Neuapostolische Kirche New Apostolic Church International Biotechnologie Stellungnahme Die Biotechnologie ist eine Querschnittstechnologie, in der Fachgebiete wie Biologie und Biochemie gemeinsam mit Physik, Chemie, Verfahrenstechnik, Materialwissenschaften und Informatik genutzt werden. Eine zentrale Aufgabe der Biotechnologie ist die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen. Je nach Anwendungsgebiet kann man zwischen roter, grüner und weißer Biotechnologie unterscheiden. Diese bezieht sich jeweils auf die Felder Medizin, Landwirtschaft und Industrie. Die medizinische Biotechnologie wird auch die rote Biotechnologie genannt und beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer Verfahren für die Diagnostik und Behandlung von Krankheiten. Die Grundlagen der medizinischen Biotechnologie wurden erst vor ein paar Jahrzehnten gelegt. Die Entdeckung der molekularen Struktur des Erbmoleküls (DNA) im Jahr 1953 durch James Watson und Francis Crick war eine wesentliche Voraussetzung für die Biotechnologie. Ein weiterer Meilenstein war die Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2000. Mit biotechnologischen Verfahren kann in den Anfang des menschlichen Lebens steuernd eingegriffen werden. Dies kann für den Bereich der Stammzellforschung sowie für das Klonen und für die Gentechnik zutreffen. Die Kirche befürwortet biomedizinische Forschung zur Weiterentwicklung von Diagnostik und Therapie, weiß auch um die Problematik der erweiterten Möglichkeiten und stellt sich unter das göttliche Gebot, die Schöpfung zu bewahren. Im Sinn des Evangeliums und in Abwägung gegen medizinethische Überlegungen muss konkret dabei bedacht werden, ob menschliches Leben an der Entwicklung gehindert oder abgetötet wird. Um bei der Bewertung dieser Verfahren Orientierung zu geben, werden die biotechnologischen Verfahren Verwendung von Stammzellen, Klonen und Gentherapie aus der Sicht unseres Glaubens in kurzen Stellungnahmen beleuchtet. Andere, teilweise abweichende ethische und theologische Überlegungen, sind z.B. in der Ausarbeitung der katholischen Kirche Dignitas Personae von 2008 oder auf verschiedenen Internetseiten protestantischer Kirchen, z.B. http://www.ev-medizinethik.de, zu finden. Weiterführende Ausführungen zu technischen Details können in der Fachliteratur und im Internet (Deutsch z.B.; www.drze.de/im-blickpunkt, www.biotechnologie.de / Englisch: http://en.wikipedia.org/wiki/Biotechnology, www.drze.de/in-focus, http://www.biot.tk) nachgelesen werden. New Apostolic Church International Überlandstrasse 243 CH – 8051 Zurich / Switzerland Tel. +41 43 299 4100 * Fax. +41 43 299 4200 * Email: [email protected] Neuapostolische Kirche New Apostolic Church International 1. Verwendung von Stammzellen zur Behandlung von Krankheiten und für Forschungszwecke Stammzellen sind sehr unreife Zellen. Sie haben sowohl die Fähigkeit, sich fast unbegrenzt zu vermehren, als auch sich in verschiedene Arten reifer Zellen, wie z.B. Blut-, Herz-, Nerven- oder Muskelzellen, weiterzuentwickeln. Stammzellen eröffnen therapeutische Möglichkeiten für Krankheiten, bei denen reife Zellen in ihrer Funktion beeinträchtigt oder abgestorben sind und nicht nachwachsen können. Zur Beurteilung des Einsatzes von Stammzellen aus der Sicht unseres Glaubens ist deren Herkunft sowie deren Entwicklungspotential maßgeblich. Dabei wird unterschieden zwischen embryonalen und adulten Stammzellen. Die befruchtete Eizelle und frühe embryonale Stammzellen (z.B. im 8 Zellstadium) sind totipotent: Sie haben die Fähigkeit, sich zu einem vollständigen Lebewesen zu entwickeln. Embryonale Stammzellen sind ansonsten pluripotent: Sie besitzen die Fähigkeit, unter geeigneten Bedingungen alle Gewebe des Körpers zu bilden. Embryonale Stammzellen können gewonnen werden z.B. aus • Embryonen, die bei künstlicher Befruchtung nicht mehr übertragen werden • Embryonen, die für die Stammzellgewinnung hergestellt werden • abgetriebenen Embryonen • Embryonen, die durch Klonen entstanden sind Diese Embryonen werden dabei für die Gewinnung von Stammzellen aufgebraucht. Es wurde bislang noch kein Verfahren entwickelt, das erlaubt, embryonale Stammzellen zu gewinnen und gleichzeitig die Integrität und Entwicklungsfähigkeit des Embryos zu erhalten. Wie in der Stellungnahme zu „Anfang und Ende des menschlichen Lebens“ ausgeführt, beginnt das Leben des Menschen mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle (Befruchtung). Die Kirche lehnt es grundsätzlich ab, dass dieses Leben im Rahmen von biotechnologischen Verfahren getötet wird. Den Embryonen kommt uneingeschränkte Menschenwürde zu, unabhängig davon, ob die Eizellen natürlich oder im Reagenzglas befruchtet wurden. Adulte Stammzellen werden von geborenen Menschen entnommen, in der Regel ohne wesentliche Beeinträchtigung des Spenders. Sie können gewonnen werden aus • Nabelschnurblut • Knochenmark • Blut (mit Hilfe von Zellseparatoren) • verschiedenen Organen Während adulte Stammzellen z.B. im Rahmen der Knochenmarktransplantation schon viele Jahre erfolgreich eingesetzt werden, ist der Einsatz embryonaler Stammzellen noch im Versuchsstadium. Um den Menschen als Gottes Ebenbild bestmöglich zu schützen, achtet die Kirche menschliches Leben vom Augenblick der Befruchtung an und lehnt es ab, dieses Leben abzutöten. Diesem Leben kommt uneingeschränkte Menschenwürde zu. Daher muss es aus der Sicht des neuapostolischen Glaubens abgelehnt werden, Embryonen zu Forschungs- oder Therapiezwecken abzutöten (verbrauchende Embryonenforschung). Da pluripotente embryonale Stammzellen theoretisch in Zukunft auch gewonnen werden können ohne Embryonen abzuNew Apostolic Church International Überlandstrasse 243 CH – 8051 Zurich / Switzerland Tel. +41 43 299 4100 * Fax. +41 43 299 4200 * Email: [email protected] Neuapostolische Kirche New Apostolic Church International töten, ist hier die weitere wissenschaftliche Entwicklung abzuwarten. Beim Einsatz von adulten Stammzellen bestehen aus kirchlicher Sicht keine Bedenken. Zur Herstellung von einigen heute eingesetzten Impfstoffen werden fetale Zelllinien verwendet. Diese Zellen stammen aus Feten, die aus anderen Gründen abgetrieben wurden. Die Kirche ist sich der damit verbundenen ethischen und moralischen Problematik bewusst. Die Anwendung solcher Impfstoffe hält die Kirche jedoch für unbedenklich. 2. Klonen Unter Klonen oder Klonierung versteht man im Gegensatz zur geschlechtlichen (sexuellen) Fortpflanzung eine Form der ungeschlechtlichen (asexuellen) Vermehrung, bei der das Genom eines Organismus verdoppelt wird. Es entsteht eine genetisch nahezu, gegebenenfalls auch vollständig, identische "Kopie" des Originals. In der Natur (niedrige Tiere, Pflanzen) ist die Klonierung neben der sexuellen Reproduktion eine übliche Form der Fortpflanzung. Beim Menschen kommt die identische Mehrlingsbildung in Form von eineiigen Zwillingen natürlicherweise vor, allerdings nur im Kontext der geschlechtlichen Fortpflanzung. Bezüglich der technischen Details zum Thema Klonen verweisen wir auf entsprechende Seiten des Internets. Für diesen Abschnitt wurden Informationen folgender Internetseite verwendet: http://www.drze.de/im-blickpunkt/ forschungsklonen. Beim Klonieren unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Zielsetzungen: • Forschungsklonen bzw. therapeutischen Klonen: Hierbei besteht das Ziel in der Gewinnung von Stammzellen für die Therapie von Krankheiten. Idealerweise kann die bei der Transplantation dieser Stammzellen oder der daraus gezüchteten Zellen oder Geweben eine problematische Abstoßungsreaktion vermieden werden, da die genetischen Merkmale dieser Stammzellen mit den genetischen Merkmalen des zu therapierenden Patienten weitgehend identisch sind. · reproduktives Klonen: Hierbei ist das Ziel, das Herstellen erbgleicher Nachfahren (Tiere, theoretisch Menschen) Beim Forschungsklonen bzw. therapeutischen Klonen wird mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet: • Zellkernübertragung (Zellkerntransfer): Dabei wird in eine zuvor entkernte Eizelle einer Eizellspenderin der Zellkern einer Körperzelle, die geklont werden soll, eingebracht. Der Zellkern kann dabei praktisch aus jeder Körperzelle eines Spenders isoliert werden. Daraus entwickelt sich dann ein Embryo, der hinsichtlich des im Zellkern enthaltenen Erbmaterials genetisch identisch mit dem Zellkernspender ist. New Apostolic Church International Überlandstrasse 243 CH – 8051 Zurich / Switzerland Tel. +41 43 299 4100 * Fax. +41 43 299 4200 * Email: [email protected] Neuapostolische Kirche New Apostolic Church International • Embryonensplitting (Teilung eines bereits existierenden Embryos): Hierbei wird durch mikrochirurgische Teilung eines Embryos auf künstlichem Wege eine Zwillings- oder Mehrlingsbildung erreicht. Da die Zellen zu Beginn der Embryonalentwicklung noch totipotent sind, entstehen zwei oder mehr Embryonen, die sich in geeigneter Umgebung wie ein ungeteilter Embryo weiterentwickeln. In technischer Hinsicht sind Forschungsklonen und Klonen in reproduktiver Absicht nicht grundlegend verschieden. In beiden Fällen werden Embryonen erzeugt. Im Falle des Forschungsklonens wird der Embryo nicht in eine Gebärmutter eingebracht, um ihn zur Geburt zu bringen. Er wird vielmehr in einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung (dem Blastozystenstadium) zerstört, um ihm embryonale Stammzellen entnehmen zu können, die sich in der Zellkultur zu bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren lassen. Im Jahr 2008 wurden Verfahren beschrieben, mit denen erfolgreich menschliche Zellen von Erwachsenen so verändert wurden (reprogrammiert), dass sie einige Eigenschaften von embryonalen Stammzellen aufwiesen. Solche Zellen werden induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) genannt. Der Vorteil von Verfahren mit iPS-Zellen ist, dass sie in ethischer und rechtlicher Hinsicht weniger problematisch sind, als direkt aus Embryonen gewonnene Zelllinien. Wissenschaftlich allerdings ist das Verfahren mit Risiken verbunden, die vor einem Einsatz im Rahmen therapeutischer Verfahren verringert werden müssen. Gegenwärtig wird intensiv auf dem Gebiet der iPS-Zellen geforscht. Reproduktives Klonen, egal mit welchen Methoden, lehnt die Kirche aus ethischen Gründen ab, um die Einmaligkeit menschlichen Lebens zu respektieren. Das therapeutische Klonen bzw. Forschungsklonen zählt zu dem Bereich der verbrauchenden Embryonenforschung, d. h., es impliziert die Vernichtung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. Therapeutisches Klonen kann aus der Sicht unseres Glaubens deshalb nicht befürwortet werden. Das Verfahren der Reprogrammierung von Zellen oder andere Verfahren, bei denen keine Embryonen, bzw. Zellen mit dem Potential sich in einen Menschen zu entwickeln, abgetötet werden, sind aus Sicht der Kirche unproblematisch. Erkenntnisse und biotechnologischer Möglichkeiten durchaus kurzfristig zu Veränderungen in der Bewertung aus Sicht unseres Glaubens kommen. 3. Gentherapie Bei einer Gentherapie werden Abschnitte der Erbsubstanz in Zellen eingeschleust. um deren Funktion zu verändern. Sie dient zunächst der Heilung von Krankheiten und unterliegt damit der besonderen Verantwortung der Ärzte, die sich gleichermaßen der bestmöglichen Behandlung der Patienten und der Beachtung ethischer Ansprüche verpflichtet fühlen. Gentherapie ist bei wenigen Krankheiten möglich, allerdings bis heute schwer steuerbar und mit erheblichen Komplikationen belastet. Zum anderen ermöglicht Gentechnik die Manipulation von Zellen bis hin zur „Optimierung“ des Menschen. Theoretisch wäre es in Zukunft möglich, dass Menschen im embryonalen Stadium durch Genmanipulation verändert werden können (Stichwort „Designer-Baby“). New Apostolic Church International Überlandstrasse 243 CH – 8051 Zurich / Switzerland Tel. +41 43 299 4100 * Fax. +41 43 299 4200 * Email: [email protected] Neuapostolische Kirche New Apostolic Church International Im Bereich der Gentherapie sind mehrere Verfahren voneinander zu unterscheiden: • Die somatische Gentherapie: Bei dieser Therapie werden in langlebige Körperzellen von Patienten mit genetischen Defekten normale Genabschnitte eingeschleust, um die Zellfunktion zu normalisieren. • Die Keimbahnmanipulation Sie ist eine genetische Veränderung der Zellen, die von einer Generation zur anderen weitergegeben werden. In vielen Ländern wird diese wegen der nicht absehbaren sozialen und biologischen Folgen für künftige Generationen abgelehnt. Darüber hinaus besteht mit der Keimbahnmanipulation die ethisch fragwürdige Möglichkeit, sog. Designer-Babies herzustellen (positive Eugenik). Aus Sicht der Neuapostolischen Kirche bestehen gegen eine medizinisch begründete, somatische Gentherapie keine prinzipiellen ethischen Bedenken. Die Keimbahnmanipulation wird in Übereinstimmung mit anderen christlichen Kirchen aus ethischen Gründen abgelehnt. Kurzaussage Die Neuapostolische Kirche befürwortet naturwissenschaftliche Forschung entsprechend dem göttlichen Auftrag: füllet die Erde und machet sie euch untertan. Der Rahmen dieses Auftrags wird in den 10 Geboten und im Evangelium Jesu festgelegt. Dazu gehört die uneingeschränkte Achtung menschlichen Lebens in seiner ganzen Vielfalt. Bei rascher Entwicklung im biotechnischen Gebiet können lediglich Entscheidungsgrundlagen für die einzelnen Bereiche gegeben werden. Das Erzeugen oder der Verbrauch von menschlichen Embryonen für wissenschaftliche Zwecke wird abgelehnt. Die Herstellung von erbgleichem Nachwuchs (reproduktives Klonen) wird abgelehnt. Die Herstellung von erbgleichem Gewebe zu Behandlungszwecken (therapeutisches bzw. Forschungsklonen) wird ebenfalls abgelehnt, sofern Embryonen dafür verbraucht werden. Eine somatische Gentherapie wird grundsätzlich akzeptiert. Bedeutsam ist hier vor allem das medizinische Risiko. Ein Eingriff in das Genom von Keimzellen, der auch auf zukünftige Generationen nicht übersehbare Auswirkungen hat, ist ethisch nicht zu verantworten. Bei einigen Formen der somatischen Gentherapie lässt sich eine Beeinflussung der Keimzellen nicht mit Sicherheit ausschließen. Zürich, 08. November 2012 New Apostolic Church International Überlandstrasse 243 CH – 8051 Zurich / Switzerland Tel. +41 43 299 4100 * Fax. +41 43 299 4200 * Email: [email protected]