8 Wechselwirkung mit Materie Das allgemeine Studium der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung mit Materie ist äusserst vielfältig und spannend. Dabei werden nicht nur Fragen aus dem täglichen Leben, wie, warum ist der Himmel blau, warum absorbiert Wasser Mikrowellen, beantwortet, sondern auch Fragestellungen und Anwendungen angegangen, die weniger augenfällig sind. Die Thematik der Wechselwirkung mit Materie von elektromagnetischer Strahlung, vom Röntgenbereich bis hin zum Radiobereich, ist einer der Forschungs-Schwerpunkte in Physik der Uni Bern und wird am Institut für angewandte Physik, IAP, praktiziert1 . Die Wechselwirkung kann durch verschiedene Parameter beschrieben werden, wie die Permeabilität, die Dielektrizitätskonstante oder den Brechungsindex. Es ist interessant, dass gerade in den letzten Jahren äusserst interessante Forschungsergebnisse publiziert wurden, die eigentlich mit dem klassischen Parameter, dem Brechungsindex zu tun haben. Es ist von verschiedenen internationalen Forschungsgruppen gezeigt worden, dass es Materialen gibt, die einen negativen Brechungsindex aufweisen. Bemerkenswert ist, dass Messungen dabei erstmalig im Mikrowellenbereich durchgeführt worden sind. Inwiefern es sich dabei um einen Aspekt handelt, der die moderne Optik revolutionieren kann, wird sich weisen2 . Ein Bild eines Materials mit negativer Permeabilität und negativer Permittivität zeigt Figur (8.1). Wir können in diesem Kapitel nicht die ganze Theorie der Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen und Materie behandeln. Es wird davon ausgegangen, dass Kenntnisse aus der Elektrodynamik vorliegen. Es wird denn auch eher eine zusammenfassende Präsentation geboten, allerdings mit einem Schwergewicht für Frequenzen im Mikrowellenbereich. Die Wechselwirkung von Licht im allgemeinen Sinne mit Materie kann auf zwei Ebenen behandelt werde: makroskopisch und mikroskopisch. 8.1 Makroskopische Betrachtungsweise Die Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie, mit Dielektrika, wird durch phänomenologische Parameter beschrieben, welche ausdrücken, wie das Material auf die einwirkenden Felder antwortet. Diese Parameter sind z.B. der Brechungsindex, die Leitfähigkeit, die Permittivität, die Permeabilität etc. 1 2 http://www.iap.unibe.ch Mehr zu diesem Thema findet sich z.B. auf http://physics.ucsd.edu/!drs/left home.htm 180 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.1: Material das gleichzeitig negatives ε und µ aufweist. 8.1.1 Maxwell-Gleichungen mit Materie Falls die kompletten Ladungs- und Stromverteilungen in einem Material bekannt sind, " > und so lassen sich die Felder bestimmen. Wir betrachten die gemittelten Felder < E " >: <B ! 1 " " " B) " dV < E; B >= (E; (8.1) ∆V ∆V d.h. die makroskopischen Felder. Die Klammern “< . >” werden im folgenden weggelassen. Wirkt ein elektrisches Feld E"0 auf ein Material, so werden sich die Ladungsverteilungen der Moleküle dieses Materials ausrichten, was zu einer Menge kleiner Dipolmomente p" führen wird. Bei N Molekülen führt dies zu einer sog. Polarisation, P P" = N "µ, (8.2) was zur Entstehung einer Oberflächenladungsdichte ˆ ρpol = −P" "n [Cb/m2 ] (8.3) führt. Betrachten wir z.B. als simples Beispiel einen Plattenkondensator, dessen Zwischenräume mit einem Dielektrikum gefüllt sind, so wird durch diese Oberflächenladungen 181 8 Wechselwirkung mit Materie ein Gegenfeld " ! = −ρpol /ε0 E (8.4) " " =E "0 + E "! = E "0 − P . E ε0 (8.5) generiert. Das totale Feld beträgt damit Dies führt zu einer Verkleinerung der Kapazität des Kondensators: " # P E0 C = C0 = C0 · 1+ . E0 − P ε0 ε0 E $ %& ' (8.6) Dielektrizitätskonstante Allgemein gilt: " · P" = −ρpol . ∇ (8.7) " " " ·E " = ρtotal = ρ − ∇ · P ∇ ε0 ε0 ε0 (8.8) In Anwesenheit von Materie werden die Maxwell-Gleichungen modifiziert. " ×E " = − ∂ B" und ∇ " ·B " = 0 bleiben unverändert, weil sie keine Die Gleichungen ∇ ∂t Aussagen über Ladungen oder Ströme machen. Wie steht es mit der letzten Gleichung? Falls sich die Polarisation P" als Funktion der Zeit ändert, so entsteht ein Strom mit der Stromdichte " " dP dl J" = N q"v = N q = . (8.9) dt dt Die totale Stromdichte setzt sich demnach zusammen aus J"total = J"pol + J"leit + J"magn , (8.10) wobei J"pol J"leit J"magn " : ∂∂tP : freie Ladungsträger : atomare “Ringströme”, magnetische Eigenschaften. Analog zur Polarisation bei einem elektrischen Feld, spricht man von Magnetisierung M als Konsequenz eines Magnetfeldes auf Materie: wobei " = Nm M " (8.11) " m " = AI (8.12) als magnetisches Moment bezeichnet wird. Es gibt verschiedene Klassen von Materialien, je nach dem wie das Magnetfeld wirkt: 182 8 Wechselwirkung mit Materie " -Paramagnetismus : inneres B-Feld leicht erhöht " -Ferromagnetismus: inneres B-Feld stark erhöht " -Diamagnetismus : inneres B-Feld leicht erniedrigt. Durch die induzierten Ringströme, entsteht eine magnetische Stromdichte " ×M " J"magn = ∇ und für die letzte Maxwell-Gleichung folgt damit ( ) " " ∂ E ∂ P " ×B " = µ0 ε 0 " ×M " + J"leit . ∇ + µ0 +∇ ∂t ∂t Damit sehen die Maxwell-Gleichungen mit Materie folgendermassen aus: ( ) " P ρ " · E "+ ∇ = ε0 ε0 " " ×E " = − ∂B ∇ ∂t ( ) * + " ∂ P " × B " − µ0 M " "+ ∇ = µ0 ε 0 E + µ0 J"leit ∂t ε0 " ·B " = 0. ∇ (8.13) (8.14) (8.15) (8.16) (8.17) (8.18) Häufig definiert man . " = " + P" D ε0 E und " . B " " = −M H µ0 (8.19) Damit lassen sich die Maxwell-Gleichungen eleganter schreiben, gleichzeitig geht aber " und B " und die Einsicht verloren. Wir haben nun also die makroskopischen Felder E " " resultierenden makroskopische Polarisation, resp. Magnetisierung, P und M in einen Zusammenhang gebracht. Was haben wir gewonnen? Alles scheint komplizierter! Es " und analog M " eine Funktion von B, " d.h. zeigt sich, dass P" eine Funktion ist von E " P" = f (E) " = g(B). " M (8.20) Der funktionale Zusammenhang ist durch das Material gegeben. Falls dieser bekannt ist, " eliminiert und die Maxwell-Gleichungen gelöst werden. Im allgemeinen können P" und M werden f und g sehr kompliziert sein. Wir machen folgende Annahme: Wir schliessen starke Felder aus und ebenso ferromagnetische Materialien. In diesem Fall gilt für lineare, isotrope Materialien " P" = αE " = β B. " M 183 (8.21) 8 Wechselwirkung mit Materie Damit wird aus den Maxwell-Gleichungen ein Set von linearen Differentialgleichungen und es gilt das Superpositionsprinzip. " Der oben postulierte Zusammenhang gilt nicht für beliebig schnell veränderliche E" und B-Felder. Letztlich macht sich die Trägheit der Elektronen bemerkbar. Damit hängt " zur Zeit t ab, sondern auch von den früheren Zeiten t! , d.h. von P" (t) nicht nur von E der Vorgeschichte! Damit ist α = α(t − t! ). Analoges gilt für die Magnetisierung. Die Polarisation zur Zeit t erhält man also durch Summation über alle früheren Zeitintervalle ∆t! : , " ! )∆t! . P" (t) = α(t − t! )E(t (8.22) t! Ersetzen wir das Summenzeichen durch ein Integral, so erhalten wir P" (t) = = !t t! =−∞ !∞ " ! ) dt! α(t − t! )E(t " − τ ) dτ α(τ )E(t wobei τ = t − t! . (8.23) τ =0 Das heisst, dass die Maxwell-Gleichungen sehr schwierig zu lösen sind, wenn ein zeitlich beliebig änderndes Feld wirkt. Zum Glück wird alles viel einfacher, wenn wir annehmen, " harmonisch variiere , d.h. E(t) " " dass E = E(x, y, z)eiωt . Damit wird " − τ ) = E(x, " E(t y, z)eiω(t−τ ) und " P" (t) = E(x, y, z)e $ %& ' iωt " E(t) so dass letztlich gilt !∞ τ =0 $ (8.24) α(τ )e−iωτ dτ , %& a(ω) " P" (t) = a(ω)E(t) " (t) = b(ω)B(t). " M (8.25) ' (8.26) Die Quintessenz ist somit, dass Materie, die einem schwachen harmonischen Feld (von beliebiger Frequenz) ausgesetzt ist, linear reagiert. Der Proportionalitätsfaktor a(ω) ist frequenzabhängig und meist komplex! Die Bestimmung von a(ω) kann aus dem Experiment oder aus der Theorie erfolgen, was uns dann zur mikroskopischen Betrachtungsweise führen wird. Aus historischen Gründen wird der Zusammenhang zwischen der Polarisation resp. der Magnetisierung und dem Feld etwas anders geschrieben, nämlich: " P" (t) = ε0 (εr (ω) − 1) E(t) . 1 1 " " M (t) = 1− B(t). µ0 µr (ω) 184 (8.27) (8.28) 8 Wechselwirkung mit Materie εr heisst dabei relative Permittivität und µr heisst relative Permeabilität. Man schreibt auch: " P" (t) = ε0 χe E(t) 1 χm " " (t) = χm B(t) " M = B(t) µ µ0 1 + χ m (8.29) (8.30) wobei χe elektrische Suszeptibilität und χm magnetische Suszeptibilität heisst. Es gilt auch ε = ε0 (1 + χe ) ε εr = = 1 + χe ε0 µ = µ0 (1 + χm ) µ µr = = 1 + χm µ0 (8.31) µ = µ0 µr (8.32) und wieder andere schreiben: ε = ε0 εr Alle diese Grössen sind im allgemeinen komplex! Für Materialien, die elektrisch leitend sind, gilt das Ohm’sche Gesetz: " J"leit (t) = σ(ω)E(t) mit σ(ω) als Leitfähigkeit des Materials. Damit lassen sich die Maxwell-Gleichungen schreiben: * + ρ " · εr E " ∇ = ε0 " " ×E " = − ∂B ∇ ∂t ( ) " " ∂E " × B " ∇ = µ0 ε 0 ε r + µ0 σ E µr ∂t " ·B " = 0. ∇ (8.33) (8.34) (8.35) (8.36) (8.37) " und B " werden einzig ausgedrückt durch die drei Materialeigenschaften εr , µr und E σ. Wir wollen noch einmal unsere Voraussetzungen in Erinnerung rufen. Falls εr , µr und " B " beliebig sein (z.B. auch ein Puls ist möglich). σ nicht von ω abhängen, dann kann E, " und B " von der Falls εr , µr und σ von ω abhängen, was sie meistens tun, dann muss E Form eiωt sein, damit (8.34) bis (8.37)gelten. Als Beispiel für die Frequenzabhängigkeit von εr sei hier eine kleine Zusammenstellung für einige Materialien gegeben, wie sie bereits 1954 tabelliert wurden.3 . 3 Daten aus A.v.Hippel, Dielectrics and Waves, Wiley, New York, 1954, reprint 1995, ExWiBibliothek TEA 149 resp. VTZ 201 185 8 Wechselwirkung mit Materie Material ν =102 Hz Glas Corning 0010 Glas Corning 0070 Marmor S-3030 Sand (2-18% feucht) Bakelite Bm-120 Polyethylen PVC (VG-5544) Plexiglas Polystyrene Styrofoam 103.7 Wasser T = 25◦ C Schnee frisch 6.68 4.00 15.6 3.23 5.50 2.25 7.72 3.40 2.56 1.03 - 103 Hz 105 Hz 108 Hz 1010 Hz 6.63 4.00 12.8 2.50 5.15 2.25 7.20 3.12 2.56 1.03 3.33 6.50 4.00 10.6 2.50 4.65 2.25 5.25 2.84 2.56 1.03 78.2 1.24 6.33 4.00 9.1 2.50 2.25 3.05 2.66 2.55 1.03 78 1.2 5.96 4.00 8.6 2.50 3.55 2.25 2.82 2.59 2.54 1.03 55 - 8.1.2 Dispersionsrelation Wir betrachten eine linear polarisierte Welle in einem uniformen Dielektrikum: " x = x̂E0x ei(ωt−kz) , E " y = ŷB0y ei(ωt−kz) B (8.38) Falls sich die Welle im Vakuum ausbreiten würde, so wissen wir, dass εr = µr = 1, so dass gilt B0y √ 1 = µ0 ε 0 = . (8.39) E0x c Bei Anwesenheit eines Dielektrikums sieht es etwas anders aus. Wir setzen (8.38) in die Maxwell-Gleichungen (8.35) und (8.36) (Rotationsgleichungen) ein, führen die Ableitungen durch und erhalten einerseits B0y k 1 = = E0x ω vP hase (8.40) und andererseits den wichtigen Zusammenhang k 2 = ω 2 µ0 ε0 µr εr − iωµ0 µr σ. (8.41) genannt Dispersionsrelation. Falls εr , µr und σ bekannt sind, dann ist auch das Verhalten der Welle bekannt. Man sieht unmittelbar, dass k komplex ist: k = kr − iki oder k = k ! + k !! . (8.42) Oft trifft man auch eine andere Schreibweise an, nämlich ik = ki + ikr ≡ γ = α + iβ. 186 (8.43) 8 Wechselwirkung mit Materie Damit ist z.B. E = E0 eiωt−γz = E0 ei(ωt+iγz) = E0 ei(ωt−kz) . (8.44) Aus der Dispersionsrelation (8.41) erhalten wir ω 2 ε r µr c2 2kr ki = ωµ0 µr σ. kr2 − ki2 = (8.45) (8.46) Aufgelöst für den Imaginär- und den Realteil von k, folgt kr = ki = ω c ω c / / 3 1/2 .2 41/2 ε r µr σ 1+ +1 2 ωε0 εr 3 1/2 .2 41/2 ε r µr σ 1+ −1 . 2 ωε0 εr Falls σ = 0 ist ki = 0 und kr = ist ω√ ε r µr c εr = wobei n = 8 (8.47) →α (8.48) und es ist k 2 = ω 2 µ0 ε0 εr µr . Falls µr ≈ 1, dann ω 2 εr c2 (8.49) c2 k 2 c2 = = n2 ω2 vP2 hase (8.50) k2 = und →β εr der Brechungsindex ist. Man könnte meinen, dass die Absorption elektromagnetischer Wellen in einem Dielektrikum einzig von der Leitfähigkeit σ abhangen würde, da ja ki = 0 für σ = 0. Da in einem Dielektrikum eine Welle trotz σ = 0 gedämpft wird, muss ki (= 0 sein. Das ist dann möglich, wenn εr und µr komplex sind: ε = ε! − iε!! µ = µ! − iµ!! . Auch der Brechungsindex ist dann komplex 8 8 n = n! − in!! = εr = ε!r − iε!!r . (8.51) (8.52) (8.53) Zusammengefasst gilt für die Real- und Imaginärteile von ε und n (unter der Annahme, 187 8 Wechselwirkung mit Materie dass µ = µ0 ) ε! = n!2 − n!!2 ε0 ε!! = = 2n! n!! ε 90 8 !!2 ! ε!2 r + εr + εr = 2 98 !!2 ! ε!2 r + εr − εr = . 2 ε!r = (8.54) ε!!r (8.55) n! n!! (8.56) (8.57) (8.58) Es ist auch üblich ε in polarer Form zu schreiben, nämlich: ε = ε̂e−iδ = ε̂ cos δ − iε̂ sin δ (8.59) mit ε!! ε! 8 ε̂ = ε! 2 + ε!! 2 . tan δ = (8.60) (8.61) Man bezeichnet tan δ als Verlusttangens (engl. loss tangens). Als Beispiel sind in Figur (8.2) einige Werte für die Dielektrizitätskonstante und den Verlusttangens tabelliert. Dämpfung in einem Dielektrikum kommt aber letztendlich dadurch zu Stande, dass die oszillierenden Ladungen Reibungsverluste erleiden. Damit wir dies sehen, müssen wir eine mikroskopische Betrachtungsweise einnehmen. Wir werden dann auch verstehen, wie dieser Effekt von der Frequenz abhängt, womit dann ein Bezug zum Mikrowellenbereich gegeben ist. 8.2 Mikroskopische Betrachtungsweise " Vom makroskopischen Standpunkt aus betrachtet, haben wir gesehen, dass P" und M das elektrische resp. das magnetische Dipolmoment pro Einheitsvolumen darstellen. Es gilt gemäss (8.27) " P" = ε0 (εr − 1)E. (8.62) Mikroskopisch betrachtet, entstehen diese Momente als Summe von Einzelmomenten. Dabei spielen drei molekulare Parameter eine Rolle: N α "! E : Teilchenzahl : Polarisierbarkeit : lokales elektrisches Feld 188 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.2: 189 8 Wechselwirkung mit Materie Die Polarisation ist so " !. P" = N αE (8.63) " (= E " ! wegen der Polarisierung des umliegenden elektrischen MediNormalerweise ist E ums. Es muss korrekterweise das lokale elektrische Feld am Ort betrachtet werden. Zur Polarisierbarkeit α tragen vier Mechanismen bei, wie das auch Figur (8.3) darstellt. α = αe + αa + αd + αs Ohne Feld (8.64) Mit Feld E induzierte Dipolmomente Atomare Polarisation Orientierungspolarisation Ausrichtung permanenter Dipolmomente .. gebundene Ladungstrager Elektronische Polarisation - Raumladungspolarisation .. freie Ladungstrager Abbildung 8.3: Polarisierbarkeit von Materie Wir wollen nun verschiedene Modelle diskutieren. 8.2.1 Lorentz-Modell Lorentz entwickelte ein klassisches Modell, in dem die Ladungsträger, d.h. die Elektronen oder Ionen, als simple harmonische Oszillatoren behandelt werden, die durch ein " =E " 0 eiωt zum Schwingen angeregt werden. Als mikroskoangelegtes elektrisches Feld E pisches Modell betrachten wir somit eine Ansammlung von identischen, unabhängigen, 190 8 Wechselwirkung mit Materie isotropen Oszillatoren. Später werden wir auch unterschiedliche Oszillatoren zulassen. Die Bewegungsgleichung eines Oszillators ist dann q "r¨ + β"r˙ + ω02"r = E"0 eiωt . m : (8.65) Dabei ist ω0 = K die Oszillationsfrequenz und K die zugehörige “Federkonstante”. β m ist ein Reibungskoeffizient. Die Differentialgleichung wird gelöst durch "r = (ω02 q/m " 0 eiωt . E 2 − ω ) + iβω (8.66) " ist im allgemeinen komplex. Der Proportionalitätsfaktor zwischen "r und dem Feld E Das bedeutet, dass die Verschiebung und das Feld normalerweise nicht in Phase sind. " Wir können die Verschiebung auch schreiben als Aeiθ qmE , wo A= ; und 1 (ω02 − 2 ω2) θ = arctan + ω02 β 2ω2 <1/2 βω . − ω2 (8.67) (8.68) Den Zusammenhang zwischen Amplitude und Phase zeigt Figur (8.4a). Das induzierte Dipolmoment eines Elektrons beträgt dann mit der Auslenkung gemäss (8.66) p" = q"r (8.69) und damit beträgt die Polarisation von N Elektronen mit unterschiedlichen Resonanzfrequenzen ω0i und N fi Elektronen pro Resonanzfrequenz , P" = N fi p"i , (8.70) i so dass P" = , i N fi (q 2 /m) " E. 2 ω0i − ω 2 + iβi ω (8.71) " Durch Gleichsetzen mit (8.71) erhält man Andererseits ist P" = ε0 (εr (ω) − 1) E. n2 (ω) = εr (ω) = , N fi (q 2 /mε0 ) k 2 c2 = 1 + . 2 ω2 ω0i − ω 2 + iβi ω i (8.72) Der Brechungsindex ist komplex, d.h. die Welle wird gedämpft. Die Intensität nimmt !! mit e−(2ωn /c)z ab. Die Grösse 2ωn!! /c entspricht einem Absorptionskoeffizienten. Für Gase ist εr ≈ 1, das bedeutet n= 8 8 1 εr = 1 + (εr − 1) ≈ 1 + (εr − 1) 2 191 (8.73) 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.4: (a) Amplitude und Phase eines Oszillators im Lorentz-Modell (b) ε! und ε!! für eine spezifische Resonanzfrequenz. und damit 1 n! = (1 + ε!r ) 2 so dass gilt n! = 1 + , N fi q 2 i n!! = 2 ω0i − ω2 2 2mε0 (ω0i − ω 2 )2 + (βi ω)2 , N fi q 2 i 1 n!! = ε!!r , 2 2 2mε0 (ω0i βi ω . − ω 2 )2 + (βi ω)2 (8.74) (8.75) (8.76) Diese Gleichungen erklären Phänomene wie anomale Dispersion und Resonanzabsorption. Es lohnt sich zu überlegen, wie man von diesen klassischen Überlegungen zum Absorptionskoeffizienten, wie er in der Spektroskopie hergeleitet wurde, kommt. Die Dämpfung ist maximal für ω = ω0 . Ferner ist n! <1 für ω > ω2 192 8 Wechselwirkung mit Materie n! dn! dω >1 <1 für ω < ω1 für ω1 < ω < ω2 → anomale Dispersion: kurze Wellen werden weniger gebrochen Wenn wir nur eine Resonanzfrequenz betrachten, so wird (8.72) zu N (q 2 /mε0 ) εr (ω) = 1 + 2 = ε!r − iε!!r 2 ω0 − ω + iβω (8.77) (8.74) wird zu n! = 1 + ωp2 (ω02 − ω 2 ) (ω02 − ω 2 )2 + (βω)2 (8.78) n!! = ωp2 βω . − ω 2 )2 + (βω)2 (8.79) und (8.75) wird zu (ω02 Dabei haben wir definiert ωp2 = N q2 . mε0 (8.80) Man nennt ωp Plasmafrequenz. Analog können wir auch Ausdrücke schreiben für ε!r und ε!!r : ε!r ε!!r ωp2 (ω02 − ω 2 ) = 1+ 2 (ω0 − ω 2 )2 + (βω)2 βω = ωp2 2 . (ω0 − ω 2 )2 + (βω)2 (8.81) (8.82) Das Verhalten von ε! und ε!! als Funktion von ω zeigt Figur (8.4b). Für ω ) ω0 ist ε!r ε!!r ωp2 ≈ 1− 2 ω βωp2 ≈ . ω3 (8.83) (8.84) Der Realteil der Dielektrizitätskonstante nähert sich eins von unten, wogegen der Imaginärteil gegen Null geht mit 1/ω 3 . Die zugehörigen Komponenten des Brechungsindex sind 8 ωp2 ε!r ≈ 1 − 2 2ω 2 !! βω ε p ≈ r ≈ . 3 2 2ω n! ≈ (8.85) n!! (8.86) 193 8 Wechselwirkung mit Materie Für ω * ω0 ist ωp2 ω02 βωp2 ω . ≈ ω04 ε!r ≈ 1 + (8.87) ε!!r (8.88) ε!!r hat ein Maximum für ω = ω0 , d.h. das Material weist die grössten Verluste bei Resonanz auf. Falls das Material mehrere Resonanzen hat, dann gibt es mehrere Maxima (z.B. Wasserdampf). Zwischen ε!r (ω) und ε!!r (ω) besteht ein Zusammenhang, der durch die Kramers-Kronig Relationen gegeben ist ε!r (ω) 2 =1+ π !∞ ω ! ε!!r (ω ! ) ! dω ω!2 − ω2 (8.89) 1 − ε!r (ω ! ) ! dω . ω!2 − ω2 (8.90) 0 ε!!r (ω) 2ω = π !∞ 0 Es ist also möglich das Verhalten entweder von ε!r oder von ε!!r für irgend eine Frequenz voraus zu sagen, falls die andere Grösse bei allen Frequenzen bekannt ist. 8.2.2 Zusammenhang zwischen der klassischen und der quantenmechanischen Betrachtungsweise Unsere Betrachtungen waren im Prinzip rein klassisch. Es besteht allerdings ein Zusammenhang zu der quantenmechanischen Betrachtung, wenn wir einige Grössen etwas anders interpretieren. Klassisch ist ω0 die Resonanzfrequenz eines simplen harmonischen Oszillators. Quantenmechanisch betrachtet, entspricht eine mögliche Frequenz ω0i dem Energieunterschied von einem unteren Zustand zu einem oberen Energiezustand (dividiert durch !). Klassisch entspricht dem Faktor β ein Dämpfungsfaktor, wogegen quantenmechanisch dies der Wahrscheinlichkeit für einen Übergang zu irgend einem anderen Zustand entspricht. Die Oszillatorenstärke fi letztlich entspricht der Übergangswahrscheinlichkeit vom Zustand i auf j. 8.2.3 Dämpfung und Eindringtiefe Wie bereits erwähnt hängt die Dämpfung einer Welle mit dem Imaginär-Teil des Brechungsindex resp. der Dielektrizitätskonstante zusammen. Für den Brechungsindex gilt n(ω) = n! − in!! = c kc = (kr − iki ). ω ω 194 (8.91) 8 Wechselwirkung mit Materie Für ein harmonisches Feld ist somit E = E0 ei(ωt−kz) !! − ωnc z “ ” ! i ωt− ωn z c = E0 e$ %& ' e . (8.92) Dämpfung Man sieht, dass die Amplitude mit der Distanz exponentiell abnimmt, und zwar auf 1/e in der Distanz z0 = ωnc !! . Dies ist schematisch in Figur (8.5) dargestellt. E e -( ! n/c)z z Abbildung 8.5: Gedämpfte Welle Die Intensität der Welle ist proportional zu E 2 , d.h. ∝ e− wir für den Absorptionskoeffizienten α der Intensität4 α= 2ωn!! z c 2ωn!! . c = e−αz . Dabei erhalten (8.93) Den Kehrwert von α bezeichnet man als die Eindringtiefe (für die Intensität), δ = α1 . Wir können den Absorptionskoeffizienten auch ausdrücken mit dem Imaginär-Teil von k: α = 2ki 3 1/2 / .2 41/2 ω ε r µr σ ki = 1+ −1 c 2 ωε0 εr (8.94) (8.95) Die Eindringtiefe für das Feld bezeichnet man auch als skin depth, sie beträgt δ ! = 1/ki . 4 Beachte: α(Np/m) = 1 8.68 α(dB/m) 195 8 Wechselwirkung mit Materie Millimeterwellen Propagations Modell: MPM Als kleine Anwendung zum Thema Brechungsindex und Dämpfung sei das Millimeterwave Propagation Model von H.Liebe erwähnt5 . Dieses Modell berechnet bei vorgegebenen atmosphärischen Grössen, wie Druck, Temperatur und relative Feuchte6 , die Parameter Brechungsindex, Dämpfung und die Signalverzögerung. Das Modell von H.Liebe steht als Matlab-Programm auf der webpage zur Vorlesung7 unter Matlab-Prozeduren zur Verfügung. Man findet dort auch eine Gebrauchsanweisung, wie das Modell zu verwenden ist. Möchte man z.B. die Dämpfung in dB/km im Frequenzbereich von 50GHz bis 120GHz berechnen, bei einem Luftdruck von 950hPa und einer Temperatur von 20C und einer relativen Luftfeuchte von 80%, so gibt man folgenden Befehl ein: x=mpm93(50:120,950,20,80,0,0,0,’att’) Die Dämpfung für trockene Luft resp. für Wasserdampf findet man dann unter: x.ND resp. x.NV. Eine graphische Darstellung der gesamten Dämpfung liefert dann z.B. plot(50:120, x.NV+x.ND) wie das Figur (8.6) zeigt. Abbildung (8.7) und (8.8) aus 15 10 5 0 50 60 70 80 90 100 110 120 Abbildung 8.6: Dämpfung in dB/km als Funktion der Frequenz in GHz berechnet mit MPM93 dem Bericht von H.Liebe illustrieren die Zusammenhänge zwischen den Wechselwirkungsgrössen und der Frequenz sehr schön. H.J.Liebe, G.A.Hufford, and M.G.Cotton: Propagation Modeling of Moist Air and Suspended Water/Ice Particles at Frequencies Below 1000 GHz. In AGARD 52nd Specialists’ Meeting of the Electromagnetic Wave Propagation Panel, Mallorca, Spain, May 1993 6 aktuelle Meteo Parameter für Bern findet man z.B. unter http://meteo.iapmw.unibe.ch/ 7 http://www.iapmw.unibe.ch/teaching/vorlesungen/mikrowellenphysik 5 196 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.7: 197 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.8: 198 8 Wechselwirkung mit Materie 8.2.4 Dichtes Medium (fest oder flüssig) Die oben hergeleitete Beziehung für εr (ω) resp n(ω) gilt nicht für ein dichtes Medium. " auf ein Atom muss auch die Anteile durch die Nachbaratome zum E-Feld " Das Feld E ! " einschliessen. Es stellt sich die Frage, wie gross das Feld E in einem fiktiven “Loch” in einem Dielektrikum ist. Das fiktive Loch sei an der Stelle des betrachteten Atoms. Man " ! gilt kann zeigen, dass für das lokale Feld E " "! = E "+ P . E 3ε0 (8.96) Dieses Feld heisst lokales Mosotti-Feld. Mit folgt " P" = ε0 (εr − 1)E (8.97) " " ! = E (εr + 2). E 3 (8.98) Es gilt aber auch " P" = N αE wobei N : Anzahl Teilchen pro Einheitsvolumen, N = NA ρ M NA : Avogadrozahl M : Molekulargewicht Daraus folgt NA α εr − 1 M n2 − 1 M = = 2 = konstant. (8.99) 3ε0 εr + 2 ρ n +2 ρ Man nennt dies die Clausius-Mosotti-Lorentz-Lorenz-Gleichung. Der rechte Teil der Gleichung besagt, dass wenn man von einem Medium den Brechungsindex n1 bei der Dichte ρ1 kennt, der Brechungsindex n2 bei einer anderen Dichte ρ2 bestimmt werden kann. Der bezeichnete Zusammenhang gilt sogar dann noch, wenn das Medium in zwei verschiedenen Aggregatzuständen vorliegt. " durch E " ! , so erhält man Ersetzt man in (8.71) E ( ) ( ) , N fi (q 2 /m) " " P P "+ "+ P" = E =χ E . (8.100) 2 2 + iβ ω ω − ω 3ε 3ε0 i 0 0i i χ ist hier lediglich eine Abkürzung für die Summe. Aufgelöst nach P" erhält man χ " = ε0 (εr − 1)E (8.101) P" = 1 − (χ/3ε0 ) was einmal mehr zeigt, dass die Polarisation proportional dem elektrischen Feld ist. Löst man diese Gleichung nach ε auf und bedenkt, dass ε = n2 , so erhält man schliesslich, wenn der Ausdruck für χ wieder eingesetzt wird n2 − 1 1 1 , N fi (q 2 /mε0 ) = χ = . (8.102) 2 n2 + 2 3 3 i ω0i − ω 2 + iβi ω 199 8 Wechselwirkung mit Materie Für Gase ist n2 ≈ 1, damit erhält man n2 = 1 + , N fi (q 2 /mε0 ) , 2 2 + iβ ω ω − ω i 0i i (8.103) was aber dem Brechungsindex eines dünnen Mediums entspricht (vgl. (8.72)). 8.2.5 Relaxations-Modell von Debye Bisher betrachteten wir Medien ohne permanente Dipolmomente. Liegen permanente " Dipole vor, wie z.B. in Wasser, so versuchen sich diese bei einem angelegten E-Feld auszurichten. Dabei werden sie durch thermische Bewegung gestört, d.h. die rücktreibende “Kraft” ist die statistische Tendenz nach beliebiger Ausrichtung. Dies ist ein völlig anderer Ansatz als im Lorentz-Modell vorher. Diese rücktreibende Kraft führt nicht zu einer Oszillation. Es ist eher so als wären permanente Dipole übergedämpft, im Gegensatz zum Lorentz-Modell, wo wir untergedämpfte Oszillatoren haben. Weil polare Moleküle zum Gleichgewicht relaxieren, nennt man diese Polarisation auch Relaxation. Die erste Arbeit zu diesem Thema stammt von Debye und entsprechend spricht man von Debye Relaxation. Da viele Flüssigkeiten aus polaren Molekülen bestehen, spielt die Relaxation durch molekulare Rotation eine wichtige Rolle für die Beschreibung des optischen Verhaltens dieser Flüssigkeiten, speziell im Mikrowellenbereich. Aber auch Festkörper zeigen ein ähnliches Verhalten. Die Rückkehr ins Gleichgewicht ist im Lorentz-Modell und im Debye-Modell sehr unterschiedlich. Wir betrachten ein polarisiertes Medium, bei dem das polarisierende " elektrische Feld plötzlich abgeschaltet wird. Beim “Abschalten” des E-Feldes erfolgt im Lorentz-Modell eine gedämpfte Schwingung, so dass für die Polarisation PL (t) zur Zeit t gilt PL (t) = PL (0)e−βt cos(ω0 t). (8.104) Beim Debye-Modell wird die Polarisation PD (t) zur Zeit t PD (t) = PD (0)e−t/τ . (8.105) Es erfolgt eine Relaxation zu Null mit der Zeitkonstante τ . τ heisst Relaxationszeit. Die Relaxationszeit von polaren Molekülen ist stark temperaturabhängig. Debye zeigte, dass für eine Kugel mit Radius a in einer Flüssigkeit der Viskosität η gilt: 4πηa3 τ= kT (8.106) Der Zähler in (8.106) stammt von der Viskosität, der Nenner von den thermischen Stössen. Eine höhere Temperatur T verkleinert die Viskosität in einer Flüssigkeit und verstärkt die thermischen Bewegungen, so dass sich die Relaxationszeit verkürzt. Für Wasser ist η = 0.01 Poise und a = 10−10 m und somit wird τH2 O ≈ 0.3 ∗ 10−10 s was einer Frequenz im Mikrowellenbereich entspricht. 200 8 Wechselwirkung mit Materie Wir wollen nun einen Zusammenhang zwischen der Polarisation und dem elektrischen Feld für ein Medium aus polaren Molekülen untersuchen. Dies wird uns schliesslich aufzeigen, wie die Dielektrizitätskonstante von der Frequenz abhängt. Wir betrachten ein elektrisches Feld E0 , das zur Zeit t0 eingeschaltet wird. Dies ist schematisch in Figur (8.9) dargestellt. Es wird Beiträge zur Polarisation geben, die E P P(00) E0 P(t0 ) t0 t t t0 Abbildung 8.9: Schematische Darstellung der Polarisation, die als Folge eines elektrischen Feldes entsteht, welches zur Zeit t0 eingeschaltet wird. von den Elektronen stammen, von den Gitterionen und von den permanenten Dipolen. Wir nehmen an, dass die Antwort der Dipole auf das schlagartig eingeschaltete Feld langsamer sein wird, als etwa für die Elektronen, für welche die Antwort als instantan betrachtet werden kann. Für die Polarisierbarkeit gilt also α = αe + αa + αd . $ %& ' $%&' (8.107) P (t0 ) = ε0 χ0v E0 (8.108) sofort langsam Wenn das Feld zur Zeit t0 eingeschaltet wird, so entsteht unmittelbar eine Polarisation und mit zunehmender Zeit wird schliesslich der Wert P (t → ∞) = ε0 χ0d E0 (8.109) erreicht. Dabei ist χ0v die Suszeptibilität für Frequenzen, die klein gegenüber den Gitterschwingungen sind, und welche klein gegenüber den elektronischen Frequenzen sind. χ0d ist die Suszeptibilität für Frequenzen, die tiefer liegen als die Dipolfrequenzen, also eigentlich die statische Suszeptibilität. Nehmen wir nun einen exponentiellen Ansatz von Debye mit e−t/τ , so können wir für die zeitabhängige Polarisation schreiben P (t) = P (∞) − Ce−(t−t0 )/τ (t > t0 ). (8.110) Die Konstante C kann man aus der Bedingung lim P (t) = P (t0 ) (8.111) C = P (∞) − P (t0 ) = P (t0 ) (χ0d − χ0v ) /χ0v . (8.112) t→t0 bestimmen, so dass 201 8 Wechselwirkung mit Materie Setzen wir nun dieses C in (8.110) ein und stellen noch etwas um, so erhalten wir P (t) = P (∞) − [P (∞) − P (t0 )] e−(t−t0 )/τ = .... = = > = ε0 χ0v E0 + ε0 (χ0d − χ0v ) 1 − e−(t−t0 )/τ . $ %& ' $ %& ' Beitrag durch Ionen (8.113) Beitrag durch permanente Dipole, Pd (t) E-Feld E-Feld Man kann ein beliebiges E-Feld auch durch Stufen darstellen. Wir betrachten ein Beispiel mit zwei Stufen. Im ersten Fall wird das Feld der Stärke 2E1 zur Zeit t0 eingeschaltet, und zur Zeit t1 wird es schlagartig auf den Wert E1 gebracht. Im zweiten Fall wird das Feld zur Zeit t0 auf den Wert E1 /2 gebracht und dann zur Zeit t1 ebenfalls auf den Wert E1 . Das Vorgehen ist in Figur (8.10) dargestellt. Es ist klar, dass in den bei- E1 t t0 t1 t t0 t1 t t0 t1 t Polarisation t1 Polarisation t0 E1 Abbildung 8.10: Beispiel mit zwei Stufen den Fällen die Polarisation unterschiedlich sein wird. Die Polarisation zur Zeit t hängt von der Geschichte ab. Wir nehmen an, dass die Polarisation zu irgend einer Zeit sich schreiben lässt lim P (t) = Pd (t1 ) + ε0 χ0v E1 . (8.114) t→t1 Es ist somit = > P (t) = ε0 χ0v E1 + ε0 (χ0d − χ0v ) E1 1 − e−(t−t1 )/τ = > +ε0 (χ0d − χ0v ) E0 e−(t−t1 )/τ − e−(t−t0 )/τ t > t1 . (8.115) Dieser Ausdruck kann noch etwas umgeschrieben werden, so dass P (t) = ε0 χ0v E1 + ε0 (χ0d − χ0v ) !t t0 202 d * −(t−t! )/τ + ! E(t ) ! e dt . $dt %& ' ! Green-Funktion (8.116) 8 Wechselwirkung mit Materie Dieser Zusammenhang gilt für eine beliebige Anzahl Stufen, nicht bloss zwei. Es gilt sogar für irgend einen Feldverlauf, da dieser durch beliebig viele Stufen angenähert werden kann. Eine Beschreibung mittels Stufen, resp. Impulsen, erfolgte zuerst durch Green und man nennt deshalb den Exponentialfaktor unter dem Integral mit dem E(t! ) multipliziert wird auch Green-Funktion. Der erste Term in (8.116) entspricht den Gitterschwingungen und folgt dem Feld unmittelbar. Der zweite Teil ist die Antwort der Summe aller langsamen Dipole. Um nun die Frequenzabhängigkeit der Suszeptibilität χ(ω) zu erhalten, müssen wir untersuchen, wie ein Feld E = E0 eiωt sich auswirkt. Wir setzen ein und erhalten P (t) = ε0 χ(ω)E0 eiωt iωt = ε0 χ0v E0 e + ε0 (χ0d − χ0v ) !t ! E0 eiωt −∞ d * −(t−t! )/τ + ! e dt dt! (8.117) Als Lösung erhält man χ = χ0v + ∆ 1 + iωτ mit ∆ = χ0d − χ0v (8.118) Wir schreiben an Stelle von χ0d neu χs was gilt, wenn ω → 0 d.h. statisch, und für χ0v neu χ∞ was andeutet ω → ∞. Damit folgt nun für εr resp. ε = ε0 εr : ε = ε∞ + εs − ε∞ 1 + iωτ (8.119) εs − ε∞ (8.120) 1 + ω2τ 2 ωτ (εs − ε∞ ) ε!! = (8.121) 1 + ω2τ 2 Diese Gleichungen werden als Debye-Relationen bezeichnet. Man kann zeigen, dass auch ε! und ε!! die Kramers-Kronig-Relationen erfüllen. Ferner ist ersichtlich, dass ε!! maximal wird für ω = 1/τ und sich ähnlich verhält wie beim Lorentz-Oszillator. Der Realteil verhält sich aber ganz anders. Er hat kein Maximum und kein Minimum, sondern ε! fällt monoton von εs zu ε∞ ab. Der starke Abfall findet für ω = 1/τ statt. Bei tiefen Frequenzen folgen die Dipole problemlos dem elektrischen Feld, und die dc-Dielektrizitätskonstante kann recht gross sein. Für hohe Frequenzen können die Dipole dem Feld nicht mehr folgen. Damit geht ε! auf einen Wert, der die Dipole nicht berücksichtigt. Die Debye-Relationen (8.119), (8.120) und (8.121) sind besonders wichtig, um die grossen Dielektrizitätswerte von polaren Flüssigkeiten zu beschreiben, wie z.B. von Wasser. Figur (8.11) zeigt die Frequenzabhängigkeit von ε! und ε!! für Wasser. Man sieht, dass das Maximum für ε!! bei einer Wellenzahl von ca. 0.75cm−1 liegt, was einer Frequenz von rund 22GHz entspricht. Diese Frequenz ist uns bereits im Kapitel über Spektroskopie begegnet. Brechungsindex und die Dielektrizitätskonstante sind gemäss (8.54) miteinander ε! = ε∞ + 203 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.11: Abbildung 8.12: Brechungsindex und Eindringtiefe von Wasser 204 8 Wechselwirkung mit Materie verknüpft. Figur (8.12) zeigt das Verhalten vom Real- und Imaginärteil des Brechungsindex für Wasser, zusammen mit der Eindringtiefe, als Funktion der Frequenz. Wir wollen nun noch betrachten, wie sich Wasser in der festen Form, d.h. als Eis verhält. Man würde annehmen, dass beim Phasenübergang von Wasser zu Eis die Viskosität sprunghaft zunimmt, da die Moleküle auf einmal kaum mehr beweglich sind. Damit erwartet man eine wesentlich längere Relaxationszeit. Damit sinkt auch die Frequenz, bei der ε!! maximal wird. Das ist auch tatsächlich der Fall. Das dielektrische Verhalten von Eis im Mikrowellenbereich ist völlig anders als das von Wasser! Figur (8.13) zeigt wie sich die Relaxationszeit als Funktion der Temperatur von Wasser und Eis verhält. Die riesige Diskontinuität beim Phasenübergang ist evident. Schliesslich zeigt Figur (8.14) deutlich Abbildung 8.13: Relaxationszeit und Debye-Parameter von Wasser das unterschiedliche Verhalten von ε! und ε!! von Wasser und Eis. Die Absorption von 205 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.14: Dielektrizitätskonstante von Wasser und Eis. Strahlung wird, wie wir wissen, durch ε!! beschrieben. Es ist also klar, dass Eis vorallem bei einer Frequenz von einigen kHz absorbiert. Da Mikrowellenöfen bei einer Frequenz von rund 2.4GHz arbeiten, ist diese Frequenz denkbar schlecht geeignet, um Eis durch die Absorption von Mikrowellen zu schmelzen. Das Auftauen von Gefrorenem beruht auf der Tatsache, dass sich auf dem gefroreren Objekt, beispielsweise durch das Berühren mit der warmen Hand, Zonen von Flüssigwasser bilden, welches natürlich Mikrowellen stark absorbiert und sich dabei erhitzt. Durch Wärmeleitung wird dann immer mehr des gefrorenen Gutes angetaut und kann weiter Mikrowellen absorbieren. Damit sich aber nicht etwa sog. hot spots“ bilden, darf die ” Mikrowellenstrahlung nicht zu stark sein. Das wird so erreicht, dass bei der Auftaustufe des Ofens eine viel geringere Leistung abgegeben wird, oder dass die Leistung sogar mehrheitlich auf Null fällt. Absorption wäre maximal bei rund 22GHz. Dort ist aber die Eindringtiefe sehr gering. Dies ist aber bei einem Mikrowellenofen nicht gewünscht. Die Frequenz muss also tiefer liegen. Die gewählte Frequenz ist eine für industrielle Zwecke freigegeben Frequenz, bei rund 2.4GHz. 8.3 Allgemeiner Zusammenhang zwischen ε. und ε.. Zum Schluss wollen wir noch einmal festhalten, dass der Realteil und der Imaginärteil der Dielektrizitätskonstanten ε nicht voneinander unabhängig sind. Wir haben dies für das Lorentz- und das Debye-Modell gezeigt. Der Zusammenhang der beiden Grössen wird durch die Kramers-Kronig Relationen (8.89) und (8.90) gegeben. Eine graphische schematische Darstellung zeigt Figur (8.15). ε! (ω) wird bestimmt durch das Verhalten von ε!! bei allen Frequenzen. Angenommen !! ε = 0 für alle ω (ideale Tarnkappe), dann ist aber ε! = 1, d.h. Vakuum. Es ist nicht möglich, dass entweder ε! oder ε!! unabhängig von ω ist. Für grosse Frequenzen geht ε! gegen eins, d.h. limω→∞ ε! (ω) = 1. Für tiefe ω tragen alle Mechanismen bei, d.h. elektrische, vibratorische und Dipol-Effekte, und zwar mit dem tiefstfrequenten am stärksten. 206 8 Wechselwirkung mit Materie Abbildung 8.15: Dielektrisches Verhalten eines idealen Nichtleiters 207