Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Jena-Eisenberg-Stadtroda e.V. Geschäftsbereich Kinder, Jugend und Familie Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) In loser Folge wollen wir steckbriefartig, über häufig vorkommende Störungsbilder unserer Beratungspraxis informieren. Das Lesen dieser Artikel kann kein Beratungsgespräch ersetzen und soll lediglich einige Informationen über das jeweils vorgestellte Phänomen geben. Vor dem Hintergrund, von scheinbar immer mehr unruhigen, unkonzentrierten, aggressiven Kindern und der Diskussion, ob die Gabe von Medikamenten dagegen notwendig erscheint, steht die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. 1. Definition: F Unfähigkeit der betroffenen Kinder sich für eine altersangemessene Zeit, auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Es wird unterschieden in: - vorwiegend hyperaktiver impulsiver Typ - vorwiegend unaufmerksamer Typ - kombinierter Typ Umgangssprachlich wird häufig ADHS für alle drei Typen synonym verwendet. 2. Diagnose: F immer in Kombination aus psychologischer -und aus medizinischer Perspektive. a) psychologische Perspektive angewendete Methoden: 1. Entwicklungsdiagnostik 2. Leistungsdiagnostik 3. Intelligenzdiagnostik 4.Verhaltensbeobachtung Entwicklungsdiagnostik findet statt, da Hinweise auf Störung bereits sehr frühzeitig auftreten, Leistungsdiagnostik, da ADHS meist in Verbindung mit Einschränkungen in der Wahrnehmung auftritt, Intelligenzdiagnostik: da Diagnose mit IQ kleiner 50 nicht vergeben wird, Verhaltensbeobachtung wird durchgeführt, um eigenständige aktuelle Beobachtung zu ermöglichen. Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Jena-Eisenberg-Stadtroda e.V. Geschäftsbereich Kinder, Jugend und Familie In der Verhaltensbeobachtung wird besonders auf folgende Leitsymptome geachtet. Aufmerksamkeit: sehr große Ablenkbarkeit, Reize aus der Umgebung können nicht „weggeschaltet“ werden, Wahrnehmung - sehr schnell, überspringend, oberflächlich, alles Neue wird sofort registriert, dabei wird nur ungenügend Wesentliches von Unwesentlichem getrennt, von einem zum anderen hetzend, ungenügende Selbstkontrolle der eigenen Handlung, hohe Vergesslichkeit Impulsivität: ohne die Situation zu prüfen, ob dies angemessen erscheint, wird sofort gesagt, was gedacht wird, Andere werden dabei unterbrochen, „Vielredner“ es werden Signale, ob dadurch Andere gestört werden, nicht wahr genommen, kann nicht warten, Wutausbrüche bei alltäglichen Frustrationen Hyperaktivität: redet mit Händen und Füßen, kein Stillsitzen möglich, ständiger Bewegungsdrang, unangemessener Krafteinsatz, scheinbar keine körperliche Ermüdung möglich b) medizinische Perspektive: Auffälligkeiten im neurologischen Bereich (besonders im Frontalhirn, Stoffwechsel, anatomische Veränderungen), Kontrolle der Schilddrüsenfunktion, Testung auf Nahrungsmittelallergien Um die Diagnose nach DSM 4 und ICD10 (beides sind international geltende Diagnosesysteme) zu vergeben, müssen Symptome mindestens durchgängig 6 Monate auftreten. 3. Therapie: F eine Kombination von Therapien, aus dem psychologischen und medizinischen Bereich erscheinen am effektivsten a) psychologischer Bereich: Grundsätzlich Für betroffene Kinder (und auch deren Eltern) ist es wichtig, nicht nur einsseitig negativ gesehen zu werden (Stigmatisierung, Reduzierung des Kindes auf seine Erkrankung). Vorraussetzung für Therapieerfolg ist der Perspektivenwechsel aller Beteiligten! Weg von ausschließlicher negativer Beschreibung (Krankheit, Störung) hin zu: mindestens wertneutraler, optimal: positiver Beschreibung (Kind, das besonders lebendig, aufgeschlossen, verspielt, fürsorglich, kreativ, interessant, gutmütig , ehrlich, flexibel, motiviert, ... ist). Die Literatur weist eine große Zahl von ganzen Therapieprogrammen (meist auf der Basis der Verhaltenstherapie) aus. (z. B. Döpfner, Schumann, Fröhlich „THOP“). Darüber hinaus gibt es auch Ansätze aus der Systemischen Therapie bzw. erscheint das Erlernen eines Entspannungsverfahrens sinnvoll. Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Jena-Eisenberg-Stadtroda e.V. Geschäftsbereich Kinder, Jugend und Familie b) Therapie aus medizinischen Bereich: Medikation mit Psychopharmaka auf Basis von Methylphenidat. Dies ist häufig Voraussetzung für Anwendung von Therapien aus dem psychologischen Bereich. Einnahme ist aber umstritten, da Kinder bei Einnahme häufig verlangsamt, abwesend, … erscheinen. Darüber hinaus sind langfristige psychologische und medizinische Folgen noch unklar. Die Störung „wächst sich (meistens nicht automatisch) aus“. Deshalb Therapie nicht nur aus aktuellen Gründen (wie ungünstige Prognose für Sozial- und Leistungsentwicklung), sondern auch langfristig nötig. Sonst besteht im Erwachsenalter erhöhte Gefährdung für andere psychische Erkrankungen. 4. Theorien zur Ursache: Da die Störung schon lange Forschungsgegenstand ist, gibt es Theorien zur Entstehung sowohl aus dem psychologischen als auch aus dem medizinischen Bereich. Insgesamt scheint in der Forschung Konsens zu bestehen, das die Störung genetisch mitbedingt ist, dass Gehirnabschnitte, die für Aufmerksamkeit, Planung, Ausführung und Konzentration verantwortlich sind, einen veränderten Stoffwechsel, bzw. Veränderungen in der Signalübertragung aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass die Störung aber nicht nur diese monokausale Ursache hat, sondern eher bei einem Zusammentreffen von genetischer Prädisposition und anderen Faktoren (z. B. psychosozialer Stress, Reizüberflutung) ausbricht. Wobei nichtmedizinische Faktoren die Ausprägung der Störung eher modulieren. 5. Häufigkeit: Angaben schwanken in einem Korridor von 2 – 4 % eines Jahrgangs. Das Bundesministerium für Gesundheit geht davon aus, dass 2 – 10 % von dieser Störung betroffen sind. Unstrittig ist, dass Jungen drei bis neun mal häufiger als Mädchen erkranken, dabei Ausprägung in Richtung: vorwiegend hyperaktiver, impulsiver Typ. Da die Störung sich häufig nicht „auswächst“ geht man davon aus, dass etwa 3 – 5 % der Erwachsenen Symptome zeigen, die behandlungsbedürftig sind. Psychische Erkrankungen insbesondere Sucht, Depression, Angst, delinquentes Verhalten bei Erwachsenen haben sehr häufig in der Vorgeschichte nicht erkannte, nicht behandelte Anzeichen einer ADHS Erkrankung. 6. Literatur: Aust/Claus: „Das ADS –Buch“ Aust/Claus: „ADS topfit beim Lernen“ C. Neuhaus: „ Lass mich, doch verlass mich nicht“/„ Hyperaktive Jugendliche und ihre Probleme“ G. Hüther: „Neues von Zappelphillip, ADS/ADHS verstehen“ Laut, W.: „Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern“ Mitarbeiterinnen der SPFH(Sozial