Fetales Alkoholsyndrom FAS/ Alkoholspektrumsstörung FASD Henrike Härter, Sozialpädiatrisches Zentrum Ludwigsburg 2/2017 Dauerhafte Hirnschädigung bei FASD Alkohol im Blut des Fetus in hoher Konzentration, wie bei der Mutter, aber länger andauernd Hemmt die Vermehrung und Wanderung der Nervenzellen in der ganzen Schwangerschaft Da alle Gehirnareale gleich betroffen, kein Ausgleich durch andere Hirnregionen möglich Häufigkeit FASD • 1:300 (1:100) • Unter fremduntergebrachten Kindern 1:4 • Schule für Erziehungshilfe 1:2 • Benannt seit 1967/1973 Neurologische und Entwicklungsstörungen bei FASD Sprachentwicklungsverzögerung Entwicklungsstörung der Motorik, Feinmotorik Aufmerksamkeitsstörung, Unruhe Lern-/Geistige Behinderung Seh-/Hörbehinderung Störung des Sozialen Lernens Eingeschränkte Wahrnehmung/Bewältigung von Alltagsabläufen FASD Merkfähigkeitsstörung! Umdenken! (weniger Konsequenzen, weniger Enttäuschung – mehr Führung, Erinnerung, Anleitung, Schutz) Fallbeispiel FASD • 5-jährig in Bereitschaftspflege, Vollbild FAS, • Zurück zur suchtkranken Mutter („trocken“) • Im Heilpädagogischen Kindergarten nicht zu halten (aggressiv, sich und andere gefährdend, nicht zu steuern…) • Ergänzend Tagesmutter, Betreuung durch Verhinderungspflege, Familienhilfe • Beschulung in Förderschule erst nach durchgehender Begleitung durch Integrationshilfe möglich • Ergänzende Medikation, Gradwanderung Appetitstörung • Schwerbehindertenausweis, Pflegegrad Fallbeispiel FASD • Seit Geburt in Bereitschafts-/Pflegefamilie (Pädagogen) • Keine Gefahren wahrnehmend, kein Erkennen von Konsequenzen/Folgen, Weglaufen, auch nachts • Mit 5 Jahren Diagnose FAS, wird im Weiteren nicht anerkannt, keine Hilfen/Entlastung • Mehrere stationäre KJP-Aufenthalte, • Stationäre Unterbringung mit 10 Jahren geplant, klassische Behindertenhilfe empfohlen • Aufnahme stationäre Jugendhilfe (war nicht über FAS informiert), Hilferuf: braucht durchgehende Beaufsichtigung und Unterstützung wie Kleinkind • Aufnahme Intensiveinrichtung mit 4 Kindern pro Gruppe/hoher Personalschlüssel Fetales Alkoholsyndrom/ Alkoholspektrumstörung • Minderwuchs • Gesichtsauffälligkeiten s.fasd-deutschland.de • Neurologische und Entwicklungsstörungen, kleiner Kopfumfang Mögliche Anzeichen für FASD • • • • • • • • • · · · · · · · · · Hat Probleme, Freunde zu bekommen bzw. zu behalten Spielt nur mit Kindern, die 3-4 Jahre jünger sind Benötigt konstante Beaufsichtigung Lernt nicht aus Fehlern Mag keine Veränderungen (Schule, Umzug usw.) Muss an wiederkehrende Routine erinnert werden Vergisst, was vor Kurzem gelernt worden ist Hat Schwierigkeiten, Neues zu lernen Kann Forderungen wiederholen, ist aber unfähig, sie auch durchzuführen www.fasd-deutschland.de Fetales Alkoholsyndrom/ Alkoholspektrumstörung • Minderwuchs • Gesichtsauffälligkeiten • Neurologische und Entwicklungsstörungen, kleiner Kopfumfang • Alkoholexposition in der Schwangerschaft Diagnosehilfen • S3-Leitlinien-Diagnostik Fetales Alkoholsyndrom bis 18 Jahre, seit 1/2013 (s.www.awmf.org) Intelligenzverteilung FASD nach Streissguth 1996 (N—473) 30 25 20 15 10 5 0 FAS Normal FAS FASD Merkfähigkeitsstörung: Handlungsplanung, Handlungsdurchführung, Erkennen von Konsequenzen oft deutlich unter gemessenen IQ Lernen bei FASD (Alltags-/soziale Abläufe, Schulinhalte) • Lernen gelingt erschwert, viel häufigeres Wiederholen erforderlich • Ergebnis meist in Qualität eingeschränkt • Erlerntes wird rascher wieder vergessen • Früher gelerntes nicht mehr verfügbar Häufige Probleme im Alltag • Essstörung (vor allem erstes Lebensjahr) • Schlafstörungen • Zu jung, zu offen, zu vertrauensselig, zu naiv, zu unruhig • Kein Zeitgefühl • Regel“verstöße“ (ohne Unrechtsbewußtsein) • Sexualisiertes (?) Verhalten • Reizüberflutung, Überforderung in Gruppen • Unangemessene Reaktionen im Konflikt • Vorwürfe: Schlechter Charakter-schlechte Erziehung Begabungen bei FASD tatsächliches Alter 18 Jahre • • • • • • • • Sprachbegabung wie ein 20-jähriger Sprachverständnis 6-jähriger Körperliche Reife 18-jähriger Zeit/Geld/Mathe 8-jähriger Seelische Reife 6-jähriger Fähigkeiten beim Lesen 16-jähriger Soziale Fähigkeiten 7-jähriger Fähigkeiten fürs tägliche Leben 11-jähriger aus www.fasd-deutschland.de Begleitende/abzugrenzende Störungen • Bindungsstörung • Traumafolgestörung • Folgen von Nikotin/Drogen/extremer Stress in der Schwangerschaft • Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung • Andere Entwicklungsstörungen • Im Erwachsenenalter: Sekundäre Störungen (Depression, Delinquenz, Obdachlosigkeit, Sucht, Prostitution…) Was hilft bei FASD? • Realistische Erwartungen-dauerhafte hirnorganische Schädigung • Ziel: “Ich bin eine Freude“ • Einschränkung/Behinderung einschätzen, Schwerbehindertenausweis, Pflegegrad • Bewältigung durch Anleitung/Unterstützung/Schutz • Betreuungsdichte dem Bedarf anpassen • Belastungen durch Zuständigkeitsfragen SGBVIII/XII vermeiden • Erschöpfung verhindern, nur stabile Eltern/Profis sind dem Kind eine Hilfe, Therapie FASD • Stabile reizreduzierte Alltagssituation: Vermehrter Schutz (vor Fehlverhalten, Misserfolgen, Gefährdung, vor unangemessenen Konsequenzen), kleinschrittige Führung/Erinnerung, Regelmäßigkeit, konstante Bezugspersonen Therapie FASD • Stabile reizreduzierte Alltagssituation (Vermehrter Schutz), konstante Bezugspersonen • Eventuell Logopädie/ Ergotherapie, Verhaltenstherapie, Psychotherapie, (aber eingeschränkte Merkfähigkeit!), besser Beratung der Eltern • Medikamente (Unruhe, Konzentration) • Ziel: Stabilisieren, Normalisierung nicht realistisch! Prognose FASD • 85% benötigen im Erwachsenenalter weiter Betreuung, Lernen Hilfe anzunehmen prognostisch bedeutsam! • Freizeitbetreuung planen (z.B.Lebenshilfe) • Verhütung planen • Betreute Ausbildung planen • Betreutes Wohnen planen (oft 24h-Betreuung erforderlich) • Gesetzliche Betreuung veranlassen