Herausforderungen und Chancen aus Sicht des Kinder- und Jugendpsychiaters Tobias Renner Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter Universitätsklinik Tübingen Kompetenznetzwerk ADHS Kreis Tübingen e.V. „Transition – Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter“ 8.10.2014 Kernsymptome der ADHS Unaufmerksamkeit Impulsivität Hyperaktivität ADHS - Störungscharakter für Diagnosestellung entscheidend! Prävalenz kindliche ADHS: ca. 3-6 % 3 adulte ADHS: ca. 2-4% schulisch-berufliche Entwicklung partnerschaftliche Beziehung Selbstfindung / -entwicklung Freundschaften Ablösung / Verselbstständigung Umgang mit Krisen eigenverantwortliches Handeln ADHS im Entwicklungsverlauf Kleinkind bis Kindesalter Schreikinder lieben es zu „experimentieren“ extrem explorativ „schwierig in Schach zu halten“ Vorschulalter leicht frustriert Mittelpunkststreben immer energetisch häufige Wechsel der Beschäftigungen „zu expansiv für den Kindergarten“ Schulalter Rolle des „Klassenkasper“ „schwarzes Schaf“ Lernstörungen „Hausaufgabendrama“ impulsiv in problematischen Situationen vermehrt Integrationsprobleme Jugendalter Lernstörungen leicht beeinflussbar Stimmungsschwankungen kein Durchhaltevermögen risikoreiches Verhalten Substanzgebrauch/-missbrauch Komorbiditäten % 50 46,9 40 30 27,9 20 18,5 18,5 16,7 10 0 Oppositionelle Störung Affektive Störungen Ausscheidungsstörungen Legasthenie 9,5 17,6 Störung des Sozialverhaltens Angststörungen Ticstörungen (n=145 Familien, 222 Kinder) Differentialdiagnosen Störung des Sozialverhaltens Tiefgreifende Entwicklungsstörung Depressive Episode Panikstörung / generalisierte Angststörung Manische Episode Schizophrene Störung Organische Primärstörung (Hyperthyreose, Migräne…) 11 Differentialdiagnosen Störung des Sozialverhaltens Tiefgreifende Entwicklungsstörung häufige Komorbiditäten! Depressive Episode Panikstörung / generalisierte Angststörung Manische Episode Schizophrene Störung Organische Primärstörung (Hyperthyreose, Migräne…) 12 Entwicklungskomorbidität ADHD attention deficit/ hyperactivity disorder ADHS CD conduct disorder Störung des Sozialverhaltens OCD obsessive compulsive disorder Zwangsstörung ODD oppositional defiant disorder oppositionelle Trotzstörung Taurines,… Renner et al. 2010 Adipositas und ADHS – Two of a kind? + Pathophysiologische Befunde Störung von Neurotransmittersystemen Dopamin, Noradrenalin, Serotonin Dysfunktion in frontalen Regelkreisen exekutive Dysfunktion = Störung in Planung und Kontrolle von Handlungen und Motorik Dysfunktion in emotionalen Regelkreisen Störung in der Affektregulation Neurobiologie der ADHS Ebenenmodell Symptomatik Umwelt (nach Lesch Eur J Pharmacol 2007) Gen – Umwelt – Interaktion Gene Umwelt Polygenetische Ätiologie Elia,…, Renner et al. 2012 18 Exekutive Dysfunktion versus Motivation Sonuga-Barke 2003 ADHS-“relevante“ Gehirnregionen Purper-Ouakil et al. 2011 20 Dichte des Dopamintransporters im Striatum Erhöhung bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS um 16-40% Patient – MPH Patient + MPH Gesunder Proband Krause et al. 2000 Dichte des Dopamintransporters im Striatum Erhöhung bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS um 16-40% * n.s. Patient – MPH Patient + MPH Gesunder Proband Krause et al. 2000 Nikotin und ADHS Krause, …, La Fougere,… et al., 2006 23 ADHS und Substanzgebrauch/-missbrauch ca. 40% Nikotinkonsum 40-50% Substanzgebrauch/ abhängigkeit THC>> Kokain, psychedelische Drogen Hypothese der Selbst-Medikation Prävention von Nikotinkonsum durch Pharmakotherapie der ADHS (Whalen 2003) Nikotin hat analoge Effekte zu MPH im Striatum Substanzgebrauch – Riskofaktoren (Sullivan 2001) früher Beginn, lange Dauer Progression von Alkoholkonsum zu Drogenmissbrauch Kürzeres Intervall vom Drogenkonsum zu -abhängigkeit Substanzmissbrauch Levy et al. 2014 25 Multimodale Therapie Pharmakotherapie Psychoedukation Patient Psychotherapie Umweltbezogene Maßnahmen Sozialrechtliche Beratung ADHS – aber auch RESSOURCEN Aufmerksamkeitsdefizite Vergesslichkeit Desorganisation Impulsivität Stimmungsschwankungen Innere Unruhe Bleibt hinter Möglichkeiten zurück Probleme mit Routine und Disziplin Arbeitslosigkeit Beziehungsabbrüche Energie Neugier Risikobereitschaft Kreativität Fantasie Rasche Auffassungsgabe Anpassungsfähigkeit Hyperfokussieren Therapeutische Ressourcen! Herausforderungen und Chancen Ablehnung von Therapie kognitive Ansätze oft sehr kritische Grundhaltung Eigenverantwortung komplexes Symptombild Eigenstrukturierung psychosoziale Erschwernisse Gruppenarbeit Partner in der Therapie Kinder- und Jugendpsychiater Schule / Ausbildung Familie Pädiater / Hausärzte Psychotherapeuten Jugendhilfe Selbsthilfe Multigenerationale Therapie ? ? Multigenerationale Therapie Danke für Ihre Aufmerksamkeit!