Klimaschutz und Klimaanpassung im bayerischen Alpenraum: Ansatzpunkte für ein koordiniertes Klimahandeln zwischen „oben“ und „unten“ innerhalb des politischen Mehrebenensystems, sondern auch in den unterschiedlichen Akteursgruppen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft finden nur solche Strategien Akzeptanz, die auch intern an bestehende Orientierungen und Routinen anschlussfähig sind. Unsere Untersuchung zeigt: Alle Befragten betrachten eine ebenen- und sektorübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung als notwendig und auch wünschenswert. Doch läuft das Zusammenspiel oft nicht glatt. Um mit den vorhandenen Spannungen produktiv umzugehen und die Abstimmungsprozesse zwischen „oben“ und „unten“ zu befördern, müssen zum einen die oftmals gegensätzlichen Handlungslogiken besser berücksichtigt werden und zum anderen nennen die Akteure selbst eine Reihe von Ansatzpunkten. Doch so bedeutend konkrete Maßnahmen sind, am Ende wird entscheidend sein, wie wir die beiden Grundfragen beantworten: Welche Balance zwischen zentralen Vorgaben und dezentralen Erprobungsmöglichkeiten wollen wir in unserem Gemeinwesen wirksam werden lassen? Welche Ressourcen sind wir bereit, für die zukunftsfähige Transformation gesellschaftlicher Naturnutzung einzusetzen? Nur wenn beide Fragen beantwortet werden, kann die schon bestehende Veränderungsdynamik in effektive und legitime Bahnen klimabezogenen Wandels münden. Der Klimawandel findet nicht nur in der Atmosphäre statt. Er ist auch ein gesellschaftliches Handlungsproblem in den Sphären von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen wird kontrovers diskutiert, was seine Ursachen und Folgen sind und wie ihm am besten zu begegnen ist. Im Alpenraum haben sich Klimaschutz und Klimaanpassung im letzten Jahrzehnt als regionalpolitisches Handlungsfeld etabliert. Klimabezogene Maßnahmen werden hier meist in nahräumlichen Abstimmungsprozessen entwickelt und umgesetzt. Dabei dominieren örtliche Wahrnehmungsmuster und Prioritätensetzungen den Prozess. Integrierte und langfristige Projekte entstehen vor allem dann, wenn Interessenkonflikte durch gemeinsame Visionen überbrückt werden können und das gemeinsame Klimahandeln allen Beteiligten verspricht, die örtliche Zukunftsfähigkeit zu verbessern. Aufgrund der Komplexität der Herausforderung bedarf das Klimahandeln „von unten“ für sein Gelingen koordinierter Abstimmungsleistungen „von oben“. Denn regionale Klimamaßnahmen, insbesondere in gebiets- und fachübergreifenden Handlungsfeldern wie Infrastruktur- und Freiraumplanung, werden dann erfolgreich umgesetzt, wenn sie auf der lokalen Ebene an laufende Entwicklungspläne und konkrete Planungsvorhaben anschlussfähig sind, sich aber auch an fachlichen, rechtlichen sowie planerischen Grundlagen der Steuerungsebene orientieren und dabei vorsorgend und langfristig angelegt sind. Klimahandeln und Koordinationsprobleme im bayerischen Mehrebenensystem Deshalb besteht eine, wenn nicht die wichtigste Aufgabe darin, Handlungsinitiativen „von unten“ und Steuerungsimpulse „von oben“ zu integrieren. Aufbauend auf das Projekt „Klima Regional: Soziale Transformationsprozesse für Klimaschutz und Klimaanpassung“ (Böschen et al. 2014) haben wir in über 40 Gruppen- und Einzelgesprächen mit Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erkundet, wie gemeinsames Klimahandeln im bayerischen Alpenraum entsteht, welche Herausforderungen und Koordinationsleistungen damit verbunden sind und unter welchen Bedingungen Erfolge zu verzeichnen sind. Klimabezogene Maßnahmen gehören im bayerischen Mehrebenensystem zum Alltag. Proaktives Klimahandeln wird allerdings durch vielfältige Handlungsbarrieren erschwert: Zum einen unterscheidet sich die Bewertung der Folgen der globalen Erwärmung und der Notwendigkeit von Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung. Um Abstimmungsprozesse erfolgreich zu gestalten, muss den Handlungsperspektiven und Kontextbedingungen aller Beteiligten Rechnung getragen werden. Denn nicht nur 1 Zum anderen werden auf den verschiedenen Ebenen die Handlungsfelder thematisch unterschiedlich bestimmt und, was vorrangig zu tun ist, unterschiedlich festgelegt. Klimahandeln folgt den auf der jeweiligen Ebene geltenden Handlungszwängen und -strategien und ist abhängig von den jeweils vorhandenen Ressourcen. „Schon wieder ein Jahrhunderthochwasser im vergangenen Jahr, neue Niederschlagsmarke, überflutete Keller: die Angst der Bürger ist spürbar.“ Gemeinden fällt im politischen Mehrebenensystem die Aufgabe zu, ein grundsätzliches Koordinationsproblem zu lösen: Sie bringen Bürger/innen und Unternehmer/ -innen mit der Steuerung „von oben“ zusammen und müssen dabei viele Themen gleichzeitig bewältigen. Die soziale Koordination stellt einen aufwendigen Weg der Überzeugungsarbeit dar, für den es in den meisten Kommunen an personellen und finanziellen Ressourcen fehlt. Die Vielfalt und die zeitliche Befristung landesweiter Entwicklungs- sowie nationaler und internationaler Förder- und Aktionsprogramme erhöhen das Koordinationsproblem, von kurzfristigen politischen Wendemanövern wie der bayerischen Abstandsregelung in der Windkraftnutzung ganz zu schweigen. Planungssicherheit durch klare Zielvorgaben „von oben“ erscheint für die lokale und kommunale Ebene deshalb von nicht zu überschätzender Bedeutung. Um die erlebten Handlungsbarrieren zu überwinden, richten viele ihre Erwartungen einerseits auf „eindeutige Zielvorgaben“ durch die nächsthöhere Ebene und weisen andererseits Vorgaben zurück, die im jeweiligen Kontext unpassend erscheinen. Statt einer „Politik der Nadelstiche“ sollen zudem Lösungen in einem fortlaufenden Prozess der Abstimmung entwickelt werden, der thematisch fokussiert ist. Dazu setzen die meisten Befragten ihre Hoffnungen auf eine verstärkte Zusammenarbeit und sehen gleichermaßen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Pflicht. Die Vorschläge für ein koordiniertes, zwischen den Ebenen abgestimmtes Vorgehen konvergieren oftmals jedoch nicht. Wie wir im Folgenden sichtbar machen, stehen dem die ebenenspezifischen Handlungszwänge der sozialen Koordination, des vermittelnden AgendaSetting und der steuernden Vorsorge entgegen. Agenda Setting auf den (teil-)regionalen Vermittlungsebenen Soziale Koordination auf der Gemeindeebene Im Kontakt mit den Gemeinden und ihren Besonderheiten werden auf teilregionaler Vermittlungsebene übergreifende Perspektiven und Konzepte für klimarelevantes Handeln im Alpenraum entwickelt. Dabei interagieren Landkreise und Bezirksregierungen, Planungs- und Umweltverbände, regionale Arbeitsgruppen, übergeordnete Ämter und Behörden. Jedoch fehlt der Vermittlungsebene meist der Durchgriff nach unten. Entsprechend resümiert ein Befragter: Die lokale Handlungsebene ist entscheidend für die Umsetzung klimabezogener Maßnahmen und leistet den Interessensausgleich vor Ort. Dabei interagieren sehr unterschiedliche Partner und Motive. Anstöße für lokales Klimahandeln kommen oft aus der örtlichen Bevölkerung und von ortsansässigen Unternehmen und/oder durch konkrete Anlässe, wie Gefährdungsereignisse oder Förderprogramme. Sie liefern die erforderliche Legitimation im Kampf um knappe Ressourcen: Soll etwa die Schule renoviert oder der Steilhang befestigt werden? Themen, die schnellen Erfolg versprechen und sich voraussichtlich leichter durchsetzen lassen, werden bevorzugt. Die befragten Bürgermeister/innen und lokalen Verantwortlichen identifizieren deshalb meist Klimahandeln vor Ort mit der Energiewende. „Unsere Arbeit hängt in der Luft.“ Auf der Vermittlungsebene wird das notwendige Klimahandeln mit einer breiteren Themenpalette verknüpft. Sie umfasst Energie und Verkehr, Gefährdungen durch Extremwetterereignisse, Nutzungsveränderungen für Landwirtschaft und Tourismus, Folgen für die regionalen Wertschöpfungsketten, insbesondere im Bereich der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung, sowie klimarelevantem Flächenverbrauch und damit einhergehenden Versiegelungsrisiken. „Die Energiewende ist das anschlussfähige Thema: Sie bringt monetäre Vorteile für die Bürger, entweder direkt für den eigenen Geldbeutel oder vermittelt über die Gemeindefinanzen.“ Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt – wie auch auf der lokalen Ebene – gleichwohl im Bereich Energie, und hier insbesondere auf der vermehrten Nutzung regenerativer Energieträger. Energetische Effizienzverbesserung oder Energieeinsparung spielen kaum eine Rolle. Klimaschutz wird so vornehmlich als Modernisierungsaufgabe interpretiert, die ökonomisch rentabel und technisch auf dem letzten Stand sein soll. Andere Herausforderungen, wie etwa die Verkehrsund Siedlungsentwicklung, werden aufgrund ihres Konfliktpotenzials gemieden oder nur als langfristig lösbar erachtet. Wieder andere schließlich, wie die Vorsorge gegenüber Extremwetterereignissen und der Gefährdung, die von ihnen für den Alpenraum ausgeht, werden verdrängt und nur auf Nachfrage, dann aber entschieden bejaht: Als besonders schwieriges Thema gilt auch auf der teilregionalen Ebene die Verkehrsentwicklung. Nachdem jahrelang der individuelle Verkehr im Alpenraum privilegiert worden sei, wird ein Umsteuern für dringend notwendig gehalten. Doch fehlt im Bereich Mobilität anders als bei der Energiewende eine vergleichbare übergreifende Rahmensetzung. Weder bei Bürger/innen noch bei 2 Verantwortlichen könne mit Zuspruch gerechnet werden, selbst in den eigenen Reihen fehle es an Akzeptanz. Lernprozessen für die ländliche Entwicklung, der Erhalt gleichwertiger Lebenschancen sowie Möglichkeiten der transnationalen Zusammenarbeit und der nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Gerade Siedlungsund Flächennutzungsfragen werden in den Augen der Steuerungsebene auf den lokalen und teilregionalen Ebenen zu wenig thematisiert. Die Abstimmungsprobleme zwischen „oben“ und „unten“ treten auf der teilregionalen Vermittlungsebene in besonderer Weise in Erscheinung. In der Zusammenarbeit mit der untergeordneten, lokalen Ebene erweist sich die kommunale Planungshoheit als Hindernis. Als weitere Hürde für klimabezogenes Handeln gilt die „Bürgermeisterkonkurrenz“, die sich gerade mit Blick auf den befürchteten Bevölkerungsschwund und Überalterung als problematisch darstellt. Die Zahl der Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung im bayerischen Alpenraum, die auf gemeinsamen Anstrengungen der Gemeinden beruhen, ist überschaubar. Die Zuständigen auf Landkreis- und Bezirksebene bedauern, dass „alles im Alleingang“ versucht werde. Die Gemeinden fänden sich erst dann bereit, Absprachen zu treffen und gemeinsam zu handeln, wenn die Konflikte bereits greifbar und die lokalen Entwicklungsprobleme gravierend seien. Die Problematik interkommunaler Abstimmung unter wechselnden Vorzeichen spiegelt sich für die regionale Ebene insbesondere im Handlungsfeld Energiewende. Häufig gingen damit unangemessene Autarkiehoffnungen einher und fehlten Konzepte für den interkommunalen Ausgleich. Dennoch setzt die Vermittlungsebene ihre Hoffnung auf die interkommunale Zusammenarbeit und versucht grundsätzlich, diese zu fördern. Nach eigener Einschätzung fühlen sich die Verantwortlichen der Steuerungsebene aufgrund der langjährigen Expertise in den jeweiligen Ressorts, des angesammelten Wissens und der zur Verfügung stehenden Instrumente genügend gerüstet, um das Problem von Klimaschutz und Klimaanpassung im Alpenraum anzugehen. Gleichwohl ist eine gewisse Resignation spürbar. Die Steuerungsebene, die im Vergleich zur kommunalen und teilregionalen Ebene immer noch über die meisten Ressourcen verfügt, leidet selbst unter Mittel- und Personalkürzungen, aber auch an der Sprunghaftigkeit der Politik. Die jüngsten landespolitischen Entscheidungen werden als wenig hilfreich für die eigene Arbeit empfunden. Insbesondere im Alpenraum heißt es, in den kommenden Dekaden nicht nur dem drohenden Verlust ländlicher Wertschöpfungskraft entgegenzuwirken, sondern auch bereits spürbare Klimafolgen ohne klare Zielvorgaben zu bewältigen. „In dreißig Jahren werden wir in all unseren Zuständigkeiten stärker mit Klimafolgen befasst sein. Es ist ein Thema, das in Einzelentscheidungen oft nicht angemessen berücksichtigt wird. Ich sehe die Entwicklung negativ. Das 2-Grad-Ziel werden wir wohl nicht einhalten. Alle Entwicklungen, auch international, sprechen dagegen, da tut sich nicht viel. Im Alpenraum ist die Vulnerabilität noch extremer: Da werden sich die Klimazonen durch die Höhenentwicklung auf sehr engem Raum sehr viel schneller verschieben. Das wird viel mehr Maßnahmen erfordern, sonst müssen wir den Alpenraum absiedeln, weil es zu gefährlich wird.“ Abstimmungsprobleme ergeben sich auch mit der nächsthöheren Ebene, vor allem weil die Bedeutung von Klimaschutzkonzepten, Energienutzungsplänen und Vulnerabilitätsassessments unterschiedlich eingeschätzt wird. Aus Sicht der übergeordneten Steuerungsebene sind solche Planungsansätze ein geeignetes Mittel, um Handlungswege aufzuzeigen und bei deren Umsetzung zu helfen. Aus Sicht der untergeordneten Ebenen sensibilisieren sie zwar für die Thematik, aber für die Umsetzung werden oftmals nicht genügend relevante Partner gewonnen. Zudem begünstigten sie Mitnahmeeffekte, ohne die Nachhaltigkeit von Maßnahmen zu stärken – „das Handeln war dann wieder nur der Plan“. Klimahandeln schlägt sich auf der Steuerungsebene in einer Fülle von Klimabündnissen und Aktionsprogrammen nieder. Allerdings wird zugegeben, dass ihre Umsetzung in der Alltagspraxis an Grenzen stößt. Der Fokus liegt auf Modellprojekten, nicht aber auf strikten Vorgaben. Deshalb werden Maßnahmen der übergeordneten Steuerungsebene nur begrenzt in klimarelevante Planungen und Entscheidungen der unteren Ebenen überführt. Befragte der teilregionalen Ebene bezweifeln, dass die auf der Steuerungsebene bestehende Palette an Wissen und Instrumenten für ein erfolgreiches Klimahandeln ausreicht; in ihren Augen wird man ohne die Entwicklung neuer Ansätze nicht auskommen. Strategischer Umgang mit antizipierten Risiken auf der übergeordneten Steuerungsebene Auf der Steuerungsebene agieren Ministerien und (Bezirks-) Regierungen, Kammern und Verbände sowie die Zentralen der großen Umweltorganisationen gebietsübergreifend. Sie sehen den Klimawandel und seine Herausforderungen durch die Ressortbrille und entwickeln übergreifende Strategien, um den angenommenen Gefahren globaler Erwärmung künftig zu begegnen. Zum Klimahandeln gehört auch die Umsetzung nationaler Klimastrategien. Nach Einschätzung der Steuerungsebene werden sie jedoch nicht entschieden genug vorangetrieben. Der Bund hat den Ländern gegenüber nur eine indirekte Rolle, doch kann er beispielsweise über die Finanzierung von Klimaschutzmanagern direkt auf die kommunale Ebene einwirken. Zum Klimahandeln gehört auf dieser Ebene auch die Bearbeitung vieler grundsätzlicher Fragen, wie die Zukunftsfähigkeit einzelner Branchen und Nutzungsformen im Alpenraum, Fragen der möglichen und notwendigen Vorsorge im Naturgefahren- und Risikomanagement, Probleme der übergreifenden Organisation von 3 Der Klimaproblematik wird an keiner Stelle hohe oder höchste Priorität eingeräumt. Als dringlicher wird erachtet, Wirtschaftskraft und Infrastrukturen zu sichern. Klimaschutz und Klimaanpassung werden als Querschnittsthemen betrachtet, deren Anforderungen die bestehenden Ressorts adäquat erfüllen könnten. Eigens klimapolitische Fachbereiche einzurichten, sei nicht nötig. In der Ablehnung schwingt auch die Besorgnis mit, bestehendes Lösungswissen zu entwerten. „Die Programme der Länder sind wesentlich in Ergänzung der Programme des Bundes zu sehen, weil diese in besonderer Weise die Akteure der kommunalen Ebene motivieren können.“ Nach einer längeren Phase klimapolitischer Zurückhaltung, in der die Kräfte durch Abstimmungserfordernisse mit transnationalen Vorgaben gebunden waren, versucht der Bund nun wieder Terrain zu gewinnen. Angesichts der lange vernachlässigten Abstimmung zwischen Bund und Ländern sind Konflikte, etwa bei der Umsetzung der Energiewende, vorprogrammiert. Bei der Entwicklung und Umsetzung von Klimamaßnahmen beanspruchen die Befragten aus Verwaltung und Verbänden die Definitionshoheit für sich. Sie bestimmen, welche Maßnahmen notwendig und geeignet seien. Auf der Basis von Mandat und Expertise können sie informieren und motivieren, diktieren können sie aber kaum. Deshalb sehen sie ihre Aufgabe im Umgang mit dem Klimawandel darin, Handlungsanreize zu schaffen – durch Beratung, koordinierte Planung und das Auflegen von Förderprogrammen. Allerdings hängt es von Lokalpolitik, Unternehmen und Bürgerschaft und deren freiwilliger Beteiligung ab, ob auch (deren) Ressourcen für die Umsetzung von Maßnahmen gewonnen und klimagerechtes Handeln breit verankert werden kann. Klimawandel aus den unterschiedlichen Handlungsperspektiven der gesellschaftlichen Akteursgruppen Sind Regeln und Vorgaben auslegungsbedürftig, setzen Politik und Verwaltung auf Austausch und Zusammenarbeit. Sie erfolgt in Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Gremien, Plattformen, Gutachten und Stellungnahmen. Der damit verbundene Aufwand stößt jedoch an Grenzen: Erfolgreiches Klimahandeln im Alpenraum setzt nicht nur vertikale Abstimmung im Mehrebenensystem voraus. Es erfordert auch Zusammenarbeit über die gesellschaftlichen Sektoren Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hinweg. Dafür müssen Akteure wie Politiker/innen und Zuständige in Behörden, Unternehmer/innen und Umweltaktivist/innen gemeinsame Problemdeutungen und Handlungsziele entwickeln. Doch, wie unsere Analyse zeigt, fehlt ihnen oft die Einsicht in die jeweils handlungsleitende Perspektive der anderen, die – unabhängig von der Bereitschaft Interessenkonflikte zu überwinden – der sektorübergreifenden Kooperation im Weg steht. Um das wechselseitige Verständnis für die bereichstypischen Handlungslogiken zu fördern, die das Wahrnehmen, Bewerten und Handeln der jeweiligen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft leiten, skizzieren wir im Folgenden, wie das Handlungsfeld „Klimawandel“ aus den unterschiedlichen Handlungsperspektiven wahrgenommen wird. „Für eine klimagerechte Regionalentwicklung, die unterhalb der Normenebene von statten geht, benötigt man Abstimmungsprozesse und dafür benötigt man organisationellen, personellen und finanziellen Rückhalt, der uns fehlt.“ Der Klimawandel als Geschäftsfeld Aus der Handlungsperspektive der Marktakteure wird der Klimawandel als ein möglicher Motor für ökonomische Entwicklung betrachtet. Er verspricht neuartige Renditemöglichkeiten, Wachstum und Arbeitsplätze. Klimaschutz steht in vielen Betrieben auf der Agenda. Die Gründe dafür reichen von ökonomischen Motiven, wie der Einsparung von Energiekosten, bis hin zur ethischen Überzeugung, dass nachhaltiges Wirtschaften möglich, notwendig und auch erfolgversprechend ist. Die politische Verwaltung des Klimawandels Für das Klimahandeln von Politik, Verwaltung und Verbänden setzen politische, rechtliche und administrative Vorgaben den Rahmen. Die zumeist öffentlichen Akteure reklamieren für sich Fachexpertise, institutionelle Zuständigkeit und professionelle Erfahrung im Umgang mit komplexen Steuerungsaufgaben. Sie fühlen sich damit gut gerüstet, um die anstehenden Aufgaben zu erledigen. Die bestehenden politischen Instrumente haben sich aus ihrer Sicht bewährt. Um die Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen „fundiert“ absichern zu können, wünschen sie sich aber mehr kleinräumig skaliertes Wissen. Wirtschaftliches Klimahandeln bezieht sich vor allem auf Klimaschutz. Er hat sich als Geschäftsfeld etabliert. Mit der Bereitstellung von Dienstleistungen (Energieberatung) und „grünen“ Technologien verspricht der Markt Lösungen für das Problem der globalen Erwärmung. Investitionskosten, Amortisationszeiten und Gewinne scheinen gut kalkulierbar. Klimaschutz muss sich rechnen. Doch fehlt es den Marktakteuren an Planungssicherheit. Der politische Handlungsrahmen, etwa das Erneuerbare- 4 Energien-Gesetz (EEG), wird als fragil empfunden. Mangelnde Kontinuität sorgt letztlich für Frustration. Als Kritikpunkte werden exemplarisch genannt: Einspeisevergütung, Abstandsregelung für Windräder und intransparente Fördermittel. „Momentan gibt es kein gutes Zusammenspiel in der Region, weil die politischen Rahmenbedingungen gerade im letzten Jahr einen Kurs von links nach rechts, von hier nach da fahren, sodass man nicht weiß: Was kommt jetzt als nächstes? Wer will jetzt eigentlich was?“ Gleichwohl liegt darin keine generelle Absage an staatliche Vorgaben. Das Vertrauen darauf, dass sich auf dem Markt notwendigerweise die besten Lösungen im Sinne des Klimaschutzes durchsetzen, ist gering. Sinnvoll regulierte Märkte gelten deshalb als Erfordernis. Regionale und lokale Marktakteure befürchten zugleich, dass staatliche Regulierung vor allem den Konzernen nützt und deshalb das Ziel der regionalen Wertschöpfung in der Politik unter die Räder kommt. Bürgerschaftliches Klimahandeln setzt auf Information und gemeinsame Aktion. Viele Bürger/innen engagieren sich in der Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Sie hoffen, insbesondere bei Kindern einen Bewusstseinswandel herbeizuführen. Um den Klimaschutz und die eigene Region zu stärken, setzen sie sich aber auch für die Umsetzung der Energiewende in ihren Kommunen ein. Zivilgesellschaftliche Akteure initiieren und unterstützen etwa Projekte zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Ziel ist es, die Nutzung grüner Energiequellen gemeinschaftlich, verantwortungsvoll und finanziell tragfähig zu gestalten. Große Skepsis herrscht gegenüber externen Investoren und der Lobbyarbeit großer Konzerne. „Es geht immer nur darum, dass große Akteure unterstützt werden und auch da stecken Konzerne dahinter. Das geht zu Lasten der kleinen dezentralen Energieversorgung.“ Im Vergleich zum Klimaschutz rangiert Klimaanpassung im Geschäftsfeld Klimawandel weit hinten. Investitionen zur Schadensbegrenzung – im Sinne der Vermeidung von Verlust – sind schwer kalkulierbar und für die Einzelnen wenig attraktiv. Volkswirtschaftlich hingegen werden solche Investitionen als hochrelevant beurteilt. „Es soll keine Windbarone geben, wenn es eine Windkraftanlage gibt, soll es ein Bürgerwindkraftwerk sein.“ Wer sich engagiert, tut dies meist ehrenamtlich und stößt angesichts der begrenzten Ressourcen häufig an Belastungsgrenzen. Ansporn, weiter zu machen, ziehen die zivilgesellschaftlichen Akteure aus der Überzeugung, substanzielle Veränderungen seien wichtig und notwendig, dem Networking mit Gleichgesinnten und der Signalkraft schon realisierter „guter Beispiele“. „Für die Klimaanpassung gibt es keinen Markt, der sich selber trägt. Es gibt keine Klimaanpassungs-Berater. Für den Klimaschutz gibt es die Energieberater. Anders als der Klimaschutz hat die Klimaanpassung keinen return of investment, den man finanziell unterlegen kann. Für die Klimaanpassung muss der Staat in Vorleistung gehen.“ Spannungsfelder des Klimahandelns Bürgerschaftliches Engagement gegen Klimawandel Engagierte Bürger/innen betrachten den Klimawandel als Bedrohung. Den Auswirkungen der Klimaänderung zu begegnen, hat für sie hohe Priorität. Die Angst vor unumkehrbaren Klimafolgen, aber auch die Hoffnung auf eine zukunftsfähige Ressourcennutzung, auf ökonomische Sicherheit und ein gutes Leben vor Ort lassen sie persönlich aktiv werden und Verantwortung übernehmen. Sie schließen sich in Initiativen und Vereinen zusammen und treten für Klimaschutz und Energiesparen ein. Mit ihren Ängsten fühlen sie sich allerdings allein gelassen. Die Ansprechpartner vor Ort seien kaum in der Lage zu handeln. Um etwas zu bewegen, bedürfe es viel stärkerer, übergeordneter Anstrengungen. Zukunftsbezogenes Klimahandeln im Alpenraum steht bei allen Akteuren – wenn auch spezifisch eingefärbt – auf der Agenda. Konstruktiver Austausch und Abbau von Handlungsbarrieren hängen allerdings nicht allein von Einsicht in und Verständnis für unterschiedliche Handlungslogiken ab. Im Wechselspiel zwischen Gemeinden, Regionen, Ländern und Bund sowie zwischen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren stellen sich grundlegende Fragen der Koordination: Wie viel Planung ist erforderlich, wie viel hinderlich? Welche Ebene trägt für was Verantwortung? Welche Rolle spielt der Markt, welche Rolle die Zivilgesellschaft? Form und Intensität der von uns beobachteten und im Folgenden benannten Spannungen offenbaren einen tieferliegenden Systemkonflikt – den Widerstreit zentralisierter und dezentraler Strategien. An Politik und Verwaltung haben Bürger/innen klare Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden. Sie wünschen eine konstruktive Zusammenarbeit und monieren, dass ihre Expertise selten anerkannt wird. Die gewählten Vertreter/innen auf allen politischen Ebenen sollen mehr Verantwortung übernehmen, und auch lokal Zuständige die Aufgabe des Klimahandelns zu ihrer machen. Dazu brauche es klare politische Vorgaben und verbindlichen Einsatz für das Thema. Hier bleibt Bayern weit hinter den Erwartungen seiner Landeskinder zurück: Geradezu paradigmatisch verkörpert die Energiewende diesen Grundsatzkonflikt. Durch den politisch geförderten Ausbau regenerativer Energiequellen wurde ein zentralisiertes Energieversorgungssystem mit 5 wird oftmals tagespolitischen Interessen untergeordnet. So scheitert die Etablierung langfristiger Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung an drängenden Prioritäten und Profilierungsinteressen. Auf der Gemeindeebene Aktive sowie viele zivilgesellschaftliche Netzwerke auf der Vermittlungsebene wissen ein Lied davon zu singen: Bürgermeister/innen dächten zu oft in Legislaturperioden, selbst auf den übergeordneten Ebenen (Ministerien von Land und Bund) sei die Langfristorientierung gering. dezentralen Elementen angereichert und der Konflikt zwischen zentralisierten und dezentralen Strategien zur Grundsatzfrage der Systemarchitektur. Heute stellt sich die Entwicklung des Feldes als vergleichsweise unterstrukturiert und planlos dar. Ein geradezu amorphes Feld von Beteiligten, Regelungen, Technologien und unterschiedlichen Lösungsstrategien hat sich herausgebildet. Der Systemkonflikt prägt nicht nur die Energiewende, sondern spiegelt sich auch in anderen Bereichen von Klimaschutz und Klimaanpassung wider, wie die von den Befragten benannten Spannungsfelder des Klimahandelns im Folgenden illustrieren: Klimaschutz versus Klimaanpassung Auf der nationalen Ebene wird die Energiewende politisch vorangetrieben und durch finanzielle Anreize für die Einsparung von Kohlendioxid gefördert. Maßnahmen zum Klimaschutz vereinigen leichter Mehrheiten hinter sich, da für sie über die Kapitalrendite eher der Rentabilitätsnachweis erbracht werden kann. Entscheidungsprozesse für Klimaanpassung gestalten sich hingegen gerade in den Gemeinden als schwierig. Bei Maßnahmen zur vorsorgenden Abwehr möglicher Schadereignisse kann nicht mit Gewinnen argumentiert werden. Dies ist die Schattenseite einer Klimapolitik, die dem Klimawandel mit wirtschaftlichen Prinzipien zu begegnen sucht. Wachstumsimperative versus nachhaltige Regionalentwicklung Initiativen „von oben“ setzen bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach wie vor auf Wachstum und Global Player. Die notwendigen Innovationen sollen von Investoren und Großunternehmen getragen werden und Wohlstand auf Umwegen über die internationale Wettbewerbsstärke schaffen. Initiativen „von unten“ versuchen verstärkt, die Wertschöpfung regional zu reorganisieren und wenden sich deshalb gegen den Einfluss ortsfremder, global agierender (Groß-)Konzerne. Maßnahmenbegründung trotz Unsicherheit Das Aufsetzen von Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung erfordert gegenüber anderen Mittelverwendungen gute Gründe. Der übergeordneten Steuerungsebene, die den unmittelbaren Handlungskonflikten enthoben ist, fällt proaktives Klimahandeln bei dünner Datenlage oftmals leichter als der lokalen Handlungsebene, die direkt in der „Schusslinie“ steht und gewohnheitsmäßig die drängendsten und gegenwärtigen Probleme vor jenen von morgen und übermorgen löst. Wegen der unsicheren Vorhersagen sei die Bevölkerung schwer von Maßnahmen zu überzeugen. Um davon wegzukommen, dass konkrete (Schadens-)Ereignisse oder dramatisierende Medienberichterstattung die Begründung liefern, welche Maßnahmen ergriffen werden, ist die kommunale Ebene auf Unterstützung „von oben“ angewiesen. Übergreifende Rahmensetzung versus Autonomiesicherung Bei der Entwicklung und Umsetzung klimabezogener Maßnahmen steht dem Wunsch nach klaren und verbindlichen zentralen Vorgaben das Interesse am Erhalt der eigenen Einflusssphäre gegenüber. Akteure der lokalen wie auch der Vermittlungsebene wünschen sich zu großen Teilen stabile und übergreifende Rahmensetzungen von der Landes- und Bundespolitik, um Konflikte und Fehlinvestitionen zu vermeiden, deren Fehlen sich insbesondere in der jüngeren Energiepolitik schmerzlich äußert: „Die von der ‚großen Politik’ vorgegebenen Rahmenbedingungen spielen eine zentrale Rolle. Alles, was in der Vergangenheit in Bezug auf Windenergie geplant wurde, ist durch die Änderung der Energieeinspeiseverordnung und neue Abstandsregelungen wirtschaftlich nicht mehr darstellbar oder baurechtlich nicht mehr genehmigbar. Damit ist alles erledigt.“ Verantwortung und Ressourcenallokation Alle Akteure betrachten ihre Ressourcen als knapp und empfinden eine Diskrepanz zwischen Ressourcenlage und Verantwortlichkeiten. Aus Sicht der lokalen und teilregionalen Ebene entspricht die Verteilung und Zuordnung von Ressourcen nicht den Anforderungen. Dort, wo gehandelt werde, fehlten organisatorische und finanzielle Mittel, die jenen zur Verfügung stünden, die nur planten. Handeln erschöpfte sich dann in der (oftmals geförderten) Identifizierung von klimabezogenen Maßnahmen, während zu ihrer Umsetzung die Mittel und Verantwortlichkeiten fehlten. Zugleich pochen die Gemeinden auf die kommunale Selbstverwaltung, die Behörden auf angestammte Zuständigkeitsbereiche, die Verbraucher/innen auf die Konsumentensouveränität. Langfristorientierung versus Kurzfristorientierung Der Klimawandel passt mit seinen langfristigen Projektionszeiträumen nicht zu den kurzen Zeithorizonten im politischen Feld. Das langfristig erforderliche „Umsteuern“ „Das Handeln war dann nur der Plan, ein Nutzungsplan, ein Klimaschutzplan. Und dann ist Schluss.“ 6 Verantwortliche auf der Steuerungsebene in Ministerien, Landes- und Bundespolitik sind sich des Dilemmas der eingeschränkten Ressourcenlage sehr wohl bewusst, doch sehen sie ihre Handlungsmöglichkeiten durch die europäische und transnationale Politik sowie die vereinbarte Schuldenbremse beschränkt. Jedoch stellt sich die Frage, ob nicht durch die Umverteilung von Mitteln eine bessere Ausstattung der lokalen Ebene erreicht werden kann. klimabezogenem Handeln mit eindeutigen und erfahrbaren Anlässen zu verknüpfen, so muss man gleichwohl auf deren Selektionswirkung achten. Initiativfähigkeit und Wissen verknüpfen Gemeinden bilden einen guten Nährboden für Initiativen. Zugleich fällt es ihnen schwerer, Wissen für Maßnahmen zu mobilisieren. Oft scheiden sich die Geister, wenn es um die Frage geht, ob gegebenenfalls neue Instrumente, Technologien oder Herangehensweisen erforderlich sind. Hier können Kommunikationsplattformen weiterhelfen. Die Vermittlungsebene wäre als wichtiges Bindeglied zu betrachten und als Schnittstelle stärker zu unterstützen. Sie verfügt unseres Erachtens über geeignetes Fachpersonal, das einen Wissenstransfer in die Gemeinden befördern kann. Für Marktakteure ist angesichts der langen Planungs- und Abstimmungshorizonte eine solch langfristige Bindung von Ressourcen unternehmerisch nicht zu rechtfertigen. Auch Verbände können angesichts der ohnehin angespannten Lage und der Notwendigkeit, kurzfristig Erfolge auszuweisen, keine Ressourcen mobilisieren. Die aktive Zivilgesellschaft ist trotz minimaler Ressourcen handlungsbereit, doch sie nimmt sich als ausgeschlossen und unterschätzt wahr. Koordiniertes Agenda Setting Vertrauen in die Technikentwicklung versus Bewusstseinswandel Gemeinden sind nur begrenzt kampagnenfähig. Länder und der Bund hingegen verfügen über entsprechende Ressourcen und Kompetenzen, um Agenden zu setzen und belastbare Anstöße zu liefern. Ein Rückgriff auf ihre Ressourcen würde es der Gemeinde- und Vermittlungsebene erleichtern, ausgewählte Themen gemeinsam und gezielt zu bearbeiten. Das Vertrauen darauf, dass die technische Entwicklung Lösungen für den Klimawandel bereitstellen wird, begünstigt ein Beharren auf etablierten Zuständigkeiten und Routinen und verhindert gesellschaftliche Transformationsprozesse. Unisono fordern die Akteure einen Bewusstseinswandel. Klimahandeln solle nicht immer wieder Tagesordnungspunkten höherer Priorität geopfert werden, sondern zukünftig zur kulturellen Normalität werden. Neue Aufgabenarchitektur konzipieren Im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels kann angesichts fachlicher Unsicherheiten und hoher Komplexität Planungssicherheit am ehesten auf Grundlage wechselseitiger Übereinkunft entstehen. Das heißt, alle Beteiligten beschränken ihre Autonomie zugunsten stabiler Koordination. Dies erfordert unter Umständen, dass die Akteure auf allen Handlungsebenen Befugnisse abgeben und die Aufgabenarchitektur neu ordnen. Dies würde auch erfordern, die entsprechenden Ressourcen an die Handlungsträger selbst zu geben, also etwa an die Gemeinden, damit diese die neuen Aufgaben erfüllen können. Ansatzpunkte für koordiniertes Klimahandeln Die Handlungsperspektiven der Akteure und die Spannungsfelder des Klimahandelns machen deutlich, dass Lösungen für regionales Klimahandeln im Alpenraum gefunden werden müssen. Welche Randbedingungen sich die Befragten für solche Abstimmungsprozesse erhoffen und welche Handlungsbedarfe sich aus unserer Analyse ableiten lassen, identifizieren wir im Folgenden: Verteilung der Umsetzungskosten prüfen Viele Initiativen von oben führen zu einer Verstärkung von Ressourcenproblemen in Gemeinden. Bei der Regelsetzung ist deshalb darauf zu achten, wie die Umsetzungskosten verteilt werden. Weg von der selektiven Logik einfacher Verankerung Das Klimathema wird in vielen Gemeinden über die Entwicklung einer alternativen Energiepolitik verankert. Das ist naheliegend, weil sich damit Befürworterkoalitionen bilden lassen. Klimaschutz und Klimaanpassung über erfolgreiche Modellvorhaben in der gesellschaftlichen Mitte zu etablieren, zählt daher zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für Klimahandeln. Gleichzeitig geht damit eine Verengung einher. Klimabezogene Maßnahmen werden mit dem Thema Energie gleichgesetzt. Dies birgt die Gefahr, dass andere wichtige Aspekte, wie Siedlung, Verkehr, Ernährung, auf der Strecke bleiben. So sehr es daher hilft, Anstöße zu Maßnahmenkontinuität sichern Viele Maßnahmen werden gegenwärtig als befristete Projekte aufgesetzt und, wie Gemeinden und Vermittlungsebene bemängeln, ohne klare Zuordnung, wer für die Umsetzung verantwortlich ist. Das führt einerseits zu Maßnahmenvielfalt, andererseits stellt sich aber die Frage, was danach kommt. Eine kluge klimabezogene Politik denkt mit dem Aufsetzen einer Maßnahme an die Bedingungen ihrer Verstetigung und hält dafür Ressourcen bereit. 7 Klimabezogene Maßnahmen evaluieren Bernhard/Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (Hg.) Klima von unten: Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel. Frankfurt a. M.: Campus, S. 215-243. Die sach- und fachgerechte Bewertung klimabezogener Maßnahmen wird oft als schwierig beurteilt, da Maßnahmen und Kontexte so heterogen seien. Verantwortungsträger/ -innen assoziieren mit der Evaluierung außerdem lästige Berichtspflichten, die wenig effektiv seien und ohnehin schon knappe Ressourcen binden. Dennoch sprachen sich viele Interviewpartner/innen für eine gezielte Begleitforschung zu Projekten aus. Diese erlaube, ökonomische, technische und planerische Expertise zu bewerten, das Wissen über erforderliche Rahmenbedingungen zu erweitern und somit übergreifenden Lernchancen den Weg zu ebnen. Kropp, Cordula (2015) Climate Change Governance – Möglichkeiten und Grenzen kollektiver Problemlösungsprozesse von unten, in: Rückert-John, Jana/ Schäfer, Martina/Aderhold, Jens (Hg.) Gesellschaftliche Transformation und neue Governance-Formen. Herausforderungen des Wandels in Richtung nachhaltige Entwicklung. Berlin: Springer VS. Vogel, Katrin/Elixhauser, Sophie (2014) Wasserwandel im Klimawandel. Mensch-Wasser-Beziehungen in zwei Gemeinden im Alpenraum, in: Böschen, Stefan/Gill, Bernhard/Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (Hg.) Klima von unten: Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel. Frankfurt a. M.: Campus, S. 359-380. Veröffentlichungen Beck, Silke/Böschen, Stefan/Kropp, Cordula/Voss, Martin (2014) Aus dem Schatten der Klimamodellierung – Zur Repolitisierung des Klimawandels durch Sozialwissenschaften, in: Böschen, Stefan/Gill, Bernhard/ Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (Hg.) Klima von unten. Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel. Frankfurt a.M.: Campus, S. 35-53. Kontakt Stefan Böschen: [email protected] Irene Brickmann: [email protected] Böschen, Stefan/Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (2015) Klimahandeln zwischen oben und unten, LandInForm Magazin für ländliche Räume 2015 (1), S. 14-15. Cordula Kropp: [email protected] Jana Türk: [email protected] Katrin Vogel: [email protected] Böschen, Stefan/Brickmann, Irene/Kropp, Cordula/Türk, Jana/Vogel, Katrin (2015) Klimaschutz und Klimaanpassung im bayerischen Alpenraum: Ansatzpunkte für ein koordiniertes Klimahandeln zwischen „oben“ und „unten“, Ökologisches Wirtschaften 30. Impressum Böschen, Stefan/Gill, Bernhard/Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (Hg.) (2014) Klima von unten: Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel. Frankfurt a. M.: Campus. © Regionales Klimahandeln 2015 Böschen, Stefan/Kropp, Cordula/Brickmann, Irene/ Elixhauser, Sophie/Türk, Jana/Vogel, Katrin (2014) „Responsibility for Sustainability” – Klimawandel als kollektives Experiment?, in: Löw, Martina (Hg.) Vielfalt und Zusammenhalt. Verhandlungen des 36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bochum und Dortmund 2012. Frankfurt a. M.: Campus; auf CD-ROM. Koordination: Dr. Katrin Vogel, Wissenschaftszentrum Umwelt, Universität Augsburg Brickmann, Irene/Türk, Jana (2014) Klimawandel im Kontext lokaler und regionaler Entwicklungsprozesse. Eine ethnographische Studie zu Prozessen und Ressourcen in Alpengemeinden, in: Böschen, Stefan/Gill, Bernhard/Kropp, Cordula/Vogel, Katrin (Hg.) Klima von unten: Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel. Frankfurt a. M.: Campus, S. 129-150. gefördert durch: Layout: 2bex Design + Konzept, Kaufbeuren DLR Kropp, Cordula (2014) Die Logik lokaler Transformationsprozesse im globalen Treibhaus, in: Böschen, Stefan/Gill, 8