Gastvortrag Prof. Dr. Helmut Jungermann, TU Berlin Der „Homo Oeconomicus“ unter der Lupe Clickerfrage vom 24.10.2012 1) Der Markt für Heizöl sei durch die Angebotsfunktion pA(x) = 10+x und die Nachfragefunktion pN (x) = 40–0,5x gekennzeichnet (x entspricht je 100 l Heizöl). Es wird eine CO2-Steuer von t=15 erhoben. a) Berechnen Sie den Preis und die Menge im Marktgleichgewicht, mit und ohne Steuer. Preis und Menge ohne Steuer: Es gilt: pA(x) = pN(x) 10+x = 40-0,5x → x* = 20 → Preis: p* = 30 Preis und Menge mit Steuer: Es gilt: pA(x)+t = pN(x) 10+x+15 = 40-0,5x → x* = 10 → Preis: p* = 35 2 Clickerfrage vom 24.10.2012 b) Angenommen, der Staat würde nun einen Höchstpreis für Öl festlegen. Nehmen Sie an, der Höchstpreis läge bei p = 25. Wie gross sind dann die angebotene und nachgefragte Menge? Wie könnte der Nachfrageüberhang abgebaut werden? Angebot: 25 = 10+x → xA = 15 Nachfrage: 25 = 40-0,5x → xN = 30 → Nachfrage > Angebot, der Nachfrageüberhang beträgt: 30-15 = 15 Abbau des Nachfrageüberhangs durch: - Zuteilungsmechanismen - Subventionierung der Anbieter 3 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Aufgabe 1: Auf einem Markt mit vollkommener Konkurrenz produzieren Unternehmen ein Gut mit Kosten K(x) = 1.5x2+10. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Gutes wird durch die Nutzenfunktion U(x) = 40x – x2 beschrieben. a) Berechnen Sie die Menge und den Preis des Gutes im Gleichgewicht Die Angebotskurve ergibt sich aus den Grenzkosten: → K'(x)=3x Die Nachfragekurve ergibt sich aus dem Grenznutzen: → U'(x) = 40-2x 4 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Im Marktgleichgewicht gilt: Grenzkosten = Grenznutzen K'(x) = U'(x) → 3x = 40-2x → x* = 8 Für den Preis ergibt sich: U‘(8) = p*= 24 → Im Gleichgewicht werden 8 Stück des Gutes zu einem Preis von 24 pro Stück angeboten. 5 Hausaufgaben vom 24.10.2012 b) Nehmen Sie nun an, dass der Staat die Nachfrage nach dem Gut senken will und deshalb überlegt, regulierend in den Markt einzugreifen. Zur Diskussion stehen i) ein Mindestpreis und ii) eine Steuer. i) Berechnen Sie die neue angebotene und nachgefragte Menge bei einem Mindestpreis von p=30. Erklären Sie kurz, warum es zu einem Marktungleichgewicht kommt. Bei einem Mindestpreis von p = 30 werden 3x = 30 → xA = 10 Stück angeboten. Es werden aber nur 30 = 40-2x → xN = 5 Stück des Gutes nachgefragt. Ein Angebotsüberhang entsteht → Wohlfahrtsverlust 6 Hausaufgaben vom 24.10.2012 ii) Alternativ wird eine Steuer t=15 erhoben. Berechnen Sie den neuen Preis, die Menge, die Steuereinnahmen, die Konsumenten- und Produzentenrente und den Wohlfahrtsverlust im neuen Gleichgewicht. Wer trägt die größere Last der Steuer? Die nachgefragte und angebotene Menge bei einer Steuer von t=15 berechnen sich über K'(x) + t = U'(x) → 3x+15 = 40-2x → x*t=5 → p*t=30 - Die Steuereinnahmen betragen x*t = 75 7 Hausaufgaben vom 24.10.2012 - Konsumentenrente Vor Einführung der Steuer: 1 2 ∗ 8 40 − 24 = 64 1 2 Nach Einführung der Steuer: ∗ 5 40 − 30 = 25 - Produzentenrente 1 2 Vor Einführung der Steuer: ∗ 8 ∗ 24 = 96 1 2 Nach Einführung der Steuer: ∗ 5 ∗ 15 = 37.5 - Der Wohlfahrtsverlust berechnet sich durch: Wohlfahrt vor Steuern: 64 + 96 = 160 Wohlfahrt nach Steuern: 25 + 37.5 + 75 = 137.5 Wohlfahrtsverlust: 160 − 137.5 = 22.5 8 Hausaufgaben vom 24.10.2012 p GKneu Die Produzenten tragen den grösseren Teil der Steuereinnahmen von 75, nämlich 9*5=45 t=15 40 GK KR 30 24 Marktgleichgewicht im Wettbewerb WFV Steuereinnahmen 15 PR NF 0 5 8 x 9 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Aufgabe 2: Für einige Güter hat der Staat eine Preisbindung ausgesprochen. Nennen Sie zwei aktuelle Beispiele und diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der Preisbindung. Beispiel 1: Buchpreisbindung Vorteil: - Es können auch Bücher am Markt angeboten werden, deren Produktion sonst nicht rentabel wäre (Buch als Kulturgut) - Unterstützung von Kleinbetrieben Nachteil: - Höhere Preise als im Marktgleichgewicht → Angebotsüberhang Beispiel 2: Sozialwohnungen Vorteil: - Günstiger Wohnraum für finanziell schlechter gestellte Personen Nachteil: - Geringere Anreize für Vermieter Wohnungen zu sanieren oder zu bauen 10 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Aufgabe 3: Unterscheiden Sie die Begriffe „Steuerzahler“ und „Steuerträger“. Identifizieren Sie Steuerzahler/-träger im Falle der (a) Mehrwertsteuer und der (b) Einkommenssteuer. Begründen Sie Ihre Antwort. - Steuerzahler: Derjenige, der die Steuern an den Fiskus zu entrichten hat - Steuerträger: Derjenige, der durch die Steuer wirtschaftlich tatsächlich belastet wird a) Mehrwertsteuer: Steuerzahler: Der Verkäufer Steuerträger: Der Käufer b) Einkommenssteuer: Steuerzahler = Steuerträger 11 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Aufgabe 4: In der empirischen Wirtschaftsforschung hat man beobachtet, dass während eines Konjunkturabschwungs die Ausgaben in Restaurants stärker zurückgehen als die Nahrungsmitteleinkäufe. Wie kann man das Phänomen mit dem Begriff der Elastizität erklären? Während eines Konjunkturabschwunges steht dem Konsumenten im Schnitt weniger Geld zur Verfügung. D.h. es kann weniger konsumiert werden. Man kann erwarten, dass die Nachfrage nach Nahrungsmittel wenig elastisch auf Einkommensänderungen reagiert, da der Konsument auf sie angewiesen ist. Restaurantbesuche sind hingegen nicht „lebensnotwendig“ und reagieren deshalb eher elastisch auf Einkommensveränderungen. 12 Hausaufgaben vom 24.10.2012 Aufgabe 5: Diskutieren Sie, worin die Vor- und Nachteile einer Besteuerung des Zigarettenkonsums im Vergleich zu einem Verbot des Zigarettenkonsums liegen. Vorteile einer Besteuerung im Vergleich zum Verbot: - Geringerer Kontrollaufwand → Kosteneinsparung - Verringerte Kriminalität durch Zigarettenschmuggel - Hohe staatliche Einnahmen Nachteile: - Einstieg in das Rauchen wird einfacher - Rauchen bleibt gesellschaftlich eher akzeptiert 13 14 Lernziele Sie kennen einige wichtige psychologische Effekte, die bei individuellen Entscheidungen eine Rolle spielen Sie wissen, was man unter „Nudging“ versteht und was die Vor- und Nachteile sind Sie wissen, welche Vorteile es hat, mit dem Modell des „Homo Oeconomicus“ zu arbeiten und welche Ergänzungen wichtig sind, wenn man wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen abgeben will 15 16 „Lessons Learnt“ für diese Vorlesung Unsere mikroökonomischen Annahmen waren SEHR vereinfachend Ziel dabei: einige Basis-Aussagen einfach herzuleiten (z.B. inverser Zusammenhang zwischen Preis und nachgefragter Menge) 17 „Lessons Learnt“ für diese Vorlesung Auch NICHT-ÖKONOMISCHE Aspekte beeinflussen das Nachfrageverhalten, z.B. Fairness, Gerechtigkeit, Altruismus, „Framing“ von Handlungsoptionen usw. Idee: „Das steckt in der Nutzenfunktion“ aber: als exogene Variablen betrachtet man letztlich doch nur die Gütermengen; Zusammenhänge zwischen Gütermengen und den anderen Variablen werden vernachlässigt Mehr Aufwand ist nötig: „Behavioral Economics“ Dabei: empirische Überprüfung wichtig! 18 „Lessons Learnt“ für diese Vorlesung Wofür ist das Ganze wichtig? Vor allem für die Ableitung von Handlungsempfehlungen Beispiel: Energieverbrauch der privaten Haushalte soll gesenkt werden aber wie? Klassische Lösung: Preise für Strom erhöhen, z.B. durch CO2-Abgabe politisch schwierig und wenig wirksam 19 „Lessons Learnt“ für diese Vorlesung Wirksamere Lösungen (auf der Basis von Behavioral Economics): - Vorschriften und Regulierungen (etwa Verbot von Elektroheizungen) - Nudges (Beispiel ewz) - Neue Geschäftsmodelle (Transformation von Gütern in Dienstleistungen) - Akzentuierung sozialer Vergleiche (etwa Facebook-Wettbewerbe zum Energiesparen) 20 „Lessons Learnt“ für diese Vorlesung Fazit: Die einseitige Fokussierung nur auf Preise und Mengen hilft, zu GROBEN Aussagen zu kommen Für Politikempfehlungen reicht dies aber nicht aus Es geht um mehr als um das Vertrauen auf Marktkräfte 21 22 Hausaufgaben für 14.11.2012 1. Welchen Sinn haben Energieeffizienz-Label, z.B. bei Kühlschränken und anderen Elektrogeräten? Glauben Sie, dass solche Label ein wichtiges Kaufkriterium sind? 2. Informieren Sie sich, was man unter der „Prospect Theory“ versteht und was deren Kernaussagen sind. Zeichnen Sie einen Graphen, der die Kernaussagen verdeutlicht. 23 Hausaufgaben für 14.11.2012 3. Vergleichen Sie die beiden folgenden Modelle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kreditkarten: a) Einzelhändler geben Kunden, die bar bezahlen im Vergleich zu Kunden, die mit Kreditkarte zahlen einen Preisabschlag, denn für Kreditkartenkäufe müssen die Händler eine Gebühr abführen b) Einzelhändler verlangen von Kunden, die mit Kreditkarten zahlen einen Preisaufschlag. Was vermuten Sie: bei welchem Modell werden Kreditkarten häufiger eingesetzt und warum? 24 Hausaufgaben für 14.11.2012 4. Nicht nur Glücksspielanbieter, auch viele Versicherungen machen Jahr für Jahr Milliardengewinne. Lässt sich aus dieser Tatsache ein Rückschluss auf die Rationalität der Kunden ziehen? Erläutern Sie Ihre Antwort kurz. 5. Die Fischbestände in den Weltmeeren nehmen immer mehr ab, unter anderem wegen nicht nachhaltigen Fangmethoden. Würde eine Verteuerung von Meeresfisch (beispielsweise infolge einer entsprechenden Verbrauchsbesteuerung) den Rückgang der Bestände aufhalten? Begründen Sie Ihre Antwort. 25 Hausaufgaben für 14.11.2012 6. Vorbereiten Kapitel 6 des Skripts zum Thema „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung“ wird nächste Woche in der Vorlesung besprochen 26