04/290 An das Bundesamt für Gesundheit 3003 Bern Freiburg, 8.3.2004 Entwurf zu einer Verordnung über die Forschung an embryonalen Stammzellen VStFG (Stammzellenforschungsverordnung) Sehr geehrte Damen und Herren Mit Ihrem Schreiben vom Januar 2004 zum oben genannten Entwurf laden Sie uns dankenswerterweise ein, eine Stellungnahme zur vorgelegten Verordnung abzugeben. Grundsätzliches In ihrer Stellungnahme „Der Status von Embryonen“ vom 27. Februar 2003 zum Entwurf des Embryonenforschungsgesetzes hat die Arbeitsgruppe Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz darauf hingewiesen, dass der Embryo von Anfang an vollumfänglich schutzwürdig ist. Unabhängig davon, ob man ihm den Status des Personseins zusprechen will oder nicht, genießt der Embryo denselben Grundrechtsschutz wie eine Person. Das gilt auch für Embryonen in vitro, die im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation erzeugt werden. Aus diesem Grund legt das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) im Artikel 17 fest, dass „nur so viele imprägnierte Eizellen zu Embryonen entwickelt werden“ dürfen, „als … für die Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich sind“. An diesem Sachverhalt hat sich mit der Umwandlung des Embryonenforschungsgesetzes in ein Stammzellforschungsgesetz nichts geändert, weil auch hier das Kernproblem im Verbrauch von Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen liegt. Angesichts der strengen Bestimmungen des FMedG ist es unverständlich, dass es so viele Embryonen geben soll, die nicht in den Uterus eingepflanzt wurden und deshalb als „überzählig“ gelten. Es stellt sich die Frage, ob von den zuständigen Behörden die Pflicht zur Kontrolle in genügendem Maße wahrgenommen wird. Ebenso verwunderlich ist es, dass anscheinend keine genauen Angaben über die Zahl der „überzähligen“ Embryonen gemacht werden kön- nen, obwohl im Art. 11 des FMedG eine genaue Berichterstattung vorgeschrieben wird. Die VStFG überrascht durch ihren Tenor. Sie liest sich fast wie eine Aufforderung an die Ärzte, betroffene Paare davon zu überzeugen, die Embryonen für die Stammzellforschung zur Verfügung zu stellen, als ob es sich um Organe für die Transplantation handelte. In der Verordnung müsste zuerst klar und unmissverständlich von den Bestimmungen des FMedG ausgegangen werden, wonach die Herstellung von „überzähligen“ Embryonen verboten ist. Gemäß diesen Bestimmungen dürften eigentlich nur in äußerst seltenen Fällen und nur unter besonders dramatischen Umständen „überzählige“ Embryonen überhaupt entstehen. Erst sehr viel später und nicht direkt in der Verordnung, sondern nur im Erläuternden Bericht wird die entscheidende Grundlage für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen angesprochen. Gemäß Erläuterung zu Art. 15, Bst. b und Art. 16, Abs. 2, Bst. b muss der Gesuchsteller nachweisen, dass das gleiche Forschungsprojekt nicht mit adulten Stammzellen, Stammzellen aus den Urkeimzellen oder embryonalen Stammzellen tierischer Herkunft durchführbar ist. Diese Bestimmung gehört zu den zentralen Grundlagen der Gesetzgebung zur Stammzellforschung. Sie muss deshalb unbedingt aus dem Erläuternden Bericht herausgeholt und in die Verordnung eingegliedert werden, wo sie eine höhere Rechtskraft hat. Einzelne Artikel Art. 1, Bst. c: Hier müsste statt „vernichtet“ eine neutralere Formulierung gewählt werden. Das Wort „vernichten“ insinuiert geradezu eine moralische Verpflichtung, Embryonen durch die Freigabe an die Forschung vor einem solchen Schicksal zu retten. Art. 2, Abs. 4: Legt fest, dass dem betroffenen Paar eine angemessene Bedenkfrist für seine Entscheidung einzuräumen sei. Diese Bedenkfrist kann jedoch, wie aus dem Erläuternden Bericht hervorgeht, unter Umständen nur wenige Stunden betragen. Gemessen an der Tragweite und Schwere dieser Entscheidung ist diese Bedenkfrist zu kurz. Art. 3: Es wird die schon oben angemahnte tendenziöse Abfassung der Verordnung besonders deutlich. In der Liste der Punkte, über die das Paar aufgeklärt werden soll, erscheint der wichtigste Punkt nicht, nämlich der Status des Embryos und die damit verbundenen ethischen Probleme. Wir schlagen deshalb vor, einen Buchstaben hinzuzufügen, der etwa wie folgt lauten sollte: „die ethischen Implikationen, welche das Paar bei der von ihm zu treffenden Entscheidung leiten sollten.“ Art. 4: Sollte dahingehend ergänzt werden, dass die Aufklärung des Paares nicht durch das Personal jener Institution vorgenommen werden soll, in welcher die Stammzellenforschung durchgeführt wird. Es muss sich um eine neutrale Person handeln, die kein direktes Interesse an der Stammzellenforschung hat. Art. 9 und 15: Hier wird ein Nachweis über die Qualifikation der Projektleitung, des wissenschaftlichen Personals und über die Eignung der Laboreinrichtungen verlangt. Das genügt aus unserer Sicht nicht. Es sind auch Kontrollen vor Ort vorzusehen wie das auch bei der Verwirklichung der Tierschutzbestimmungen geschieht. Schlussbemerkung Da es sich bei den Embryonen, die zur Stammzellgewinnung getötet werden, um menschliche Individuen handelt, muss auch die VStFG dieser Tatsache gerecht werden, um damit der Intention der Bundesverfassung wie auch des FMedG (z.B. Art. 5, Abs. 3) zu entsprechen. Deshalb sollten gleich zu Beginn die grundsätzlichen Grenzen der Forschung mit embryonalen Stammzellen festgehalten werden so wie sie im Erläuternden Bericht zu den Art. 15 und 16 formuliert sind. Ebenso sollte das betroffene Paar auf die ethische Tragweite seiner Entscheidung aufmerksam gemacht werden, wenn es darum geht, ob es den Embryo für die Gewinnung von Stammzellen töten lassen will. Die Schweizer Bischofskonferenz dankt Ihnen, dass Sie ihr Gelegenheit gegeben haben, ihre Position zum Vorhaben des Entwurfes zur VStFG zum Ausdruck zu bringen. Diese Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe Bioethik der SBK im Auftrag der Schweizer Bischöfe verfasst. Wir hoffen, dass Sie deren Überlegungen in Ihre weiteren Arbeiten mit einbeziehen können. Mit freundlichen Grüssen Für die Schweizer Bischofskonferenz: + Amédée Grab OSB Dr. Agnell Rickenmann Präsident Generalsekretär