Vorlesung 9

Werbung
VL Mikrobielle Ökologie: Standorte und Prozesse, 09.12.2003
Subsurface Microbiology
Leben in den tieferen Stockwerken der Sedimente, des Bodens und tief
im Gestein
Was ist die “Subsurface”?
Terrestrische Subsurface: Bodenlagen unterhalb der “organischen
Horizonte, in der Regel unterhalb 1m Tiefe.
Marine Subsurface: Sedimente mit Tiefen über 10 cm.
In der Regel Horizonte mit niedrigem Gehalt an org. C.
Wie kam man auf die Idee,
tief in den Sedimenten oder Böden nach Mikroorganismen zu suchen.
- Erdölindustrie: Schwefelwasserstoff in den Lagerstätten
(1926 Bastin, 1933 Ginsberg-Karagitscheva)
- Nuklearindustrie: Gefahrenabschätzung für die Deponierung von
Abfällen in alten Stollen
- Untersuchungen nach unterirdischen Atomexplosionen
Bakterien liessen sich nachweisen –
wurden sie aber erst durch menschliche Aktivität dort eingebracht?
Wie hoch ist die vertikale Ausdehnung der belebten Subsurface
(“deep biosphere”)?
Bislang wurden Mikroorganismen bis 850 m tief unter dem Meeresboden
nachgewiesen.
Im terrestrischen Bereich liegt der Tiefenrekord bei derzeit knapp 6000 m.
Ozeanische Kruste
3 - 8 km
Kontinentale Kruste
25 – 70 km
Aus: Geo 4/1994
Es gibt theoretische Überlegungen, daß Leben prinzipiell bis zu
Temperaturen von etwa 170°C möglich sein könnte. Dies würde
bedeuten, daß der Großteil der ozeanischen Kruste bis in Tiefen von
5000 m besiedelt sein könnte.
Oder ist das nur Phantasie?
Tiefen- und Temperaturverteilung der
Gesamtzellzahlen in den ODP
Bohrlöchern 1036A-C, sowie 858 A+D
(rechts). Vertikale gestrichelte Linie:
Signifikanzgrenze.
Problem: aseptische Probenahme
Kontamination beim Bohrvorgang?
ODP-Bohrschiff Joides Resolution mit Kontaminationskontrolle,
Fluoreszensfarbstoff und 0,5 µm große runde fluoreszierende
Latexpartikel im Bohrwasser.
Tiefsee-Bohrschiff Joides
Resolution des internationalen
Ocean Drilling Project (ODP)
Die Gesamtzellzahlen nehmen mit der Tiefe exponentiell ab.
102
Zellzahl [cm-3]
104
106
108
1010
10-2
10-1
log10Zz = 8.06 - 0,715·log10(Sed.tiefe[m])
1
Ermittlung der Zellzahl/SedimenttiefeRelation anhand der Zählergebnisse
von vier Standorten im Pazifik (299
Einzelproben).
10
100
Parkes et al. 1994, Nature371:410ff
1000
Statistisch
abgesicherte
Nachweisgrenze
Sed.tiefe [m]
Abschätzung der Gesamtbakterienzahl in der Biosphäre
nach Whitman et al., PNAS 95:6578-6583 (1998)
Volumen / Fläche
Anzahl
Zellen
Anzahl Organismen
Prok. [x 105]
[x 1026]
Daten vor.
Aquatische Habitate:
Marin
Wassersäule
Limnisch
4600 ml-1
Seen
1,25 · 1020 cm3
10 ml-1
1,3
Flüsse
1,2 · 1018 cm3
10 ml-1
0,012
20
3
1,04 · 10 cm
8 · 1018 cm3
Subsurface
(terrestrisch)
Subsurface
0-1 - 10 m Tiefe
organe
-1
5 bzw 0,5 ml
Böden
Verdauungs-
3
3,6 · 1019 cm3
Salzseen
(ozeanisch)
24
1,37 · 10 cm
Sediment (0-10 cm)
10 ml
-1
1011
170
1,0
Gesamt
1180
10 - 100 g-1
2556
2500-25000
2200 ml-1
8490
10-100 m Tiefe
450
15620
100-600 m Tiefe
40-190
12590
600-4000 m Tiefe
3,4-9,5
1130
Gesamt
38000
Menschen
Für die terrestrische Subsurface liegen
für Horizonte tiefer als 750 m keine
5,6 · 10
9
0,0039
9
0,029
Rinder
1,3 · 10
Schafe, Ziegen
1,7 · 109
0,009
Schweine
8,8 · 108
0,0046
Vögel (domest.)
1,3 · 1010
0,00024
Termiten
2,4 · 1017
0,0065
Gesamt
Gesamtzellzahl
0,053
44000 - 66800
Berechnet man den C-Gehalt der
Mikroorganismen, so ergibt sich trotz
der geringeren Größe der SubsurfaceMikroorganismen, daß sich 92 - 95 %
des in Mikroorganismen gebundenen C
in der Subsurface befinden
(entsprechend 325 - 519 · 109 t C).
Diese Menge entspricht 60-100 % des in
allen Landpflanzen (incl. Bäumen)
festgelegten Kohlenstoffs.
Es gibt sehr viele Mikroorganismen in der Subsurface, die Aktivitäten
hier sind allerdings ausgesprochen niedrig.
102
Zellzahl [cm-3]
104
106
108
Sulfatreduktionsrate [pmol·cm-3·h-1]
10000
1010
10-2
10-2
10-1
10-1
1
1
10
10
100
100
1000
1000
20000
SRR [pmol·cm-3·h-1]
3
Welche Substrate stehen den Mikroorganismen in der Subsurface
eigentlich zur Verfügung? Wovon leben sie?
- Organisches Material
- Lithotrophe Prozesse
- Methan
6
Organisches Material
in der Regel extrem refraktär (Kerogen)
Auch Erdöl, Braunkohle
Es wird aber postuliert, daß während der Sedimentdiagenese dieses
organische Material wegen der ansteigenden Temperaturen in den
tiefen Sedimentschichten leichter verfügbar wird.
Sapropele im östlichen Mittelmeer
Sedimentlagen, 2-30 % der Trockenmasse ist
organisches Material
Frequency of dividing cells (%)
0
5
10
15
20
0
S1
S1
Depth (m)
1
2
S3
S5
3
S4
A
B
0
5
10
Bacterial cells (x107 cm-3 )
15
0
1
2
3
4
5
-1
Glucose degradation (nM h )
Gesamtzellzahlen (links) und 14C-Glucose-Mineralisation
(rechts) in Sapropelen und Zwischenschichten.
S1 ca. 20.000, S8 etwa 250.000 Jahre alt.
Coolen et al. 2000 Science
S7
S8
S5
4
In den Sapropelschichten
lassen sich erhöhte Zellzahlen
und erhöhte potentielle
Aktivitäten nachweisen.
Fossile Sedimente aus dem Miozän (etwa 8 Mio Jahre alt) in Washington
(USA). (Frederickson et al. 1995 Mol Ecol 4:619ff)
Durch undurchlässige Sedimentschichten isoliert.
Kein Nachschub an geeigneten Elektronendonatoren.
Man muß davon ausgehen, dass das vorhandene organische Material aus der
Zeit der Sedimentation stammt.
(Das gilt auch für die mikrobielle Gemeinschaft, die sich aus den damals im
Sediment vorhandenen Organismen weiter entwickelt haben muß).
Alkane aus der ozeanischen Kruste
Alkane aus dem Basalt der ozeanischen Kruste steigen in die
darüberliegenden Sedimente auf und können dort von Mikroorganismen
umgesetzt werden. (2003, Cowen et al., Science 299:120-123)
Lithotrophe Prozesse
- Wasserstoffbildung
In Basalten (Serpentin, Olivin, Hornblende, Gesteine vulkanischen
Ursprungs).
Es wird postuliert, daß Basalte unter anoxischen Bedingungen
elementaren Wasserstoff freisetzen können.
x
x
H 2O + ( FeO ) x ( SiO2 ) y → H 2 + x ( FeO1,5 ) + y ( SiO2 )
2
2
Der Wasserstoff kann für Sulfatreduktion, Methanogenese oder
Homoacetogenese genutzt werden.
- Anaerobe Ammoniumoxidation
Oxidation von Ammonium mit Eisen- oder Manganoxiden
2 NH 4+ + MnO2 + 4 H + → N 2 + 3Mn 2+ + 6 H 2O
Mikrobiell beeinflusste Glass-Schichten auf
Basalten. (Furnes & Staudigel 1999 Earth
Planet Sci Lett)
Anaerob ammoniumoxidierende
Mangan(IV)-reduzierende Bakterien
mit einer Manganoxid-Flocke.
Methan
Oft als Methanhydrat, das sind Methan - Wasser Cluster, nur unter
hohem Druck und/oder bei niedrigen Temperaturen stabil.
In sehr vielen Subsurface-Sedimenten, aber auch in Permafrost Böden
nachgewiesen. Die bislang gefundenen Vorkommen haben nach
Schätzungen einen doppelt so hohen Brennwert wie alle Erdöl, Erdgas
und Kohle-Vorkommen zusammen.
Subsurface-Sediment aus dem Pazifik mit Methanhydraten (weiß).
Foto: H.Cypionka
Methan ist ein Endglied der anaeroben Nahrungskette. Um es weiter
verwerten zu können müssen oxidierte Verbindungen mit einem
positiveren Redoxpotential vorhanden sein (z.B. Sulfat).
Konsortium aus Methan-oxidierenden
Archaeen (rot) und sulfatreduzierenden
Bakterien (Grün). Vorkommen oberhalb
von Gashydraten in Sedimenten des
West-Atlantiks.
Boetius et al. 2000, Nature 407:623ff
CH 4 + SO42− + H + → CO2 + HS − + 2 H 2O
∆Go=-16,6 kJ·mol-1
ATP
∆Go‘=-32 kJ·mol-1
In der Zelle
∆Go‘ ca. 50 kJ·mol-1
Methan [mM]
0
1
2
3
0
10
20
10
30
Sedimenttiefe [m]
0
50
100
150
Sulfat,
Acetat
[mM]
Sulfat,
Acetat
[mM]
100
10 7
10000
109 100000
10 10 1000000
-3
Gesamtzellzahl [10 cm ]
1000
10 8
Sedimentprofile von Methan, Acetat und Sulfat, sowie der Gesamtzellzahlen in
Sedimenten des Pazifiks vor Peru. (Sass et al. BIOspektrum 5/03)
Handelt es sich bei den Bakterien aus der Subsurface um die selben
Typen wie an der Erdoberfläche?
In den meisten Untersuchungen wurden Sporenbildner isoliert
! Überdauerungsstadien?
In mehreren Subsurface-Standorten wurden mit molekularökologischen
Methoden Mikroorganismen nachgewiesen, die phylogenetisch isoliert
sind und die aus Öberflächenhabitaten bislang nicht bekannt sind.
Energiemenge, die Zellen aus der tiefen Biosphäre potenziell pro Tag zur Verfügung
steht, verglichen mit dem Energiebedarf anaerober Mikroorganismen für den
Erhaltungsstoffwechsel. (Sass et al. BIOspektrum 5/2003)
Aus:
Schmidt & Weis, 1902
Die Bakterien
Gustav Fischer Verlag Jena
Herunterladen