55 ELEKTRIK ELEKTROTECHNIK 3.2015 BIL D: C A D F EM Bild 1: Das Bild zeigt den mechanischen und elektromagnetischen Aufbau eines Relais. Bei der Systemsimulation werden die verschiedenen physikalischen Domänen miteinander verknüpft. Das große Ganze immer im Blick Die gekoppelte Feld- und Systemsimulation in der Entwicklung von Relais führt dazu, dass die kleinen Bauteile zu wahren Dauerläufern werden. AUT ORE N Hanna Baumgartl und Martin Hanke Cadfem GmbH, Grafing bei München D as unscheinbare Bauteil Relais wird in der Regel erst dann bemerkt, wenn es ausfällt. Um das zu verhindern, muss gewährleistet werden, dass es auch nach enorm vielen Schaltzyklen und trotz fertigungsbedingter Parameterstreuungen möglichst energiesparend schaltet. Da es sich um mechatronische Systeme handelt, sind die Wechselwirkungen aller Teile und der zulässige Streubereich der Fertigungstoleranzen nicht mehr mit einem Blick zu erfassen. Zur Konstruktion eines stromsparenden Dauerläufers ist es unerlässlich, das Gesamtverhalten zu erfassen und den Einfluss von Parameterstreuungen zu untersuchen. Der Strom durch die Spule des Relais erzeugt eine magnetische Kraft, die auf den Anker wirkt. Dieser klappt in Abhängigkeit der Stromrichtung in die geöffnete oder geschlossene Position. Das Feld der Permanentmagnete hält den Anker auch bei ausgeschaltetem Strom in der geschlossenen Position. Ein entgegengesetzter Spannungspuls hebt den Anker an, die Vorspannung zwischen Kontakt- und Ankerüberhubfeder sowie der Kippwinkel der Ankerfeder sorgen dafür, dass der Anker umklappt und der Kontakt geöffnet wird. Beim Öffnen des elektrischen Kontakts entsteht ein Lichtbogen, der zum Verschleiß der Kontaktflächen beiträgt und die- 55 ELEKTROTECHNIK ELEKTRIK se im ungünstigsten Fall verschweißen lässt. Durch das mechanische Prellen der Kontaktfeder wird dieser Lichtbogen für jeden Schaltvorgang mehrfach gezündet. Ziel der Auslegung ist es, neben dem Leistungseintrag auch das Prellen zu reduzieren. Hier stellt sich also die Frage, bei welcher minimalen Spannung in Kombination mit Vorspannung und Kippwinkel das gewünschte Verhalten erzielt werden kann. Modelle für die Systemsimulation Die Systemsimulation wird in Ansys Simplorer realisiert. Dabei erfolgt die Verknüpfung der Feldsimulationen mit elektrischen Schaltungen, magnetischen, mechanischen, thermischen oder hydraulischen Elementen sowie Blockdiagrammen, Zustandsgraphen und VHDL-Elementen. Zur Reduktion der Simulationszeit werden die Feldlösungen in reduzierten Modellen berücksichtigt, die als Verhaltensmodelle bezeichnet werden. Für den mechanischen Teil wird ein lineares Zustandsraummodell basierend auf einer modalen Reduktion erstellt. Die Definition der physikalischen Ein- und Ausgänge des Systems erfolgt in der Modalanalyse; die resultierenden Zustandsraummatrizen werden mit einem Makro extrahiert. Das Zustandsraummodell antwortet also auf eine Kraft bzw. ein Drehmoment am Eingang mit einer Verschiebung bzw. einem Winkel am Ausgang. Mittels Simplorer-Blöcken mit angepassten Kontaktsteifigkeiten in den Anschlägen ist das nichtlineare Verhalten der Kontakte darstellbar. Die elektromagnetische Domäne wird im Modul Ansys Maxwell abgebildet und als Kennfeldmodell in Simplorer implementiert. Dieses enthält den verketteten Fluss und das Drehmoment in Abhängigkeit von Strom und Ankerwinkel. Eine Ersatzschaltung bildet die im Lichtbogen umgesetzte Leistung ab, gesteuert über das Schließen der Kontaktfeder. Das initiale Design liefert ein monostabiles Schaltverhalten des Relais – der Kontakt schließt für eine positive Spulen- spannung, ansonsten ist er offen. Allerdings kommt es zu deutlichem Prellen und damit verbunden zu Schaltbögen. In einem zweiten Parameterset wurde zur Reduktion der Leistung im Antrieb die Spulenspannung gesenkt. Der Kippwinkel der Ankerfeder ist ein Fertigungsparameter und die auftretenden Toleranzen können dazu führen, dass sich die Kontaktfeder zwar noch bewegt, jedoch der Kontakt nicht mehr schließt. Zur Gewährleistung des sicheren Betriebs ist eine systematische Variation von Konstruktions- und Betriebsparametern sowie Fertigungstoleranzen unabdingbar. Die Kenngrößen Spulenspannung, Federvorspannung und Kippwinkel können parametrisiert werden, um sie in der Software Optislang einer Sensitivitätsanalyse zu unterziehen. Optimierung reduziert Lichtbogen Anhand dieser Analyse lässt sich eine eindeutige Fertigungsvorschrift dafür ableiten, wie groß die Toleranz des Kippwinkels für eine bestimmte Spulenspannung sein darf. Eine Optimierung in Optislang bezüglich minimaler Lichtbogenleistung und Leistung im Antrieb führt zu einem optimierten Parametersatz, bei dem das Relais kaum noch prellt. Dabei kann die im Lichtbogen umgesetzte Leistung gegenüber dem Originaldesign um mehr als 60 % reduziert werden. Außerdem sinkt die Antriebsleistung um 20 %. Durch die Systemsimulation basierend auf Verhaltensmodellen, die aus FE-Analysen extrahiert wurden, ist es möglich, das komplette Potential beim Zusammenspiel elektromagnetischer, mechanischer, thermischer und hydraulischer Komponenten auszuschöpfen. Ein optimales Verhalten mechatronischer Systeme wird also vor allem durch die Abstimmung der Parameter aufeinander erzielt. (mz) Weitere Infos zu den Parametersets und der Auswertung unter: www.kurzlink/Simulation/Cadfem www.cadfem.de Federnauswahl ab Lager in 12.603 Baugrössen federnshop.com/katalog (+49) 07123 960-192 TIPP Cadfem startet im März 2015 die kostenfreie Veranstaltungsserie „Cadfem Open House“, die die Vorteile der Simulation in der Produktentwicklung an zwölf Beispielen an 50 Terminen praxisnah verdeutlicht. Unter dem Motto „Wir rechnen mit Ihnen“ werden Simulationen mit der FEMSoftware Ansys durchgeführt. An einem halben Tag lernt der Teilnehmer zusammen mit einem erfahrenen Tutor die Simulation in der gewählten Anwendung kennen. Termine und Anmeldungen unter: www.cadfem.de/ openhouse