Glaukom 17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4 17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5 17.2.6 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.4 Grundlagen Definition Pathogenese: Regulation des Augeninnendrucks und ihre Störungen Einteilung Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung Untersuchungsmethoden bei Glaukom Augeninnendruckmessung (Tonometrie) Ophthalmoskopie der Papille Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie) Spaltlampenuntersuchung Kammerwinkeluntersuchung (Gonioskopie) Sonstige diagnostische Methoden Primäre Glaukome Offenwinkelglaukom Winkelblockglaukom Kongenitales Glaukom (Hydrophthalmie, Buphthalmus) Sekundäre Glaukome 334 334 334 335 336 336 336 338 339 340 340 342 342 342 348 352 355 17 17 Ω Glaukom (Grüner Star) nennt man eine Anzahl ätiologisch unterschiedlicher Krankheiten, deren gemeinsames Kennzeichen eine charakteristische Schädigung des Sehnervs mit nachfolgenden Gesichtsfelddefekten ist. Als Ursache der Schädigung wird ein individuell zu hoher Augeninnendruck angesehen. Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Glaukomen. Primäre Glaukome treten spontan auf, sekundäre Glaukome sind Folge von anderen Augenerkrankungen oder von Allgemeinerkrankungen. Über 90 % der primären Glaukome sind Offenwinkelglaukome, weniger als 5 % Winkelblockglaukome (Anfallsglaukome); das Glaukom des Säuglings und Kleinkindes (kongenitales Glaukom) ist selten, bezüglich seiner Bedeutung für das Leben des Kindes aber besonders wichtig. Die Häufigkeit des Glaukoms steigt mit dem Lebensalter. Nach dem 40. Lebensjahr liegt der Augeninnendruck bei etwa 1,5 % aller Menschen oberhalb der statistischen Normgrenze, nach dem 70. Lebensjahr bei etwa 7 %. a81 a0000212121 werk im Kammerwinkel, gelangt so in den 17.1 Grundlagen a81 a0000212121 17.1.1 Definition Unter dem Begriff Glaukom wird eine Anzahl ätiologisch unterschiedlicher Krankheiten mit typischer Schädigung der Papille und des Gesichtsfeldes zusammengefasst, deren gemeinsamer pathogenetischer Faktor ein individuell zu hoher Augeninnendruck ist. Ein Synonym ist „Grüner Star“. Diese alte Bezeichnung sollte aber möglichst nicht verwendet werden, auch nicht gegenüber Laien, da sie immer wieder Anlass zu Verwechslungen mit dem „Grauen Star“ (Katarakt, Linsentrübung, s. Kap. 9) gibt. Schlemm-Kanal und fließt über die Kollektorkanälchen schließlich in die Venen der Sklera oder Bindehaut und damit ins Blutgefäßsystem (trabekulärer Abfluss). Nur einer kleiner Teil (ca. 15 %) gelangt über andere Wege, insbesondere durch die Septen des Ziliarmuskels, in das Gefäßsystem der Chorioidea (uveoskleraler Abfluss). Wenn ein oberflächliches Bindehautgefäß Kammerwasser unmittelbar vom Schlemm-Kanal zum episkleralen Venenplexus leitet, sieht man dort einige Millimeter weit eine klare Kammerwassersäule neben dem Blut unvermischt fließen (rAbb. 17.1). Man nennt diese episkleralen Venen Kammerwasservenen. Die Kammerwasserproduktion unterliegt einem Tag-Nacht-Rhythmus und ist nachts um ca. 40 % vermindert, bleibt aber ansonsten kons- a81 a0000212121 17.1.2 Pathogenese: Regulation des Augeninnendrucks und ihre Störungen Der normale Augeninnendruck beträgt 15,5 ± 5,5 mmHg, d.h. die Normalwerte liegen zwischen 10 und 21 mmHg. Der Augeninnendruck wird vom Kammerwasserfluss erzeugt und durch den Abflusswiderstand im Trabekelwerk geregelt. Das Kammerwasser wird vom Ziliarepithel in einer Menge von ca. 2,4 mm3/min durch aktive Sekretion und Ultrafiltration gebildet (s. Kap. 1) und in die Hinterkammer abgegeben. Es umspült die Linse und fließt durch die Pupille in die Vorderkammer. Das Kammerwasser verlässt das Auge durch das schwammartige Trabekel- 334 | 17 Glaukom Abb. 17.1. Kammerwasservene. Nahe der Hornhaut taucht ein gestrichelt gezeichnetes Gefäß auf, das eine wasserklare Flüssigkeit enthält und deshalb schwer zu sehen ist. Es mündet in eine Vene. Blutstrom und Kammerwasserstrom laufen eine Strecke weit unvermischt nebeneinander her 17 tant und ist vom tatsächlichen Augeninnendruck weitgehend unabhängig. Funktionen des Kammerwassers sind Ω die Ernährung der angrenzenden Strukturen, insbesondere der Linse und der Hornhaut, Ω die Aufrechterhaltung der Augapfelform: Der Augeninnendruck gewährleistet eine formstabile Wölbung der Hornhaut und eine konstante Refraktion des Auges. Ω die Detoxifikation des Augeninneren durch den hohen Ascorbinsäuregehalt (Abfangen freier Radikale) und Ω der Lymphersatz, da das Augeninnere keine Lymphgefäße enthält. Die Steigerung des Augeninnendrucks bei Glaukom entsteht ausschließlich durch Behinderung des Kammerwasserabflusses im Trabekelwerk, nicht etwa durch Überproduktion von Kammerwasser. Ursache des Druckanstiegs sind krankhafte Veränderungen des Trabekelwerks (Tabelle 17.1). Der hierdurch erhöhte Augeninnen- druck ruft langfristig die für das Glaukom typischen Schäden an der Papille hervor: Es kommt zu einem Schwund von Optikusfasern, d. h. von Axonen der retinalen Ganglienzellen. Hieran sind sowohl mechanische Faktoren als auch Minderdurchblutung beteiligt (Tabelle 17.2). Die meisten Optikusfasern laufen in einem Bogen auf die Papille zu, nur diejenigen zwischen Fovea und Papille verlaufen geradlinig. Beim Glaukom werden typischerweise die Nervenfasern mit bogenförmigem Verlauf zuerst geschädigt. Erst wenn mehr als 200 000 – 300 000 der 1,1 Millionen Axone geschädigt sind, treten Symptome in Form eines Gesichtsfeldausfalls auf. a81 a0000212121 17.1.3 Einteilung Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Glaukomen. Primäre Glaukome treten spontan auf, sekundäre Glaukome sind Folge von Tabelle 17.1. Glaukomformen und ihre Ursachen Glaukomform Ursachen PRIMÄRE GLAUKOME (Genetik s. Kap. 23) Ablagerungen hyalinen Materials im Trabekelwerk Ω primäres Offenwinkelglaukom (früher: Glaucoma chronicum simplex) Ω primäres Winkelblockglaukom akut: Glaukomanfall chronisch Ω primäres kongenitales Glaukom des Säuglings Verlegung des Kammerwinkels durch die Irisbasis („Winkelblock“) bei anlagemäßig engem Kammerwinkel Verklebungen des Kammerwinkels (Goniosynechien) Fehldifferenzierung des Trabekelwerks und Kleinkindes (Hydrophthalmie, Buphthalmus) SEKUNDÄRE GLAUKOME (AUSWAHL) Ω Neovaskularisationsglaukom Ω Pigmentdispersionsglaukom Ω Pseudoexfoliationsglaukom Ω Kortisonglaukom Ω Glaukom durch Entzündung Ω Glaukom durch Verletzungen Ω Glaukom durch Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen allmählich fortschreitender Verschluss des Kammerwinkels durch neu gebildete Gefäße und eine fibrovaskuläre Membran (häufig bei Diabetes mellitus und nach Zentralvenenverschluss) Ablagerung von Pigment (aus der Rückfläche der Iris) im Kammerwinkel Ablagerung von feinfibrillärem (sog. Pseudoexfoliations-) Material im Kammerwinkel, das vor allem vom Ziliarepithel gebildet wird Kortikosteroid-induzierte Ansammlung von Mukopolysacchariden im Kammerwinkel Ödem der Trabekelzellen bei Entzündung des Trabekelwerks (Trabekulitis, z. B. durch Herpes-simplex- oder Varizella-Zoster-Viren) oder Ablagerung von Entzündungsproteinen im Kammerwinkel Zerreißung und Narbenbildung des Trabekelwerks Differenzierungsstörung des Trabekelwerks, z. B. Axenfeld-Rieger-Anomalie 17.1 Grundlagen | 335 17 Tabelle 17.2. Pathogenese der Papillenschädigung bei Glaukom Pathomechanismus Auswirkungen Ω mechanisch durch erhöhten Augeninnendruck Abknickung der Axone Æ Unterbrechung des retrograden Axoplasmatransports und damit der Versorgung des Zellsomas mit Neurotrophinen Æ Zelltod (Apoptose) Ω Durchblutungsstörung durch erhöhten Minderversorgung der Papille Æ Degeneration von Nervenfaser- und Gliagewebe Augeninnendruck und Arteriosklerose Ω fehlerhafte Zusammensetzung der Kollagene der Lamina cribrosa Ausbuchtung der Bindegewebstrabekel der Lamina cribrosa nach hinten Æ Schädigung von Nervenfasern, Kapillaren und Glia anderen Augenerkrankungen oder von Allgemeinerkrankungen. Beide Glaukomformen werden je nach Zustand des Kammerwinkels weiter unterteilt: Ist der Kammerwinkel offen, dann spricht man von Offenwinkelglaukom, ist der Kammerwinkel durch die Irisbasis verlegt und der Kammerwasserabfluss hierdurch blockiert, spricht man von Winkelblockglaukom. a81 a0000212121 17.1.4 Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung Fälle). Schwarze sind hiervon etwa 4-mal häufiger und in jüngerem Alter betroffen. Asiaten leiden sehr viel häufiger an Winkelblockglaukom. Sozioökonomische Bedeutung. In Westeuropa entstehen durch Blindengeld, Ausfall von Arbeitskraft und Frühberentung infolge Glaukoms jährlich wesentlich höhere Kosten als durch die Behandlung des Glaukoms. Deshalb kommt der Früherkennung des Glaukoms (Vorsorgeuntersuchung mit Augendruckmessung und Papillenspiegelung bei jeder Brillenbestimmung) eine besondere Bedeutung zu. a81 a0000212121 Das Glaukom gehört zu den häufigsten Erblindungsursachen. Pro Jahr erblinden weltweit ca. 6,7 Millionen Menschen an Glaukom. In den Industrienationen rangiert es an 3. Stelle der Erblindungsursachen (nach Makuladegeneration und diabetischer Retinopathie), in den Entwicklungsländern an 2. Stelle (nach Katarakt). In den Industrienationen ist die Erkrankung nur bei etwa 50 % der manifest Glaukomkranken bekannt, in Entwicklungsländern sehr viel seltener. Prävalenz. Etwa 1 – 2 % der Bevölkerung leiden in Industrienationen an einem manifesten Glaukom mit Schädigung der Papille, etwa 1/10 sind dadurch erheblich sehbehindert oder erblindet. Die Prävalenz nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Geschlechtsverteilung. Bei primärem Offenwinkelglaukom sind Männer, bei primärem Winkelblockglaukom sind Frauen häufiger betroffen. Ethnische Faktoren. Bei Weißen überwiegt das primäre Offenwinkelglaukom (ca. 90 % der 336 | 17 Glaukom 17.2 Untersuchungsmethoden bei Glaukom a81 a0000212121 17.2.1 Augeninnendruckmessung (Tonometrie) Der normale Augeninnendruck des Erwachsenen liegt zwischen 10 und 21 mmHg, im Mittel bei 15,5 mmHg, beim Säugling bei ca. 12 mmHg. Die Tonometrie ist heute durch verschiedene nicht-invasive Verfahren, also ohne Eröffnung des Augapfels möglich. Sie erreicht eine Genauigkeit von ± 1 mmHg. Applanationstonometrie Bei der Applanationstonometrie wird die Kraft gemessen, die notwendig ist, um ein planes Messkörperchen soweit mit der Hornhaut in Kontakt zu bringen, dass eine Fläche von ca. 3 mm Durchmesser abgeplattet wird. Dann ent- 17 entfällt die Oberflächenanästhesie der Hornhaut. Darüber hinaus besteht keine Gefahr einer Keimübertragung (z.B. Keratoconjunctivitis epidemica) oder einer Verletzung des Hornhautepithels. Jedoch ist die Messgenauigkeit geringer als beim Goldmann-Tonometer, der Luftstoß ist subjektiv unangenehm und das Messprinzip funktioniert nicht bei vernarbter Hornhautoberfläche. Impressionstonometrie nach Schiötz Hierbei wird der Augeninnendruck durch einen Stift gemessen, der durch sein Gewicht je nach Augeninnendruck mehr oder weniger in die anästhesierte Hornhaut einsinkt. Dieses Verfahren wird nur noch bei narbigen Hornhautveränderungen eingesetzt, bei denen eine Applanationstonometrie nicht möglich ist. Die Fehlermöglichkeit, insbesondere bei hoher Myopie, ist größer als bei der Applanationstonometrie. Abb. 17.2. Applanationstonometrie. Der Patient sitzt an der Spaltlampe. Das Messkörperchen wird nach Tropfanästhesie auf die Hornhaut aufgesetzt und die Federkraft des Instruments so eingestellt, dass diese dem Augeninnendruck entspricht.Die Abplattung der Hornhautoberfläche wird mit dem Spaltlampenmikroskop durch das transparente Messkörperchen kontrolliert spricht der Anpressdruck dem intraokularen Druck. Er kann auf einer Skala abgelesen werden. Diese Methode ist von der individuell unterschiedlichen Dehnungsfähigkeit von Kornea und Sklera weitgehend unabhängig. Das Applanationstonometer nach Goldmann misst am genauesten und wird deshalb routinemäßig verwendet, und zwar an der Spaltlampe am sitzenden Patienten (rAbb. 17.2). Die Hornhaut ist dabei durch Oberflächenanästhesie (Augentropfen) betäubt. Für Messungen am liegenden Patienten, bei Kindern und außerhalb von Augenarztpraxis und Klinik wurden lageunabhängige Applanationstonometer entwickelt, sog. Handapplanationstonometer. Palpation des Bulbus zur Abschätzung des Augeninnendrucks Wenn eine Messung des Augeninnendrucks auf der Hornhaut mit Geräten nicht möglich ist (z. B. bei infektiösem Hornhautulkus, Glaukomanfall oder Sekundärglaukom bei schwerkranken Patienten), kann der erfahrene Augenarzt den Augeninnendruck abschätzen, indem er Non-Contact-Tonometrie Bei diesem Verfahren berührt das Messgerät die Hornhaut nicht. Die Hornhaut wird durch einen Luftstoß abgeplattet und das hierdurch veränderte Reflexbild zur Messung benutzt. Damit Abb. 17.3. Palpation des Bulbus. Der Arzt palpiert den Bulbus durch das Oberlid, und zwar mit dem rechten und linken Zeigefinger, während der Patient abwärts blickt. Dabei stützt er die Hände am Kopf des Patienten ab. Zum Vergleich kann er den anderen Bulbus palpieren 17.2 Untersuchungsmethoden bei Glaukom | 337 17 den Bulbus durch das Oberlid mit beiden Zeigefingern palpiert, während der Patient nach unten blickt (rAbb. 17.3). Bei normalem Augeninnendruck „fluktuiert“ die Bulbuswand, wenn man sie abwechselnd mit dem rechten und linken Zeigefinger eindrückt, bei stark erhöhtem Augeninnendruck ist der Bulbus „steinhart“. Ω Der Tastbefund „steinhart“ findet sich nur bei akutem Winkelblockglaukom, eine mäßige Drucksteigerung wie bei Offenwinkelglaukom ist palpatorisch nicht sicher erkennbar! Abb. 17.4. Glaukomatöse Exkavation der Papille. Die Papille ist vor allem am unteren Pol geschädigt. Die Gefäße knicken scharf in die Tiefe um. Der Nervenfasersaum fehlt. Dementsprechend ist das Gesichtsfeld vor allem oben geschädigt Ω Ω Zur Kontrolle der Therapie-Effizienz sollte man den Augeninnendruck messen, kurz bevor die nächsten Augentropfen verabreicht werden (Nahtstellenmessung). Ω Um tagesrhythmische Schwankungen des Augeninnendrucks zu erfassen, sind ein Tagesdruckprofil und eine Nachtmessung indiziert. Bei den meisten Menschen ist der Augeninnendruck morgens am höchsten. Bei manchen Glaukompatienten entstehen nachts oder zu anderen Tageszeiten Druckspitzen. a81 a0000212121 17.2.2 Ophthalmoskopie der Papille Ω Ω Die Exkavation (Aushöhlung) der Papille (rAbb. 17.4) ist für das Glaukom pathognomonisch. Ω Die Exkavation beginnt, bevor es zu einer Einschränkung des Gesichtsfeldes kommt. Daher ist durch Ophthalmoskopie der Papille eine Frühdiagnose möglich. Ω Eine Untersuchung der Papille ist bei jeder augenärztlichen Untersuchung notwendig, auch bei Brillenverordnung, um ein beginnendes Glaukom rechtzeitig zu erkennen. Folgende ophthalmoskopische Befunde sprechen für eine glaukomatöse Papillenexkavation (rAbb. 17.4): 338 | 17 Glaukom Ω große Exkavation: Exkavationen bis an den Rand der Papille sind beweisend für ein Glaukom. Exkavationen, die bis zu 60 % der Papillenfläche einnehmen, können ohne Glaukom vorkommen, wenn bei großem Papillendurchmesser nicht die gesamte Papillenfläche von Nervenfasern ausgefüllt wird. Die Exkavation ist an der Einsenkung der Papille zu erkennen, an der keine Nervenfasern durch die Lamina cribrosa eintreten. Ω Eine Asymmetrie der Papillenexkavationen beider Augen spricht für ein Glaukom auf der stärker exkavierten Seite. Ω hochovale Exkavation und Kerbenbildung des Nervenfasersaums der Papille. Die physiologische Papillenexkavation ist queroval, weil am oberen und unteren Pol der Papille besonders viele Nervenfasern einlaufen. Bei Glaukom gehen zunächst die Nervenfasern des oberen und unteren Papillenpols zugrunde. Daraus resultiert eine hochovale Exkavation bzw. Kerbenbildung (rAbb. 17.4). Ω Abknicken der Gefäße am Papillenrand bei fehlendem Nervenfasersaum (rAbb. 17.4, unterer Papillenpol). Ω reduzierte Nervenfaserzeichnung neben der Papille: Schaltet man bei der Ophthalmoskopie im aufrechten Bild oder an der Spaltlampe mit der Lupe den Grünfilter in den Beleuchtungsstrahlengang (rotfreies Licht), dann wird die Streifung der Nervenfaserschicht um die Papille herum besonders gut sichtbar und schlitzförmige Nervenfaserde- 17 fekte neben der Papille als Hinweis auf ein Glaukom lassen sich sehr genau erkennen (s. rAbb. 15.1). Durch Photographie der Papille lässt sich der aktuelle Befund für einen späteren Vergleich genau festhalten. Neuerdings gibt es Geräte, die eine dreidimensionale, digitale Oberflächenkarte der Papille registrieren können (Laser-Tomographie). Diese Methode ist vor allem für eine quantitative Verlaufskontrolle bei beginnendem Glaukom wichtig. Die Polarisationsänderung des von der Nervenfaserschicht zurückfallenden Lichts macht sich die Polarimetrie zunutze. Hierdurch sind Rückschlüsse auf Nervenfaserdicke bzw Nervenfaserausfall möglich. Es gibt Geräte, mit denen man die auf diese Weise die Nervenfaserschicht dokumentieren kann. a81 a0000212121 17.2.3 Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie) Zu den Grundlagen der Gesichtsfelduntersuchung s. Kap. 3.5. Nervenfaserausfälle führen zu Gesichtsfeldausfällen. Deshalb sind Papillenbefund und Gesichtsfeldausfall miteinander verknüpft. Korrelation von Gesichtsfeldausfall und Papillenexkavation. Gesichtsfeldausfälle treten erst auf, wenn ein erheblicher Teil der Nervenfasern (>30%) zugrunde gegangen ist. Deshalb ist der Beginn der Einschränkung des Gesichtsfeldes nicht der Beginn der Glaukomerkrankung, sondern immer bereits ein fortgeschrittenes Stadium („Anfang vom Ende“). Charakteristika der glaukomatösen Gesichtsfeldeinschränkung. Typischerweise wird bei Glaukom das parazentrale Gesichtsfeld zuerst geschädigt (bogenförmige Skotome) und das Zentrum lange ausgespart. Infolgedessen bleibt auch die Sehschärfe lange gut. Der Patient bemerkt die Gesichtsfeldeinschränkung zu- Abb. 17.5. Progredienter Gesichtsfeldverfall des linken Auges Ω im Verlauf von 10 Jahren bei unzureichender Glaukomtherapie. Gesichtsfelduntersuchung mit dem manuellen Perimeter nach Goldmann 17.2 Untersuchungsmethoden bei Glaukom | 339 17 (z. B. beim Laufen) erheblich behindert, da er neben dem Fixierpunkt liegende Gegenstände (z. B. Stufen) nicht wahrnehmen kann. 6. Ausfall der zentralen Sehschärfe (rAbb. 17.5, ganz unten): Dies bedeutet die Erblindung des Auges. Das Durchlaufen aller Stadien bei unbehandeltem primärem Offenwinkelglaukom dauert etwa 10 – 15 Jahre (rAbb. 17.5). Ω nächst nicht (so wie wir den „blinden Fleck“ des Auges nicht wahrnehmen). Auch bei fortgeschrittenen Glaukomstadien wird der Gesichtsfeldausfall oft durch das andere Auge kompensiert. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass der Patient bereits an einem Auge durch Glaukom erblindet ist, wenn er erstmals den Arzt aufsucht. Stadien der glaukomatösen Gesichtsfeldeinschränkung. Die Gesichtsfeldeinschränkung durchläuft sechs Stadien: 1. relatives parazentrales Skotom (rAbb. 17.5 oben; relativ, da die Lichtempfindlichkeitsschwelle steigt, jedoch kein vollständiger Gesichtsfeldausfall vorliegt): wird vom Patienten nicht bemerkt. 2. isoliertes absolutes parazentrales Skotom: wird vom Patienten nicht bemerkt. 3. absolutes Skotom mit Verbindung zum blinden Fleck (rAbb. 17.6). 4. Sektorskotom (rAbb. 17.5, Befund von 1970): kann zu Störungen der Wahrnehmung von Gegenständen führen, die neben dem Zentrum des Gesichtsfeldes liegen, z. B. sieht der Patient den Löffel neben dem Teller nicht, wenn er auf den Teller schaut. 5. Ausfall bis auf eine zentrale Gesichtsfeldinsel und einen peripheren Rest (rAbb. 17.5, Befund von 1977): Hierbei kann der Patient zwar noch lesen, ist aber in der Orientierung Wenn bei der Gesichtsfelduntersuchung ein deutlicher Glaukomschaden besteht, ist meist schon mehr als die Hälfte der Nervenfasern zugrunde gegangen („Anfang vom Ende“). a81 a0000212121 17.2.4 Spaltlampenuntersuchung Bei der Spaltlampenuntersuchung achtet man besonders auf: Ω Kammerwinkeleingang: eng bei Verdacht auf Winkelblockglaukom. Man untersucht mit schmalem Spalt am Hornhautrand und achtet darauf, ob der Kammerwinkeleingang weniger tief ist als 1 Hornhautdicke. Ab einer Tiefe von 1/4 der Hornhautdicke besteht die Gefahr eines Winkelverschlusses. Ω Pigmentierung der Hornhautrückfläche: Krukenberg-Spindel bei Pigmentglaukom. Ω Vorderkammertiefe: herabgesetzt bei Winkelblockglaukom. Durch Schrägbeleuchtung der Iris kann man bei Winkelblockglaukom durch Pupillarblock oder hinteren Synechien (zwischen Iris und Linse) die Vorwölbung der Iris besser erkennen (s. rAbb. 2.10). a81 a0000212121 17.2.5 Kammerwinkeluntersuchung (Gonioskopie) Abb. 17.6. Gesichtsfeldausfälle bei Glaukom, spätes Stadium. Computerperimetrie: Bogenförmiger Ausfall nach unten, der in ein Sektorskotom übergeht. Das Zentrum des Gesichtsfeldes ist erhalten und die Sehschärfe beträgt 1,0 340 | 17 Glaukom Der Kammerwinkel ist ohne Hilfsmittel nicht sichtbar. Durch das schräge Auftreffen der vom Kammerwinkel reflektierten Lichtstrahlen