POLITISCHER HINTERGRUNDBERICHT Projektland: Rumänien Datum: 27. Juli 2014 Konsolidierung der Mitte-rechts-Parteien in Rumänien Gemeinsamer Präsidentschaftskandidat und Schulterschluss gegen die Linke. Vor der beeindruckenden Kulisse des dem Anlass entsprechend gewählten „Saales der Einheit“ im Parlamentspalast von Bukarest fand am 26. Juli 2014 die historische Konsolidierung der Parteien des Mitte-rechts-Lagers im rumänischen Parlament statt. Die Liberaldemokratische Partei PDL sowie die Nationalliberale Partei PNL fusionieren zur neuen Nationalliberalen Partei PNL. Parteivorsitzender wird Vasile Blaga, der auch schon Vorsitzender der bisherigen PDL war. Der bisherige Vorsitzende der PNL, Klaus Johannis, wird als Präsidentschaftskandidat der neuen PNL gehandelt. Die Kandidaten werden erst Anfang August bekanntgegeben. Obwohl der Name und das Parteisymbol der PNL beibehalten werden, betonen die Beteiligten, dass es sich nicht um einen Beitritt handelt, sondern um die Gründung einer neuen Partei mit eigener Qualität und Auftrag. Nahezu einhellig stimmten die Delegierten für die von den Präsidien vorgelegten Tagesordnungspunkte: Fusion, Name und Vorsitzender. Ein einsamer Streiter der PDL stimmte gegen die Vorschläge; einige wenige Enthaltungen wurden verzeichnet. Offensichtlich hatten im Vorfeld intensive Verhandlungen und Beratungen stattgefunden, denn diese Fusion ist keine Liebesheirat. Beide Parteien hatten beim letzten Kräftemessen mit der Regierungspartei des sozialdemokratischen Premierministers, den Wahlen zum Europäischen Parlament, empfindliche Verluste hingenommen. Beide Parteien hatten auch mit Abspaltungen zu kämpfen: Vor wenigen Monaten entstand aus der PDL die PMP (Partei der Volksbewegung). Sie hat bei den Europawahlen gut 6% der Stimmen erhalten, die mehrheitlich aus dem Wählerstamm der PDL kamen. Der aus der PNL ausgeschiedene unabhängige Kandidat Mircea Diaconu hat ebenfalls Stimmen in dieser Größenordnung mitgenommen. Insgesamt hat das Mitte-rechts-Spektrum bei den Europawahlen deutlich gegenüber dem linken Spektrum Rumäniens verloren; daher der Versuch, durch Einheit zu früherer Größe zurückzukehren. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Der rumänische Präsident wird unmittelbar durch die Bevölkerung gewählt. Persönliche Qualitäten und die Wahrnehmung durch die Bevölkerung spielen eine fast ebenso große Rolle wie die Parteizugehörigkeit. Der derzeitige sozialdemokratische Premierminister Viktor Ponta genießt laut einer aktuellen Umfrage mit über 35 % nahezu die gleichen „Vertrauenswerte“ wie Klaus Johannis – ein Kopf-an-KopfRennen der derzeit wahrscheinlichsten Präsidentschaftskandidaten zeichnet sich ab. Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Sonderbericht_Rumänien_27. Juli 2014 Die neue Partei PNL wird zunächst als Wahlallianz unter dem Namen Christlich-Liberale Allianz bei den Präsidentschaftswahlen im November 2014 antreten, weil die Zeit nicht mehr reicht, um die im rumänischen Wahlgesetz vorgesehenen Verfahren für die Beteiligung einer neuen Partei an den Wahlen einzuhalten. In den darauffolgenden Jahren wird die Partei zu einer „richtigen“ Partei zusammenwachsen, die dann an den Parlamentswahlen 2016 teilnehmen und nach dem Präsidenten auch die parlamentarische Mehrheit für das Mitterechts-Spektrum zurückgewinnen wird – so der Plan. Auch hierin liegt eine Chance der neuen Partei: Politische Parteien und Bewegungen in Rumänien sind bislang kaum durch programmatische Inhalte definiert. Vielerorts sind persönliche Vorlieben starker Führungsfiguren oder rechnerische Vorteile bei Koalitionsverhandlungen die entscheidenden Faktoren für das zum Teil erratische Verhalten von Parteien. Die (ehemalige) PNL war bis vor kurzem noch Mitglied in einer politischen Allianz mit den regierenden Sozialdemokraten. Auch im Europäischen Parlament ist die ideologische Verortung uneinheitlich: PNL-Abgeordnete sind Mitglieder sowohl in der Europäischen Volkspartei (EVP), als auch in der Allianz der Liberaldemokraten (ALDE). Auch der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP) Mario David unterstrich in seinem Grußwort daher die Richtigkeit der Entscheidung, durch eine Fusion der Parteien einen geeinten Block als Gegengewicht zu der sozialdemokratischen und sozialistischen Regierung vorzubereiten. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme Rumäniens ließen sich nachhaltig nur in engem Schulterschluss mit Europa und der Besinnung auf die Ideale der Sozialen Marktwirtschaft bewältigen. Nicht zuletzt die Nähe zur Republik Moldau und zu dem durch Russland geschürten Konflikt in Transnistrien verböten in Rumänien sozialistische Experimente; die Politik müsse auf den Boden solider wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung zurückfinden. Für die Projektarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung bedeutet die Gründung dieser neuen Partei eine Bestätigung der bisherigen Kooperation mit dem der PDL nahestehenden Think-Tank, dem Institut für Popularstudien ISP. In der Phase der Neuorientierung und interner Reorganisationsprozesse wird die Partei verstärkt auf Schulungsangebote, Positionspapiere und Know-how dieser Organisation zurückgreifen, und damit auch Themen wie innerparteiliche Demokratie, Frauen- und Jugendrepräsentation in der Partei sowie die inhaltliche und programmatische Ausgestaltung von Wahl- und Parteiprogrammen behandeln. Daniel Seiberling Auslandsmitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Bukarest, Rumänien IMPRESSUM Erstellt:27. Juli 2014 Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.V., Copyright 2014 Lazarettstr. 33, 80636 München Vorsitzende: Prof. Ursula Männle, Staatsministerin a.D., Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf Verantwortlich: Dr. Susanne Luther, Leiterin des Instituts für Internationale Zusammenarbeit Tel. +49 (0)89 1258-0 | Fax -359 E-Mail: [email protected], www.hss.de Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Sonderbericht_Rumänien_27. Juli 2014