Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Inhalt der Vorlesung Experimentalphysik II Teil 1: Elektrizitätslehre, Elektrodynamik 1. 2. 3. 4. 5. 6. Elektrische Ladung und elektrische Felder Kapazität Elektrischer Strom Magnetostatik Elektrodynamik Schwingkreise und Wechselstrom Teil 2: Optik 7. Elektromagnetische Wellen 8. Optik 345 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7 Elektromagnetische Wellen 7.1 Wiederholung: Mechanische Schwingungen Der harmonische Oszillator ist die einfachste Form einer Schwingung. Beim Federpendel ist die rücktreibende Kraft: F ( A) = − D A D A(t) Das zweite Newtonsche Gesetz liefert dann die Bewegungsgleichung: F(A) m FT d 2 A(t ) d 2 A(t ) D = − DA(t ) ⇔ + A(t ) = 0 m 2 2 dt dt m oder in Kurzschreibweise && + D A = 0 A m 346 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Allgemeine Lösung der Schwingungs(differential-) gleichung (DGL) sind harmonische Funktionen A(t) = A0 cos(ωt) + A&0 ω sin(ωt) Spezielle Anfangsbedingungen: A(0) = A0 & (0) = A& = 0 Startgeschwindigkeit: A 0 Startamplitude: Eine Schwingung ist ein zeitlich periodischer Vorgang. A(t), A& (t) x A(x,t) A0 T A& (t) A&0 = 0 t A(t) A(t) t 347 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.2 Wellen - 1D Betrachtung Eine Welle beschreibt einen zeitlich und räumlich periodischen Vorgang. Die Auslenkung A einer Welle hängt also von zwei Variablen ab: A = A( x, t ) Für einen festen Ort x soll A eine Schwingungs-DGL erfüllen, also: ∂2 A 2 ω A=0 + 2 ∂t Dabei ist 2π ω= T die (Kreis-) Frequenz und T die Schwingungsdauer. A( x , t ) x = const. A(x,t1) t t1 T Für eine feste Zeit t soll A einen räumlich periodischen Vorgang beschreiben. Für die Variable x muss also die folgende DGL gelten: ∂2 A 2 + k A=0 2 ∂x 348 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die beiden DGL's für A(x,t) lauten A( x, t ) ∂2 A 2 + k A=0 2 ∂x t = const. A(x1,t) x x1 λ Dabei ist k= 2π λ die Wellenzahl mit der Wellenlänge λ, die die räumliche Periodenlänge beschreibt. ∂2 A 2 + ω A=0 2 ∂t und lassen sich zusammenfassen als 1 ∂2 A A=− 2 2 ω ∂t ∂2 A k 2 ∂2 A ⇒ 2 − 2 2 =0 ∂x ω ∂t 349 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Wir werden später sehen, dass der Quotient v = ω/k die (Phasen-) Geschwindigkeit der Welle beschreibt. Damit ergibt sich für die Auslenkung A die folgende Gleichung: ∂ 2 A( x, t ) 1 ∂ 2 A( x, t ) − 2 =0 2 2 v ∂x ∂t Bemerkungen: Dies ist die eindimensionale Wellengleichung. Jede Lösung A(x,t) der obigen DGL wird als Welle bezeichnet. Die Wellengleichung ist eine lineare, partielle DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Die Größe v ist hierbei die sog. „Phasengeschwindigkeit“ der Welle. Anschaulich gibt sie an, mit welcher Geschwindigkeit sich eine Auslenkung bewegt. Dies ist zu unterscheiden von der sog. „Gruppengeschwindigkeit“ einer Welle, die die Geschwindigkeit der räumlichen Ausbreitung beschreibt. In einer Welle findet kein Materie- sondern Energietransport statt. 350 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.3 Wellen - 3D Betrachtung Die Auslenkung A einer Welle hängt jetzt von den drei räumlichen Koordinaten und der Zeit ab: r A = A( x, y, z , t ) = A(r , t ) Wenn die gleiche Überlegung wie im 1D Fall in allen drei Raumrichtungen durchgeführt wird, dann ergibt sich als Wellengleichung für eine sich zeitlich und räumlich periodisch ausbreitende Auslenkung: r r r r 2 2 2 ∂ A(r , t ) ∂ A(r , t ) ∂ A(r , t ) 1 ∂ A(r , t ) + + − 2 =0 2 2 2 2 v ∂x ∂y ∂z ∂t 2 Dies lässt sich mit dem Laplace-Operator zusammenfassen zu: r 1 ∂ A(r , t ) r ΔA(r , t ) − 2 =0 2 v ∂t 2 ⎧ ∂2 ∂2 ∂2 ⎫ Δ=⎨ 2 , 2 , 2⎬ ⎩ ∂x ∂y ∂z ⎭ Dabei ist v der Betrag der Phasengeschwindigkeit in 3D. 351 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: 1D-Wellen auf Wasseroberflächen 352 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: 2D-Wellen auf Membranen 353 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: 1D-Wellen auf einem Seil 354 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Schallwellen p(x,t) ⇒ Schallwellen sind longitudinale Druckschwankungen der Luft: p( x, t ) = pLuft + p0 cos(kx − ωt ), cSchall = ω k 355 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Schallgeschwindigkeit in Luft: cSchall = 340 m/s Lichtgeschwindigkeit: cLicht = 300000000 m/s ⇒ cLicht >> cSchall Entfernung x eines Gewitters: x ≈ cSchall Δt = cSchall 3s ≈ 1 km/s x [km] ≈ Δt [s] / 3 Dabei ist Δt die Zeit zwischen dem Sehen des Blitzes und dem Hören des Donners. x=? Δt 356 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Schallgeschwindigkeit in unterschiedlichen Medien 357 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Klingel unter Vakuum Wenn die Luft aus der Glocke gepumpt wird, dann ist die Klingel nicht mehr zu hören. Bei einer mechanischen Welle wird immer ein Medium zur Übertragung benötigt. 358 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die „Schallmauer“ 359 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Wanne zur Erzeugung von Wasserwellen Motor Halterung Wanne mit Wasser An die Halterung werden verschiedene Wellenerreger befestigt, mit denen sich z.B. Kreiswellen und ebene Wellen erzeugen lassen. 360 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.4 Lösungen der Wellengleichung Die einfachste Lösung der 1D-Wellengleichung ∂ 2 A( x, t ) 1 ∂ 2 A( x, t ) − 2 =0 2 2 ∂x ∂t v ist eine monochromatische harmonische ebene Welle: A( x, t ) = A0 cos ( k x − ω t ) mit k= 2π λ , ω= 2π T Dabei wird der Ausdruck (kx – ωt) als die „Phase“ der Welle bezeichnet. ∂ 2 A( x, t ) 2 = − k A0 cos ( k x − ω t ) 2 ∂x ∂ 2 A( x, t ) 2 ω A0 cos ( k x − ω t ) = − 2 ∂t Einsetzen in die Wellengleichung ergibt: ⎛ 2 ω2 ⎞ ⎜ − k + 2 ⎟ A0 cos ( k x − ω t ) = 0 v ⎠ ⎝ ⇒ −k + 2 ω2 v 2 =0⇒v= ω k Hier ist v ist die Phasengeschwindigkeit. Durch Einsetzen zeigt man leicht, dass dies eine Lösung ist: 361 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Für Werte konstanter Phase gilt: k x − ω t = const. An zwei Punkten (x1,t1) und (x2,t2) mit gleicher Phase ist dann: k x1 − ω t1 = const. k x2 − ω t2 = const. ⇒ k ( x1 − x2 ) − ω (t1 − t2 ) = 0 x1 − x2 Δx ω ⇒v= = = Δt k t1 − t2 Hier soll auch gleich wieder an die komplexe Schreibweise erinnert werden. Deswegen wird auch die Funktion A( x, t ) = A0 exp ( i (k x − ω t ) ) mit 2π 2π k= , ω= λ T als Welle bezeichnet. Physikalisch sinnvoll ist natürlich wieder nur der Realteil: A( x, t ) = Re ( A0 exp ( i (k x − ω t ) ) ) = A0 cos ( k x − ω t ) Dies ist nicht die einzige Lösung der Wellengleichung in 1D. Beispielsweise wäre auch A( x, t ) = A0 sin ( k x − ω t ) eine Lösung. Die Wellengleichung hat viele Lösungen. 362 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Der Zusammenhang der Phasengeschwindigkeit v einer Welle und ihrer Wellenlänge und Frequenz ergibt sich einfach aus der Darstellung mit der Wellenzahl k und der Kreisfrequenz ω zu: ω 2π 2π = 2π f v= mit k = , ω= k λ T ⇒ v=λ f A(x,t) T A(t) v= λ T x 363 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Orte konstanter Phase breiten sich in der Zeit t = T um die Strecke x = λ aus. 364 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Dies lässt sich einfach für 3D-Wellen verallgemeinern. So erhält man als Lösung der 3D-Wellengleichung r 1 ∂ A(r , t ) r ΔA(r , t ) − 2 =0 2 v ∂t 2 eine ebene, monochromatische, harmonische Welle der Form: r r r A(r , t ) = A0 cos k ⋅ r − ω t ( ) ⎛ kx ⎞ r ⎜ ⎟ r 2π mit k = ⎜ k y ⎟ , k = λ ⎜k ⎟ ⎝ z⎠ r r Dabei ist der Ausdruck k ⋅ r − ω t wieder die Phase der Welle. Jetzt ist: r r r 2 Δ A ( r , t ) = − k A0 cos k ⋅ r − ω t ( ) k 2 = k x2 + k y2 + k z2 r 2 r r ∂ A(r , t ) 2 = − ω A0 cos k ⋅ r − ω t 2 ∂t mit ( ) Einsetzen in die Wellengleichung ergibt: r r ⎛ 2 ω2 ⎞ ⎜ − k + 2 ⎟ A0 cos k ⋅ r − ω t = 0 v ⎠ ⎝ ( ⇒ −k + 2 ⇒v= ω k ω2 v = 2 ) =0 ω k x2 + k y2 + k z2 365 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Eine ebene Welle der Form r r r A(r , t ) = A0 cos k ⋅ r − ω t ( ) ⎛k ⎞ ⎛k ⎞ r ⎜ x⎟ ⎜ x⎟ k = ⎜ ky ⎟ = ⎜ 0 ⎟ ⎜k ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎝ z⎠ ⎝ ⎠ kann durch das Bild rechts veranschaulicht werden. Die Ausbreitungsrichtungr der Welle ist durch den Vektor k gegeben. Dieser Vektor steht senkrecht auf den Wellenfronten. ⎛ kx ⎞ ⎛ x ⎞ r r ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ k ⋅ r = ⎜ 0 ⎟ ⋅ ⎜ y ⎟ = kx x ⎜ 0 ⎟ ⎜z⎟ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ Komplexe Schreibweise: r r r A(r , t ) = A0 exp i (k ⋅ r − ωt ) ( y ) x 366 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Eine Kugelwelle durch ist beispielsweise r A(r , t ) = A0 cos ( k r − ω t ) gegeben. Mit ⎛k ⎞ r r ⎜ x⎟ r k = ⎜ ky ⎟ = k r ⎜k ⎟ ⎝ z⎠ r = x2 + y2 + z 2 kann man leicht zeigen, dass diese Funktion die Wellengleichung erfüllt. Die Ausbreitungsrichtung ist nun radial nach Außen, also: r r r r r r k = k r r ⇒ k ⋅ r = (k r r )⋅ r = kr Die komplexe Schreibweise lautet hier r A(r , t ) = A0 exp ( i (k r − ωt ) ) 367 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.5 Überlagerung von Wellen: Schwebungen Wir betrachten nun zwei 1D-Wellen mit gleicher Amplitude A0 aber unterschiedlicher Wellenlänge und Frequenz: A1 ( x, t ) = A0 cos(k1 x − ω1t ) A2 ( x, t ) = A0 cos(k2 x − ω2t ) Dann gilt für die Überlagerung beider Wellen: A12 ( x, t ) = A1 ( x, t ) + A2 ( x, t ) = A0 cos(k1 x − ω1t ) + A0 cos(k2 x − ω2t ) Da die Wellengleichung linear ist, ist die Superposition zweier Wellen wieder eine Lösung der Wellengleichung. Ganz allgemein gilt der folgende Zusammenhang: ⎛ a +b ⎞ ⎛ a −b ⎞ cos(a) + cos(b) = 2cos ⎜ ⎟cos ⎜ ⎟ 2 2 ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ 368 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Damit folgt für die Überlagerung der beiden Wellen: A12 ( x, t ) = A0 cos( k1 x − ω1t ) + A0 cos( k2 x − ω2t ) ⎛ ( k1 + k 2 ) x − (ω1 + ω2 )t ⎞ ⎛ ( k1 − k 2 ) x − (ω1 − ω2 )t ⎞ = A0 2cos ⎜ ⎟ cos ⎜ ⎟ 2 2 ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ Dies lässt sich mit den Definitionen k1 + k2 k1 − k2 ω1 + ω2 ω1 − ω2 k = , ω= , Δk = , Δω = 2 2 2 2 folgendermaßen schreiben: A12 ( x, t ) = 2 A0 cos ( Δk x − Δω t ) cos ( k x − ω t ) = A% 0 ( x, t )cos ( k x − ω t ) Dies ist eine Welle mit der mittleren Frequenz einer orts- und zeitabhängigen Amplitude ω und der mittleren Wellenzahl A% 0 ( x , t ) . k und 369 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) A12 ( x, t ) = 2 A0 cos ( Δk x − Δω t ) cos ( k x − ω t ) Die Amplitude = A%0 ( x, t )cos ( k x − ω t ) A%0 ( x, t ) = 2 A0 cos ( Δk x − Δω t ) hüllt die Welle ein, da Δk und Δω kleine Frequenzen und Wellenzahlen sind. 370 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.6 Stehende Wellen Wir betrachten jetzt die Überlagerung zweier 1D Wellen mit gleicher Amplitude aber entgegengesetzter Ausbreitungsrichtung: A1 ( x, t ) = A0 cos(+ kx − ωt ), A2 ( x, t ) = A0 cos(− kx − ωt ) ⇒ A( x, t ) = A1 ( x, t ) + A2 ( x, t ) = A0 cos(+ kx − ωt ) + A0 cos(− kx − ωt ) ⇒ A( x, t ) = A0 ( cos(kx) cos(ωt ) + sin(kx) sin(ωt ) + cos(kx) cos(ωt ) − sin(kx) sin(ωt ) ) ⇒ A( x, t ) = 2 A0 cos(kx) cos(ωt ) Das ist eine sog. „stehende Welle“, bei der an jedem festen Ort x eine harmonische Schwingung mit der Amplitude 2A0cos(kx) stattfindet. 371 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die Überlagerung einer hin- und rücklaufenden Welle ergibt also eine stehende Welle mit raumfesten Knotenpunkten: hinlaufend Beispiel: Schwingung einer Saite rücklaufend Wellenbäuche kx = nπ ⇒ x = nλ/2 Knotenpunkte bei reflektierende kx = nπ + π/2 Wand ⇒ x = nλ/2 + λ/4 372 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.7 Elektromagnetisches Spektrum 700 600 500 nm 400 sichtbares Licht Frequenz v [ Hz] Mikro- Infrarotwellen strahlung Licht Lang- Mittel- UKW welle & Kurz- und welle Fernsehen Radar 104 105 106 107 108 109 1010 1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023 UltraRöntgenviolettstrahlung strahlung Gammastrahlung 104 103 102 101 100 10-1 10-2 10-3 10-4 10-5 10-6 10-7 10-8 10-9 10-1010-1110-1210-1310-14 λ [ m] Wellenlänge c λ= v m mit c = 2.997925 ⋅10 s 8 373 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Historische Erzeugung von Radiowellen durch Hochspannungsfunken Die hohe Spannung baut ein entsprechend hohes E-Feld auf. Schlägt der Funken über, bricht innerhalb von Nanosekunden das Feld zusammen. Dabei werden die Ladungen stark beschleunigt und strahlen. Heute wird der primitive Funken durch aktive Bauelemente (Transistoren) ersetzt. Erzeugung von Licht durch eine Glühbirne Durch hohe Temperaturen werden die Ladungen in den Molekülen so stark zu thermischen Bewegungen (Beschleunigung) angeregt, dass sie elektromagnetische Wellen aussenden. Weißes Licht enthält Wellen verschiedener Frequenzen = „Farben“ Glühdraht Prisma 374 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Erzeugung von Röntgenstrahlung Elektron Kristall Atomkern einige 10 - 100 kV Die Elektronen werden im Kristall stark abgebremst (d.h. negativ beschleunigt) und strahlen dabei kurzwellige Strahlung ab („Bremsstrahlung“). 375 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Typisches Röntgenspektrum aus Brems- und charakteristischer Strahlung 376 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Erzeugung von Gammastrahlung Im Prinzip wie bei der Röntgenröhre durch Bremsstrahlung. Die Elektronenenergie ist allerdings wesentlich höher. Sie wird durch Teilchenbeschleuniger (z.B. „LINAC“) erzeugt. DELTA-LINAC SLAC in Kalifornien, USA 6.4 m E Elektron = 75 MeV 3 km E Elektron = 50 GeV 377 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Experimenteller Nachweis elektromagnetischer Wellen Heinrich Rudolf Hertz (1857-1894) Nachweis elektromagnetischer Wellen in den Jahren 1885 bis 1889 an der Universität in Karlsruhe. 378 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Erzeugung elektromagnetischer Wellen mittels Funkeninduktor 379 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Durch den Funkeninduktor werden in der Antenne hochfrequente Wechselspannungen erzeugt Empfänger Funkeninduktor Antennen Verstärker Antenne Sendestation hochfrequentes Signal empfangenes Signal 380 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.8 Elektromagnet. Wellengleichung Die vier Maxwell-Gleichungen lauten r r ρ ∇⋅E = ε0 r r ∇⋅B = 0 r r r ∂B ∇× E = − ∂t r r r ⎛r ∂E ⎞ ∇ × B = μ0 ⎜ j + ε 0 ⎟ t ∂ ⎝ ⎠ Aus diesen Gleichungen folgt direkt eine Wellengleichung, wie man folgendermaßen sieht: Im materiefreien Raum verschwinden sowohl die Ladungs- als auch die Stromdichte, also: r r r j (r , t ) = 0, r ρ (r , t ) = 0 Dann lautet die vierte Maxwell-Gleichung: r r r ∂E ∇ × B = μ 0ε 0 ∂t Diese Gleichung wird nun nach der Zeit abgeleitet: r r 2 r ∂B ∂ E ∇× = μ 0ε 0 2 ∂t ∂t 381 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r r 2 r ∂B ∂ E ∇× = μ 0ε 0 2 ∂t ∂t Im materiefreien Raum gilt wegen der 1. Maxwell-Gleichung: r r ρ ∇⋅E = = 0 ε0 Die 3. Maxwell-Gleichung besagt aber: r r r ∂B = −∇ × E ∂t Damit folgt: r r r r ∇ × ∇ × E = −ΔE ( ) Einsetzen in die linke Seite ergibt: r r r r ∂ E −∇ × ∇ × E = μ0ε 0 2 ∂t ( ) 2 Dies eingesetzt in die linke Seite der Gleichung vorher ergibt: r r ∂ E ΔE = μ0ε 0 2 ∂t 2 Nun gilt für ein beliebiges Vektorfeld: r r r r r r r ∇ × ∇ × E = ∇ ∇ ⋅ E − ΔE ( ) ( ) 382 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es ergibt sich also die folgende Gleichung für das elektrische Feld im materiefreien Raum: r r 1 ∂2E ΔE − 2 2 = 0 mit c = c ∂t 1 μ 0ε 0 James Clerk Maxwell (1831-1879) Bemerkungen: • Dies ist eine Wellengleichung. Neben der trivialen Lösung E = 0 für das Feld im Vakuum gibt es also noch „wellenförmige“ Lösungen der Maxwell-Gleichungen. • Diese Gleichung gilt für jede Komponente des elektrischen Feldes. Es sind also genau genommen drei (3D) Wellengleichungen. • Die Phasengeschwindigkeit c dieser Wellen ist durch die Feldkonstanten gegeben. Sie ist damit eine universelle Naturkonstante. • Es ist zu beachten, dass das elektrische Feld allein aber nicht ausreicht, um eine solche Welle zu generieren. Bei der Herleitung wurde das Induktionsgesetz verwendet. 383 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Hertzscher Dipol als Sender und Empfänger HF-Generator mit Röhrenverstärker Senderdipol Verstärkerröhre Empfangsdipol Auskoppelschleife Die von hochfrequentem Wechselstrom durchflossene Auskoppelschleife erzeugt ein magnetisches Wechselfeld, das in dem Dipol eine HF-Spannung induziert. Der Strom in dem Empfangsdipol bringt die Glühbirne zum Leuchten. 384 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Den besten Wirkungsgrad hat ein Dipol, wenn seine Länge L = λ/2 beträgt. Dann kann sich eine stehende Welle optimal ausbilden. Spannung Strom starkes Signal L = λ 2 Dipol λ 2 L Ein optimal abgestimmter Dipol ist gleichermaßen gut zum Senden wie zum Empfangen von elektromagnetischen Wellen geeignet. 385 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Ausbreitung elektromagnetischer Wellen Das elektrische und magnetische Feld schwingt jeweils nur in einer Ebene. Eine solche Welle wird als „linear polarisiert“ bezeichnet. In einer elektromagnetischen Welle stehen elektrisches und magnetisches Feld senkrecht aufeinander. Beide Felder sind senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle orientiert. Die Welle ist damit transversal. z r B Die Überlagerung zweier linear polarisierter Wellen ergibt: (( (( r r r E1 = xˆ E0 exp i k ⋅ r − ωt r r r E2 = zˆ E0 exp i k ⋅ r − ωt r r r ⇒ Eges = E1 + E2 r k r E )) )) x r r B⊥E r r r r B ⊥ k, E ⊥ k λ y Beide Wellen sind in Phase, d.h. es ist Δϕ = 0. Es ergibt sich wieder eine linear polarisierte Welle, aber mit gedrehter Polarisationsebene. 386 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) z (( (( Welle E1 Welle E2 Δϕ = 0 x z )) r r r E1 = xˆ E0 exp i k ⋅ r − ωt r r r E2 = zˆ E0 exp i k ⋅ r − ωt + Δϕ r r r ⇒ Eges = E1 + E2 Δϕ = 0 y z Welle E1 x Δϕ = )) π 2 Welle E2 r r r Eges = E1 + E2 x y Bei einer Phasenverschiebung der beiden sich überlagernden Wellen um Δϕ = π/2 erhält man eine zirkular polarisierte Welle, d.h. der elektrische Feldvektor läuft auf einem Kreis. y r r r Eges = E1 + E2 387 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.9 Rotierender Dipol: Retardierung Das Entstehen einer elektromagnetischen Welle kann qualitativ mit dem Beispiel eines schnell rotierenden Dipols erläutert werden. Beim ruhenden Dipol sieht ein Beobachter in der Entfernung r eine feste Feldrichtung. Führt der Dipol schnell eine volle Umdrehung aus, so merkt der Beobachter zunächst nichts. Die Information kommt verzögert (retardiert) nach der Zeit r t= v r r v=c im Abstand r an. Durch die endliche Laufzeit entsteht also eine „Wellenbewegung“ im Feld. r r 388 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Auch das Magnetfeld breitet sich mit c aus. Bei schneller Rotation des Magneten „hinkt“ das weiter entfernt gemessene Feld hinterher; es entsteht in größerem Abstand eine Kugelwelle. Das ist das Prinzip der extrem starken Abstrahlung eines Neutronensterns. Rotation 0 Hz Frage: Kann man einen Stabmagneten mit der Frequenz f = 10 kHz rotieren lassen? ω m Rotation 200 Hz Bereich 800×800 km2 Rotation 2000 Hz Rotation 10000 Hz r Sei r = 5 cm und der Polbereich habe die Masse m = 50 g, dann ist die Zentrifugalkraft: FZ = m r ω 2 ( = 0.05 ⋅ 0.05 ⋅ 2π ⋅10 4 ) 2 kgm s2 ≈ 107 N ⇒ entspricht 1000 Tonnen (!) 389 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.10 Hertzscher Dipol In einem elektrischen Schwingkreis oszilliert die Energie periodisch zwischen elektrischem und magnetischem Feld. Der Hertzsche Dipol als einfacher Schwingkreis ist das Standardbeispiel, an dem die Abstrahlung elektromagnetischer Wellen diskutiert wird. EL EC EL EC EL EC EL EC EL EC Oszillierende Ladungen und Ströme erzeugen entsprechende elektrische und magnetische Felder: EL EC EL EC EL EC 390 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Das Feld eines statischen elektrischen Dipols war (siehe Abschnitt 1.5): r r E (r ) = mit 1 4πε 0 r r r er = r r r r r 3 ( p ⋅ er ) er − p r3 und r r p = qd r p Wenn Abstand d = d(t) zeitlich veränderlich ist, so gilt auch p = p(t). Dann verändert sich auch das E-Feld zeitlich, d.h. nach der 4. Maxwell-Gleichung wird ein Magnetfeld induziert: der Dipol strahlt elektromagnetische Wellen ab. Eine etwas längere Rechnung ergibt für das Fernfeld (r >> d) eines Dipols mit dem r zeitlich veränderlichen Dipolmoment p(t ) : r r r μ0 &&r r B(r , t ) = p× 4π c r r r r r r r μ0 ⎛ &&p ⋅ r r &&r ⎞ E (r , t ) = ⋅ − p⎟ ⎜ 4π r ⎝ r r ⎠ Dabei ist im Argument des Dipolmomentes wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit c nicht die Zeit t selbst, sondern der sog. „retardierte Zeitpunkt“ t – r/c einzusetzen: r r⎛ r ⎞ p = p⎜t − ⎟ = ⎝ c⎠ r⎞ r r⎛ p ⎜ ωt − ω ⎟ = p (ωt − kr ) c⎠ ⎝ 391 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es gilt offensichtlich: r r r r r r r r r ⇒ B(r , t ) ⋅ E(r , t ) = 0 ⇒ B(r , t ) ⊥ E(r , t ) ⊥ r r r r r r r r r r r r ⇒ B(r , t ) = × E(r , t ) ⇒ E(r , t ) = c B(r , t ) cr r r Wegen p = p (ωt − kr ) strahlt der Dipol elektromagnetische Wellen in radialer Richtung ab („Kugelwellen“) mit den Beträgen der Felder: r r r r E (r , t ) ∝ B(r , t ) ∝ r r Wegen p(t ) = qd (t ) r &&r && folgt: p(t ) = qd (t ) r && p (ωt − kr ) r Nur eine beschleunigte Ladung in einem Dipol strahlt elektromagnetische Wellen ab. q r r (t ) Teilchenbahn Auch eine einzelne Ladung hat bzgl. eines festen Raumpunktes immer ein Dipolmoment: r r p(t ) = qr (t ) r r && && p(t ) = qr (t ) Dann gilt für die abgestrahlten Felder: r r r r r E (r , t ) ∝ B(r , t ) ∝ && r d.h. beschleunigte Ladungen strahlen immer elektromagnetische Wellen ab. 392 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.11 Abgestrahlte Leistung Wir hatten für die Energiedichte im elektromagnetischen Feld gefunden: dW 1 1 2 w= B = ε0E2 + dV 2 2 μ0 Es gilt für elektromagnetische Wellen: r r rr E = cB × r Einsetzen in den Ausdruck für die Energiedichte führt auf: 1 ε 0c 2 r r 2 1 2 w= B×r + B 2 2 r 123 2 μ0 1 1 2 2 2 w = ε 0c B + B { 2 =1 μ 2 μ0 0 1 2 1 2 B + B = 2 μ0 2 μ0 ⇒ w= 1 μ0 B2 = ε 0 E 2 Die abgestrahlte Energie pro Volumen steckt also zur Hälfte im elektrischen und zur anderen Hälfte im magnetischen Feld. Wir berechnen nun die abgestrahlte Leistung pro Fläche. =r 2 B2 393 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r S r r r Dipol: p (t ) r dA r Der Vektor S ist der sog. Poynting-Vektor. Sein Betrag gibt die Strahlungsleistung an, die durch die Fläche dA tritt; seine Richtung ist die Richtung des Energieflusses. Für die Energie W, die durch die Fläche dA tritt, gilt: dW dW dW w= = ⇒ = wdr dV drdA dA Damit folgt für die abgestrahlte Energie pro Fläche und Zeit, also für die Leistung pro Fläche: John Henry Poynting (1852-1914) r c 2 rr dW dr c 2 = w = B ⇒S= B S= { μ0 r dtdA dt μ0 B2 { = 2 μ0 =c 394 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Wir betrachten den Ausdruck Abstrahlung des Hertzschen Dipols 1 r r 1 c r r r E×B = B×r × B μ0 μ0 1 r424 3 r ( ) r B =E r E c ⎡⎢ r r r r r r ⎤⎥ B⋅ B r − B⋅ r B = { ⎥ μ0 r ⎢ =0 ⎣ ⎦ r c 2r = B μ0 r ( ) ( ) Der Poynting-Vektor kann also auch folgendermaßen ausgedrückt werden: r 1 r r S= E×B μ0 Dieses Resultat gilt allgemein für jede e.m. Welle. Der Poynting-Vektor ist das Vektorprodukt aus E und B und zeigt in Ausbreitungsrichtung. r B r E r S S = 0, da hier das elektrische Feld in Richtung der Ausbreitung verläuft: ϑ = 0 S = Smax, da hier das elektrische Feld senkrecht zur Ausbreitung ist: ϑ = 90° 395 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 7.12 Intensität und Strahlungsdruck Wir definieren zunächst den Begriff der Intensität einer elektromagnetischen Welle. Die Intensität I ist die mittlere übertragene Leistung pro Fläche, also: r I= S t = w tc Hierbei ist S der schon eingeführte Poynting-Vektor und 〈w〉t die über die Zeit gemittelte Energiedichte des elektromagnetischen Feldes. Beispiel: Intensität einer ebenen Welle r r ˆ 0 cos(ωt − kx) B = zB ˆ 0 cos(ωt − kx) E = yE r r r −1 S = μ0 E × B = xˆμ0−1E0 B0 cos2 (ωt − kx) Nun muss der Betrag des PoyntingVektors gebildet und über die Zeit gemittelt werden: r S = xˆ μ0−1 E0 B0 cos 2 (ωt − kx) r ⇒ S = μ0−1E0 B0 cos2 (ωt − kx) r ⇒ I = S = μ0−1E0 B0 cos2 (ωt − kx) t 1442443t =1 2 = 1 2 μ0 E0 B0 = 1 E0 B0 1 Eeff Beff = μ0 2 2 μ 0 Die zeitlich gemittelte Energiedichte ist: wt= r2 B μ0 B02 B0 E0 c 1 E0 B0 I = = = = 2μ0 2μ0 c 2μ0 c 396 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Wir betrachten nun eine Ladung q mit der Masse m, die vom elektrischen Feld der Welle in y-Richtung beschleunigt wird. Die Geschwindigkeit vy und die kinetische Energie W der Ladung nach der Zeit Δt ist: qE Δt m 1 2 1 q2E 2 W = mv y = (Δt ) 2 2 2 m r zB r E r k y v y = aΔt = Die Welle hat die Energie W auf das Teilchen übertragen. q FE = qE x Da sich die Ladung im Magnetfeld der Welle in y-Richtung bewegt, wird sie durch die Lorentz-Kraft in x-Richtung abgelenkt. Für einen beliebigen Zeitpunkt t gilt: FL , x q2 E B = qv y B = t m 397 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Der auf das Teilchen wirkende Kraftstoß ist gleich dem Impuls px, der von der Welle auf das Teilchen übertragen wird: Δt Δt q 2 EB q2 E B (Δt )2 px = ∫ FL , x dt = ∫ t dt = 2m m 0 0 Wegen B = E/c ergibt sich: 2 2 2 q EB 11q E W 2 2 px = (Δt ) = (Δt ) = 2m c2 m c Der von der elektromagnetischen Welle übertragene Impuls ist also gleich der übertragenen Energie W dividiert durch die Ausbreitungsgeschwindigkeit c. Die Intensität I einer Welle ist die übertragene Energie pro Zeit und Fläche. Wegen p = W/c ist I/c also ein Impuls pro Zeit und Fläche, also eine Kraft pro Fläche, d.h. ein Druck. Somit erhält man den Strahlungsdruck PS einer elektromagnetischen Welle: I 1 r PS = = S c c = w t t Beispiel: Strahlungsdruck ebene Welle r E = yˆ E0 cos(ωt − kx) r B = zˆB0 cos(ωt − kx) I = E0 B0 /(2 μ 0 ) ⇒ PS = E0 B0 /(2cμ 0 ) 398 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Radiometer Beispiel: Strahlungsdruck Sonne-Erde Mittlere Intensität der Sonnenstrahlung: I ≈ 1400 Lichtwellen, die auf die reflektierende Seite treffen übertragen den doppelten Impuls im Vergleich zu Lichtwellen, die auf die absorbierende Seite treffen. In der Praxis dreht sich das Radiometer aber genau anders herum. Warum? Watt 1400 Watt −6 N ⇒ P ≈ = ⋅ 5 10 S m2 3 ⋅108 m s m2 m2 (vgl. Luftdruck PL ≈ 1000 hPa = 105 N/m2) Auf die ganze Erde wirkt dann die Kraft: N 2 ⋅ ⋅ 3.14 (6400km) m2 ≈ 6.4 ⋅108 N ≈ 65000 Tonnen × g !!! 2 F = PS π RErde ≈ 5 ⋅10−6 399