Prof. Dr. Thomas Wolff Fachrichtung Chemie Material zur Vorlesung „Organische und Anorganische Chemie“ für Verfahrenstechniker (1. Semester, WS 2010/2011) 1. Einführung 1.1 Allgemeines 1.2 Was ist Chemie? 1.3 Geschichte der Chemie 1.4 Bücher 1.5 Konstanten, Symbole 2. Atombau und Periodensystem 2.1 Allgemeine Begriffe 2.2 Größe und Masse der Atome 2.3 Subatomare Teilchen 2.4 Verteilung der Elementarteilchen im Atom 2.5 Zahl der Elementarteilchen im Atom 2.6 Aufbau des Atomkerns 2.7 Aufbau der Elektronenhülle 2.8 Periodensystem der Elemente 3. Chemische Bindung und chemische Formeln 3.1 Eigenschaften von Verbindungen mit unterschiedlichen chemischen Bindungen 3.2 Ionische Bindung 3.3 Kovalente Bindung 3.4 Metallische Bindung 3.5 Aufbau von Festkörpern 3.6 Chemische Formeln 3.7 Stoffmenge und Stöchiometrie 4. Reaktionen und Reaktionsgleichungen 4.1 Triebkraft von Reaktionen 4.2 Reaktionsgleichung 4.3 Stöchiometrie 4.4 Reaktionen aus der Anorganischen Chemie 5. Gase 5.1 Gasgesetze 5.2 Partialdruck 5.3 Kinetische Gastheorie 5.4 Reale Gase 6. Kinetik und Reaktionsmechanismus 6.1 Kinetik und Stabilität chemischer Verbindungen 6.2 Definition der Reaktionsgeschwindigkeit 6.3 Reaktion 2. Ordnung 6.4 Reaktion 1. Ordnung 6.5 Reaktionsmechanismus 6.6 Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 6.7 Katalyse 7. Thermodynamik 7.1 Gleichgewichtsreaktion und Massenwirkungsgesetz 7.2 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage 7.3 Prinzip vom kleinsten Zwang 7.4 Messverfahren für Wärmemengen 7.3 Reaktionsenthalpie und -entropie/ Triebkraft von Reaktionen 8. Elektrochemie 9.1 Leitfähigkeit und Elektrolyse 9.2 EMK 9. Organische Chemie 9.1 Funktionelle Gruppen und Nomenklatur 9.2 Einfache Reaktionsmechanismen 9.2.1 Radikalische Substitution 9.2.2 Elektrophile Substitution 9.2.3 Substitution am Aromaten 9.2.4 Reaktionen von Carbonylverbindungen 2 1. Einführung 1.1 Allgemeines Aufbau der Vorlesung Übung, Klausur 1.2 Was ist Chemie? Einigermaßen zutreffend: Chemie ist die Lehre von den Eigenschaften, dem Aufbau und den Reaktionen der Stoffe. Diese Definition impliziert eine Stoffbegriff: Stoffe: Steine, tierische und pflanzliche Lebewesen, Flüssigkeiten, Gase stoffliche Eigenschaften: Festigkeit, Geruch, Masse, Druck, Temperatur – können sich ändern nichtstoffliche Eigenschaften: Schönheit, Verständlichkeit, Moral Teilgebiete der Chemie Spezialgebiete (Auswahl) Analytische Chemie Atmosphärenchemie Anorganische Chemie Kernchemie Organische Chemie Lebensmittelchemie Physikalische Chemie Pharmazeutische Chemie Technische Chemie Photochemie Theoretische Chemie Polymerchemie Strahlenchemie Biochemie Makromolekulare (Polymer-)Chemie 1.3 Geschichte der Chemie Ganz kurze Darstellung, bei Interesse: www.chemieplanet.de → Geschichte Anfang ist schwierig zu definieren: Erste Kenntnisse nicht durch planmäßiges Experimentieren wie heute, sondern durch Zufälle und Probieren. Vorgeschichtlich: Feuer Steinzeit: Gerben, Töpfern, Färben 3500 v.Chr. Bier, Wein, Herstellung von Kupfer durch Reaktion von Malachit in Ägypten, später Zinn, Bronze, vermutlich erstmalig in Ur (Mesopotamien, Sumerer) 3500 v.Chr. Glas in Ägypten 2 3 2500 v.Chr. Eisen in Ägypten (Cheopspyramide) 2200 v.Chr. Elementbegriff in China 1500 v.Chr. Färbung von Stoffen mit Indigo, Purpur, Alizarin (Ägypten, Kreta), weitere Metalle O H OH OH N N H blau 600 v.Chr. O rot Porzellanherstellung in China Elementbegriff in Griechenland 0-1500 n.Chr. in Europa Alchemie Versuche zur Herstellung von Gold und Silber Mittels der Arbeiten der Alchemisten versuchte man ein Elixier zu gewinnen, das Unsterblichkeit mit sich bringen sollte, Erfolg dieser Arbeiten gering. Es wurde hierbei eine Basis für die Chemie geschaffen. Zusammen mit den Kenntnissen der Handwerker, Metallurgen und Bergleute bestand jetzt z.B. die Möglichkeit eine Reihe von Metallen, Salzen und Säuren zu gewinnen. nach 1500 Paracelsus (süddeutsche Länder) erkennt die Unmöglichkeit der alchemistischen Idee; medizinische Präparate: Opium, Quecksilberverbindungen 1556 DE RE METALLICA von Agricola – ein grundsätzliches Buch über die Metallurgie 17. Jahrhundert Boyle (London): Gasgesetze; später: Boyle, Berzelius (Österrei- cher, Stockholm): Elementbegriff, Stoffbegriff 18. Jahrhundert Lavoisier (Paris): Massen- und Volumenänderungen bei chemischen Reaktionen J. Dalton (Manchester): Zusammensetzung chemischer Verbindungen, Atombegriff 1824 Oxalsäure durch Wöhler, Göttingen erste Synthesen 1826 Anilin aus Indigo durch organischer Verbindungen 1828 Harnstoffsynthese durch Wöhler 1840 Liebig (Gießen): künstliche Düngung 3 4 1865 Kekulé (Bonn): Benzolformel 1870 L. Meyer (Tübingen), Mendelejew (Petersburg): Periodensystem 1880 v. Baeyer (Leverkusen): Indigosynthese 1896 Becquerel (Paris): Radioaktivität 1900, 1905 Planck, Einstein (Berlin, Zürich): Quantentheorie 1906 Emil Fischer: Untersuchung des Eiweißes, Peptidbegriff 1910 Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniakherstellung (Berlin, später Cambridge) 1912 v. Laue (Berlin), Bragg (London), Debye, Scherrer (Berlin): Röntgenverfahren zur Strukturaufklärung 1913 Bohr (Kopenhagen), Rutherford (Manchester): Atommodell 1939 Hahn, Strassmann (Berlin): Kernspaltung (eigentlich keine Chemie) Danach wird der Überblick schwer wegen der riesigen Mengen neuer Ergebnisse. 1953 Eigen (Göttingen): Untersuchung schneller Reaktionen t < 10–9 s um 1960 Woodward, Fischer: Synthese komplizierter Naturstoffe wie Chlorophyll, Hämin, Strychnin 1960 Maiman: Laser→ Medizin, Schneidetechnik, Drucker, ChipHerstellung 1961 Calvin: Photosynthese-Mechanismus 1962 Hoppe, Bartlett: Synthese von Edelgasverbindungen, z.B. XeF2 1967 Nobelpreis Eigen (Göttingen) u.a.: Untersuchung schneller Reaktionen folgende Jahre Spektroskopische Analysenmethoden verbessert und vereinfacht: UV, IR, NMR, Röntgen; wichtige Erkenntnisse in der Biochemie: biochemische Mechanismen, Peptidsynthese, Kristallisation und Röntgenstrukturen von Proteinen; Funktionspolymere → moderne Kunststoffe; Oberflächenanalyse: Raster-Elektronenmikroskopie, Raster-Kraft-Mikroskopie (AFM) → Auflösung bis zu einzelnen Atomen→ Oberflächenanalyse→ Katalyse; Nanotechnologie, Fullerene Umweltschutz, Sonnenenergie 1985 Nobelpreis Bednorz (Zürich): Hochtemperatur-Supraleiter 2007 Nobelpreis Ertl (Berlin) – Elementarschritte der heterogenen Katalyse *** 4 5 Zur Materialfülle in den letzten Jahren: Chemical Abstracts (kurze Inhaltsangaben): jedes Jahr mehrere Meter in der Bücherei, inzwischen kaum noch ohne Computerrecherchen zu beherrschen. 1.4 Bücher und Bücherei SLUB Führungen, Lehrbuchsammlung: Ebene 0 Stoff sollte stets aus mehreren Büchern erarbeitet werden (Stil, Stoffbeschränkungen, Niveau...). Neue Forschungsergebnisse in Fachzeitschriften! Viele Informationen im Internet (Vorsicht!) Literatur zur Vorlesung: L. Pauling „Grundlagen der Chemie“ sehr gut Verlag Chemie, Weinheim 1973 A. Blaschette „Allgemeine Chemie“ I und II gut Akad. Verlagsges. Wiesbaden 1979 J.A. Campbell „Allgemeine Chemie“, 2. Aufl. C.E. Mortimer sehr gut Verlag Chemie, Weinheim 1980 nur PC „Chemie“, 8. Aufl. sehr gut Thieme, Stuttgart 2003 – Vorlesung teilweise analog W. Schröter, K.H. Lautenschläger „Chemie“ nicht ausreichend VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1970 R. Christen „Struktur und Energie“ nicht ausreichend Diesterweg, Frankfurt 1980 „Chemie“ zu wenig physik. Chemie Diesterweg, Frankfurt 1984 R.S. Becher, W.E. Wentworth „Allgemeine Chemie“ nicht ausreichend Thieme, Stuttgart 1976 5 6 G.S. Hammond, J. Osteryoung, u.a. „Modellvorstellungen in der Chemie“ zu elementar W. de Gruyter, Berlin 1976 1.5 Werte der Fundamentalkonstanten, Einheiten und Symbole Atommasseneinheit u = L-1 g/mol = NA-1 g/mol = 1,6605655·10-27 kg Avogadro-Konstante NA = 6,022045·1023 mol-1 (= Loschmidt-Zahl L) Bohr-Magneton µB = eh/(4πme) = 9,274078·10-24 J/Tesla Boltzmann-Konstante kB = 1,380662·10-23 J/K Elektrische Feldkonstante ε0 = 8,85418782·10-12 A2s2/(Jm) Elektronenmasse me = 9,109534·10-31 kg Elementarladung e =1,6021892·10-19 As = 1,6021892·10-19 C Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2 (Mittelwert) Faraday-Konstante FF = L·e = 96484,56 As/mol Gaskonstante R = L·kB = 8,314472 J/(mol K) Gravitationskonstante G = 6,6720·10-11 m3/(kgs2) µK = eh/(4πmp) = 5,050824·10-27 J/Tesla Kern-Magneton Lichtgeschwindigkeit c = 2,99792458·108 m/s (im Vakuum) Magnetische Feldkonstante µ0 = 4π·10-7 Vs/(Am) Planck-Konstante h = 6,626176·10-34 Js Protonenmasse mp = 1,6726485·10-27 kg Diese Konstanten werden nicht alle in dieser Lehrveranstaltung benötigt. Im Allgemeinen reicht es aus, mit 4-5 Dezimalstellen zu rechnen. Basisgrößen und –einheiten des SI-Systems (SI = Système international d´unites) Länge m Stromstärke A Masse kg Zeit Stoffmenge mol (Lichtstärke s Temperatur K cd) Abgeleitete Einheiten, z.B. Kraft N = Kg m/s2 Energie (früher 1 cal = 4,184 J) Druck Pa = N/m 2 Feldstärke V kg m = m s3 A Ladung C=As J = Nm = Ws Leistung kg m 2 W = J/s = = Nm/s s3 → el.Spannung V = kg m 2 s3 A Konvention in den meisten Lehrbüchern und Journalen: kursiv gesetzt werden Symbole, steil gesetzt werden Zahlen, Einheiten, Operatoren, Indices (sofern nicht selbst Symbole). Beispiele: Masse m = 1,67 g; Volumen v = 2,1 m3; molares Volumen V = 22,24 dm3/mol; 6 7 Zahl e; dy/dx; exp(-EA/RT); m1, m2 KZ (Zentrifugalkraft; aber Kp: Gleichgewichtskonstante); EMK als abgekürzter Name, EMK als Symbol.. Die Symbole selbst sind oft unterschiedlich, z.B. in der Vorlesung Kraft K, oft aber Kraft F (force). Symbole müssen deshalb beim ersten Gebrauch definiert werden. Mehrfachverwendungen sind in größeren Abhandlungen nicht zu vermeiden, da es mehr Größen als Buchstaben gibt, auch einschließlich des griechischen Alphabets. Buchstabe groß_ klein A α B β Γ γ ∆ δ Ε ε Ζ ζ Η η Θ θ,h Ι ι Κ κ Λ λ Μ µ Ν v Ξ ξ Ο ο Π π Ρ ρ,k Σ σ,ς* T τ Υ υ Φ n Χ χ Ψ ψ Ω ω Name Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega Aussprache altgriechisch neugriechisch a a b w g g d th (weich) e e ds ds ä i t (th) th (hart) i i k k l l m m n n ks ks o o p p r r s s t t ü i f f ch ch ps ps oh oh *am Wortende zusammengesetzte Vokale αι ει ευ αυ oυ ai eï eu au u ai i ef af u angehauchte Vokale © º Ê ß Ò ñ ... ha he hä hi hü ho hoo hai ... 7 8 2. Atombau und Periodensystem 2.1 Allgemeine Begriffe Die Materie kommt in 3 verschiedenen Aggregatzuständen vor. Gas, gasförmig: Form und Volumen (v) hängen von äußeren Bedingungen ab. Flüssigkeit, flüssig: Volumen (v) hängt nur wenig von Druck (p) und Temperatur (T) ab, Form dagegen von äußeren Bedingungen – Flüssigkeiten nehmen die Form des Behälters an. Festkörper, fest: v und Form hängen nur wenig von p und T ab. Umwandlungen sind sowohl mit ∆p als auch mit ∆T möglich Eine andere Art der Einteilung bezieht sich auf den Mischungszustand. MATERIE REINE SUBSTANZEN ELEMENTE MISCHUNGEN VERBINDUNGEN HOMOGENE HETEROGENE MISCHUNGEN MISCHUNGEN (LÖSUNGEN) Unterschied Element – Verbindung Ein Element ist eine Substanz, die sich nicht mehr in weitere Substanzen zerlegen lässt. Eine Verbindung ist eine Substanz, die aus mindestens zwei Elementen aufgebaut ist. 2.2 Größe und Masse der Atome Ist die Materie (Elemente und Verbindungen) kontinuierlich oder aus diskreten Bausteinen aufgebaut? Dazu kann man zunächst versuchen, die Materie mechanisch, z.B. mit Messer zu teilen und zu untersuchen, kommt dabei aber nicht weit. Moderne Mikroskopiermethoden ermöglichen die Auflösung von atomaren Dimensionen (Raster-Tunnel- oder Raster-KraftMikroskop (AFM)). 8 9 Silizium Graphit Natürlich hat man versucht, diese Teilchen noch weiter zu zerteilen, sie z.B. mit anderen kleinen Teilchen zu beschießen, sie mit sehr energiereichem Licht zu bestrahlen. In allen Fällen ergab sich, dass, wenn eine weitere Zerlegung erfolgt, die Eigenschaften des Siliziums verändert werden. → Man sieht hier die kleinsten Bausteine des Siliziums bzw. des Graphits – die Atome. Atome sind die kleinste, nicht mehr teilbare Einheit der Elemente. Macht man das gleiche Experiment mit Verbindungen, so erhält man die Moleküle. Moleküle sind die kleinste, nicht mehr teilbare Einheit der Verbindungen. Zerlegung der Moleküle → Atome Moleküle sind also aus den Atomen aufgebaut Die Materie ist diskontinuierlich, also aus diskreten Bausteinen aufgebaut. Die Größe der Atome und Moleküle ist prinzipiell aus obigen Aufnahmen (Elektronenmikroskopie) abschätzbar.Es gibt aber sehr viel einfachere und genauere Verfahren, z.B. Röntgenbeugung ( Folien!) –→ Abstände in der Größenordnung von 100 – 200 pm bei Atomen. (Namen: v. Laue, Bragg) Moleküle sind entsprechend größer, i.a. einige Hundert bis einige Tausend pm, extrem große Moleküle der organischen Chemie auch darüber. Masse der Atome und Moleküle Direktes Wiegen scheidet aus, da Masse zu gering, geht aber mit den oben beschriebenen Verfahren – z.B. 1 cm3 eines Elements Röntgenbeugung → Abstände der Atommittelpunkte 9 10 → Zahl der Atome in 1 cm3, dann Wägung → Masse dieser Zahl von Atomen (Dichte ρ) → Masse eines Atoms (Achtung: verschiedene Gittertypen) So ergibt sich z.B. für Aluminium 4,489·10–23 g, für Gold 3,27·10–22 g. Moleküle können entsprechend schwerer sein. Das Rechnen mit diesen kleinen Zahlen ist sehr unhandlich, daher bezieht man die Werte auf „atomare Masseneinheit“ u: 1 u = 1,6605655 · 10–24 g = 1 m (12 C) 12 In dieser Einheit ist die Masse eines Aluminiumatoms durch 26,89 u gegeben. Tabelle: Relative Atommassen m aus Dichte ρ und Elementarzellendimension a Element a / pm ρ / g/cm3 m/u Silber 407,76 10,568 107,87 Gold 407,02 19,403 196,97 Platin 391,42 21,61 195,1 Kupfer 360,8 8,987 63,55 Nickel 351,7 8,964 58,71 Blei 494,1 11,41 207,2 Elektron 0,000 549 u Proton 1,007 276 u Neutron 1,008 665 u 2.3 Subatomare Teilchen Atome können mit bestimmten Methoden in subatomare Teilchen zerlegt werden, sie verlieren dabei jedoch ihre stoffliche Identität. 2.3.1 Elektronen Röhre des Fernsehers (stirbt jetzt schnell aus): Wird die Wendel geheizt, treten Teilchen aus, die zur positiven Anode fliegen und dort auf dem Schirm eine Lichterscheinung ergeben. Wendel = negativer Pol = Kathode Schirm = positiver Pol = Anode 10 11 Teilchen fliegen von der Kathode zur Anode – das kann man durch den Schattenwurf eines eingebauten Metalls feststellen. Die Teilchen sind negativ geladen, da sie in Richtung +-Pol fliegen. Teilchen bekommt den Namen Elektron (e). Das Elektron ist negativ geladen. Größe der Ladung? – Millikan 1906 Zerstäubung von Öltröpfchen → Öltröpfchen mit 1,2,3 fehlenden/überschüssigen Elektronen Beobachtung der Bewegung in einem elektrischen Feld q = –1,602 · 10–19 C (Coulomb) = –1,602 · 10–19 As (auch Elementarladung e, diskret!) Masse? – Thomson 1897 Bewegung des Elektrons in einem Magnetfeld Magnetfeld H der Feldstärke B Lorentz-Kraft K = e w · B, ⊥ zu B und zur Bewegungsrichtung mw 2 = ewB r Masse und Zentralbeschleunigung = Zentrifugalkraft aus dem Radius e/m → e bekannt → me = 9,11 · 10–28 g = 0,000 549 u 2.3.2 Protonen Voriges Experiment etwas abgeändert: 11 12 Röhre enthält etwas Wasserstoff (H2). Hoch beschleunigte Elektronen stoßen auf H2, erzeugen H-Atome, stoßen auf diese, schlagen Elektronen heraus. Positive Teilchen werden frei und fliegen durch die Kathode hindurch. Diese Teilchen heißen Protonen, p. Experimente in Magnetfeldern und elektrischen Feldern → Ladung q = +1,602 · 10–19 Coulomb, d.h. Elementarladung e mit pos. Vorzeichen; mP = 1,6726 · 10–24 g = 1,007 276 u 2.3.3 Neutronen von Chadwick 1932 beschrieben Radium sendet α-Strahlung aus – das sind keine Elementarteilchen (Heliumkern enthält 2 Protonen und 2 Neutronen) α-Strahlung auf Berylliumpulver → neue Strahlung, die Glas und Metalle durchdringt. Die Protonen- und Elektronenstrahlung wird dagegen absorbiert. → Strahlung besteht aus ungeladenen Teilchen, sicherer Nachweis durch Nichtablenkbarkeit mit H und E, daher Neutron, n. Bestimmung der Masse: γ-Strahlung > 2,21 MeV (Massenequivalenz = mγ) auf Deuterium-Kerne: Deuterium (D) zerfällt in Elementarteilchen. mD + mγ = mp + me + mn mn = 1,6747 · 10–24 g = 1,008 665 u → Die Masse entspricht etwa der des Protons, ist aber nicht identisch. Als freies Teilchen nicht stabil, sondern zerfällt mit einer Halbwertszeit von 10,6 Minuten nach n = p + e + weiteres Teilchen + Energie, daher auch verschiedene Massen. Massen und Ladungen von Elementarteilchen eines Atoms Teilchen Masse Ladung Elektron me = 9,11 · 10–28 g q = –1,602 · 10–19 C = –1,602 · 10–19 As Proton mp = 1,6726 · 10–24 g q = +1,602 · 10–19 C = +1,602 · 10–19 As Neutron mn = 1,6747 · 10–24 g 12 0 13 2.4. Verteilung der Elementarteilchen im Atom (Rutherford 1911) α-Strahlung (Helium-Kerne ca. 4 u, 2+) aus radioaktivem Zerfall fliegen auf auf dünne Metallfolie: Ist die Folie einige µm dick, so tritt der Hauptteil der α-Strahlung ohne Streuung durch die Folie hindurch. Nur 1 ‰ Teilchen wird abgelenkt. Deutung: Aus früherem Experiment: Elektronen müssen sich außen befinden. Wenn andere Verteilung der Teilchen im Atom bestünde, müssten viel mehr Teilchen abgelenkt werden. Rutherford zog daraus (und auch aus anderen Experimenten) den richtigen Schluss: das Elektron reißt ein α-Teilchen nicht aus der Bahn: Massenverhältnis 1 (= Fußball / Fliege). 4 ⋅ 1836 ∅ Atom ≈ 100 – 200 pm ∅ Atomkern ≈ 0,01 pm → Materie besteht im wesentlichen aus leerem Raum, in dem sich die „punktförmigen (!)“ Elektronen bewegen. Der Atomkern aus Protonen und Neutronen vereinigt den weitaus größten Teil der Masse in sich: me 1 ! und ist winzig klein. = m p 1836 Zum Beispiel 1000 m3 Eisen = 1012 mm3 Eisen entspricht 8000 Tonnen; 1 mm3 Atomkerne entspricht auch 8000 Tonnen! 2.5 Zahl der Elementarteilchen im Atom Größere Mengen Materie müssen neutral sein, sonst entstehen riesige Potentiale gegenüber der Umgebung. Das Neutron ist neutral, daher gilt für ein neutrales Atom Protonenzahl (PZ) = Elektronenzahl (EZ) 13 14 Jedes einzelne Element hat nun eine bestimmte Zahl von Protonen. Das ist eine Definition des Elementbegriffs auf atomarer Basis: Elemente werden aus Atomen gleicher Protonenzahl gebildet. Die Chemie eines Elements ist eine Funktion seiner Elektronenzahl (bzw. der Protonenzahl) wichtiger Begriff: Ordnungszahl des Elements (Z) Ordnungszahl = Protonenzahl weiterhin Einteilung nach Massenzahl (MZ) = Neutronenzahl + Protonenzahl, d.h. = Zahl der schweren Teilchen im Kern Protonenzahl = Ordnungszahl Elektronenzahl = Ordnungszahl (bei neutralen Teilchen) Neutronenzahl = Massenzahl – Ordnungszahl (MZ – Z) Massenzahl eines Elements kann schwanken. Zusammengefasst: Protonenzal PZ Elektronenzahl PZ = EZ EZ Z = PZ = EZ NeutronenzahlNZ MZ = PZ + NZ Ordnungszahl Z Massenzahl MZ Reinelemente MZ Z EZ PZ NZ (MZ-Z) Natrium Na 23 11 11 11 12 Aluminium Al 27 13 13 13 14 Gold 197 79 79 79 118 6 3 3 3 3 7 3 3 3 4 Au Mischelement Lithium Li Es gibt Reinelemente, die aus Atomen einer Massenzahl aufgebaut sind, z.B. Natrium MZ = 23, Z = 11, EZ = 11, PZ = 11, NZ = MZ–Z = 12 Aluminium: MZ = 27, Z = 13 Gold MZ = 197, Z = 79 Die meisten sind jedoch Mischelemente, d.h. ihre Atome enthalten zwar die gleiche Protonenzahl, aber verschiedene Neutronenzahlen. Durch geeignete Verfahren kann man die Mischelemente in die verschiedenen Atomsorten mit unterschiedlichen Neutronenzahlen aufspalten. 14 15 Diese Atomsorten werden als Isotope bezeichnet. Isotope sind also Elemente mit gleicher Protonenzahl aber verschiedenen Neutronenzahlen. Mischelemente bestehen aus mehreren Isotopen, Reinelemente bestehen aus einem Isotop. Der größte Teil der Elemente sind Mischelemente, teilweise überwiegend aus einem Isotop bestehend, teilweise eine komplizierte Mischung. z.B. Wasserstoff 99,99% MZ = 1 / 0,01 % MZ = 2 (Isotop mit MZ = 2 hat sogar einen anderen Namen bekommen = Deuterium) Chlor 75,5 % MZ = 35 / 24,5 % MZ = 37 Zinn Mischung aus 10 Isotopen Isotope eines Elements unterscheiden sich nicht in den chemischen Eigenschaften. 2.6 Aufbau des Atomkerns → Kernphysik Bisherige Feststellungen: Atomkern ist sehr klein, enthält Protonen und Neutronen. Das schwerere und energiereichere Neutron kann sich in ein Proton umwandeln. Warum hält der Kern zusammen? 4 Arten von Wechselwirkungen: 1. Gravitation → spielt hier keine Rolle, da sehr klein 2. elektrostatische Wechselwirkung → wirkt entgegengesetzt, Kern müsste auseinanderfliegen 3. schwache Wechselwirkung (β-Zerfall der Atome, trifft hier nicht zu) 4. starke Wechselwirkung. Die sogenannte starke Wechselwirkung ist eine der klassischen Physik nicht bekannte Wechselwirkung, die den Atomkern zusammenhält. Ein klassischer Versuch zur Deutung sind die Austauschkräfte entsprechend n1 + p 2 p1 p1 + n2 , d.h. Austausch der Ladungen. → jedenfalls sehr große Energie → Kernfusion 2.7 Aufbau der Elektronenhülle entscheidet über das chemische Verhalten der Atome 2.7.1 Klassische Vorstellungen Bisher ist die Frage offen: Was hält die Elektronen in einem Abstand von etwa 100 pm vom Atomkern entfernt? 15 16 Starke und schwache Wechselwirkungen sind es nicht, sie wirken nur über sehr kleine Abstände (< 1 pm). Gravitation ? – viel zu klein. Elektrostatische Wechselwirkung? wirkt auf jeden Fall – Elektron würde in den Atomkern hineinfallen. Experiment zeigt, dass dieses nun nicht der Fall ist. Daher Annahme: Elektronen bewegen sich auf Kreisbahn um den Kern – Zentrifugalkraft Kz und Kraft der elektrostatischen Anziehung Ke halten sich die Waage. Soweit ist dieses Modell in sich konsistent. Nun Elektronen auf verschiedenen Radien: Berechnung der Energie des Elektrons auf einer Kreisbahn mit Radius r – Annahme: Kern ruht, da sehr viel schwerer; Beispiel H (Wasserstoff) enthält 1 Proton, 1 Elektron, kein Neutron; dafür lassen sich 4 Beziehungen aufstellen 1) K e = e2 Ke ~ 4πε 0 r 2 q1q2 r allgemein: K e = q1q2 4πε 0 r 2 Coulombsches Gesetz → elektrostatische Anziehung 2) K z = m bz = m w2 r Geschwindigkeit w = Kraft K = m · b m = Elektronenmasse 3) E kin bzw. 1 = mw 2 ( = e ⋅ U ) 2 K = m⋅ Beschleunigung dw s w 2 b= = = dt t 2 s mit U = el. Spannung = Potenzial-Differenz, ε0 = Dielektrizitätskonstante des Vakuums = 8,854·10–12 A s V–1 m–1 4) E pot = − s s2 → w2 = 2 t t e2 4πε 0 r (bei r = ∞ ist Epot = 0 16 w t 17 Ein stabiles Atom erfordert die Gleichheit der Kräfte Ke = Kz ; e2 4πε 0 r 2 = mw 2 r ( bei r ≠ 0) und auch der entsprechenden Energien: E = ∫ K dr → Ekin = 1 1 e2 mw 2 = 2 2 4πε 0 r E = E kin + E pot d.h. E ~ − 1 e2 e2 1 e2 = − =− 2 4πε 0 r 4πε 0 r 2 4πε 0 r 1 r Je kleiner r, um so tiefer die Energie. Bei großen r liegt Epot hoch, Ekin niedrig 0-Punkt = Energie des Elektrons im Vakuum. Nach den bisherigen (unvollständigen) Vorstellungen könnte das Wasserstoffatom unter diesen Annahmen innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Energiebetrag aufnehmen, indem der Abstand Kern – Elektron entsprechend gewählt wird. Wie kann man die Atome dazu bringen, Energie aufzunehmen? → siehe Stoßexperimente in Kap. 2.3.2: Elektron flog heraus, entspricht vielleicht E über der Null-Linie. Wir wollen ein ähnliches Gedankenexperiment machen, wobei die Änderung des Radius zunächst beliebig sein soll: * Atom fällt in den Grundzustand zurück unter Aussendung von Licht. Für diesen Prozess müsste also gelten: 17 18 Eang. = Egrund + Energie des ausgesendeten Lichts Licht gibt es nur in Quanten, das sind Energiepakete der Größe E = hv = h ⋅ c λ mit c = 3 · 108 m/s (Lichtgeschwindigkeit), h = Plancksches Wirkungsquantum = 6,6262 · 10–34 J·s, v = Frequenz des ausgesandten Lichts λ = Wellenlänge des ausgesendeten Lichts. Unserer bisherigen Kenntnis nach sollte also Folgendes beobachtbar sein: Durch die verschiedenen Stöße → verschiedene Anregungszustände → Zurückfallen in (vielleicht auch verschiedene) Grundzustände → Aussendung von Licht mit allen möglichen Wellenlängen ∆E = hv Folien mit Wasserstofflampenspektrum → Modell falsch, da Energieniveaus diskret, d.h. nur einige, bestimmte Energiezustände sind möglich! Das Modell hält auch einem 2. Argument nicht stand: Satz: Bewegt sich eine Ladung beschleunigt, so wird Strahlung ausgesendet (siehe Antenne: entspricht beschleunigter Bewegung auf Kreis) → Atome müssten dauernd Licht (elektromagnetische Strahlung) aussenden → Energieabstrahlung bedeutet Verminderung des Bahnradiusses → Elektron landet zum Schluss im Kern → Atom kaputt. Dieses war der Stand der Dinge als Bohr im Jahre 1913 auf einen genialen Gedanken kam. Das Ergebnis dieses Gedankens ist heute unter dem Namen Bohrsches Atommodell bekannt. Hierzu eine kurze Bemerkung. Heute formuliert man die Vorgänge im atomaren Bereich, so z.B. den Aufbau der Elektronenhülle, in der Sprache der Quantenmechanik. Normalerweise bedient man sich dabei einer Gleichung, die von Schrödinger 1926 aufgestellt wurde – eben der Schrödinger-Gleichung. Die Handhabung dieser Gleichung ist aber leider außerordentlich kompliziert. Man kann das vielleicht daran erkennen, dass sich die meisten Untersuchungen aus der theoretischen Chemie mit der Anwendung dieser Gleichung auf molekulare Systeme befassen. Für uns hier ist das alles zu kompliziert. Im Anschluss an die Diskussion des Bohrschen Modells werden wir uns mit den Ergebnissen der Quantenmechanik auf einer nichtmathematischen, modellhaften Ebene beschäftigen. Auch das wird noch kompliziert sein. Deswegen davor noch der Gedankengang von Bohr, der mit den Ergebnissen der Quantenme- 18 19 chanik nicht in allen Teilen übereinstimmt, aber sehr anschaulich ist – Übung im Umgang mit Modellen: obwohl Modelle nicht immer Wahrheit, kann man richtige Vorhersagen machen. 2.7.2 Bohrsches Atommodell Aufnahme des Gedankenganges von vorhin. Das Atom konnte kontinuierlich Energie aufnehmen, E ~ − 1 . Die kreisenden Elektronen sollten nach klassischer Vorstellung Energie r abstrahlen. Bohr postulierte nun Folgendes: Wenn sich die Elektronen auf bestimmten Bahnen, die einem Drehimpuls von P = n h ent2π sprechen (n = 1,2,3...), wird keine Strahlung ausgesendet. Nur diese Bahnen sind für die Elektronen zulässig. Die Energiedifferenz zwischen Zuständen mit verschiedenen n wird als Licht ausgesendet oder aufgenommen. P=n h 2π n = 1,2,3... (natürliche Zahlen) ∆E = hv = hc/λ Berechnung des Radiusses des Elektrons im H-Atom Definition des Drehimpulses: dr P = m w r = m ⋅r dt (entspricht dem Impuls der linearen Bewegung bei Kreisbewegung) Bohr: (1) m w r = n⋅ → w= 1. Gleichung zwischen w und r nh 2π m r e2 (2) h 2π 4πε 0 r = m w2 2. Gleichung zwischen w und r aus der Gleichheit der Kräfte n 2h 2 → w = 4π 2 m 2 r 2 2 n 2h 2 e2 | ⋅m → mw = 2 2 = 4π m r 4πε 0 r 2 19 20 ε0 n2h2 → r= π m e2 n = 1 ; m = Masse des Elektrons h = 6,6262 · 10–34 J·s ε0 h2 r= = 53 pm π m e2 r= Bohrscher Radius 8,854 ⋅10 −12 (6,6262 ⋅ 10−34 ) 2 As J 2 s 2 π ⋅ 9,11 ⋅ 10−31 (1,602 ⋅ 10 ) 2 Vm kg A s s 2 r = 5,29 ⋅ 10 −11 = 5,29 ⋅10 −11 s A2 V2 s2 V m kg A s2 N m s 2 kg m = 5,29 ⋅10 −11 2 = 52,9 ⋅10 −12 m = 52,9 pm m kg s kg Berechnung der Energie des Elektrons aus 2.7.1 1 e2 1 e2 π m e2 E=− =− 2 4πε0 r 2 4πε0 ε 0 n 2 h 2 m e4 E = − 2 2 2 → ermöglicht die Berechnung der Energie des Elektrons des Wasserstoff8ε 0 h n atoms in verschiednen Zuständen n. Aus 2.7.1 ist bekannt, dass nicht alle Energien zugelassen sind, sondern nur noch bestimmte Werte – Energie ist gequantelt, n ist eine Quantenzahl (heißt später Hauptquantenzahl). Energieschema: n = 1 ist der energetisch tiefste Zustand, der sog. Grundzustand. n kann auch höhere Werte annehmen, diese entsprechen dann höherer Energie, d.h. angeregten Zuständen (siehe links für Wasserstoff-Atom). 20 21 Jetzt Emission (Aussendung) von Licht E2 –E1 = hv andere Linien bei n = 3 → 2 656,3 nm 4 → 2 486,1 nm n2 5 → 2 434,0 nm n1 6 → 2 410,2 nm m e4 8ε 02 h 2 1 1 2 − 2 = hv n1 n2 hν = Energie des Lichts, proportional zu Frequenz ν, aber mit Wellenlänge verknüpft: hv = h c λ 8ε 02 h 2 hc 8ε 02 h 3c λ= = 1 1 1 4 1 m e 2 − 2 m e 4 2 − 2 n1 n2 n1 n2 λ= n=4→n=2 8 ⋅ (8,854 ⋅ 10 −12 ) 2 (6,6262 ⋅ 10 −34 ) ⋅ 3 ⋅ 10 8 (= 0,1875) 1 − 31 −19 4 1 9,11 ⋅ 10 1,602 ⋅ 10 2 − 2 4 2 ( ) λ = 4,86 · 10–7 m = 486 nm Genau die Emission dieser Linien beobachtete man bei der Anregung des Wasserstoffs. Ei- m e4 1 1 nerseits war die Kombination 2 − 2 richtig, andererseits ist die Konstante auf 1 ‰ 8ε 02 h 3 n1 n2 genau bestimmt; bei Berücksichtigung der Kernbewegung noch genauer, d.h. innerhalb der experimentellen Genauigkeit. Bei Anwendung dieser Theorie auf komplizierter aufgebaute Atome, gibt das Bohrsche Modell gibt die experimentellen Ergebnisse nicht mehr richtig wieder. 2.7.3 Qualitative Erklärung des Aufbaus der Elektronenhülle mit der Schrödinger-Gleichung Welle oder Teilchen? Menschliche Erfahrung reicht für das vollständige Erfassen der Eigenschaften kleinster Teilchen nicht aus – gehört eben nicht zum normalen Erfahrungsbereich und kann nur modellhaft verstanden werden. 21 22 Beispiel Licht 1) Interferenz an Gittern → Welle 2) Licht auf Metalloberflächen → Elektronen treten aus Beispiel Elektron 1) Bewegung in einem elektrischen Feld (Fernsehröhre) → Teilchen 2) Schnelle Elektronen auf Metallfolie → Bewegungsbild wie bei Röntgenstrahlen auf die Metallfolie → Welle Masse und Geschwindigkeit (Impuls) sind bei Elektronen im Atom gerade so, dass keines der beiden Modelle /Welle/Teilchen) allein zutrifft. Das mittlere Bild beschreibt die Schrödinger Gleichung. Beobachtungsunschärfe / ein Experiment dazu: Spaltgröße 1cm...→ 1 nm ... usw. (großer Spalt) erzuegt scharfe helle Bereiche auf dem Schirm. Erst bei Spaltbreiten im Bereich µm-nm wird die Schattenkante des Spalts unscharf und bei sehr kleinen Spalten (Herstellung? Metallfolien!) beobachtet man auf dem Leuchtschirm Beugungsbilder: 1. Argumentation Welle / Teilchen 2. Festlegung des Ortes a) unscharfer Ort ( = großer Spalt) – Teilchen fliegen glatt hindurch b) scharfer Ort (= schmaler Spalt) – Teilchen werden zur Seite hin abgelenkt, Impuls wird verändert. Genau dieses sagt die Unschärferelation von Heisenberg: Ort und Impuls eines Teilchens können gleichzeitig nur mit beschränkter Genauigkeit gemessen werden. Formelmäßig: ∆x · ∆(mw) ≥ h (= 6,6262·10–34 Js) ∆x = Ortsunschärfe ∆(mv) = Impulsunschärfe 22 23 Was hat das alles mit unserem Elektron zu tun? Welle / Teilchen Unschärfe Masse und Geschwindigkeit des Elektrons Unsere Beobachtung soll das Atom nicht stösind im Atom gerade so, dass keines der bei- ren, d.h. die Impulsunschärfe der Elektronen den Modelle allein zutrifft. Das mittlere Bild darf nicht so groß werden, dass sie z.B. hiist die Schrödinger-Gleichung. nausfliegen aus dem Atom. Berechnung zeigt: die Ortsunschärfe ist dann etwa so groß wie die Atome selbst. Unsere Frage: Wo befindet sich ein Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt im Atom darf nicht gestellt werden. Konsequenz: Man darf nicht – wie im Bohrschen Modell – der Bewegung des Elektrons gleichzeitig einen festen Impuls und eine definierte Bahn zuordnen. Was darf überhaupt gefragt werden? Es darf gefragt werden nach der Wahrscheinlichkeit W, ein Elektron in einem bestimmten Volumenelement des Raums zu finden. W = ψ2 ∆v W über den ganzen Raum = 1 in ∆v ein Teil davon 0,1, 0,2, ... oder für differentielle Größen dW = ψ2 dv = ψ2 dx dy dz ψ selbst nennt man die Wellenfunktion. (Modell: Elektron wird einem Bündel von Sinuswellen zugeordnet, die sich zu einem Wellenpaket überlagern.) Die Schrödinger-Gleichung ist eine partielle Differentialgleichung für ψ. Umgekehrt: Schrödinger hat eine partielle Differentialgleichung für die Wellenfunktion ψ angegeben. Die Lösungen ergeben, quadriert, die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für die Elektronen in einem bestimmten Volumenelement. Wir wollen nun nicht nach Lösungen der Schrödinger-Gleichung suchen, sondern uns die von den Theoretikern angegebenen Lösungen ansehen. Beispiel Wasserstoffatom Mehrere, verschiedene Lösungen der Schrödinger-Gleichung, die von den Quantenzahlen abhängen. Eine – die Hauptquantenzahl n kennen wir bereits, sie findet auch hier wieder Verwendung und gibt – wie im Bohrschen Modell – die Reihenfolge im durchschnittlichen Abstand zum Atomkern an und grob die Energie. 23 24 Fall n = 1 ψ= 1 πa 3 0 e −r / a0 a0 = Bohrscher Radius W = 4πr2ψ2 = Wahrscheinlichkeit, das Elektron zwischen r und r+dr zu finden. Weiterhin Kugelsymmetrie - Räumliche Darstellung ist schwierig: 3 Koordinaten und ψ2. Üblich ist folgendes Verfahren: Punkte mit gleichen ψ2 werden verbunden und die Fläche (von den vielen) wird gezeichnet, die 90 % einschließt (→ warum nicht 100 % ?). Fall n = 2 ψ = r 2 − e − r / 2 a0 a0 4 2πa 03 1 24 (a0 entspricht dem Bohr-Radius) 25 Höhere s-Orbitale: Radial Distribution Plot ( 4πr2 ψ2 vs. r) r is in atomic units (a0) Für n = 2,3,.. kommt eine zweite Quantenzahl ins Spiel: die Nebenquantenzahl l. Woher kommt diese?: Bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung zeigt sich, dass in den Gleichungen Zahlen auftreten, die nur gewisse Werte annehmen dürfen, z.B. n = 1,2,3... Für die Nebenquantenzahl l ist die Bedingung noch härter: l ist ganzzahlig, positiv unter Einschluss der Null, aber < n, d.h. für den Fall n = 1 kommt nur l = 0 in Frage Wenn l = 0 → immer Kugelsymmetrie. n = 2, l = 1 → m –1, 0, +1 für den Fall n = 2 kommt l = 0 und l = 1 in Frage, d.h. man findet hier für ein n verschiedene ψ3-Funktionen, die beim Wasserstoffatom – und nur beim Wasserstoffatom – gleiche Energien aufweisen. Schwieriger wird der Fall n = 2, l = 1, denn dann kommt eine 3. Quantenzahl, die magnetische Quantenzahl m. Sie unterliegt der Bedingung –l ≤ m ≤ l, m ist ganzzahlig, d.h. für unseren Fall l = 1, m = –1,0,+1 m und l ändern nun die Winkelabhängigkeit der ψ-Funktion und zwar gibt l die Zahl der Knotenebenen und m die Richtung der Knotenebenen an. 25 26 n = 1, l = 1 3 Stück: geordnet nach Quantenzahl m –l ≤ m ≤ +l Was bedeuten diese Keulen? Zum Beispiel die untere: In Richtung der z-Achse (und entgegengesetzt) viel ψ2 Entfernt man sich von der z-Achse: weniger ψ2. In Richtung der x- und y-Achse oder in der x,y-Ebene: nichts, d.h. die x,y-Ebene ist eine Knotenebene, d.h. l = 1 entspricht einer Knotenebene. Das war bisher nur die Richtung. Diese überlagert die r-Abhängigkeit. → Modelle oder Bilder vorzeigen – daran auch die d-Funktion mit 2 Knotenflächen diskutieren. Noch einmal: l = 0 → kugelsymmetrische Elektronendichteverteilung l = 1 → bevorzugte Verteilung in den Achsenrichtungen Oft wird an dieser Stelle die Frage gestellt: Oberhalb und unterhalb der x,y-Ebene hat das Elektron eine gewisse Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Auf einer Seite kann aber das Elektron nicht bleiben. Wie kommt es nun auf die andere Seite durch die Knotenebene hindurch, wenn eine Knotenebene dazwischen liegt? 1) Diese Frage darf man nicht stellen, da man kein entsprechendes Experiment machen kann. Die Quantenmechanik macht nur Aussagen über wirklich ausführbare Experimente. 26 27 2) Die „normale“ Quantenmechanik, d.h. die Schrödinger-Gleichung ist nur eine Näherung: Klassische Mechanik, Schrödinger-Gleichung, Diracsche Theorie. In den genaueren Theorien verschwindet die Knotenebene. Für den sprachlichen Gebrauch auch Namen: Atomorbitale, das ist nichts anderes als ein neues Wort für Wellenfunktion der Atome, wird auch für räumliche Darstellung (90 % W) benutzt. l=0 s-Orbital (Die Buchstaben s, p, d, f rühren l=1 p-Orbital von Bezeichnungen für die Licht- l=2 d-Orbital emission her: s = sharp, p = principal l=3 f-Orbital d = diffuse, f = fundamental) Wasserstoff hat nur ein 1s-Orbital. Für n = 2 gibt es 2s- und 2p-Orbitale ±½ Orbitalname 1s volle Unterschale 1s2 Σ Elektronen Unterschale 2 0 ±½ 2s 2s2 2 1 –1,0,+1 ±½ 2p 2p6 6 3 0 0 ±½ 3s 3s2 2 3 1 –1,0,+1 ±½ 3p 3p6 6 3 2 –2,–1,0, +1,+2 ±½ 3d 3d10 10 n l m s 1 0 0 2 0 2 Σ Elektronen Schale 2 8 18 Die vierte Spalte enthält die vierte und letzte Quantenzahl: die Spinquantenzahl s. Sie sorgt dafür, dass jedes Orbital 2 Elektronen aufnehmen kann, denn Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden. Spin ist der Eigendrehimpuls des Elektrons. Bewegte Ladung → (Analogon zum Elektromagnet) → Magnet (nicht Dipol sagen). Quantenmechanik zeigt, dass es für diese Magnete dann nur 2 Lagen – parallel und antiparallel zum Feld – gibt. s = +½ heißt Spin parallel zum Feld s = –½ heißt Spin antiparallel zum Feld. Schwache Felder durch bewegte Ladungen gibt es immer, daher gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie sich der Spin einstellen kann; diese beiden Zustände werden durch s = +½ und –½ gekennzeichnet. 27 28 Jetzt das eigentliche Ziel dieser Überlegungen: Aufbau der Elektronenhülle bei mehreren Elektronen – auf welche Quantenzustände verteilen sich die Elektronen? Das erfolgt nach drei Prinzipien 1) Energien der Elektronenzustände: natürlich werden zuerst die Zustände mit der niedrigsten Energie, dann die höheren besetzt. Dieses Schema wurde ermittelt aus Experimenten wie Na-Linie, HLinie, usw. (siehe oben) Energie-Unterschiede s – p diskutieren / 4s, 3d – Abstand diskutieren! Würde dieses Prinzip nur allein gelten, landeten alle Elektronen im 1s Orbital Daher gibt es ein zweites Ordnungsprinzip, das 2) Pauli-Prinzip (aus Quantenmechanik) Zwei Elektronen in einem Atom müssen sich mindestens durch eine Quantenzahl unterscheiden oder jedes Quantenzahlensystem n l m s darf nur einmal vorkommen. Begriffe Schale, Unterschale Berechnung der vollbesetzten Schale, dabei 2p2; 2px 2py usw. diskutieren. Das dritte Prinzip ist die 3) Hundsche Regel 2.8 Periodensystem der Elemente 1870 L. Meyer / D. Mendelejew Fangen wir mit der Ordnungszahl Z = 1 an. 28 29 Name: Wasserstoff, chemisches Symbol H von Hydrogenium (lat.) (O = Oxygenium / H = Hydrogenium / N = Nitrogenium) Z = 1 → Zahl der Elektronen = 1, Zahl der Protonen = 1 Das einzelne Elektron besetzt das tiefste Niveau → Elektronenzustand 1s. Z = 2 / Name: Helium, Symbol He (2 Buchstaben wegen H = Wasserstoff) EZ = Zahl der Elektronen = 2 PZ = Zahl der Protonen = 2 zusätzlich 2 Neutronen, daher Massenzahl M = 4 1. Elektron 1s l = 0, m = 0, s = +½ 2. Elektron 1s l = 0, m = 0, s –½ → Elektronenzustand 1 s2 Z = 3 Name: Lithium, Symbol Li Zahl der Elektronen = 3 Zahl der Protonen = 3 Massenzahl 6 und 7 (überwiegend), d.h. 3 und 4 Neutronen Elektronen: 1s2 wie bei He ist voll → 1s2 2s 2s: n = 2, l = 0, s = +½ Nun wird hier im chemischen Verhalten etwas passieren! Die Chemie – d.h. die Eingriffe der chemischen Bindung in die Elektronenhülle – spielen sich jeweils nur in den äußeren Schalen ab. Beim Helium ist gerade die Schale n = 1 voll. Es wird kaum ein Elektron aufnehmen können, da der 2s-Zustand sehr hoch liegt. Umgekehrt, warum sollte es ein Elektron abgeben, da die 1er-Schale ist voll und damit irgendwie abgeschlossen, die Quantenmechanik zeigt auch diese Stabilität. Beim Lithium jetzt ganz anders: Hier sitzt ein Elektron in einem energetisch relativ hohen Zustand und kann wahrscheinlich relativ leicht abgegeben und von einem Reaktionspartner aufgenommen werden. Diese leichte Abgabe von Elektronen ist typisch für die Metalle. Wir beginnen daher hier mit einer neuen Gruppe – die I. Gruppe. Jetzt ein Sprung zum Element 9, F, Fluor. 9 Elektronen: 1s2 2s2 2p5 2 ( 2p x 2p 2y 2p z ,) Welches fehlt? – Weiß man nicht, Atome sind rund!) Was könnte Fluor machen für eine chemische Bindung? 5 oder 7 Elektronen abgeben? → energetisch ungünstig. → 1 Elektron aufnehmen und 1s2 2s2 2p6 bilden: F- ist sehr stabil, 29 30 F hat damit die Eigenschaft eines typischen Nichtmetalls. Das nächste Element: Z = 10, Ne, Neon - 1s2 2s2 2p6 das ist so stabil. Bisher sind weder vom Neon noch vom Helium chemische Verbindungen bekannt: Edelgase. Stabilität bei vollständig gefüllten Schalen (auch spürbar bei vollbesetzten Unterschalen, bei halbbesetzten Schalen) Wir erkennen jetzt auch den Witz der Einteilung im Periodensystem: Untereinander stehen jeweils die chemisch ähnlichen Elemente. I. Gruppe – typische Metalle, Alkalimetalle Li : 1s2 2s Na: 1s2 2s2 2p6 3s K: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s Rb: . 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 5s VII. Gruppe – typische Nichtmetalle, Halogene F: 1s2 2s2 2p5 Cl: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p5 Br: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p5 I: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 4d10 5s2 5p5 VIII. Gruppe, Edelgase He: 1s2 Ne: 1s2 2s2 2p6 Ar: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 Kr: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 Xe: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 4d10 5s2 5p6 Hauptgruppenelemente – Nebengruppenelemente s- und p-Schalen (Übergangselemente, d-Schalen, nur Metalle) Übergangselemente: d-Schalen werden aufgefüllt, zweitäußerste Schale nicht entscheidend für chemisches Verhalten. Nur Metalle – zahlreiche Oxidationsstufen Es fehlt noch eine große Gruppe von Elementen: Bisher Aufbau von s, p, d-Unterschalen. Ab der Schale n = 4 kann auch l = 3 sein, d.h. es können f-Elektronen auftreten. Diese inneren 30 31 (was heißt hier inneren?) Elektronenschalen werden in den Lanthaniden und den Actiniden aufgebaut – chemisch daher sehr ähnlich und schwer voneinander zu trennen. Die reinen Metalle (Lanthaniden) sind teilweise erst nach 1940 dargestellt worden. Zusammenfassung Periodensystem Periode: Aufbau der gleichen Schale, systematische Änderung der Eigenschaften Metall → Nichtmetall Gruppe: ähnliche Chemie Hauptgruppenelemente: wenig stabile Oxidationsstufen, mehr Nichtmetalle Nebengruppenelemente: zahlreiche Oxidationsstufen, nur Metalle zum Beispiel -Vergleich der Elemente V. Hauptgruppe V. Nebengruppe Symbol des Elements Ordnungszahl molare Masse kennen wir noch nicht (hat etwas mit der Masse des Atoms zu tun.) Isotope Elektronenkonfiguration Verweis auf Lehrbücher für Details Periodensystem lernen - typische Frage: können Sie Schach spielen? 31 32 32