LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 14. W a h l p e r i o d e Drucksache 14/ 12. 05. 2002 A n t r a g *) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umfassende Verantwortung in der Bioethik: Embryonenschutz sichern und Verbot der Präimplantationsdiagnostik beibehalten, verbrauchende Embryonenforschung verhindern und geeignete Alternativen in der biomedizinischen Forschung nutzen I. Seit nunmehr zwei Jahren findet in Deutschland ein intensive Debatte über ethische, verfassungsrechtliche und gesellschaftliche Fragen der modernen Biotechnologie, insbesondere der Zell- und Molekularbiologie, statt. Im Zentrum der Debatte steht die Frage der verantwortlichen Anwendung dieser neuen Technologien – vor allem die Frage des Umgangs mit menschlichen Embryonen. Besonders bemerkenswert ist, dass sich eine vor-parlamentarische öffentliche Debatte über verfassungsrechtliche Grundwerte entwickelt hat. Die Debatte wird in den Parlamenten, im Bundestag und auch im rheinland-pfälzischen Landtag, mit großem Ernst geführt und es kann auf vielfältigen Sachverstand in ethischer, rechtlicher und naturwissenschaftlicher Hinsicht zurückgegriffen werden. Zu verweisen ist vor allem auf den Bericht der Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages vom November 2001 zur Stammzellforschung, auf das Symposium im Landtag Rheinland-Pfalz vom Oktober 2001 und die Stellungnahme der Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz zum Import von und zur Forschung an humanen embryonalen pluripotenten Stammzellen vom Januar 2002. Die ständig wachsenden Erkenntnisse über das menschliche Erbgut und die sich daraus eröffnenden diagnostischen und möglicherweise therapeutischen Entwicklungen stellen Politik und Gesellschaft vor völlig neue und schwierige Aufgaben. Dies gilt insbesondere für die vorgeburtliche genetische Diagnostik. Das Recht auf Nichtwissen ist gleichermaßen zu achten wie das Recht auf Wissen. Das Verbot der Diskriminierung und der Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer genetischer Konstitution ist gesetzlich zu verankern und im gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen. Hier hat das Land Rheinland-Pfalz eine große Verantwortung. Es sind Entscheidungen über die zukünftigen Forschungswege zu treffen, die das Lebensrecht und die Menschenwürde von Embryonen achten und zugleich das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und Forschung nicht verletzen und den Heilungserwartungen von Menschen mit schweren Erkrankungen gerecht werden. Bei der Entscheidung darüber, welche Mittel die Gesellschaft zur Heilung von Krankheiten ergreift, geht es nicht nur um die Menschenwürde einzelner Individuen und von Embryonen, sondern auch um die Bestimmung der Kriterien einer menschenwürdigen Gesellschaft, auch in Bezug auf zukünftige Generationen. *) Der Antrag ersetzt den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Druck sache 14/667 –. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 14. Mai 2002 1077 Drucksache 14/ 1077 Landtag Rheinland-Pfalz − 14. Wahlperiode II. Der Landtag stellt zur Forschung an embryonalen Stammzellen fest: – Mit abgeschlossener Befruchtung der Eizelle entsteht menschliches Leben und wird der Keim für die Individualität gelegt. Von diesem Zeitpunkt an kommt dem menschlichen Embryo der Schutz der menschlichen Würde nach Art. 1 Abs. 1 GG zu. Er ist Träger des Rechtes auf Leben, Art. 2 Abs. 2 GG. Die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen, bei der menschliches Leben vernichtet wird, ist ethisch nicht zu verantworten und verstößt gegen verfassungsrechtliche Grundprinzipien. Aber auch wenn dabei das menschliche Leben nicht vernichtet würde, wäre dies ethisch und verfassungsrechtlich fragwürdig. Da der Embryo auch hier zu fremdnützigen Zwecken verwendet würde, wäre seine Menschenwürde ebenso betroffen. – Auch in der naturwissenschaftlichen Diskussion ist noch nicht ausreichend geklärt, inwieweit die embryonale Stammzellforschung geeignet und notwendig ist, um den angestrebten therapeutischen Nutzen zu erreichen. Die Debatte wird derzeit aber völlig zu Unrecht von den therapeutischen Heilserwartungen dominiert. Angesichts offener Fragen und weil auch die Forschung dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel unterliegt, sind die ethisch weniger problematischen Mittel wie die Forschung an tierischen Zellen und an adulten und neonatalen Stammzellen den problematischeren Mitteln vorzuziehen. Auch deshalb kann der Verbrauch von Embryonen zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen nicht befürwortet werden. – Wirtschaftliche Gesichtspunkte und die Förderung des Forschungsstandortes Deutschland dürfen in Anbetracht der ethischen und verfassungsrechtlichen Fragen keinesfalls eine Rolle spielen. Der Landtag von Rheinland-Pfalz begrüßt, – dass sich der Deutsche Bundestag am 30. Januar 2002 mit großer Mehrheit gegen die verbrauchende Embryonenforschung und für ein grundsätzliches Verbot des Importes und der Verwendung humaner embryonaler Stammzellen ausgesprochen hat und zügig einen Gesetzesbeschluss (Stammzellgesetz) gefasst hat, der den bisher unbeschränkt zulässigen Import und die unbegrenzt zulässige Verwendung embryonaler Stammzellen gesetzlich beschränkt und für die private und öffentliche Forschung gleichermaßen verbindlich macht; – dass mit dem Stammzellgesetz das hohe Schutzniveau des Embryonenschutzgesetzes, das die Tötung von Embryonen verbietet und die Erzeugung eines Embryos in vitro nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zulässt, aufrechterhalten wird. Der bisher unbeschränkt zulässige Import embryonaler Stammzellen wird grundsätzlich verboten und nur insoweit ausnahmsweise ermöglicht, als dadurch keine Tötung von Embryonen veranlasst werden kann; – dass das Stammzellgesetz ein ausnahmsloses Verbot des Importes und der Verwendung von solchen Stammzellen regelt, die aus Embryonen stammen, welche mittels therapeutischen Klonens künstlich erzeugt wurden; – dass unter der vom Bundestag getroffenen Stichtagsregelung die Tötung von Embryonen aus Anlass des Importes von embryonalen Stammzellen nach Deutschland ausgeschlossen ist; – dass der Vorrang der Forschung mit adulten Stammzellen gesetzlich festgelegt wird. Die getroffenen gesetzlichen Regelungen lassen ausnahmsweise den Import und die Forschung an embryonalen Stammzellen nur dann zu, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass mit dem Import und der Verwendung der Stammzellen ein hochrangiges, auf anderem Wege nicht zu erreichendes Forschungsziel verfolgt wird; – dass es Aufgabe der Genehmigungs- und Kontrollbehörde sowie der Zentralen Ethikkommission für Stammzellforschung sein wird, jeglichen Missbrauch und Umgehung des Gesetzes auszuschließen und die Öffentlichkeit über die Anwendung des Gesetzes umfassend zu informieren. 2 Landtag Rheinland-Pfalz − 14. Wahlperiode 1077 Drucksache 14/ Der Landtag teilt die Auffassung der Mehrheit des Deutschen Bundestages, – dass ein Import- und Verwendungsverbot, das auch die zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Stichtag bereits vorhandenen embryonalen Stammzellen einbezieht, verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Dies würde gegen die im Grundgesetz vorbehaltlos garantierte Freiheit der Wissenschaft und Forschung verstoßen. Mit dem Stichtag 1. Januar 2002 soll sichergestellt werden, dass der Import von embryonalen Stammzellen nach Deutschland kein Anlass für die Tötung weiterer Embryonen zur Stammzellgewinnung sein kann. III. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist nach dem geltenden Embryonenschutzgesetz nicht zulässig. Eine Eizelle darf nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG künstlich nur befruchtet werden, um eine Schwangerschaft bei der Frau, von der die Eizelle stammt, herbeizuführen. Diese gesetzlich erforderliche Absicht besteht bei der PID aber gerade nicht, da die Befruchtung zum Zwecke der genetischen Diagnostik erfolgt. Anderenfalls wäre die PID gar nicht erforderlich. Dass das Ziel der PID letztlich die Herbeiführung einer Schwangerschaft mit einem (gesunden) Kind ist, ändert an der Unzulässigkeit nichts, da sich der Schutz des Embryonenschutzgesetzes ebenso wie der Grundrechtschutz des Embryos auf den einzelnen individuellen Embryo und nicht auf eine Gattung Embryo bezieht. Bei der PID werden Embryonen hergestellt, um sie einer genetischen Untersuchung zu unterziehen und sie für den Fall, dass die Embryonen die unerwünschte genetische Eigenschaft tragen, zu verwerfen. Diese Zeugung auf Probe verstößt gegen die Menschenwürde, die es verbietet, menschliches Leben zum Objekt, zum bloßen Mittel zu machen. Der Embryo wird bei der PID nicht um seiner selbst willen erzeugt, sondern um den Wunsch der Eltern nach einem Kind mit einer bestimmten genetischen Konstitution zu erfüllen. Auch eine Abwägung des Lebensrechtes des Embryo mit dem Selbstbestimmungsund Persönlichkeitsrecht der Frau könnte die PID nicht rechtfertigen. Dem Lebensrecht kommt in der Rangordnung des Grundgesetzes ein Höchstwert zu, was bei jeder Abwägung zu beachten ist. Das Selbstbestimmungsrecht der Eltern oder der Frau können aus überwiegenden Gründe des Gemeinwohles und der Rechte anderer eingeschränkt werden. Diese liegen darin, dass eine Beschränkung der Präimplantationsdiagnostik auf die wenigen Fälle des hohen Risikos einer schweren Erbkrankheit weder gesetzlich noch faktisch möglich ist, wie vor allem die in den letzten Monaten bekannt gewordenen Fälle im Ausland gezeigt haben. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich infolge der Zulässigkeit der PID ein gesellschaftlicher Wertewandel im Hinblick auf behinderte Menschen bis hin zu einem behindertenfeindlichen Klima entwickelt. Der Landtag von Rheinland-Pfalz ist der Ansicht, – dass die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus Embryonen und die verbrauchende Embryonenforschung auch weiterhin ausnahmslos verboten bleiben müssen und das hohe Schutzniveau des Embryonenschutzgesetzes vom 13. Dezember 1990 unbedingt aufrechterhalten werden muss. Auch der Import von und die Forschung an embryonalen Stammzellen müssen grundsätzlich verboten bleiben; – dass darauf hingewirkt werden muss, dass die im Gesetzesbeschluss des Bundestages zu einem Stammzellgesetz vorgesehenen Verbote und Beschränkungen der Verwendung embryonaler Stammzellen, insbesondere die Stichtagsregelung, auch bei den Forschungsprojekten auf europäischer Ebene Anwendung finden; – dass der Bundestag, die Bundesregierung und die Landesregierung alle möglichen Maßnahmen ergreifen müssen mit dem Ziel, entsprechende Regelungen auch für die Stammzellforschung auf Ebene der EU durchzusetzen. Darüber hinaus soll auf internationaler Ebene für das hohe Schutzniveau des Embryonenschutzgesetzes und des Stammzellgesetzes geworben werden; – dass das Verbot der Präimplantationsdiagnostik aufrecht erhalten werden muss; – dass das Verbot des sog. therapeutischen Klonens beibehalten werden muss. Er bittet die Bundesregierung, weltweit auf ein Verbot nicht nur des reproduktiven, sondern auch des sog. therapeutischen Klonens hinzuwirken. 3 Drucksache 14/ 1077 Landtag Rheinland-Pfalz − 14. Wahlperiode Der Landtag von Rheinland-Pfalz fordert die Landesregierung auf, – zur Sicherstellung der ethisch gebotenen Vorrangigkeit der unproblematischen Mittel die Forschungsförderung für private wie für öffentliche Antragsteller in Rheinland-Pfalz im Bereich der Stammzellforschung auf die Forschung an adulten und neonatalen Stammzellen zu beschränken; – mit den Hochschulen, Forschungsinstituten und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im Land Rheinland-Pfalz eine gemeinsame Initiative zu ergreifen, um der breiten, interessierten Öffentlichkeit einen vertieften Einblick und Verständnis in die ethischen, verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen der biotechnologischen Forschung zu geben und die begonnene gesellschaftliche Debatte auf hohem Niveau weiterzuführen; – dem Landtag zur Jahresmitte 2003 und dann im Abstand von zwei Jahren Bericht zu erstatten über die Anwendung des Stammzellgesetzes in Rheinland-Pfalz, über die Anträge von öffentlichen und privaten Forschungsinstituten und ihre Behandlung bezüglich Forschungen an embryonalen Stammzellen. Der Bericht stellt auch den Umfang und die Ergebnisse der Forschung an anderen Formen menschlicher Stammzellen dar. Begründung: Zur Stammzellforschung: Seitdem es im Jahre 1998 weltweit erstmalig gelungen ist, humane embryonale Stammzellen herzustellen und in Kultur zu halten, ist die Stammzellforschung Gegenstand der Debatte in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, in Deutschland und weltweit. Auch in Staaten mit weniger restriktiven Regelungen bezüglich der Embryonenforschung werden die ethischen Fragen zunehmend kontrovers diskutiert. Embryonale Stammzellen haben das Potenzial, sich im Prinzip unbegrenzt zu vermehren und in alle Zelltypen des menschlichen Körpers differenzieren zu können. An dieses Potenzial knüpft sich die Hoffnung, völlig neue Therapiemöglichkeiten für bisher unbehandelbare schwere Krankheiten zu entwickeln. Durch Transplantation humaner Stammzellen oder des daraus gewonnenen Gewebes in den Körper von erkrankten Menschen erhofft man sich die Ersetzung von krankem oder degenerierten Gewebe, vor allem von Gewebe des Nervensystems. Die Erforschung embryonaler Stammzellen befindet sich im Stadium der Grundlagenforschung. Es geht zunächst darum, die weitgehend noch unverstandenen Prozesse der Zelldifferenzierung verstehen zu lernen, um darauf Einfluss nehmen zu können. Inwieweit embryonale Stammzellen später im menschlichen Körper wirken können, ist völlig offen. Die Debatte wird daher völlig zu Unrecht von den therapeutischen Heilserwartungen dominiert. Dies richtig zu stellen und die ethischen Erwägungen auf den richtigen Sachverhalt zurückzuführen, ist daher auch Aufgabe der Bioethikdebatte. Bei der Anwendung adulter und neonataler Stammzellen gibt es bereits therapeutische Anwendungsmöglichkeiten, und zwar bei Geweben, die die Eigenschaft haben, sich dauernd zu erneuern, wie bei der Verwendung von Stammzellen des Knochenmarks zur Regeneration des Blut bildenden Systems nach einer Chemooder Strahlentherapie oder von in vitro vermehrten Stammzellen der Haut zum Ersatz von Hautpartien nach Verbrennungen. Allerdings können diese Zellen bisher nur gewebespezifisch verwendet werden. Eine Differenzierung in andere Zelltypen erscheint jedoch möglich und ist im Tierversuch bereits gelungen. Etliche Forscher und Forscherinnen vertreten aber die Ansicht, dass zur Erforschung des Potenzials und der Nutzung von adulten Stammzellen die Erforschung der Entwicklungsprozesse embryonaler Stammzellen unerlässliche Voraussetzung sei. Die Erforschung embryonaler Stammzellen mit dem Ziel des Verständnisses der adulten Stammzellen könne damit langfristig die Verwendung embryonaler Stammzellen überflüssig machen. Während die Gewinnung von Stammzellen aus den Keimzellen von abgetriebenen Föten (embryonale Keimzellen – EG-Zellen), aus adulten Stammzellen (aus dem differenzierten Körpergewebe – AS-Zellen) und aus neonatalen Stammzellen (aus der 4 Landtag Rheinland-Pfalz − 14. Wahlperiode 1077 Drucksache 14/ Nabelschnur) rechtlich zulässig ist und geringere ethische Probleme aufwirft, ist die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen in Deutschland ausnahmslos verboten. Nach dem Embryonenschutzgesetz darf mit dem Embryo nichts geschehen, was nicht seiner Erhaltung dient. Die Verwendung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen dient nicht der Erhaltung des Embryos und ist daher verboten, unabhängig davon, ob der Embryo dabei getötet („verbraucht“) wird oder nicht. Das Verbot erstreckt sich auch auf die Verwendung sog. überzähliger Embryonen, also auf solche, die zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt, dafür aber nicht mehr verwendet werden können. Mit dem Embryonenschutzgesetz wollte der Gesetzgeber, so die Begründung zum Gesetz, der Wertentscheidung der Verfassung zu Gunsten der Menschenwürde und des Lebens Rechnung tragen. Dem Embryo kommt als menschlichem Leben im frühesten Stadium, von der abgeschlossenen Befruchtung an, Grundrechtschutz zu. Er ist Träger des Rechtes auf Leben, Art. 2 Abs. 2 GG. Die Menschenwürde – Art. 1 Abs. 1 GG – ist beim Umgang mit Embryonen zu achten. Das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und Forschung, Art. 5 Abs. 3 GG, hat insoweit als die Grundrechte des Embryos betroffen sind, zurück zu treten. Dies gilt auch, soweit es sich um sog. überzählige Embryonen handelt. Auch hier verbietet die Achtung der Menschenwürde die Verwendung des Embryos zu fremdnützigen Zwecken, wohingegen das unvermeidbare Absterbenlassen, wenn die Verwirklichung des Entwicklungsprozesses als Mensch entgegen der ursprünglichen Intention nicht mehr möglich ist, keinen Menschenwürdeverstoß darstellt. Das Embryonenschutzgesetz zielt mit seinen Regelungen darauf ab, die Entstehung von überzähligen Embryonen so weit wie möglich zu verhindern. Würde man die Nutzung von überzähligen Embryonen zu Forschungszwecken zulassen, so ist zu befürchten, dass durch die Nachfragen zu Forschungszwecken auch automatisch immer mehr überzählige Embryonen entstehen würden. Hier ist ein Dammbruch zu befürchten. Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, deren Ziel einzig und allein die Erfüllung des Kinderwunsches ist, würde sich damit dem Verdacht aussetzen, anderen Zwecken zu dienen. Nicht verboten ist nach dem Embryonenschutzgesetz der Import und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen, denn diese sind keine Embryonen. Sie können sich nicht zu einem Menschen entwickeln. Diese Lücke wird nunmehr mit dem Stammzellgesetz geschlossen. Zweck des Gesetzes ist es nach seinem § 1, im Hinblick auf die staatliche Verpflichtung, die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und die Freiheit der Forschung zu gewährleisten, die Einfuhr und Verwendung von embryonalen Stammzellen grundsätzlich zu verbieten und zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung embryonaler Stammzellen aus Embryonen veranlasst wird sowie die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen ausnahmsweise zu Forschungszwecken zulässig ist. Aber auch bei der Stammzellforschung ist die grundlegende Wertentscheidung der Verfassung zu Gunsten des Lebens und der Menschenwürde betroffen, wenn durch die Nutzung der embryonalen Stammzellen auch die Art ihrer Gewinnung (Verbrauch von Embryonen) toleriert würde. Eine Gefährdung der Menschenwürde und des Lebensschutzes ist auch zu befürchten, wenn die Zulassung des Importes und der Verwendung die Nachfrage nach neuen Stammzellen hervorrufen würde, mit der Folge, dass dadurch weitere Embryonen getötet werden müssen. Hieraus rechtfertigt sich verfassungsrechtlich das grundsätzliche Verbot mit Ausnahme des Importes und der Verwendung von Stammzellen, die am 1. Januar 2002 bereits vorhanden waren, trotz vorbehaltlos garantierter Forschungsfreiheit. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass die am 1. Januar 2002 vorhandenen Stammzellen nur eingeschränkt verwertbar sind, kann eine Öffnung des Gesetzes für später entstandene Stammzellen nicht in Betracht kommen, da damit die von Verfassung wegen auszuschließende Nachfrage nach weiterem Embryonenverbrauch ausgelöst würde. Mit dem therapeutischen Klonen werden genetisch mit dem Spender oder der Spenderin der Körperzelle identische Embryonen geschaffen, um sie zu Zwecken der Forschung und später zur medizinischen Anwendung beim Spender oder der Spenderin 5 Drucksache 14/ 1077 Landtag Rheinland-Pfalz − 14. Wahlperiode einsetzen zu können. Hier gelten in verstärktem Maße alle gegen die Verwendung von Embryonen vorgebrachten ethischen und verfassungsrechtlichen Bedenken. Vor allem aber ist Voraussetzung für das therapeutische Klonen die Spende von Eizellen von Frauen. Es ist völlig ungeklärt, woher die in großer Zahl für die Forschung und in noch größerer Zahl für eine medizinische Anwendung zu spendenden Eizellen kommen sollen. Die Instrumentalisierung des Körpers der Frau, zudem unter Inkaufnahme gesundheitlicher Schäden, und die Gefahr der Ausbeutung von Frauen aus den Ländern der Dritten Welt ist zu befürchten. Dieser Forschungsweg muss daher unabhängig von der Frage des Status des Embryos verschlossen bleiben. Zur Präimplantationsdiagnostik (PID): Auch die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik wird in Deutschland diskutiert, seit die Ethikkommission der Universität Lübeck einen Antrag auf Durchführung einer PID aufgrund rechtlicher Bedenken zurückgewiesen hat und die Bundesärztekammer einen Diskussionsentwurf für eine Richtlinie zur Regelung der PID vorgelegt hat. Die Entwicklungen in den Staaten, in denen die PID zugelassen ist, zeigen eine ständige Ausweitung der PID, z. B. auf die Geschlechtsbestimmung, auf behandelbare und spät manifestierende Krankheiten wie Brustkrebs und Alzheimer sowie auf die gezielte Erzeugung eines Kindes zur Behandlung eines erkrankten Geschwisterkindes. Die Optionen der PID werden in der Praxis zu immer mehr und immer neuen Handlungszwängen führen, die die Gesellschaft einschließlich künftiger Generationen grundlegend verändern würden. Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken und dem Problem, dass durch die PID überzählige Embryonen in großer Zahl entstehen werden, muss daher auch aus gesellschaftspolitischen Gründen das Verbot der PID aufrechterhalten und – in Anbetracht der Tatsache, dass das Verbot in der juristischen Debatte verschiedentlich bestritten wird – klargestellt und präzisiert werden. Für die Fraktion: Ise Thomas 6