Vorgehensweise: Aufgabenstellungen mit Reibung Ermitteln Sie zunächst, welche Arten von Reibung in der Aufgabe wirksam sind. Wenn die Oberflächen der Körper, die einander berühren, nicht gleiten, herrscht Haftreibung. Die Haftreibungskraft wirkt dem Bestreben der Oberflächen, aneinanderzugleiten, entgegen. Der Betrag der maximalen Haftreibungskraft FR,h,max ist gleich dem Produkt aus dem Betrag der Normalkraft und aus dem Haftreibungskoeffizienten. Wenn zwei Oberflächen aneinandergleiten, erfahren sie Gleitreibungskräfte (sofern in der Aufgabenstellung nicht erwähnt ist, dass eine der Flächen reibungsfrei sein soll). Rollreibung tritt auf, da sich ein rollender Körper und die Oberfläche, auf der er rollt, ständig verformen und sich beide fortwährend voneinander ablösen. Lösung: 1. Konstruieren Sie ein Kräftediagramm. Legen Sie die y-Achse normal (senkrecht) zur Kontaktfläche und die xAchse parallel zu ihr. Die Richtung der Reibungskraft ist so, dass sie dem Gleiten oder dem Bestreben zu gleiten entgegengesetzt ist. 2. Wenden Sie das 2. Newton’sche Axiom Fi,y = m a y an und stellen Sie die Gleichung nach der Normalkraft |F n | um. Handelt es sich um Gleitreibung oder Rollreibung, lautet die Beziehung zwischen der Reibungskraft und der Normalkraft |F R,g | = μR,g |F n | bzw. |F R,r | = μR,r |F n |. Geht es dagegen um Haftreibung, lautet die Beziehung zwischen der Reibungskraft und der Normalkraft |F R,h | ≤ μR,h |F n | bzw. |F R,h,max | = μR,h |F n |. 3. Wenden Sie auf den Körper Fi,x = m ax an und berechnen Sie daraus die gesuchte Größe. Plausibilitätsprüfung: Um zu sehen, ob das Ergebnis sinnvoll ist, kann geprüft werden, ob die Reibungskoeffizienten wirklich dimensionslos sind und alle Kräfte (z. B. Zugkräfte in Seilen) berücksichtigt worden sind. Beispiel 5.1: Das Beilkespiel Das Beilkespiel ähnelt auf den ersten Blick dem Curling und wird gern auf Schiffsdecks gespielt. Ein Passagier schiebt mit seinem Queue eine Scheibe mit einer Masse von 0,40 kg horizontal über das Schiffsdeck. Wenn die Scheibe vom Queue abgestoßen wird, beträgt ihre Geschwindigkeit 8,5 m/s. Die Scheibe gleitet 8,0 m weit, bevor sie zum Stillstand kommt. Wie groß ist der Gleitreibungskoeffizient zwischen Scheibe und Deck? Problembeschreibung: Die Gleitreibungskraft ist die einzige horizontale Kraft, die auf die Scheibe wirkt, nachdem sie den Queue verlassen hat. Da die Reibungskraft konstant ist, ist die Beschleunigung ebenfalls konstant. Man kann diese Beschleunigung berechnen, indem man die Gleichungen für die gleichförmig beschleunigte Bewegung aus Kapitel 2 unter Verwendung von Fi,x = m ax so verknüpft, dass sich der Gleitreibungskoeffizient μR,g ergibt. Lösung: 1. Zeichnen Sie ein Kräftediagramm für die Scheibe, nachdem sie vom Queue abgestoßen wurde (Abbildung 5.5). Wählen Sie als +x-Richtung die Richtung der Geschwindigkeit der Scheibe. +y Fn F R,g +x maG 5.5 2. Der Gleitreibungskoeffizient beschreibt den Zusammenhang zwischen den Beträgen der Reibungskraft und der Normalkraft: Tipler/Mosca: Physik, 6. Auflage |F R,g | = μR,g |F n | 139 I Mechanik 5.1 REIBUNG 140 5 WEITERE ANWENDUNGEN DER NEWTON’SCHEN AXIOME I Mechanik 3. Wenden Sie Fi,y = m a y auf die Scheibe an und stellen Sie die Gleichung nach der Normalkraft um. Setzen Sie das Ergebnis in die Formel für die Reibungskraft aus Schritt 2 ein: Fi,y = m a y |F n | − m g = 0 ⇒ |F n | = m g und so |F R,g | = μR,g m g 4. Wenden Sie Fi,x = m ax auf die Scheibe an. Mit dem Ergebnis aus Schritt 3 erhalten Sie eine Gleichung für die Beschleunigung: Fi,x = m ax −|F R,g | = m ax und so −μR,g m g = m ax ⇒ ax = −μR,g g 5. Die Beschleunigung ist konstant. Schreiben Sie den Zusammenhang zwischen der Beschleunigung, der zurückgelegten Gesamtstrecke und der Anfangsgeschwindigkeit 2 + 2a x auf (Gleichung 2.15). Berechnen Sie vx2 = v0,x x mithilfe des Ergebnisses aus Schritt 4 den Reibungskoeffizienten μR,g : 2 2 vx2 = v0,x + 2 ax x ⇒ 0 = v0,x − 2 μR,g g x und somit μR,g = 2 v0,x 2 g x = (8,5 m· s−1 )2 = 0,46 2 (9,81 m· s−2 ) (8,0 m) Plausibilitätsprüfung: Der für μR,g erhaltene Wert ist dimensionslos und liegt innerhalb des Bereichs der Werte für andere in Tabelle 5.1 aufgeführte Materialien. Damit ist das Ergebnis plausibel. Weitergedacht: Die Beschleunigung und der Reibungskoeffizient sind unabhängig von der Masse m. Je größer die Masse der Scheibe ist, desto schwerer ist die Scheibe anzuhalten. Andererseits bedeutet eine größere Masse aber auch eine stärkere Normalkraft und somit eine stärkere Reibungskraft. Insgesamt hat die Masse daher keine Wirkung auf die Beschleunigung (bzw. auf den Bremsweg). Beispiel 5.2: Die Münze auf dem Buchrücken Ein Buch mit festem Umschlag (Abbildung 5.6) liegt mit der Titelseite nach oben auf dem Tisch. Auf den Bucheinband wird eine Münze gelegt. Anschließend wird das Buch sehr langsam geöffnet, bis die Münze zu rutschen beginnt. θmax (der Reibungswinkel) sei derjenige Winkel zwischen dem Bucheinband und der Horizontalen, bei dem sich die Münze gerade in Bewegung setzt. Berechnen Sie den Haftreibungskoeffizienten μR,h zwischen dem Bucheinband und der Münze in Abhängigkeit von θmax . 5.6 Problembeschreibung: Auf die Münze wirken die Gravitationskraft F G = m aG , die Normalkraft F n und die Reibungskraft F R . Da die Münze zwar unmittelbar davorsteht zu gleiten, aber gerade noch nicht gleitet, ist die Reibungskraft die Haftreibungskraft, die entlang der Ebene nach oben gerichtet ist. Da die Münze ruht, ist ihre Beschleunigung null. Wir verwenden das zweite Newton’sche Axiom, das die Beschleunigung mit den auf die Münze wirkenden Kräften verknüpft, und stellen die Gleichung nach der Reibungskraft um. Tipler/Mosca: Physik, 6. Auflage