sensory Marketing − Marketing für die fünf sinne

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T h e ma d e s M o n at s
Sensory Marketing − Marketing für die fünf Sinne
Von Patrick Pemler
ensory Marketing hat sich spätestens
mit Martin Lindstroms Buch „BrandSense“ aus dem Jahre 2005 zu einem Buzz­
word in der Markenführung entwickelt.
Die in dieser und anderen Publikationen
prognostizierte Popularität des Ansatzes
− laut Lindstrom sollten 40 Prozent aller
Markenunternehmen bis 2006 auch
die sensorische Wahrnehmung in ihrer
Markenstrategie berücksichtigen − lässt
zumindest unter den globalen Marken
noch auf sich warten.
Gleichwohl zeigt ein Blick auf Supermarktregale in Tokyo, dass in Japan
bereits eine überraschende Zahl von
Unternehmen mit ihren Marken versuchen, Konsumenten über mehrere Sinne
anzusprechen und zum Kauf zu motivieren. Weshalb Japan hier eine Sonderrolle
einnimmt, ist unklar − Kulturwissenschaftler würden wohl argumentieren, dass in
Japan traditionell eine höhere Sensibilität
gegenüber multisensorischen Wahrnehmungen besteht.
Sensory Marketing kann definiert werden als vorsätzlicher Reiz mehrerer oder
aller fünf primären Sinne (Sehen, Hören,
Riechen, Schmecken und Tasten), mit
dem Ziel, für die Marke neue Distinktionspotentiale zu erschließen und über ein
emotionales Markenerlebnis Kunden zu
binden oder neue Kunden zu gewinnen.
In diesem Kontext und angesichts
neuer Erkenntnisse aus der Psychologie und Neurologie wird argumentiert,
dass Konsumverhalten nicht − wie bisher
angenommen − vorwiegend auf kognitiven Entscheidungsprozessen beruht,
sondern unbewusste, habitualisierte
Verhaltensmuster die Grundlage für den
Großteil unserer Handlungen im Alltag
darstellen. Multisensorische Stimuli können durch die von ihnen hervorgerufene
Emotionen maßgeblich dazu beitragen,
dass solche Verhaltensmuster durch positive Rückkopplung erlernt werden.
Japan als Vorreiter
Demzufolge können durch Sensory Marketing Produkte aus der Informationsflut
herkömmlicher Markenkommunikation
hervorgehoben und Handlungen der
Konsumenten − wie Kauf und Verwendung eines bestimmten Produktes −
habitualisiert werden. Wie die folgenden
Beispiele zeigen, waren japanische Unternehmen unter den ersten Firmen, die
diese Erkenntnisse erfolgreich bei der
Entwicklung ihrer Produkte und Markenstrategien eingesetzt haben.
Mandom brachte 2006 sein Styling
Wax „Gatsby“ in einer komplett überar-
5 Dufttester im Drogerieregal: Sensorischer Stimulus am POS
beiteten Verpackung auf den Markt. Der
kombinierte visuelle Impakt von insgesamt sechs Farbvariationen im Regal und
die den Tastsinn ansprechende Oberfläche machten das Produkt zu einem
durchschlagenden Erfolg bei der Zielgruppe modebewusster Männer. In nur
zwei Monaten nahm der Marktanteil der
Marke von 33 Prozent auf knapp 60 Prozent zu. Das Umsatzwachstum lag bei
181 Prozent. Der Erfolg des Produktes hat
auch unter Mitbewerbern für Aufmerksamkeit gesorgt. Als Shiseido im Sommer 2007 eine neue Version des Hair Wax
„uno“ auf den Markt brachte, wurde die
Verpackung sogar in acht verschiedenen
Farben präsentiert.
Kirin Brewery Company, Limited
S
1 Spricht Tast- und Hörsinn an:
Hyoketsu-Mixgetränk von Kirin
Hinsichtlich akustischer Stimuli war
Kirin mit seinem alkoholischen Mixgetränk „Hyoketsu“ Vorreiter. Die spezielle
Oberflächenprägung der Dose spricht
nicht nur den Tastsinn an, sondern sorgt
quasi als Nebeneffekt für einen unverwechselbaren Ton beim Öffnen. Das Produkt kam bereits 2001 auf den Markt und
erreichte bis 2005 einen Marktanteil von
über 40 Prozent, den die Firma bisher
erfolgreich verteidigen konnte.
Alle Sinne ansprechen
Das Potential des Geruchssinns im Marketing ist dagegen erst kürzlich aufgegriffen
worden. Bis dahin galt die Weisheit, dass
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3 Dose kühlen, zehn Mal schütteln
Coca-Cola (Japan) Company, Limited
und ab geht's: Neues Trinkerlebnis
mit "Fanta Furu Furu Shaker"
japanische Verbraucher stark parfümierte
Produkte − sowohl bei Haushalts- als auch
bei Körperpflegeprodukten − ablehnen.
Doch der beeindruckende Erfolg Unilevers mit seinem Body Spray „Axe“ zeigt,
dass zumindest jüngere Altersgruppen
Düften sehr aufgeschlossen gegenüberstehen − sofern sie diese vor dem Kauf
testen können. Zum Launch von „Axe“
stellte Unilever als erste Firma Dufttester
− Fläschchen mit Aromakapseln, die den
jeweiligen Duft enthalten − in die Regale.
Mittlerweile erfreuen sich parfümierte
Produkte großer Beliebtheit; und Dufttester für Haar- und Körperpflegeprodukte
sind aus Drogerien und Supermärkten
nicht mehr wegzudenken.
Coca Cola Japan hat es verstanden,
ein neuartiges, auf der Konsistenz des
Getränks basiertes Geschmackserlebnis
in einen Verkaufsschlager zu verwandeln. „Fanta Furu Furu Shaker“ kam im
Frühling 2008 auf den Markt und ist ein
kohlensäurehaltiges Gelee, welches erst
durch mehrmaliges Schütteln der Dose
trinkbare Konsistenz erreicht. Geschmackserlebnis und unverwechselbares Konsumritual machten das Produkt nicht nur
bei der Zielgruppe japanischer Teenager,
sondern auch bei erwachsenen Verbrauchern zu einem Hit. Die Verkaufszahlen
erreichten in den ersten sechs Monaten
170 Millionen US-Dollar.
Coca Cola hat das Konzept bereits
weiterentwickelt und bietet mittlerweile
eine Variante mit zugesetzten Vitaminen
(„Fanta Furu Furu Charge“) an, die das
Schütteln der Dose zu einem AufladeRitual werden lässt. Auch andere Firmen
haben die Idee aufgegriffen und offerieren alkoholische Gelee-Drinks (Choya)
und Pudding Shakes (Namuco).
Konsum als Erlebnis
Der Großteil der erwähnten Beispiele hat
sich über mehrere Jahre hinweg im Markt
behauptet. Sie sind damit mehr als kurzfristige Trends und können als Anzeichen
auf einen Paradigmenwechsel im Marketing von der bislang geltenden Unique
Selling Proposition (UPS) hin zu einer auf
sensorischer Wahrnehmung basierenden
Experience Selling Proposition (ESP) gesehen werden, bei der das Produkterlebnis
im Zentrum der Kaufentscheidung steht.
Japanische Firmen haben dies erkannt,
und es ist zu erwarten, dass der Einsatz multisensorischer Stimuli in Japan
nicht nur im Konsumgüterbereich weiter
zunehmen wird.
Für ausländische Firmen, die ihre
Produkte oder Dienstleistungen auch in
Japan anbieten, zeigen die erwähnten
Beispiele nicht nur die bestehende Erwartungshaltung japanischer Konsumenten
in Bezug auf Produkt- und Markenerlebnisse, sondern können zudem Anlass sein,
die sensorische Effektivität der eigenen
Produkte in Konsumentenbefragungen
zu untersuchen.
Ausländische Firmen sollten darüber
hinaus von diesem Innovationsvorsprung
Gebrauch machen und den japanischen
Markt als wertvolle Quelle für Ideen und
Inspirationen bei der Produktionsentwicklung nutzen, auch und gerade für Märkte
außerhalb Japans.
K O N TA K T
Patrick Pemler ist
freier Marktforscher
in Tokyo. Er berät
japanische und internationale Firmen zu
Konsumentenverhalten
und Marktstrategien und unterstützt sie bei der Durchführung von
Marktforschungsprojekten.
Email: [email protected]
Internet: http://antenna-japan.com
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J A PA N M A R K T
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