VR Branchen special | Bericht Nr. 76 | August 2011 Ärzte | 1 Ärzte Branchenstruktur AUF EINEN BLICK Wachstumsraten % 8 8 a) 6 Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für ärztliche Behandlung je Mitglied (ab 2008 je Versicherten) 6 4 4 2 2 0 0 -2 -2 Zahl der Vertragsärzte -4 -4 2011 und 2012: Schätzungen des ifo Instituts -6 -6 -8 -8 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 a) Ab 2010 neue Abgrenzung. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; KBV; ifo Institut. 2011 wird das Honorarvolumen für die niedergelassenen Ärzte weiter steigen. Schätzungen auf der Grundlage der im GKV-Finanzierungsgesetz getroffenen Festlegungen und der Verhandlungen mit den Kassen deuten darauf hin, dass die Praxishonorare um etwa 3,5% zunehmen werden. Im Jahr 2012 ist mit einem weiteren, wenn auch abgeschwächten Wachstum zu rechnen. Von den Honorarsteigerungen in 2011 profitieren die Ärzte in allen Bundesländern, allerdings in unterschiedlicher Höhe. Ein Teil des Geldes kommt ausschließlich den Ärzten in den KVen zugute, die bei der Honorarreform 2009 benachteiligt wurden. Im Oktober 2011 werden die Krankenkassen damit beginnen, die lange diskutierte elektronische Gesundheitskarte (eGK) an ihre Versicherten auszugeben. Ärzte erhalten für die Anschaffung und Installation der passenden Lesegeräte bis zum 30. September 2011 von ihrer KV eine Erstattungspauschale. BRANCHEN-RATING Ärzte Markt-/Branchenentwicklung: Umsatzentwicklung (nominal) 2011 ................................................. gewachsen Umsatzprognose (nominal) 2012 ............................................................ wachsen Konjunkturabhängigkeit ............................................................................................ gering Konkurrenzintensität ............................................................................... durchschnittlich Wirtschaftliche Verhältnisse: Ertragslage 2011 ............................................................................................................ gut Ertragsprognose 2012 ................................................................................................ gut Ende 2010 waren in Deutschland rund 117 700 niedergelassene Ärzte tätig (Tab. 1). Sie unterteilen sich in Privatärzte (3 300) und niedergelassene Vertragsärzte (114 400). Vertragsärzte erbringen auf der Grundlage einer Zulassung (Kassenzulassung) in erster Linie ambulante Leistungen für Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Neben den so genannten Kassenpatienten behandeln Vertragsärzte in der Regel auch privat versicherte Personen (Privatpatienten). Die Zulassung als Vertragsarzt ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. So müssen Ärzte beispielsweise die Eintragung in das Arztregister und ihre Eignung nachweisen sowie an einem Einführungslehrgang der GKV teilnehmen. Die Zulassung wird von gemeinsamen Zulassungsausschüssen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenkassen erteilt. Die KVen haben im Einvernehmen mit den Kassen auf Landesebene einen Bedarfsplan zur Steuerung der Zahl der Vertragsärzte aufzustellen. Wird von den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen in einem Gebiet eine Überversorgung mit Vertragsärzten festgestellt, müssen die Ausschüsse räumlich begrenzte und arztgruppenspezifische Zulassungsbeschränkungen anordnen, mit der Folge, dass keine neuen Vertragsarztpraxen eröffnet werden können. Obwohl die allermeisten Planungsbereiche als überversorgt gelten und somit für die meisten Arztgruppen gesperrt sind, wird zunehmend von Unterversorgung gesprochen. Auf der Basis der derzeit gültigen Bedarfsplanung lässt sich bislang nur in vereinzelten Regionen eine lokale Unterversorgung feststellen. Diese liegen nahezu ausschließlich in den östlichen Bundesländern. Zur Lösung des Problems wird eine kleinräumigere und sektorübergreifende Planung gefordert, andere Vorschläge plädieren für eine Änderung der Anreizstrukturen. Im Zentrum der Diskussion steht gegenwärtig die Versorgung mit Hausärzten. Ihre Zahl ist seit fast einer Dekade rückläufig, während die Zahl der Fachärzte im selben Zeitraum kontinuierlich stieg. Die Ursache dieser Entwicklung könnte in der unterschiedlichen Einkommenssituation liegen, aber auch in den unterschiedlichen Arbeitszeitanforderungen bei den beiden Arztgruppen. Erkennbar ist die Hausarztdichte nicht in den Stadtstaaten am größten, sondern im Flächenland Bayern. Andererseits weisen die Kammerbezirke Sachsen-Anhalt und Westfalen-Lippe die niedrigste Hausarztdichte auf. Bei niedergelassenen Fachärzten ist die Konzentration auf die Ballungszentren besonders auffällig. Eine Umfrage von TNS Infratest ergab, dass Ärzte generell eher in Großstädten (42%) und Mittel- und Kleinstädten (36%) eine Praxis betreiben wollen als in ländlichen Gebieten. Dies dürfte erklären, warum die ambulante Versorgungssituation in Deutschland 2 | Ärzte Bericht Nr. 76 | August 2011 Tabelle 1 Struktur der Ärzteschaft 2010 Arztgruppe Gesamtzahl der registrierten Ärzte ./. Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit = Berufstätige Ärzte davon: – ambulant tätig – niedergelassene Vertragsärzte – Vertragsärzte in Praxen – Vertragsärzte in MVZ a) – Privatärzte – angestellte Ärzte b) in Praxen in MVZ – stationär tätig (Krankenhaus) – bei Behörden/Körperschaften u.a. – in anderen Bereichen Anzahl in 1 000 439,1 Anteil in % Veränd. in % 2009/2010 – 2,1 105,5 333,6 – 100,0 1,4 2,4 141,6 42,4 1,4 114,4 34,3 – 0,4 113,0 33,9 – 0,4 1,4 3,3 23,9 16,8 7,1 0,4 1,0 7,2 5,0 2,1 2,3 – 20,1 15,4 16,9 17,3 163,6 49,0 3,4 9,7 18,8 2,9 5,6 1,4 1,4 Nachrichtlich: Hausärzte c) 57,2 – – 0,8 Fachärzte (ambulant) c) Arztdichte d) 64,3 245 – – 1,2 – 2,4 a) Medizinische Versorgungszentren. – b) Einschließlich Weiterbildungs- und Sicherstellungsassistenten, Honorar- und Vertretungsärzte. – c) Vertragsärzte und angestellte Ärzte im MVZ. – d) Einwohner je berufstätiger Arzt. Quelle: Bundesärztekammer; KBV; ifo Institut für Wirtschaftsforschung. durch eine Überversorgung in Ballungsräumen und zum Teil durch eine Unterversorgung in weniger attraktiven Regionen gekennzeichnet ist. Niedergelassene Privatärzte haben keine Kassenzulassung (mehr) und behandeln – abgesehen von Notfällen – ausschließlich Privatpatienten. Sie unterliegen nicht der vertragsärztlichen Bedarfsplanung. Seit 2006 und besonders seit 2008 ist die Zahl der Privatärzte rückläufig, sie hat sich insgesamt mehr als halbiert. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung liegt darin, dass bis 2007 Vertragsärzte nur bis zum 68. Lebensjahr praktizieren durften. Zahlreiche Kassenärzte haben deshalb nach Erlöschen der altersbedingten Kassenzulassung als Privatärzte weitergearbeitet. 2008 wurde die Altersgrenze aufgehoben, so dass der Wechsel in den Privatarztstatus nicht mehr erforderlich war. Seit 2005 ist auch die Zahl der niedergelassenen Vertragsärzte in Praxen rückläufig. Dies hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass es ab dem Jahr 2004 niedergelassenen Ärzten erlaubt wurde, Ärzte als Angestellte zu beschäftigen. Seit dieser Zeit haben Ärzte die Option, sich entweder als niedergelassener Arzt selbständig zu machen oder in einer ambulanten Arztpraxis als angestellter Arzt zu arbeiten. Waren noch 2004 nur rund 2 000 angestellte Ärzte ambulant tätig gewesen, so arbeiteten 2010 bereits über 7 000 Ärzte (ohne Assistenten und Vertreter) in Arztpraxen. Ein weiterer struktureller Wandel in der ambulanten Versorgung betrifft die Organisationsform der selbständigen ärztlichen Berufsausübung. Immer noch dominiert die Einzelpraxis, in der der Arzt als Einzelunternehmer tätig ist. Doch schon seit Ende der neunziger Jahre ist diese Praxisform auf dem Rückzug. Ihre Zahl hat sich von knapp 81 000 im Jahr 1998 auf knapp 67 000 im Jahr 2010 reduziert. Gleichzeitig haben kooperative Praxisformen und Praxen in gesellschaftsrechtlicher Form zugenommen. Praxisgemeinschaften, in denen rechtlich selbständige, freiberuflich tätige Ärzte beispielsweise gemeinsam Praxisräume mieten, sind in der Statistik der Einzelpraxen enthalten. Praxen, die in der Rechtsform einer Gesellschaft auftreten, werden juristisch als Berufsausübungsgemeinschaften bezeichnet; landläufig werden sie „Gemeinschaftspraxen“ genannt. Gemeinschaftspraxen werden in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder als Partnerschaftsgesellschaft gegründet. Die Zahl der Gemeinschaftspraxen stieg zwischen 1998 und 2010 von etwa 14 500 auf 20 000. Erstmals ist 2010 die Zahl dieser Praxen leicht zurückgegangen (– 0,4%). Mit den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) hat der Gesetzgeber 2004 eine weitere Organisationsform für ambulante vertragsärztliche Versorgung zugelassen. MVZ sind fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte tätig sind. Auch MVZ zählen zu den Berufsausübungsgemeinschaften. Eine fachübergreifende Tätigkeit liegt dann vor, wenn in einem MVZ mindestens zwei vollzeitbeschäftigte Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. MVZ können auch ausschließlich mit angestellten Ärzten betrieben werden. Die Leitung eines MVZ kann personell von der Eigentümerschaft getrennt sein, beispielsweise wenn ein MVZ von einem Krankenhaus, einem Apotheker oder von dort nicht tätigen Ärzten gegründet wird. Ein Vertragsarzt kann innerhalb des gleichen Bedarfsplanungsbereichs seinen Versorgungsauftrag um die Hälfte reduzieren. Dies ermöglicht ihm beispielsweise, sich zur Hälfte im (eigenen) MVZ anstellen zu lassen und mit der anderen Teilzulassung vertragsärztlich an seinem bisherigen Praxisort tätig zu sein. Für MVZ, die ausschließlich mit angestellten Ärzten tätig sein wollen, ist die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) zulässig. In diesen Fällen ist von den Gesellschaftern eine selbstschuldnerische Bürgschaft abzugeben. Die Zahl der MVZ wächst seit Jahren kontinuierlich. Am 30. Juni 2010 waren 1 567 MVZ zugelassen. Auch die Zahl der in Berufsausübungsgemeinschaften tätigen Ärzte wächst ständig. 2010 waren bereits ca. 43% der ambulant arbeitenden Ärzte in Berufsausübungsgemeinschaften (Gemeinschaftspraxen, MVZ) tätig. Vertragsärzte dürfen neben ihrem Praxisstandort (Vertragsarztsitz) an weiteren Orten tätig sein (Zweigpraxis), wenn dadurch die Versorgung der Versicherten an den jeweiligen Orten verbessert und die Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz nicht beeinträchtigt wird. Es dürfen bis zu zwei Zweigpraxen betrieben werden. Für MVZ gilt diese Beschränkung nicht. Der Vertragsarzt kann in den Zweigpraxen angestellte Ärzte beschäftigen. Wegen des Gebots der persönlichen Leitung des Vertragsarztes auch in den Zweigpraxen muss er aber „in gebotenem Umfang“ auch an den weiteren Orten anwesend sein. Ein weiterer struktureller Faktor ist in der stetigen Zunahme der Anzahl weiblicher Ärzte zu sehen. Dies gilt für die Ärzteschaft insgesamt, betrifft aber auch den ambulanten Sektor. Nachdem in den Jahren 2003 bis 2009 bereits deutliche Anstiege zu verzeichnen gewesen waren, hat der Anteil der Ärztinnen bei den ambulant tätigen Medizinern weiter zugenommen, von 39,1 auf 39,8% in 2010. Bericht Nr. 76 | August 2011 Ärzte | 3 Tabelle 2 Kassenärztlicher Honorarumsatz je Arzt 2009 Arztgruppe in 1 000 € Hausärzte Anästhesisten Augenärzte Chirurgen Frauenärzte HNO-Ärzte Hautärzte Gastroenterologen a) Kardiologen a) Psychiater a) Neurologen a) Orthopäden Radiologen Urologen 206 173 249 233 205 175 192 311 296 157 160 235 434 214 Alle Ärzte 219 a) Quelle Deutscher Bundestag. Quelle: KBV; Deutscher Bundestag; ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Die Arztpraxen in Deutschland erzielten 2009 einen Umsatz von 42,8 Mrd. €. Die primäre Erlösquelle der niedergelassenen Ärzte ist nach wie vor die GKV. Sie zahlte 2009 29,8 Mrd. € an die Arztpraxen. Arztkosten für ambulante Behandlung wurden auch von der gesetzlichen Unfallversicherung (0,71 Mrd. €), der gesetzlichen Rentenversicherung (0,13 Mrd. €) und den öffentlichen Haushalten (0,21 Mrd. €) erstattet. Insgesamt machten die Zahlungen der gesetzlichen Versicherungen und der öffentlichen Haushalte 72% der ärztlichen Umsätze aus. Die privaten Krankenversicherungen erstatteten 5,5 Mrd. € und die Beihilfe der Beschäftigten im öffentlichen Dienst knapp 3 Mrd. € für ambulante Leistungen. Schließlich beteiligten sich auch die Patienten aus eigener Tasche mit 3,5 Mrd. € an ihren ambulanten Arztkosten. halb erst dann, wenn Vertragsarztsitze und Budgets zurückgingen. Im Übrigen sieht beispielsweise der Hausarztvertrag in BadenWürttemberg vor, dass die Hausärzte dort eine höhere Vergütung erhalten als die Hausärzte, die im Kollektivvertragssystem der KVen anderer Regionen abrechnen. In dem seit 1. Januar 2011 geltenden „Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz)“ sind die Modalitäten für Hausarztverträge geändert worden. Im Ergebnis wird das Vergütungsniveau in der HzV begrenzt. Es soll sich grundsätzlich am Vergütungsniveau der hausärztlichen Versorgung im Kollektivvertragssystem orientieren. Höhere Vergütungen für Hausärzte in HzV-Verträgen sind künftig nur dann möglich, wenn sie durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen in anderen Bereichen (z.B. bei der Verordnung von Arzneimitteln) kompensiert werden. Neu ist auch, dass künftige Verträge der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen sind. Diese kann die Verträge innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Verträge, die bis zum 22. September 2010 zustande gekommen sind, genießen Bestandsschutz bis zum 30. Juni 2014. Auf der Basis der neuen Rechtslage hat das Bundesversicherungsamt (BVA) im April 2011 den Schiedsspruch zum Hausarztvertrag von Ersatzkassen und dem Hausärzteverband in Brandenburg von Ende 2010 aufgehoben. Als Begründung gab das Amt an, die Neufassung des § 73b verlange, dass Mehraufwendungen durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden müssen. Da das Ziel der Beitragssatzstabilität beachtet werden müsse, dürften Mehrkosten im Vergleich zur Vergütung in der Regelversorgung nicht entstehen oder müssten rückgängig gemacht werden. Von der Beanstandung durch das BVA dürfte eine bundesweite Signalwirkung ausgehen. Betriebswirtschaftliche Verfassung Rahmenbedingungen § 73 b SGB V eröffnet gesetzlich Versicherten die Option der hausarztzentrierten Versorgung (Hausarztmodell). Danach können sich Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse verpflichten, ambulante fachärztliche Behandlung nur mit Überweisung des Hausarztes in Anspruch zu nehmen. Die Patienten sind ein Jahr lang an den Hausarzt ihrer Wahl gebunden, im Gegenzug erhalten sie von ihrer Kasse einen Bonus, z.B. den Erlass der Praxisgebühr. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Versicherten die Option der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) anzubieten. Der HzV liegt das Prinzip des „Gatekeeping“ zugrunde: Primäres Ziel ist es, die Besuche beim Facharzt zu reduzieren. Die in Deutschland überdurchschnittlich häufige Inanspruchnahme verschiedener Ärzte und Fachärzte wird als Ärzte-Hopping bezeichnet. Facharztbesuche sind durchschnittlich mit höheren Kosten verbunden als Besuche beim Hausarzt. Allerdings ist empirisch nicht nachgewiesen, dass sich durch die HzV insgesamt Kosten einsparen lassen: So können sich Krankheiten durch den zeitlichen Verzug verschlimmern oder durch falsche Therapie unnötige Kosten entstehen. Außerdem hat eine Reduktion der Besuchsfrequenz im deutschen Honorarsystem keine unmittelbare kostensparende Wirkung, da die Ausgabenvolumina in den Facharztbereichen ohnehin budgetiert sind. Einsparungseffekte ergäben sich des- Die Erlössituation der Arztpraxen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Allein zwischen 2007 und 2009 haben sich die Praxisumsätze um über 11% erhöht. Die Umsätze mit den gesetzlichen Krankenversicherungen stiegen sogar um knapp 13%. Auch im Jahr 2010 sind die Ausgaben der GKV für ärztliche Behandlung – um ca. 3% – gestiegen (Abbildung auf S. 1). Trotz des relativ hohen Zuflusses finanzieller Mittel in den ambulanten Sektor sind die Honorarzuwächse in regionaler und fachgruppenspezifischer Hinsicht sehr unterschiedlich. Offenbar ist es auch zwei Jahre nach der Honorarreform nicht gelungen, ein transparentes und übersichtliches Vergütungssystem zu schaffen und Verwerfungen zwischen KVen, zwischen Fachgruppen und innerhalb von Fachgruppen zu verhindern oder zu beseitigen. Aus diesem Grund werden 2011 von den Kassen 500 Mill. € zum Ausgleich „asymmetrischer“ Honorarverteilung bereitgestellt. Profitieren sollen davon die KVen, die bislang benachteiligt sind, auch wenn sie teilweise ein relativ hohes Vergütungsniveau aufgewiesen haben. Hierzu gehören insbesondere die KVen Sachsen, Brandenburg, Nordrhein, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Auch Baden-Württemberg, Thüringen und RheinlandPfalz werden aus dem „Asymmetrietopf“ überdurchschnittlich viele Mittel erhalten. Gänzlich leer ausgehen werden die KVen Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Im Ergebnis deutet einiges darauf hin, dass es sich bei dem Problem der Ärz- 4 | Ärzte tevergütung in erster Linie nicht um ein Niveau-, sondern um ein innerärztliches Verteilungsproblem handelt. Bereits zum 1. Juli 2010 wurde mit den sogenannten qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina (QZV) wieder eine Mengenbegrenzung für bisher frei erbringbare Leistungen eingeführt, die sich 2011 erstmals voll auswirken wird. Da die Gesetzliche Krankenversicherung ein zunehmendes strukturelles Finanzierungsdefizit hat, ergriff die Bundesregierung weitere Maßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen zumindest auf mittlere Sicht sicherzustellen. Sie tat das mit dem GKV-Finanzierungsgesetz. Die Maßnahmen beinhalten eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge, setzen aber auch an der Ausgabenseite an. Von Letzterem sind auch die Kassenärzte betroffen. Das Gesetz enthält die folgenden honorarwirksamen Regelungen: Die Anpassung des Orientierungspunktwerts entfällt in den Jahren 2011 und 2012. Der Anstieg der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung der KVen wird in den Jahren 2011 und 2012 auf jeweils 1,25% beschränkt. Die bisher außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung unbegrenzt nach Leistungsanfall von den Kassen gezahlten Leistungen (ambulantes Operieren, Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, regional vereinbarte Sonderleistungen, Vergütung der Onkologie-Vereinbarungen, Wegekosten, Strahlentherapie) werden in einer extrabudgetären Gesamtvergütung zusammengefasst. Dieses Budget darf 2011 und 2012 nur um den geminderten Grundlohnsummenanstieg ansteigen. Rechnet man alle Maßnahmen zusammen, so wird es auch 2011 wieder zu Honorar- und Einkommenszuwächsen im ambulanten Sektor kommen. Die Erhöhung der Gesamtvergütung schlägt mit knapp 800 Mill. € zu Buche. Die im Zuwachs begrenzten extrabudgetären Leistungen dürften sich um 200 Mill. € erhöhen, ebenfalls die nicht begrenzten Leistungen (Prävention, Impfungen, Dialyse-Sachkosten). Insgesamt würden die Honorare damit um etwa 1,2 Mrd. € steigen, was einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 3,8% bedeutet. Daten zur Honorarsituation der Vertragsarztpraxen nach Fachgruppen liegen zuletzt für das Jahr 2009 vor. Im Durchschnitt erzielten die Ärzte einen Jahresumsatz aus kassenärztlichen Leistungen in Höhe von 219 000 € (Tab. 2). Am unteren Ende des Honorarspektrums stehen Psychiater, Neurologen und Anästhesisten. Hausärzte erzielten einen Honorarumsatz von 206 000 €. An der Spitze stehen Radiologen, Gastroenterologen und Kardiologen. Zu beachten ist bei diesen Zahlen, dass es sich bei den Einkünften aus kassenärztlicher Tätigkeit in der Regel nur um den überwiegenden Teil der Honorare handelt. Neben den regulären Honoraren aus vertragsärztlicher Tätigkeit haben Ärzte teilweise zusätzliche Einnahmen aus Selektivverträgen mit Krankenkassen (beispielsweise aus Verträgen der hausarztzentrierten Versorgung oder Verträgen der integrierten Versorgung). Hinzu kommen meistens noch die Erlöse aus privatärztlicher und gutachterlicher Tätigkeit sowie die direkten Zahlungen der Patienten, seien es Zuzahlungen zu den Versicherungsleistungen oder Entgelte für so genannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Diese Einkünfte machen im Schnitt etwa 29% der Gesamteinkünfte aus, wobei bei Allgemeinmedizinern in der Regel der GKV-Umsatz überdurchschnittlich hoch ist. Da die Praxiskosten im Durchschnitt vermutlich nicht stärker ge- Bericht Nr. 76 | August 2011 wachsen sind als die Honorare, stellt sich insgesamt die Ertragslage der Ärzte auch 2011 und 2012 als gut dar. Wettbewerbsposition und Unternehmenspolitik Im Oktober dieses Jahres wollen die Krankenkassen in Deutschland erstmals die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ausgeben. Sie gilt dann neben der bisherigen Krankenversichertenkarte (KVK) als Versicherungsnachweis. Bis Ende des Jahres muss jede Kasse an 10% ihrer Versicherten die neue Karte ausgegeben haben, sonst wird ihr Verwaltungskostenbudget um 2% gekürzt. Die Praxen sollen nun Lesegeräte für die Karten anschaffen und installieren. Um diesen Prozess zu fördern, erhalten Ärzte, die die Geräte bis zum 30. September bestellen, eine Erstattungspauschale. Sie beträgt 355 € für stationäre Geräte plus 215 € für die Installation. Für die Anschaffung mobiler Geräte, z.B. für Hausbesuche und Notdienst, werden 280 € von den KVen erstattet. Zum weiteren Fahrplan des eGK-Rollouts äußern sich die Krankenkassen zurückhaltend. Beim GKV-Spitzenverband wird die Dauer des gesamten Kartenrollouts auf mindestens anderthalb Jahre veranschlagt. Es liegt im Ermessen der einzelnen Krankenkasse, ob die bisherige KVK rasch ersetzt wird oder ob das sukzessive jeweils beim Ablauf der Gültigkeit erfolgt. Was die gespeicherten Daten angeht, so unterscheidet sich die eGK von der KVK im Hinblick auf das Lichtbild und die Angaben zum Geschlecht und zum Zuzahlungsstatus. Die zeitnahe Aktualisierung des Zuzahlungsstatus erfordert allerdings eine Online-Anbindung des Kartenterminals. Die Online-Anbindung war bei der Ärzteschaft lange umstritten. Der Gesetzgeber hat schließlich 2010 in § 291, 2b SGB V verfügt, dass Kassen und Ärzte Online-Dienste anbieten bzw. nutzen müssen. Hierzu gehört die quartalsmäßige Aktualisierung verschiedener Kartendaten. Notwendig wird die Online-Anbindung auch für weitere Anwendungen wie den elektronischen Notfalldatensatz, das elektronische Rezept, den elektronischen Arztbrief oder die elektronische Patientenakte. Vor Einführung der Online-Funktionen ist eine Testphase geplant. Die „Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte (gematik)“, in der Kostenträger und Leistungserbringer vertreten sind, muss mindestens zwei Testregionen ausschreiben oder eine Testregion ausschreiben und eine selbst betreiben. Bleibt eine Einigung über die Ausschreibung der Testregionen oder deren Finanzierung aus, tritt das im vergangenen Jahr eingerichtete Schlichtungsverfahren der gematik in Kraft. Danach kann der bereits festgelegte Schlichter innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung herbeiführen. Re. WZ 2008: 86.21 / 86.22 – 2003: 85.12 IMPRESSUM Herausgeber: Text und Redaktion: Verlag: Abonnementverwaltung: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Postfach 30 92 63, 10760 Berlin. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Postfach 86 04 60, 81631 München, Tel. (089) 92 24-13 53, Fax -12 67. Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Postfach 21 40, 65011 Wiesbaden. Tel. (0611) 50 66-12 84, Fax -712 84. 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