vgl. Englisch: potassium) Na = Natrium (vgl. Englisch: sodium) W = Wolfram (vgl. Englisch: tungsten) Au = Gold (lat. aurum) Ag = Silber (lat. argentum) Cu = Kupfer (lat. cuprum) Hg = Quecksilber (lat. hydrargyrum) A Z vollständiges Symbol (weitere optionale Angaben) n = Größe der Einheit in der das Element vorkommt z.B. H2, O2, O3, S8 x = Elementarladung bei Ionen Z = Ordnungszahl A = Massenzahl (Nukleonenzahl) = Z + Zahl der Neutronen = Zahl der Protonen + Zahl der Neutronen +- x En 14 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Das Elementsymbol steht für zweierlei: a) Als Symbol für das entsprechende Atom z.B. um eine Reaktion zu beschreiben H + H → H2 d.h. 1 HAtom reagiert mit einem weiteren H-Atom unter Bildung eines Wasserstoffmoleküls. b) Das Elementsymbol steht für die elementspezifische Menge eines Elements in einer Formeleinheit 1.5 Wie viel wiegen Atome (Elemente) – Die Atommasse bekannt und messbar: relative Atommasse eines Elements X bezogen auf eine Definitionsgröße Ar (relative Atommasse eines Elementes X) = m (1X) / m (Standard) ∼> 1 Einheit von X (in g) historisch wurden als Standard verwendet: z.B. DALTON: Wasserstoff ≅ 1 bzw. H2 ≅ 2 daraus ergibt sich z.B. O ≅ 15,872 STAS 1905: Sauerstoff ≅ 16 Es stellt sich hierbei stets das Problem der → Isotopie Heute (seit 1961; IUPAC): Standard: 12 C davon 1/12 Mr (relative Atommasse) = m (1 Einheit X) / 1/12 m (12C) ist dimensionslos !!! Die Atommasse ergibt sich nun aus der Überlegung, dass das Atom 12C aus 12 atomaren Masseneinheiten ([6 Protonen + 6 Elektronen] + 6 Neutronen) aufgebaut ist. 12C hat also die Atommasse von 12 u oder andersherum 1 u = 1/12 des 12C–Isotops = atomare Einheit d.h. in NaCl liegen Na und Cl im Äquivalentverhältnis im Atomverhältnis im Massenverhältnis 1 50% 39,34% : : : 1 50% 60,66% Massenverhältnis = Atommasse X / ∑ Atommassen ∑ Atommassen = Molekülmasse bzw. Masse der Formeleinheit (Festkörper) 1.6 Das Mol oder Grammatom (empirischer Ansatz) 1 u = 1,66056 . 10−24 g, also wiegt 1 Atom 12C = 1,992672 . 10−23 g Das ist eine winzige Zahl und absolut unhandlich. Deshalb multipliziert man dieses Gewicht mit der Avogadro-Zahl NA (Loschmidsche Zahl NL) NA = 6,0220943 . 1023 [mol−1] Daraus ergibt sich dann das Molgewicht von 12C = 12 [g . mol−1] Anders gesagt wiegt ein Mol 12C 12 g. Die Atommasse (in u) ist identisch mit der Grammmenge eines Mols (Grammatom) 15 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 für Moleküle: Aus der Molekülformel → Molekülmasse [g] → Molgewicht [g . mol−1] Beispiele: H2 ∑ Atommassen = Molekülmasse 2×1u =2u d.h. 1 Mol H2 wiegt 2 g H2 ∑ A.M. 2 × 1,008 d.h. 1 Mol H2 wiegt 2,016 g C6H12O6 (Glucose) ∑ A.M. = 6 × 12,011 + 12 × 1,008 + 6 × 15,994 1 Mol wiegt 180,158 g oder das Molgewicht (MG) von Glucose beträgt 180,158 g/mol 1 Glucose 12C61H1216O6 (isotopenreine Glucose) → 180 g NaCl (Natriumchlorid; Steinsalz, Kochsalz) ∑ A.M. = 1 x 22,98977 + 1 × 35,453 1 Mol NaCl wiegt 58,443 g oder das Molgewicht (MG) beträgt 58,443 g/mol 22 Na35Cl (isotopenreines Natriumchlorid) → 57 g 1.7 Chemische Verbindungen Definierte Ansammlung von Atomen, die eine klare und einheitliche Struktur aufweist. Die Struktur entsteht durch eine oder mehrere Wechselwirkungen zischen den Atomen, man kann dabei unterscheiden in Moleküle und Festkörperverbindungen. Moleküle: in Molekülen ist eine definierte Anzahl von Atomen miteinander verknüpft. Diese Anzahl wird durch die Molekülformel (= Formeleinheit) wiedergegeben. Dazu gehören auch sogenannte Polymere, bei denen sich das Verknüpfungsmuster regelmäßig wiederholt und bei denen die Molekülformel die Repetitionseinheit wiedergibt. Beispiele für Moleküle: H2 = Diwasserstoffmolekül, Essigsäure, Glukose, DNA. CHO OH H C OH HO C H H C H2C HO H C OH H C OH H O C HO C C C H H OH H OH CH2OH Glucose; offenkettige Form (links) und αDNA Pyranose-Sesselform (rechts) Festkörperverbindungen: Liegen als regelmäßige dreidimensionale Netzwerke verknüpfter Teilchen (Atome oder Ionen) vor, bei denen mit der Formeleinheit das kleinste gemeinsame 16 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Vielfache der Atomzusammensetzung bzw. die Repetitionseinheit, bzw. der Inhalt der sog. Elementarzelle angegeben wird. Beispiel: NaCl = Steinsalz, besteht nicht aus NaCl-Molekülen! Was unterscheidet Moleküle so grundsätzlich von Festkörperverbindungen? Moleküle können im Prinzip in allen drei Aggregatzuständen vorkommen, FK-Verbindungen nur in der festen Phase. Steinsalz Schematisierte Kristallstruktur von NaCl Kristallstruktur von α-D-Glucose. Blick entlang der kristallographischen c-Achse (oben) bzw. a-Achse (unten) Versuch: HClkonz + Na NaCl↓ + ½ H2↑ ↓ = fällt aus der Lösung aus; ↑ = Gasentwicklung 17