"Die Tiere sollen sich wohlfühlen", 07. März 2013

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reportage
DONNERSTAG, 7. MÄRZ 2013
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Bilder: Donato Caspari
KAGfreiland-Bauer Hans Jörg Studer streichelt seinen Stier. Dieser trägt als einer von zwei Tieren keine Hörner – Studer hat ihn enthornt gekauft.
«Die Tiere sollen sich wohl fühlen»
Nach dem Fleischskandal ist vor dem Fleischskandal. Hans Jörg Studer braucht keinen zu fürchten. Er ist seit zehn Jahren KAGfreiland Bauer und
setzt sich für artgerechte Haltung von Nutztieren ein. Für ihn selbstverständlich. Eine Reportage von Tanja Weibel und Donato Caspari (Fotos).
TANJA WEIBEL
SCHLATT. Ein wunderschönes, al-
tes Bauernhaus taucht im Altparadies bei Schlatt aus dem
Frühnebel auf. Hier wohnt Biobauer Hans Jörg Studer, der den
Uehlehof mit rund 27 Hektaren
Land vor 16 Jahren von seinen
Eltern übernahm. Damals baute
man ausschliesslich Getreide, Zuckerrüben und Mais an.
Nach der Übernahme hat Studer auf Bio umgestellt und Behau-
sungen für Pferde, Schweine,
Mutterkühe und Hühner erstellt.
Vor zehn Jahren trat er der Organisation KAGfreiland bei (siehe Kasten).
Das Beste für die Tiere
Sein Beitritt bedeutete aber
keine grosse Veränderung für
seinen Hof. «Als ich KAGfreiland
beitrat, musste ich nichts anders
machen, weil meine Tierhaltung
bereits genau den Richtlinien der
Thurgauer KAGfreiland-Bauern
In der Schweiz gibt es etwa
150 KAGreiland-Bauern, die
sich für eine artgerechte Tierhaltung einsetzen.
Im Thurgau können bei folgenden Bauern verschiedene
Produkte direkt ab Hof gekauft
werden:
Ï Hans Oppikofer
Mausacker
9314 Steinebrunn
‡ Schweinefleisch
Ï Josef Schuler
Hohlenstein
8376 Au TG
‡ Natura Beef
(Rindfleisch)
‡ Weidegitzi
‡ Trockenfleisch
‡Mostbröckli
Ï Hansjörg Studer
Alt Paradies
8252 Schlatt
‡ Früchte und Gemüse
‡ Schweinefleisch
‡ Rindfleisch
‡ Eier
Ï A. und R. Huggenberger
Oberoppikon
9565 Oppikon
‡ Eier
Ï Hans Wohnlich
Amriswilerstrasse 110
8590 Romanshorn
‡ Eier
(taw)
Organisation entsprach. Ich habe
meine Tiere schon immer so gehalten, da dies meiner Meinung
nach das Beste für sie ist», sagt
Hans Jörg Studer.
Vor einem Jahr hat sich der
KAGfreiland-Bauer mit Silvia
Hauenstein zusammengetan. Es
entstand die Betriebsgemeinschaft Hauenstein-Studer mit
rund 45 Hektaren Fläche. Diese
Synergie entlastet beide Seiten
und ermöglicht sowohl Studer als
auch Hauenstein mehr Lebensqualität, da die Arbeit nun aufgeteilt wird. Er kümmert sich um
Kühe, Pferde und Schweine,
Acker- und Gemüsebau. Sie betreut die Hühner und erledigt die
Büroarbeiten. Ausserdem werden
drei Festangestellte auf dem Hof
beschäftigt, und Studers Schwester kümmert sich um die Direktvermarktung der Produkte.
Fleisch aus Direktvermarktung
Auf dem Uehlehof kann man
Eier, Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Randen, Erdbeeren und
Fleisch direkt beziehen. Dies hat
den grossen Vorteil, dass man als
Kunde genau weiss, woher ein
Produkt kommt und was genau
drin ist. Gerade nach einem Lebensmittelskandal wollen viele
wieder auf der sicheren Seite sein,
was die Zusammensetzung ihrer
Mahlzeit angeht. Mit einem Direktkauf ab Hof hat man diese
Ein neugieriges Ferkel wagt sich aus seiner Hütte. Die Mastschweine sind von April bis November im Freien.
Sicherheit. «Alle Schweine und
etwa 50 Prozent der Kühe werden
direkt verkauft. Der Rest geht über
einen Händler», sagt Bauer Studer
während des Rundgangs auf seinem Hof.
Erste Station ist die Pferdekoppel. Drei Pensionspferde stehen zusammen im Offenstall. «Ich
halte die Pferde in Gruppen, weil
sie Herdentiere sind», sagt Studer.
Ein Schwein gestohlen
Weiter geht es zu den Schweinen. Die Mastschweine leben von
Frühling bis Herbst auf einem
Acker, auf dem im Vorjahr noch
Erdbeeren wuchsen. Sobald sie
ein Gewicht von 100 Kilo erreicht
haben, werden die Schweine geschlachtet, und auf dem Acker
wird wieder Gemüse angepflanzt.
Die Schweine können sich im
Gehege frei bewegen und in der
Erde nach Wurzeln wühlen. «Die
Tiere sollen sich wohl fühlen.
Wenn sie ihre Bedürfnisse ausleben können, ergibt das auch
eine gute Fleischqualität», sagt
Studer. Die Freilandhaltung habe
aber auch Nachteile: «Vor ein paar
Jahren wurde mir doch tatsächlich ein Schwein gestohlen.»
Nächster Halt sind die Kühe.
Aubrac, eine französische Rasse.
Und fast alle haben Hörner. «90%
der Schweizer Kühe sind enthornt, obwohl die Haltung von
Kühen mit Hörnern problemlos
möglich ist», sagt Hans Jörg Studer. Er kennt jede Kuh mit Namen
und weiss genau, welche zahmer
sind und welche weniger. «Jede
Kuh soll ein Individuum bleiben.»
Hähne strukturieren die Herde
Zum Schluss betritt Studer den
Hühnerstall. 2000 Hennen mit
etlichen Hähnen befinden sich
dort. Die Haltung von Hähnen ist
eine Richtlinie der KAGfreiland.
«Sie strukturieren die Herde», sagt
Studer. Täglich werden etwa 1700
Eier eingesammelt. Nebst einem
grossen Stall haben die Hühner
viel Auslauf mit Unterständen
und Beschäftigungsmöglichkeiten wie Sandbädern. «Es ist wichtig, dass die Tiere ihre Triebe ausleben können», sagt Studer. Sonst
würden sie sich langweilen.
Wer sich nie langweilt, ist Studer selbst: «Bauer zu sein, ist ein
Vollzeitjob. Trotzdem würde ich
nie etwas anderes tun wollen.»
STICHWORT
KAGfreiland
KAGfreiland ist eine gemeinnützige Organisation, die sich seit
über 40 Jahren für artgerechte
Haltung von Nutztieren einsetzt
und gegen Missstände in der Tierhaltung kämpft. KAGfreiland-Bauern müssen zwingend Bio-Bauern
sein und sich an alle Richtlinien
bezüglich artgerechter Tierhaltung
von KAGfreiland halten. Diese gehören zu den strengsten Richtlinien weltweit und umfassen
unter anderem folgende Punkte:
Ï Die Tierhalter pflegen eine gute
Beziehung zu ihren Nutztieren.
Ï Alle Tiere auf KAGfreiland-Betrieben sind in Gruppen zu halten.
Ï Alle Tiere auf KAGfreiland-Betrieben haben Ställe, die die freie
Bewegung aller Tiere zulassen und
fördern.
Ï Allen Tieren eines KAGfreilandBetriebs ist täglicher oder dauernder Auslauf zu gewähren.
Ï Die Transporte von KAGfreilandSchlachttieren dürfen max.
30 km weit führen oder höchstens
eine Stunde dauern und sind
durch die KAGfreiland-Tierhalter
selbst durchzuführen.
Ï Elektrotreiber und Schlagstöcke
sind verboten.
Ï Alle zwei Jahre findet in den
Bauernhöfen eine unangemeldete
Kontrolle durch geschulte Bio-Spezialisten statt.
Ï Im Gegenzug bietet KAGfreiland
den Bauern eine Vermarktungsplattform für Ihre Produkte. (taw)
Mindestens ein Hahn pro 100 Legehennen, dies schreiben die KAGfreiland-Richtlinien den Tierhaltern vor.
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