Praxistipp

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Praxistipp zur Ringeltaube
Schichtarbeit und Babynahrung
Die Ringeltaube ist fast allgegenwärtig und
gilt als „die Wildtaube“ schlechthin. Vormals
noch ein scheuer Waldbewohner, begegnet sie
uns längst in großer Zahl auch als Brutvogel in
Siedlungen und am Rande von Großstädten.
Jetzt im November beginnt die Jagdzeit auf diesen extrem anpassungsfähigen
Kulturfolger. Dr. Claudia Gangl erklärt die Biologie der Ringeltaube und zeigt die
jagdlichen Möglichkeiten auf.
Dr. Claudia Gangl ist DiplomBiologin und Jägerin, Falknerin und Fischerin. In der BJVGeschäftsstelle ist sie unter
anderem für den Fachbereich
Wildbiologie zuständig.
M
an könnte fast ein
bisschen neidisch
werden, wenn man
Bilder einer erfolgreichen
Taubenjagd aus Nord- oder
Ostdeutschland sieht. Gigantische Strecken werden da
erzielt – Strecken, von denen wir hier in Bayern nur
träumen. Sind doch oftmals
hierzulande, wenn die Jagd
auf Ringeltauben aufgeht,
nur wenige dieser Vögel zu
sehen. Im Sommer aber, im
Juli und August, wenn Ringeltauben keine Jagdzeit haben, fallen Schwärme von
Tauben über Felder und Kulturen her. Dann entstehen
die spürbaren Schäden. Zur
Abwehr und zur Vermeidung von solchen Wildschäden kann es vereinzelt notwendig werden, die Jagd auf
junge Ringeltauben mittels
Einzelanordnungen durchzusetzen, vor allem wenn
Jungtauben in großer Zahl
etwa ab Juli auftreten.
Große Schäden werden nur
durch Taubenschwärme verursacht, deshalb soll der Abschuss auf Schwarmtauben
beschränkt bleiben.
Bei Schwarmtauben handelt
es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Jungtiere
oder um Alttiere, die nicht
oder nicht mehr am Brutgeschäft beteiligt sind. So kann
weitgehend ausgeschlossen
werden, dass noch nicht
selbstständige Jungtiere ihre
Eltern verlieren.
Jungen Tauben fehlt
der typische „Halsring“
Jungvögel sind im ersten
Lebensjahr gut zu erkennen, weil ihnen der typische
„Halsring“ noch fehlt. Damit können sie von Alttauben eindeutig unterschieden werden. Bei vereinzelt
auftretenden Ringeltauben
muss man jedoch bis in den
Herbst hinein aufpassen.
Meistens handelt es sich da-
westeuropa. Wir treffen die
Tauben während der Wintermonate aber auch als Gäste
und Durchzügler bei uns an.
Die Geschlechter sind äußerlich nicht zu unterscheiden.
Der Tauber ist allerdings
etwas größer und schwerer
als die Taube. Im Flug erkennt man auf den Flügeln
weiße Querbänder. Deutlichstes Merkmal auf dem
blau-grauen Gefieder, das am
Nacken grünlich schillert, ist
der so genannte Ring, dem
die Ringeltaube ihren Namen verdankt. Allerdings hat
die Taube am Hals gar nicht
wirklich einen Ring, es sind
weiße Halsflecken, die auf
die Entfernung ringähnlich
aussehen. Der Jungvogel bekommt diese Halszeichnung
zwischen August und Dezember des Geburtsjahres,
also etwa erst im Alter von
vier bis fünf Monaten.
Taubenpaare leben überwiegend in einer monogamen
Saisonehe, auch Dauerehen
können vorkommen. Die Reviergründung erfolgt durch
die Männchen. Die Balz beginnt im März oder April,
Tauben fressen Sämereien und Hartkörner. Sie verschlingen
innerhalb von wenigen Minuten einen ganzen Tagesbedarf.
Fotos: M. Breuer, H. Hess, H. Pieper
Der Abschuss sollte auf Schwarmtauben beschränkt sein. So
bleiben die Elterntiere, die noch im Brutgeschäft sind, geschont.
bei nämlich um Elterntiere,
denn die Hauptbrut- und
Aufzuchtzeit der Alttauben
dauert mindestens bis August. Vorsicht ist auch bei
der Bejagung von Ringeltauben im Winter geboten. Der
Grund: In den Schwärmen
fliegen oft die kleineren,
aber geschützten Hohltauben mit, die jungen Ringeltauben zum Verwechseln
ähnlich sehen.
Die Ringeltaube ist die größte Taube Mitteleuropas und
damit auch die größte unter
den vier heimischen Wildtaubenarten. Sie ist deutlich
größer als unsere Straßentaube.
Sie unterliegt wie alle europäischen Vogelarten dem
allgemeinen Schutz der EUVogelschutzrichtlinie. Sie gehört zu den Arten des Anhangs II/1 und ist damit in
der EU bejagbar. Die Jagdzeit
der Ringeltaube beginnt am
1. November und endet am
20. Februar.
Die Ringeltaube ist ein
Standvogel oder sie verbringt
als Kurzstreckenzieher den
Winter in West- und Süd-
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manchmal auch schon mitten im Winter. Zwei bis drei
Bruten im Jahr sind nicht
ungewöhnlich. Durch diese
lange Brutsaison sind balzende Tiere bis in den September hinein zu beobachten. Die Brut der letzten
Gelege wird meist erst im
September begonnen.
Die Art ist bei der Wahl ihrer Brutplätze sehr anpassungsfähig. In Städten findet man die einfachen, grob
„zusammengeschusterten“
Nester nicht nur auf großen
Bäumen, sondern auch in
Nischen oder auf Gebäudevorsprüngen.
Die zwei weißen Eier werden 16 bis 17 Tage von
beiden Partnern bebrütet.
Die Nachtschicht übernimmt dabei meist die Taube. Der Tauber sitzt bei Tage,
so dass man ihn während
der Brutzeit tagsüber nur
ausnahmsweise zu Gesicht
bekommt. Die Nestlingszeit
dauert 28 bis 29 Tage, mit
etwa 35 Tagen sind die Jungvögel voll flugfähig.
Die Nestlinge werden wie
bei allen Tauben in den ersten Lebenstagen von beiden
Eltern mit der so genannten
Kropfmilch gefüttert – eine
einmalige Entwicklung in
der Vogelwelt. Die Kropfmilch ist quasi eine Art
Babynahrung: Der quarkigkäsige Brei entsteht unter
dem Einfluss des Hormons
Prolaktin, das bei weiblichen
Säugetieren die Milchbildung stimuliert. Dabei
verdickt sich die Schleimhaut des Taubenkropfes,
die äußerste Schicht wird
abgeschilfert und in den
Kropftaschen gespeichert.
Die Kropfmilch enthält neben Fett und Wasser verschiedene Vitamine und ist
reich an Abwehrstoffen. Die
Elterntiere würgen diesen
Kropfinhalt direkt in den
Schnabel der Jungen, die
durch eine Art Saugtrinken
diesen Brei übernehmen.
Ab dem dritten Tag werden
die Nestlinge bis zur Selbstständigkeit zusätzlich mit
einem pflanzlichen Nahrungsbrei aus gequollenen
Körnern, Früchten und
Blättchen gefüttert.
Bei Tauben kommt es unter besonders guten Bedingungen zu Schachtelbruten:
Etwa neun bis zehn Tage vor
dem Flüggewerden der einen
Brut wird bereits ein neues
Gelege von einem Elterntier
bebrütet, während der Partner sich noch um den „alten“ Nachwuchs kümmert.
de und Denkmäler mit ihren
Hinterlassenschaften „zukleistern“. Jedoch können
Feldfrüchte durch die Exkremente ganzer Ringeltauben Schwärme auch gehörig
in Mitleidenschaft gezogen
werden. Vor allem während
der Hauptvegetationszeit
richten die Ringeltauben
große Fraß- und Kotschäden
an landwirtschaftlichen Kulturen an. Gemüse, Raps und
Schonzeiten aufheben. Danach wäre auch die Jagd in
der Brutzeit zulässig.
Außerdem können die Länder nach § 22 Absatz 4 Satz 2
Bundesjagdgesetz vom so
genannten ElterntierschutzParagraphen Ausnahmen
für Ringel- und Türkentaube
verfügen.
Doch diese Ausnahmen
werden nur erlaubt, wenn
das biologische Gleichge-
Hohe Verluste unter
den Jungvögeln
Erfolgreiche Bruten können
nur von beiden Partnern gemeinsam erbracht werden.
Die Verluste sind hoch. Im
Durchschnitt werden 1,5 bis
1,7 Jungvögel flügge. Der
überwiegende Teil des Geleges fällt vor allem Rabenvögeln zum Opfer. Besonders
die frühen Bruten im Jahr
sind durch Prädatoren gefährdet, weil oft noch relativ wenig Nahrung zur Verfügung steht, beide Altvögel
lange auf Nahrungssuche
sind und das Nest dann unbewacht ist. Zusätzlich führen Nahrungsmangel und
schlechtes Wetter zu größeren Verlusten.
Tauben sind ursprünglich
Sämereien- und Hartkörnerfresser, die in ihrem
ausgeprägten Kropf große
Mengen Futter aufnehmen
können. Sie verschlingen innerhalb von wenigen Minuten einen ganzen Tagesbedarf von 20 bis 30 Gramm.
Große Mengen Futter bedeuten auch große Mengen an
so genanntem Nasskot. Die
Verschmutzungen sind sicher nicht so gravierend wie
bei Stadttauben, die Gebäu-
Jungtauben sind leicht von Alttieren zu unterscheiden, weil
ihnen noch der typische „Halsring“ fehlt.
Getreide, aber auch Sonnenblumen, Sojabohnen und
Kirschbäume sind vor den
Tauben nicht mehr sicher.
Manchmal treten Schäden
bereits bei der Aussaat auf,
wenn Getreidekörner von
den Tieren ausgeschlagen
werden. Auch machen sie
sich im Frühjahr über die
Knospen der Obstbäume her
oder picken einfach durch
die zum Schutz der Gemüsepflanzen ausgebrachten
Netze.
Zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden kann die
Obere Jagdbehörde durch
Rechtsverordnung nach Artikel 33 Absatz 3 Nummer 1
Bayerisches Jagdgesetz die
wicht gestört ist, wenn die
Landeskultur schwer geschädigt oder die öffentliche
Sicherheit gefährdet ist. Zur
Vermeidung von übermäßigen Wildschäden gibt es diese Ausnahmeregelung nicht.
Der Gesetzgeber schreibt
vor, dass die Bejagung zur
Zeit der Brut- und Aufzucht
nur auf den tatsächlich gefährdeten Flächen und in
der Zeit der Schädigung erfolgen darf.
Die Obere Jagdbehörde prüft
im Einzelfall, ob die rechtlichen Voraussetzungen für
eine Schonzeitauf hebung
gegeben sind und es keine
anderen geeigneten Maßnahmen gibt.
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Fotos: M. Migos, S. Tewinkel
Beide Partner bebrüten
die zwei weißen Eier
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