Hausarzt Medizin DER HAUSARZT ALS WUNDMANAGER Die Behandlung von Wunden aller Art ist eine alltägliche Herausfordie Ursache abgeklärt werden. Kompressionstherapie muss individualisiert sein Bei der Kompressionstherapie werden zwei verschiedene Behandlungsphasen unterschieden: ▪ Entstauungsphase zur Ödemreduktion und Ulkusheilung ▪ Erhaltungsphase zur Prävention von Ödem und Vermeidung von Rezidiven. Für die Entstauungs- bzw. Abheilungsphase stehen verschiedene Therapieoptionen (Kurzzugbinden, Langzugbinden, unelastische Binden, Ulkus-Strumpfsysteme, Mehrkomponentenfertigsysteme, adaptive Kompressionsbandage) zur Verfügung, wobei sich die Auswahl an den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Patienten i.S. einer individualisierten Kompressionstherapie orientieren sollte. Das Anlegen solcher Kompressionsverbände erfordert Erfahrung und bedarf eines regelmäßigen Trainings und muss deshalb von geschulten Ärzten, Pflegekräften, Lymphtherapeuten und evtl. Angehörigen durchgeführt werden. 60 Kompressionsverbände werden in vier Kompressionsklassen angeboten, wobei die Stärke der anzulegenden Kompression dem Therapieziel entsprechen und an das Behandlungsstadium angepasst sein sollte: ▪ CCL 1 (leicht): <20mmHg Kompressionsdruck ▪ CCL 2 (mittelstark): 20–40mmHg ▪ CCL 3 (stark) : 40–60mmHg ▪ CCL 4 (sehr stark): >60mmHg. Bei der Therapie hat es in den letzten Jahren einen gewissen Paradigmenwechsel gegeben, nämlich von der trockenen zur feuchten Wundbehandlung, so das Fazit des 10. Deutschen Wundkongresses (11.-13.Mai 2016 in Bremen). Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg Im Allgemeinen kommen medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse 2, bei einer schweren chronisch venösen Insuffizienz evtl. auch Strümpfe der Klassen 3 oder 4 zum Einsatz. Wird ein Strumpf der Klasse 2 nicht toleriert, sollte einer der Klasse 1 eingesetzt werden; denn irgendeine Kompression ist immer besser als gar keine. Da Kompressionsstrümpfe als unschick gelten und auch Mißempfindungen aus- In der Erhaltungsphase nach Abheilung der Ulzerationen sind Kompressionsstrümpfe den Kompressionsbandagierungen überlegen und sollten deshalb für die Rezidivprophylaxe regelmäßig getragen werden. Auch bei den Kompressionsstrümpfen werden vier Kompressionsklassen unterschieden: ▪ CCL 1 : 18–21mmHg Kompressionsdruck ▪ CCL 2 : 23–32 mmHg ▪ CCL 3: 34–46mmHg ▪ CCL 4: mindestens 49mmHg Der Hausarzt 13/2016 Fotos: kameraauge - Fotolia, sweetsake - iStockphoto derung für den Hausarzt. Bei chronischen Wunden sollte zunächst Hausarzt Medizin lösen können, werden sie häufig nicht konsequent getragen. Deshalb ist es wichtig, dass der Strumpf richtig passt und nicht als unangenehm empfunden wird. Nicht selten wird auch über Juckreiz geklagt. Dem kann man entgegenwirken, in dem man das Bein abends mit einer fetthaltigen Lotion oder Creme pflegt. Wichtig ist es auch, den Patienten immer wieder daran zu erinnern, dass er nur mit solchen Kompressionsstrümpfen ein Ulkusrezidiv verhindern kann. Antimikrobielle Peptide mit Zukunftspotenzial Obwohl pathogene Keime ubiquitär vorkommen, kommt es im Normalfall nicht zu einer Infektion; denn der Organismus verfügt über verschiedene Abwehrmechanismen, die dafür sorgen, dass die Bakterien auf der Haut nicht überleben können. Dazu gehören körpereigene antimikrobielle Peptide wie das Psoriasin, welches bereits in sehr niedriger Konzentration einen bakteriziden Effekt gegenüber E. coli entfaltet. Es findet sich in den obersten Hautschichten und zwar vor allem an Körperzellen, deren mikrobielle Belastungen hoch sind wie Hände, Füße und Achselhöhlen. Antimikrobielle Peptide weisen darüber hinaus auch immunmodulatorische Eigenschaften auf und können so auch die Wundheilung beschleunigen. Ihre Aktivität entfalten sie dadurch, dass sie die bakterielle Zellmembran „durchlöchern“, wodurch das Bakterium ­essenzielle Moleküle und Ionen verliert. Antimikrobielle Peptide sind durch verschiedene Faktoren induzierbar. Dazu gehören endogene Mechanismen wie Zytokine ebenso wie Infektionen und UV-Strahlung. Antimikrobielle Peptide sind somit eine Option für die antimikrobielle Therapie der Zukunft. Dabei könnten sie entweder direkt appliziert werden oder die körpereigene Produktion wird gezielt induziert. Der Hausarzt 13/2016 NOTIZEN Wo sind die Grenzen der Selbstmedikation? Dem Patienten mit einer Wunde stehen heute verschiedene Präparate für die S­ elbstmedikation zur Verfügung. Deren Einsatz muss aber kritisch gesehen werden, da viele darin enthaltene Inhaltsstoffe zu Kontaktsensibilisierungen und somit zu Allergien führen können. Ein weiteres Problem ist, dass viele Zubereitungen eine fettige Grundlage haben und „fette“ Salben gehören nicht auf feuchte Wunden. Als State-of-the-Art gelten heute Hydro-Gele, die einen feuchten phasengerechten Behandlungsansatz verfolgen. Sie bieten bei akuten Wunden ein breites Einsatzspektrum, d.h. sie sind einsetzbar beginnend bei der Wundreinigung über die Granulation bis hin zur Epithelisierung. Immer ein Fall für den Arzt sind: ▪▪ Chronische Wunden ▪▪ Infizierte Wunden ▪▪ Tierbisse ▪▪ Große bzw. tiefe Wunden ▪▪ Großflächige bzw. tiefgreifende Verbrennungen ▪▪ Wunden bei Diabetikern ▪▪ Patienten mit Blutgerinnungsstörungen ▪▪ Patienten mit Immundefekten. Unterdruck beim Diabetischen Fußsyndrom Das diabetische Fußsyndrom ist meist ein Mischbild aus ­Polyneuropathie, pAVK, ­Mikroangiopathie, Ödembildung, Wundheilungsstörungen und Fußdeformitäten. Jeder ­fünfte Diabetiker erleidet im Verlauf seiner Erkrankung diese Komplikation. Nicht selten führt dieses Krankheitsbild zur Amputation. Wegen der Polyneuropathie werden entsprechende Läsionen oft nicht sofort erkannt, zumal diese häufig auf der Fußsohle i.S. von Druckulzera lokalisiert sind. Wie bei allen chronischen Wunden ist auch beim diabetischen Fußulkus die feuchte Wundbehandlung der trockenen vorzuziehen. Bei komplexen Wundsituationen empfiehlt sich nach einem chirurgischen Debridement eine Unterdrucktherapie in Form von Computer-assistierten Vakuum-gestützten Systemen. Damit wird der Druck gleichmäßig auf die gesamte Wundoberfläche verteilt und dadurch die Durchblutung verbessert. Folgen sind eine vermehrte Zellproliferation und die Bildung von Granulationsgewebe, was letztendlich die Abheilung begünstigt. Nicht immer ist Kompression die beste Lösung Die chronisch venöse Insuffizienz ist bei über 70 Prozent der betroffenen Patienten die eigentliche Ursache des Ulcus cruris. Die unverzichtbare Therapie ist eine Kompressionstherapie in Verbindung mit regelmäßiger Bewegung. Die Wirksamkeit dieser Therapie konnte in einer Reihe von randomisierten kontrollierten Studien dokumentiert werden. Doch bei der Verordnung einer Kompression müssen eine Reihe von Kontraindikationen beachtet werden: ▪▪ Absolute: fortgeschrittene pAVK, dekompensierte Herzinsuffizienz, septische P­ hlebitis, Phlegmasia coerulea dolens ▪▪ Relative: leichte bis mäßig ausgeprägte pAVK, fortgeschrittene periphere Polyneuropathie, chronische kompensierte Herzinsuffizienz, Unverträglichkeit oder Allergie auf eingesetzte Materialien, Schmerzen durch die Kompression, floride Infektion wie Erysipel. 61