Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 Grundlagen der Elektrotechnik Kapitel 1: Grundbegriffe der Elektrotechnik 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.6 1.7 05.09.2014 Grundbegriffe der Elektrotechnik Einführung Elektrisches Feld Elektrisches Potential Elektrischer Strom Elektrischer Widerstand Nichtlineare Widerstände Temperaturabhängige Widerstände Elektrische Leistung und Energie Aufgaben 1-1 2 2 3 4 5 6 8 9 11 12 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 1. Grundbegriffe der Elektrotechnik 1.1 Einführung Die Elektrotechnik als Ingenieurwissenschaft stellt eine praktische Anwendung der Physik dar. Für die Elektrotechnik sind dabei die Effekte, die durch geladene Körper entstehen von entscheidender Bedeutung. Dazu muß zunächst der Aufbau der Materie genauer betrachtet werden. Die griechischen Philosophen Leukipp und Demokrit betrachteten die Materie als aus Atomen zusammengesetzt. Per Definition waren Atome unteilbar und somit die kleinsten möglichen Bestandteile der Materie. Dies ist durch modere Forschung jedoch widerlegt worden. Betrachtet man das kleinste aller Atome, das Wasserstoffatom, so kann dessen Aufbau wie in Abbildung 1.1.1 dargestellt widergegeben werden. rH Abbildung 1.1.1: Aufbau des Wasserstoffatoms Bei dieser stark vereinfachten Darstellung besteht das Atom aus einem positiv geladenem Atomkern mit einem Proton und einem negativ geladenem Trabanten, dem Elektron. Beide Ladungen sind vom Betrag her gleich, vom Vorzeichen jedoch entgegengesetzt. Proton und Elektron besitzen unterschiedliche Massen. Diese Massen unterliegen der Gravitation. Die zwischen beiden wirkende Massenanziehungskraft F ergibt sich wie folgt: m P mE Gleichung 1.1.1 F 3,61 10 47 N 2 rH Diese Kraft ist vom Quadrat des Abstands zwischen Elektron und Proton abhängig. In diesem Fall ist das der Radius des Wasserstoffatoms. Die resultierende Kraft ist sehr gering. Zwischen dem Proton und dem Elektron existiert allerdings noch eine weitere Kraft, basierend auf der elektrischen Ladung beider Elementarteilchen. Diese Kraft wird Coulomb-Kraft genannt. Sie läßt sich ähnlich wie die Gravitationskraft berechnen, mittels des Coulomb-Gesetzes. k Q1 Q2 Gleichung 1.1.2 F 8,19 10 8 N 2 rH Diese Kraft ist also um den Faktor 1039 größer als die Gravitationskraft. Zum Vergleich, ein Elefant hat eine Masse von 6000kg ( 6 Mg 6 10 6 g ), eine Mücke von fast 2mg ( 2 10 3 g ) (vollgesaugt). Die Differenz beträgt somit 9 Zehnerpotenzen. Die Masse der Erde beträgt 6 10 24 kg . Der Masseunterschied zwischen Erde und Mücke umspannt 30 Zehnerpotenzen. Die Masse der Sonne beträgt 2 10 30 kg . Vergleicht man dies mit der Mücke, umspannt die Differenz 36 Zehnerpotenzen. Das Verhältnis von Quolomb-Kraft und Gravitationskraft verhält sich somit wie 1000 Sonnen zu einer Mücke. 05.09.2014 1-2 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 Für das Wasserstoffatom ist diese Kraft von wesentlicher, existentieller Bedeutung. Da das Elektron den Atomkern mit einer Bahngeschwindigkeit von rund 2200km/s umkreist, entsteht selbst bei der geringen Masse des Elektrons von 0,91 10 30 kg eine Fliehkraft, die wesentlich größer als die Gravitationskraft zwischen Elektron und Proton ist. Die notwendige Kraft zum Zusammenhalt des Atoms entstammt der elektrischen Kraft. Diese elektrische Kraft wirk zwischen allen elektrisch geladenen Körpern. Dabei ziehen sich elektrisch unterschiedlich geladene Körper an und elektrisch gleich geladene stoßen sich ab. Die elektrische Ladung eines Elektrons und eines Protons beträgt dabei 1,602 10 19 C (Coulomb). Das Elektron ist dabei negativ und das Proton positiv geladen. Da beim Wasserstoffatom die Anzahl der Protonen gleich der der Elektronen ist, erscheint es nach außen als elektrisch neutral geladen. Die Ladung Q eines Körpers wird in Coulomb gemessen. Ein Coulomb entspricht dabei 1 As. Für die Elektrotechnik ist weiterhin der Ladungserhaltungssatz von Bedeutung. Dieser besagt, daß bei abgeschlossenen Systemen die Gesamtladung konstant ist. Dies bedeutet in der Praxis, daß innerhalb eines Systems Ladungen zwar verschoben werden können, das Gesamtsystem nach außen seine Ladung nicht verändert. 1.2 Elektrisches Feld In Gleichung 1.1.1 war die Wirkung zweier massebehafteter Körper aufeinander qualitativ angegeben. Die Erfahrung in der realen Umwelt hat uns gelehrt, daß der Effekt der Gravitation auch mit Hilfe eines Gravitationsfeldes beschrieben werden kann (Abbildung 1.2.1). m Erde mit Masse M Abbildung 1.2.1: Gravitationsfeld der Erde Dabei ist die Erde ein im Verhältnis zum Massepunkt m sehr großer Körper. Das Gravitationspotential der Erde ist wesentlich größer als das des Massepunktes. Aus Sicht des Massepunktes wirk auf ihn eine Kraft ein, die entlang von Gravitationsfeldlinien verläuft. Wenn der Massepunkt frei beweglich ist, wird er sich entlang dieser Feldlinien bewegen, bis er auf die Erde trifft. Der Massepunkt befindet sich also in einem von einem Gravitationspotential erfüllten Raum. Die Ursache dieses Gravitationspotentials ist eine Masse M, die dabei nicht notwendigerweise ebenfalls einen Massepunkt darstellen muß. Diese Betrachtungsweise der Gravitation kann analog auf elektrische Ladungen und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte übertragen werden. Betrachtet man zu diesem Zweck eine sehr lange Linienladung mit der Gesamtladung Q1, so ergibt sich in der Ebenen der Linienladung ein 05.09.2014 1-3 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 dem Graviationsfeld ähnliches Kraftfeld, daß auf im Raum befindliche Ladungen wirkt (Abbildung 1.2.2). Betrachtet man nun das Coulomb-Gesetz in seiner allgemeinsten Form (Gleichung 1.2.1), so kann es umformuliert werden. k Q1 Q2 Gleichung 1.2.1 F 2 r - + Q2 Linienladung Q1 Abbildung 1.2.2: Kraftfeld einer Linienladung Die Kraftwirkung kann nämlich einem elektrischen Feld E zugeschrieben werden, das durch die Linienladung Q1 hervorgerufen wird. F E Q2 Gleichung 1.2.2 Mit dem Coulomb-Gesetz kann das elektrische Feld bestimmt werden (Gleichung 1.2.3). k Q1 Gleichung 1.2.3 E 2 r Der Begriff des elektrischen Feldes ist in der Elektrotechnik von großer Wichtigkeit, da mit ihm die Vorhersage von Kraftwirkungen auf elektrische Ladungen ermöglicht wird. Die Feldlinien des elektrischen Feldes beginnen dabei immer bei den positiven Ladungen und enden bei den negativen. Die Kraftwirkung erfolgt immer in Richtung dieser Feldlinien für positive Ladungen und genau entgegengesetzt für negative. In Abbildung 1.2.3 sind typische Feldlinienbilder einiger Anordnungen angegeben. Je dichter die Feldlinien beieinander liegen, desto größer ist die resultierende Kraft. Bei den Beispielen a, b und c ist die jeweilige gegenpolige Ladung unendlich weit entfernt. Dies besagt nichts anderes, als das die Gesamtladung des betrachteten Raums Null ist. Im Beispiel d schließen sich die nach links und rechts abgehenden Feldlinien im Unendlichen. 1.3 Elektrisches Potential Die Analogiebetrachtung zwischen Gravitationsfeld und elektrischem Feld kann auch auf die beiden eigene potentielle Energie übertragen werden. Die potentielle Energie, die ein Körper durch überwinden eines Höhenunterschieds im Gravitationsfeld erlangt, läßt sich durch Gleichung 1.6 ausdrücken. b Gleichung 1.3.1 E pot F ds a Die Kraft F ist dabei die Wechselwirkung zwischen der Masse m und der Erde. Die potentielle Energie ist hierbei als negative Arbeit definiert, die von der Wechselwirkung verrichtet wird. 05.09.2014 1-4 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 Eine Änderung der potentiellen Energie ist positive Arbeit, die von einer Kraft geleistet werden muß um einen Körper in Gegenwart der Wechselwirkung zu bewegen. Überträgt man diese Überlegungen auf das elektrische Feld, so läßt sich dort ebenfalls der Begriff der potentiellen Energie definieren (Gleichung 1.3.1). c) a) d) b) Abbildung 1.2.3: Feldbilder einiger Punktladungen a) positive Ladung Q+ b) negative Ladung Qc) zwei positive Ladungen Q+ d) eine positive Ladung Q+ und eine negative Qb Gleichung 1.3.1 b E pot F ds Q E ds a a Daraus ergibt sich allgemein für die Potentialdifferenz der Ausdruck in Gleichung 1.3.2 b Gleichung 1.3.2 Va Vb E ds a Dividiert man diese Gleichung auf beiden Seiten durch die Ladung Q, so erhält man die Definitionsgleichung der elektrischen Spannung U (Gleichung 1.3.3). b Gleichung 1.3.3 U V a Vb E ds a In differenzieller Schreibweise gilt auch Gleichung 1.3.4 dU E ds Gleichung 1.3.4 Damit ist die elektrische Potentialdifferenz definiert. Sie wird auch als elektrische Spannung bezeichnet. Die Einheit ist V. 05.09.2014 1-5 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 1.4 Elektrischer Strom Durch den Spannungszustand in der Spannungsquelle werden freie Ladungsträger zu einer gerichteten Bewegung angeregt. Diese gerichtete Bewegung wird auch Konvektionsstrom genannt. In Metallen stehen ausschließlich Elektronen für diesen Bewegungsvorgang zur Verfügung. In elektrolytischen Flüssigkeiten zerfallen Moleküle zum Teil in positive und negative Ionen. Diese unterliegen aufgrund ihrer Ladung den Coulomb-Kräften und bilden damit einen elektrischen Strom. Wesentlich bei der Ausbildung des elektrischen Stroms ist also nicht die transportierte Masse, sondern die transportierte Ladung. Der elektrische Strom läßt sich somit nach Gleichung 1.4.1 definieren. Gleichung 1.4.1 dQ i dt Der elektrische Strom in einem leitenden Medium kann verschiedene Begleiterscheinungen mit sich bringen. Am bekanntesten ist die Wärmewirkung. Sie wird durch die sich bewegenden Elektronen im Kristallgitter eines metallischen Leiters hervorgerufen, wenn diese mit den ortsfesten Atomrümpfen zusammenstoßen. Dieser Effekt ist nicht auf Metalle beschränkt. Die Atome werden dadurch in Schwingungen versetzt. Diese kinetische Energie der Atome wird auch als Wärme bezeichnet. Sie entzieht dem Stromkreis Energie. Ein weiterer Effekt des Elektrischen Stroms ist das resultierende Magnetfeld. Dieser Effekt wird in späteren Kapiteln untersucht. Weiterhin kommt es bei Ionenleitern zu Stofftransport. Die zu den Elektroden wandernden Ionen rekombinieren und werden als neutralisierte Stoffe an den entsprechenden Elektroden abgeschieden. Die Stärke der beschriebenen Effekte hängt wesentlich von der Stromdichte S ab. Für die Stromdichte in allgemeinster Form gilt Gleichung 1.4.2. di Gleichung 1.4.2 S dA Dabei ist dA das vom Teilstrom di durchflossene Flächenelement. Ist die Fläche A homogen vom Strom I durchflossen, gilt Gleichung 1.4.3. Gleichung 1.4.3 I SA Die Einheit des elektrischen Stroms ist Ampere. Ein Ampere (A) entspricht dabei 1C/s. Das sind 6,24 1018 Elektronen pro Sekunde. 1.5 Elektrischer Widerstand Wird ein elektrischer Leiter vom Strom durchflossen, führt dies zu Transportverlusten. Die Ursprüngliche Energie der Elektronen wird vermindert. Ein Maß für diese Minderung ist der elektrische Widerstand eines Leiters. Nicht alle Materialien leiten den elektrischen Strom gleich gut oder schlecht. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen. Elektrische Leiter: Dies sind Materialien mit teilweise sehr guten Leitfähigkeiten. Zu ihnen zählen Metalle, metallische Verbindungen und Elektrolyte. Halbleiter: Die Leitfähigkeit dieser Stoffe hängt von der Temperatur und der Bearbeitung des Materials, auch Dotierung genannt, ab. Zu ihnen zählen Kohle, Silizium, Germanium und Selen. Nichtleiter: Sie sind für die Elektrotechnik aufgrund ihrer vernachlässigbaren Leitfähigkeit von Bedeutung und werden bei der Herstellung von Isolatoren verwendet. Zu ihnen zählen Glimmer, Quarz, feste Salze und Kunststoffe. Diese unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich des elektrischen Stroms lassen sich durch das Bändermodell der Elektronen erklären. Wichtig ist dabei der Abstand zwischen Leitungs- und 05.09.2014 1-6 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 Valenzband. Für die Stromleitung kommen dabei nur Valenzelektronen des Valenzbandes und freie Elektronen des Leitungsbandes in Frage. Bei metallischen Leitern überlappen beide Bänder, so daß Valenzelektronen die Stromleitung übernehmen können. Bei Halbleitern liegen beide Bänder eng beieinander und bei Nichtleitern liegen sie weit auseinander, so daß die Valenzelektronen die wenige freien Elektronen bei der Stromleitung nicht verstärken können. Der elektrische Widerstand eines Leiters ist nach Gleichung 1.5.1 definiert. U Gleichung 1.5.1 R I Die Einheit des Widerstandes wird in Ohm [ angegeben. Ein einfacher Stromkreis bestehend aus Spannungsquelle und Widerstand ist in Abbildung 1.5.1 dargestellt. ideale Leitung + I R Uq UR idealer Widerstand ideale Spannungsquelle Abbildung 1.5.1: Stromkreis bestehend aus Spannungsquelle und Widerstand Nimmt man den Widerstand R zunächst als ideales Bauelement an, so ist der Widerstandswert konstant und von Temperatur, Stromstärke und Zeit unabhängig. Es gilt dann der lineare Zusammenhang in Gleichung 1.5.2 zwischen Versorgungsspannung Uq und Widerstandsstrom I. Uq R I Gleichung 1.5.2 Dieser Zusammenhang wird auch als ohmsches Gesetz bezeichnet. Der Strom I ist dabei proportional der Spannung Uq. Der Proportionalitätsfaktor zwischen Strom und Spannung ist der Widerstand R. Die zugehörige Kennlinie ist in Bild 1.5.2 dargestellt. Wird der Wert von Uq von U1 auf 2U1 verdoppelt, so verdoppelt sich auch der Stromwert von I1 auf 2I1. Weiterhin ist die Steigung der Widerstandsgeraden ein Maß für den Widerstand selbst. Mit zunehmende Steilheit nimmt der Wert des Widerstandes R ab. Umgekehrt bedeutet eine flachere Gerade einen größeren Wert für R (Abbildung 1.5.3). Wenn bei einem Widerstandswert von R und einer Quellenspannung von Uq=U1 ein Strom I1 fließt, reduziert sich dieser Strom auf die Hälfte, wenn der Widerstandswert auf 2R verdoppelt wird. Eine Erhöhung des Widerstandes hat also eine umgekehrt proportionale Reduktion des Stroms I zur Folge. 05.09.2014 1-7 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 I 2 I1 R I1 2 U1 Uq U1 Bild 1.5.2: Kennlinie eines linearen Widerstandes I R I1 2R R 0,5I1 U1 Uq Abbildung 1.5.3: Kennlinie eines linearen Widerstandes Neben dem Begriff Widerstand wird oft auch dessen Kehrwert verwendet. Dieser wird als Leitwert G bezeichnet. Seine Einheit wird in 1/ oder auch Siemens [S] angegeben. Einer Erhöhung des Leitwerts entspricht dabei eine Verminderung des Widerstands. 1.5.1 Nichtlineare Widerstände Neben linearen Widerständen haben nichtlineare Widerstände in der Technik eine erhebliche Bedeutung. Diese Widerstände können als stromabhängige Widerstände mit U=f(I) formuliert werden. Typische Beispiele für nichtlineare Widerstände sind Halbleiterbauelemente wie Dioden. Ihre Kennlinie (Abbildung 1.5.1.1) weist je nach verwendetem Material einen deutlichen Knick auf. Andere Materialien weisen weniger extreme Kennlinien auf. Ein solcher nichtlinearer Widerstand läßt sich praktischerweise nicht einfach durch das Verhältnis von U zu I definieren. Für solche Widerstände wird der Begriff differentieller Widerstand eingeführt. Dieser ist nach Gleichung 1.5.1.1 definiert. 05.09.2014 1-8 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 I Siliziumdiode Germaniumdiode U Abbildung 1.5.1.1: Kennlinie von Halbleiterdioden dU Gleichung 1.5.1.1 dI Abbildung 1.5.1.2 verdeutlicht den Begriff des differentiellen Widerstandes. Der differentielle Widerstand ergibt sich durch Anlegen einer Tangente an die Widerstandskurve im Arbeitspunkt P. Für diesen differentiellen Widerstand kann eine Widerstandsgerade im Arbeitspunkt angenähert werden nach Gleichung 1.5.1.2. U U1 Gleichung 1.5.1.2 Rd 2 I 2 I1 Der so bestimmte Widerstand gilt nur in Nähe des Arbeitspunktes. Für andere Arbeitspunkte muß er entsprechen neu bestimmt werden. Rd U Rd U2 P U1 I1 I2 I Abbildung 1.5.1.2: Differentieller Widerstand im Arbeitspunkt P 05.09.2014 1-9 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 1.5.2 Temperaturabhängige Widerstände Alle Widerstände, ob linear oder nichtlinear, weisen eine Temperaturabhängigkeit auf. Bei metallischen Leitern nimmt der Widerstand mit steigender Temperatur meist zu, bei Halbleitern kann er auch abfallen. Diese Temperaturabhängigkeit ist nichtlinear, wird aber oftmals für genügend kleine Temperaturänderungen linearisiert. Dabei wird der Widerstandswert bei einer Raumtemperatur von 20oC. Diese Temperaturabhängigkeit ist grundsätzlich materialabhängig. Zur genaueren Betrachtung der Temperaturabhängigkeit wird der materialspezifische Widerstand eingeführt. In Abbildung 1.5.2.1 ist ein solcher temperaturabhängiger 20+ 20 =f() 20 20+ Abbildung 1.5.2.1: Temperaturabhängiger, materialspezifischer Widerstand Widerstandsverlauf dargestellt. Der spezifische Widerstand kann dabei nach Gleichung 1.5.2.1 formuliert werden. Gleichung 1.5.2.1 d ( ) 20 20 d d 1 d Gleichung 1.5.2.2 ( ) 20 (1 20 ) mit 20 20 d Die in Gleichung 1.5.2.2 wiedergegebene Formulierung ist die gebräuchlichste. In ihr wird ein Temperaturkoeffizient 20 eingeführt, der den für kleinere Temperaturabweichungen linearen Zusammenhang beschreibt. Bei größeren Temperaturabweichungen wird ein weitere Temperaturkoeffizient 20 eingeführt, um die dann nicht mehr lineare Widerstandsänderung zu beschreiben (Gleichung 1.5.2.3). Gleichung 1.5.2.3 1 d 2 2 ( ) 20 (1 20 20 ) mit 20 20 (d ) 2 Aus dem materialspezifischen Widerstand läßt sich nach Gleichung 1.5.2.4 der elektrische Widerstand R berechnen. Dieser ist natürlich auch temperaturabhängig und genügt Gleichung 1.5.2.5. l Gleichung 1.5.2.4 R A 05.09.2014 1-10 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 2 Gleichung 1.5.2.5 R ( ) R20 (1 20 20 ) In der nachfolgenden Tabelle sind der spezifische Widerstand und Temperaturkoeffizient einiger ausgewählter Materialien angegeben. Für homogene Materialien kann bei homogenem Stromfluß aus dem spezifischem Widerstand der Widerstandswert R eines Bauteils bei konstantem Bauteilquerschnitt A über der Bauteillänge l der elektrische Widerstand nach Gleichung 1.5.2.6 berechnet werden. Gleichung 1.5.2.6 l R A Material Aluminium, Al Silber, Ag Kupfer, Cu Gold, Au Platin, Pt Eisen, Fe Manganin, Cu, Fe, Mn, Ni Chromnickel, Cr, Ni, Fe 1.6 1 K 0,004 0,004 0,004 0,004 0,002 0,005 0,00001 0,00005 mm 2 m 0,028 0,016 0,018 0,023 0,11 0,125 0,43 1 20 Elektrische Leistung und Energie Die elektrische Leistung ist definiert als Produkt von Strom und Spannung (Gleichung 1.6.1). Gleichung 1.6.1 P U I Die Einheit der elektrischen Leistung ist Watt [W]. In jedem elektrischen Stromkreis ist die Summe der Leistungen immer gleich Null. Dies bedeutet, daß die von Spannungsquellen abgegebene Leistung gleich der der ohmschen Verbraucher ist. Verwendet man das Verbraucherzählpfeilsystem, so ist die am Verbraucher abfallende Leistung positiv und die von der Spannungsquelle bereitgestellte negativ (vergleiche dazu Abbildung 1.5.1). Für einen einfachen Stromkreis mit einer Spannungsquelle und einem ohmschen Verbraucher gilt daher: Gleichung 1.6.2 U I I2 R 0 Für das Erzeugerzählpfeilsystem kehren sich die Vorzeichen um. Für die gelieferte elektrische Energie einer Spannungsquelle im Verbraucherzählpfeilsystem gilt Gleichung 1.6.3. Gleichung 1.6.3 E i (t ) u(t ) dt Für konstante Spannung und konstanten Strom gilt Gleichung 1.6.4. E U I dt U I t Gleichung 1.6.4 Für einen ohmschen Verbraucher gelten die gleichen Gleichungen mit umgekehrten Vorzeichen. Die Einheit der Energie ist Wattsekunden [Ws] oder auch Newtonmeter [Nm]. 05.09.2014 1-11 Grundlagen der Elektrotechnik: Kapitel 1 1.7 Aufgaben Grundsätzlich sollte bei der Bearbeitung von Aufgaben oder Problemstellungen zunächst immer die Schaltung skizziert werden. Aufgabe 1.7.1 (alle Studiengänge) Ein ohmscher Widerstand von 10 wird an eine Spannungsquelle von 100V angeschlossen. a) Bestimmen Sie den elektrischen Strom I durch den Widerstand. b) Wie ändert sich quantitativ der Strom I, wenn die Spannung um 10% erhöht wird? Aufgabe 1.7.2 (alle Studiengänge) Bei einer Spannungsquelle von 12V wird ein Entnahmestrom von 500mA gemessen. a) Bestimmen Sie den ohmschen Widerstand im Lastkreis. b) Die Versorgungsspannung fällt auf 10V ab. Wie muß sich quantitativ der Widerstand ändern, damit der Laststrom konstant bleibt? Aufgabe 1.7.3 (alle Studiengänge) Ein einfacher Stromkreis besteht aus einer idealen Spannungsquelle und einem idealen Widerstand. a) Wie ändert sich der im Stromkreis fließende Strom, wenn der Leitwert des Widerstandes halbiert wird? b) Wie ändert sich der Strom, wenn der Widerstand halbiert wird und sich die Versorgungsspannung verdoppelt? Aufgabe 1.7.4 (alle Studiengänge) Ein Kupferleiter hat bei einer Temperatur von 20oC einen Widerstand von 10. a) Um wieviel Prozent erhöht sich der Widerstand bei einer Temperaturerhöhung um 10K? b) Wie groß muß die Temperaturänderung sein, damit der Widerstand um 10% steigt? Aufgabe 1.7.5 (nur für Elektrotechnik) Ein Widerstandsdraht besteht aus einem Stück Kupferdraht und einem Stück Platindraht gleicher Querschnittsfläche. Die Gesamtlänge des Drahtes beträgt 10m. Bei einer Temperaturerhöhung um 20K erhöht sich der Widerstand um 6%. a) Bestimmen Sie den resultierenden Temperaturkoeffizienten 20. b) Wie lang ist der Kupferdraht? c) Bestimmen Sie den Gesamttemperaturkoeffizienten, wenn der Kupferdraht durch ein Stück Manganindraht gleicher Länge und gleichen Querschnitts ersetzt wird? d) Berechnen Sie für den unter c) gegebenen Fall die Widerstandsänderung in Prozent bei einer Temperaturerhöhung um 20K. 05.09.2014 1-12