Trigonometrie, Analytische Geometrie

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Trigonometrie, Analytische Geometrie, Vektorgeometrie,
Raumgeometrie
Inhaltsverzeichnis
1 Trigonometrie
1
1.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2
Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3
Worum geht es in der Trigonometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.4
Einige didaktische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.5
Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.6
Sinussatz und Kosinussatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2 Analytische Geometrie, Vektorgeometrie
4
2.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.2
Zur historischen Entwicklung der analytischen Geometrie . . . . . . . . . . . . .
5
2.3
Analytische Geometrie und Vektoren im gymnasialen Unterricht . . . . . . . . .
6
3 Raumgeometrie
7
3.1
Unterrichtsthemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
3.2
Beispiele, Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1
Trigonometrie
1.1
Vorbemerkungen
Winkel lassen sich durch Verhältnisse von Strecken angeben. So benutzten die Ägypter beim
Pyramidenbau nicht unser Winkelmass, sondern das Verhältnis von Vertikalstrecke zur Horizontalstrecke. Man möchte aber ein additives Winkelmass haben. Daher führen astronomische
Berechnungsprobleme, Vermessungsprobleme, Berechnungen an ebenen Figuren und an Körpern
zu Aufgaben wie
• zu einem Winkel die zugehörige Sehne zu finden und umgekehrt
• in Dreiecken Seiten und Winkel aus gegebenen Seiten und Winkeln zu berechnen
Die Trigonometrie zielt darauf ab, die Längen- und Winkelmessung bei der Vermessung von
”
Erde und Himmel koordiniert einzusetzen.“ (Wittmann)
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ETH Zürich, HS 2016
1.2
Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Historische Entwicklung
• Sehnentafeln von Hipparch (141 - 126), Sehnentafeln mit Schrittweite 7 21 ◦
• Almagest von C. Ptolemäus (150 n. Chr.), Sehnentafeln mit Schrittweite 12 ◦ .
Ptolemäus kann mit Hilfe seines Satzes über Sehnenvierecke ausgehend von Sehnen zu den
Winkeln von 90◦ , 60◦ und 36◦ (Seite des regelmässigen Zehnecks) die Sehnen zu 6◦ , 3◦ ,
1 21 ◦ und 43 ◦ berechnen. Die Sehne zu 1◦ berechnet er durch Interpolation und kann nun
seine Sehnentafel erstellen.
• Weiterentwicklung durch J. Regiomontanus, 5 Bücher über Dreiecke (1533, ebene und
sphärische Trigonometrie)
• Einführung der Formelsprache durch L. Euler (18.Jh.)
1.3
Worum geht es in der Trigonometrie
• Winkel im Einheitskreis sind durch die Länge der zugehörigen Sehnen bestimmt. Im rechtwinkligen Dreieck sind die Winkel nach der Ähnlichkeitslehre durch Seitenverhältnisse
bestimmt.
• Die Winkelfunktionen im rechtwinkligen Dreieck lassen sich verallgemeinern auf beliebige
Winkel (Definition im Einheitskreis).
• Mit einer Winkelfunktion sind auch die anderen bestimmt (wenn man Wurzel ziehen kann).
• Nur in wenigen Spezialfällen ist die Dreiecksberechnung oder das Problem, Sehnen zu
bestimmten Winkeln zu berechnen, einfach. Das heisst, nur in wenigen Fällen lassen sich
die Funktionswerte trigonometrischer Funktionen einfach berechnen.
• Die Additionstheoreme erlauben eine im Prinzip beliebig genaue Bestimmung der Werte
trigonometrischer Funktionen für beliebige Winkel (verschiedene algorithmische Verfahren). Die Funktionswerte lassen sich im Prinzip auch mit Potenzreihen berechnen.
• Die Trigonometrie rechtwinkliger Dreiecke lässt sich auf beliebige Dreiecke übertragen: Mit
dem Sinussatz und dem Kosinussatz hat man Formeln, die es gestatten, aus Seitenlängen
und Winkelmassen, die ein Dreieck festlegen, die Masse der restlichen Stücke zu berechnen
(Algebraisierung der Kongruenzsätze).
• Mit den trigonometrischen Funktionen bekommt man grundlegende Funktionen, deren
Bedeutung weit über das Problem der Vermessung hinausgeht.
1.4
Einige didaktische Herausforderungen
• Winkeln werden Streckenverhältnisse zugeordnet, das ist für Anfänger sehr abstrakt.
• Der Funktionsbegriff ist für die SuS noch mehr oder weniger neu.
• Zwei Definitionsmöglichkeiten: Seitenverhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken und Definition mit Koordinaten von Punkten auf dem Einheitskreis.
• Motivation, Einstiegsproblem für die Einführung
• Die Berechnung beliebiger Funktionswerte ist alles andere als elementar. Die Werte sind im
allgemeinen nicht rational oder einfache Wurzelausdrücke. Der Taschenrechner ist essentiell
für das Lösen von Aufgaben. Die SuS sollten aber seine Rolle“ verstehen.
”
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
• Das Konzept der Umkehrfunktion, das in der Trigonometrie zentral ist, ist für SuS eher
schwierig.
1.5
Programm
• Satz von Pythagoras im rechtwinkligen Dreieck.
• ev. Einführung des Tangens im Zusammenhang mit der Steigung von Geraden
• Studium der Beziehungen zwischen einem spitzen Winkel und den übrigen Seiten im rechtwinkligen Dreieck; Definition der Winkelfunktionen als Wickelfunktionen des Einheits”
kreises“(Wittmann), Umkehrfunktionen
• Berechnung spezieller Funktionswerte
• Symmetrieeigenschaften
• ev. prinzipielle“ Berechnung beliebiger Werte durch Bogenhalbierung (siehe Handout)
”
• Trigonometrie des rechtwinkligen Dreiecks
• Anwendungen unter anderem auf die Himmelsgeometrie (Entfernung Erde/Mond, Radius
der Mondkugel, Entfernung Erde/Sonne)
• Trigonometrie in beliebigen Dreiecken mit Hilfe der Höhen auf rechtwinklige Dreiecke
zurückführen, Sinussatz, Kosinussatz , trigonometrische Grundaufgaben (Algebraisierung
der Kongruenzsätze)
• Additionstheoreme, ev. Algorithmen zur prinzipiellen“ Berechnung von Sinus oder Kosi”
nus (siehe Handout)
• Anwendungen: Vermessungsaufgaben, z. B. Satz von Heron (Inhalt der Dreiecksfläche aus
den Seiten) etc., Berechnungen an Körpern
• Graphen der trigonometrischen Funktionen
1.6
Sinussatz und Kosinussatz
Sinussatz
b
c
a
=
=
= 2r
sinα
sinβ
sinγ
(r Umkreisradius)
Kosinussatz
c2 = a2 + b2 − 2abcosα
Die Sätze können in geeigneten Lernaufgaben von den SuS selbständig hergeleitet werden.
Beispiel: Die SuS berechnen, bevor sie den Sinussatz kennen, in einem Dreieck ABC aus den
numerisch gegebenen Stücken a, α und β die Seite b. Den gefundenen Weg verallgemeinern sie
zu einer Formel für beliebige a, α und β.
Übungsaufgabe Der Sinussatz lässt auf weitere Arten herleiten: Er ergibt sich aus verschiedenen Ausdrücke für a) die Höhen, b) den Flächeninhalt, c) den Umkreisradius.
Der Kosinussatz ist eine Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras. Daraus ergeben sich
verschiedene Möglichkeiten der Herleitung (siehe Übung 5).
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Wiederum kann auch eine Berechnungsaufgabe die SuS zum Kosinussatz führen: In einem Dreieck ABC berechnen sie aus den numerisch gegebenen Stücken a, b und γ die Seite c, beschreiben
ihren Rechenweg in Worten und verallgemeinern ihn dann zur entsprechenden Formel.
Übungsaufgabe Tragen Sie in die untenstehende Figur das Nötige ein, sodass das Additionstheorem für sin(α + β) ersichtlich ist.
1
Q
b
b
P
b
R
β
b
α
2
2.1
b
Qx
O
1
Analytische Geometrie, Vektorgeometrie
Vorbemerkungen
In der analytischen Geometrie werden die rechnerischen und algebraischen Methoden, die schon
im Zusammenhang mit Länge, Flächeninhalt und Volumen und der Trigonometrie eingeführt
wurden, zu einer Algebraisierung der Geometrie ausgedehnt, indem geometrische Sachverhalte
mit Hilfe von Koordinaten beschrieben werden.
Vom genetischen Prinzip her gesehen ist die analytische Geometrie als Algebraisierung der Elementargeometrie aufzufassen. Das Programm heisst also: Übersetze geometrische Begriffe in
”
die Algebra und nütze dies für die Lösung geometrischer Probleme aus.“ (E. Wittmann)
In manchen Situationen ist rechnerisches Vorgehen zwar elegant und in gewissem Sinn einfa”
cher“, weil klar ist, wie vorzugehen ist, hingegen die geometrische Einsicht besser durch elementargeomtrische Überlegungen zu gewinnen, wie die folgende Übungsaufgabe illustrieren soll.
Übungsaufgabe Es gilt der Satz: Die drei Höhen eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt.
Beweisen Sie den Satz (a) mit Hilfe von Vektoren (b) elementargeometrisch.
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2.2
Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Zur historischen Entwicklung der analytischen Geometrie
• Apollonius (262 - 190 v. Chr.) befasst sich intensiv mit Kegelschnitten und benützt Methoden, die später Fermat und Descartes aufgreifen werden.
• Die Neue Algebra“ von F. Vieta ( 1540 - 1603) arbeitet mit Symbolen statt bestimmten
”
Zahlen. Damit holt die Algebra den Vorsprung der Geometrie gewissermassen auf, und es
wird eine unabdingbare Grundlage für die Entwicklung der analytischen Geometrie gelegt.
• P. Fermat (1601 - 1665) ist stark von Vieta beeinflusst und kennt u.a. die Werke von
Archimedes, Apollonius und Pappos. Er anvisiert eine neue Behandlung der Kegelschnittlehre, die wegen der Fortschritte in der Astronomie neue Bedeutung erlangt hat. Er geht
”
von geometrischen Beziehungen aus und übersetzt sie sofort in algebraische Aussagen.
Das algebraische Rechnen mit geometrischen Grössen ist für sein Vorgehen charakteristisch.“(Gericke, S. 291) Es gibt Arbeiten von Fermat, in welchen er im Prinzip schon ein
Achsenkreuz verwendet.
• R. Descartes (1596 - 1650) schreibt in seiner Geometrie (1637): Alle Probleme der Geo”
metrie können leicht auf einen solchen Ausdruck gebracht werden, dass es nachher nur der
Kenntnis der Länge gewisser gerader Linien bedarf, um diese Probleme zu konstruieren.“
Den entscheidenden Schritt vollzieht Descartes, indem er das Produkt zweier Strecken
nicht mehr als Rechteck auffasst, sondern als Strecke - vorausgesetzt, es ist eine Einheitsstrecke festgelegt: Es sei z.B AB die Einheit und es sei BD mit BC zu multiplizieren, so
”
habe ich nur die Punkte A und C zu verbinden, dann DE parallel mit CA zu ziehen, und
BE ist das Produkt dieser Multiplikation.“
b
E
b
b
D
b
C
A
b
B
Descartes benützt für sein Programm die Einführung eines Koordinatensystems: Ich wähle
”
zu dem Ende eine gerade Linie, etwa AB, um auf ihre Punkte die Punkte der krummen
Linie EC beziehen zu können; ferner wähle ich einen Punkt A auf AB, von dem aus als
Anfangspunkt die Rechnung zu beginnen ist.“ Ein Koordinatensystem in unserem Sinn ist
aber in Descartes Arbeiten noch nicht zu finden.
• Wichtige Beiträge zur Koordinatengeometrie leisten u.a. J. Wallis und vor allem I. Newton. Letzterer verwendet erstmals ebene Koordinaten in allen vier Quadranten und auch
räumliche Koordinaten, sowie Polarkoordinaten. Auch werden Kurven in Parameterdarstellungen gegeben.
• A.-C. Clairaut und L. Euler (18. Jh.) gehen erstmals über die analytische Geometrie der
Ebene hinaus und betrachten gekrümmte Flächen im Raum. Bei Euler findet man unter
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
anderem den allgemeinen Begriff der Gleichung einer Kurve, die Klassifikation der Kegelschnitte, die algebraische Behandlung ohne Differentialrechnung von Tangenten, Normalen
Krümmung, Wendepunkten etc.
• Im 19. Jh. wird die Begriffsbildung auf n-dimensionale“ Räume übertragen. Cauchy
”
schreibt 1847 eine Arbeit Analytische Örter“ , in welcher es um Funktionen von mehr als
”
zwei oder drei Variablen und ihre geometrische Bedeutung bei der Verwendung von Koordinaten geht. Da die Analogien zwischen dem Anschaulichen in zwei oder drei Dimensionen
und dem Höherdimensionalen am einfachsten bei linearen Begriffen zu sehen sind, geht
die Entwicklung von n-dimensionaler Geometrie Hand in Hand mit der Entwicklung der
linearen Algebra des Vektorbegriffs.
• In der Physik wird der Vektorbegriff zuerst für Geschwindigkeiten und Kräfte benutzt. Die
Zerlegung von Kräften mittels Kräfteparallelogramm“ findet man erstmals um 1600 bei
”
P. Varignon und bei W. Snellius im Zusammenhang mit der Statik. Die Entwicklung des
physikalischen Vektorbegriffs erhält zu Beginn des 19. Jh. mächtigen Aufschwung bei der
Untersuchung elektrischer und magnetischer Felder.
Beim italienischen Mathematiker G. Bellavitis findet man 1832 erstmals die Aussage, dass
sich Produkte von Translationen wie (physikalische) Vektoren verhalten.
Der Vektorbegriff tritt in der Mathematik erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Als Begründer gelten W.R.Hamilton (1805 - 1865) und H.G.Grassmann (1809 - 1877). Hamilton
versucht, die 1806 von J.R. Argand gegebene Interpretation des Rechnens mit komplexen Zahlen, auf den dreidimensionalen Raum zu übertragen und erfindet schliesslich 1843
die Quaternionen, die einen vierdimensionalen Raum bilden. Ein Quaternion lässt sich
schreiben als x = x0 1 + x1 i + x2 j + x3 k Für i, j, k wird festgelegt i2 = j 2 = k2 = −1
und ij = +k, jk = +i, ki = +j sowie ji = −k, kj = −i, ik = −j. x = x0 1 ist der
“skalare Teil“ , x1 i + x2 j + x3 k der “vektorielle Teil“. Im Produkt zweier Quaternionen x
und y mit Skalarteil 0 ist die erste Komponente bis auf das Vorzeichen das heutige Skalarprodukt der vektoriellen Teile von x und y, die andern drei Komponenten bilden das
heutige Vektorprodukt der vektoriellen Teile von x und y. Einen ganz anderen und weiter
weisenden Weg hat Grassmann in seiner 1844 erschienenen Ausdehnungslehre“ beschrit”
ten. Das bahnbrechende Werk war für seine Zeitgenossen schwer verständlich. Ohne den
Begriff des Vektors zu benutzen, betrachtet Grassmann im Prinzip Linearkombinationen
einer n-dimensionalen Basis eines linearen Raums und behandelt unter anderem lineare
Abhängigkeit, den Dimensionssatz für lineare Unterräume, ein äusseres und ein inneres
Produkt. Schliesslich gibt G. Peano (1858 - 1932) motiviert durch Grassmanns Arbeiten
1888 erstmals einen axiomatisch gefassten Begriff eines Vektorraums. [3]
2.3
Analytische Geometrie und Vektoren im gymnasialen Unterricht
Überlegungen an der Zahlengeraden zu den Rechenoperationen sind eine wichtige Vorbereitung
( Vektorgeometrie“ im eindimensionalen Fall). Nach der Einführung von Koordinaten (auch
”
nicht-kartesischen) zur Festlegung von Punkten in der Ebene, können die SuS erste Erfahrungen
mit dem Rechnen mit ebenen kartesischen Koordinaten machen, zum Beispiel Punkte Abbildungen unterwerfen, einen fehlenden Punkt eines Parallelogramms oder den Mittelpunkt einer
Strecke berechnen etc. Daran können sich auch schon einfache Aufgaben in drei Dimensionen
anschliessen.
Übungsaufgabe Stellen Sie geeignete Aufgaben zusammen.
Im Rahmen der Behandlung des Satzes von Pythagoras und der Ähnlichkeit können Aufgaben
gestellt werden, die auf die Gleichung eines Kreises und die Gleichung einer Geraden führen
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(siehe Übung 5).
Übungsaufgabe Einführung der Gleichung einer Geraden in der Ebene als Anwendung der
Strahlensätze: Erstellen Sie eine Aufgabensequenz, mit der die SuS eine Gleichung der Geraden
durch die Punkte A(1/2) und B(7/5) finden.
Bemerkung Die Verwendung von Lernaufgaben ist dankbar. Es lassen sich gut Aufgabensequenzen entwickeln, die den verschiedenen Leistungsmöglichkeiten der SuS einer Klasse Rechnung
tragen.
Vektoren sind ein praktisches Hilfsmittel in der analytischen Geometrie und im heutigen Unterricht unverzichtbar, obwohl man die Aufgaben im Prinzip auch ohne Vektoren lösen könnte
(bis ca. 1960 wurde analytische Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht ohne Vektoren
behandelt). Die Begriffsbildung ist nicht einfach. In der Schule kann man ja nicht die Vektorraumaxiome an den Anfang stellen. Es stellt sich die Frage, was SuS von Vektoren wissen und
welche Vorstellungen sie haben sollten. Es ist auch zu berücksichtigen, dass auch in der Physik
von Vektoren gesprochen wird. Je nach Kontext haben Vektoren ein anderes Gesicht“. Es gibt
”
verschiedene Möglichkeiten (und Ansichten) zur Einführung von Vektoren.
• G. Malle: Ein Vektor ist ein algebraisches Objekt, nämlich ein Zahlenpaar oder ein Zah”
lentripel, für diese werden Rechenoperationen definiert. Die Zahlenpaare, resp. -tripel und
ihre Rechenoperationen werden in der Ebene, resp. im Raum mithilfe von Punkten und
Pfeilen lediglich geometrisch gedeutet.“ [2]
• Ein Vektor ist eine Klasse gleich langer, paralleler und gleich orientierter Pfeile.
• Einen Vektor zunächst als Verschiebungsvektor einer Translation definieren:
Eine Translation ist gegeben durch eine Verschiebungsrichtung und eine Verschiebungslänge.
Dies stellen wir durch einen Pfeil dar, der einen sogenannten Vektor (auch Verschiebungsvektor genannt) repräsentiert. Das Produkt zweier Translationen τ~v und τ~u ist wieder eine
Translation, sagen wir τw~ . Es ist klar, wie der Vektor τw~ zu konstruieren ist. w
~ heisst Sum”
me“ von ~v und ~u. Auf der Menge der Vektoren ist damit eine Addition definiert. Vektoren
können umgekehrt in Komponenten parallel zu gegebenen Geraden zerlegt werden. Die
Identität entspricht dem Nullvektor, und die zu τ~v inverse Translation wird durch den sogenannten Gegenvektor von ~v , geschrieben −~v , repräsentiert. Damit lässt sich nun auch die
Subtraktion von Vektoren in naheliegender Weise definieren. - Vektoren können auch mit
Zahlen multipliziert werden, und mithilfe der Strahlensätze lässt sich das Distributivgesetz
einsehen.
In einem Koordinatensystem werden Vektoren durch ihre Komponenten parallel zu den
Achsen dargestellt. Eine operative Sichtweise eines Vektors im Koordinatensystem wie
gehe a Einheiten in x-Richtung und b-Einheiten in y-Richtung“, die beim Rechnen mit
”
Koordinaten nützlich ist, schliesst gut an die Interpretation als Verschiebungsvektoren an.
Die in der Physik auftretenden Geschwindigkeitsvektoren und Kräftevektoren verhalten
sich in Bezug auf Addition und Zerlegung wie Verschiebungsvektoren.
Bemerkung Wie immer man in die Vektorrechnung einsteigt, die SuS sollten auch die
Benutzung von Vektoren in nicht-geometrischem Kontext kennenlernen. Anregungen findet
man in [1].
3
Raumgeometrie
Raumgeometrie soll auf allen Stufen, zu jedem geometrischen Thema eingeplant werden.
Das räumliche Vorstellungsvermögen soll immer wieder trainiert werden. Hilfreich sind
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Bausätze zur 3- dimensionalen Visualisierung von räumlichen Situationen.
3.1
Unterrichtsthemen
– Grundbegriffe wie Ebenen, Geraden, Kugeln, Abstände . . . , schneiden, berühren . . .
Einsatz von Vektorgeometrie
– Bewegungen im Raum
– Körper: Welche Körper gibt es? Eigenschaften?
Ordnen
Eulersche Polyederformel
Volumina, Oberflächen, Winkel, etc.
Tetraedergeometrie
Platonische Körper
– Geometrie auf der Kugel
– Himmelserscheinungen, Bsp. Tageslänge
– Darstellung räumlicher Situationen, Parallelprojektion, Axonometrie, Zentralprojektion, Objekte in wahrer Grösse durch Umklappverfahren“ finden. Anregungen finden
”
sich auch in den Aufgaben der Eignungstests für zukünftige Medizinstudenten.
– Kegelschnitte (Dandelinkugeln)
3.2
Beispiele, Übungsaufgaben
1. Dandelinkugeln
Ein Kreiskegel wird so mit einer Ebene geschnitten, dass die Schnittkurve eine geschlossene Kurve ergibt. Dann gibt es zwei Kugeln, die den Kegel von innen und
die Schnittebene berühren. Das sind die sogenannten Dandelin-Kugeln, benannt nach
dem belgischen Ingenieur Pierre Dandelin (1794 - 1847). Die Berührpunkte der Kugeln
mit der Schnittebene seien F1 und F2 . Was lässt sich über die Summe der Abstände
eines Punktes der Schnittkurve zu den Punkten F1 und F2 aussagen?
Wie ist es, wenn anstelle des Kreiskegels ein Kreiszylinder betrachtet wird?
2. Würfel, Quader
(a) Ein Würfel wird von einer Ebene in den Punkten I, J, K geschnitten. Konstruieren Sie die Schnittfigur.
Man benützt
– Für Schrägbilder (Parallelprojektion) gilt: Parallele Geraden besitzen parallele Bildgeraden.
– Im Raum gilt: Wird eine Ebene von zwei parallelen Ebenen geschnitten, so
sind die Schnittgeraden parallel.
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b
b
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K
I
b
J
(b) Im Quader ABCDEF GH schneidet die Raumdiagonale DF das Dreieck EBG,
das von den Flächendiagonalen EB, BG und GE gebildet wird. Es soll der
Schnittpunkt S konstruiert werden.
3. Ars perspectiva
(siehe M. Bettinaglio, U. Kirchgraber Perspektive verstehen“, Orell Füssli, 2011)
”
Um anschauliche Bilder von räumlichen Situationen zu erhalten, kann man die sogenannte “ars perspectiva” verwenden. Mathematisch betrachtet ist dies eine Abbildung
eines Halbraums auf die den Halbraum begrenzende Ebene, die sogenannte Bildebene
β. Im anderen Halbraum ist ein Punkt A als sogenannter Augpunkt ausgezeichnet.
Das Bild P ′ eines Punkts P ist der Schnittpunkt der Verbindungsgeraden durch P
und A mit der Ebene β.
Im Folgenden sei dies die Situation: Ausgangspunkt ist ein xyz-Koordinatensystem.
Als Bildebene β wird die xz-Ebene gewählt und der Augpunkt A habe die Koordinaten (a, −b, c), mit b > 0. Dann wird der abzubildende Halbraum durch die Gleichung
y > 0 beschrieben.
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y
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Grundrissebene
x
b
A
z
Bildebene
x
(a) Es sei a = 1, b = 1, c = 2.
i. Konstruieren Sie das perspektivische Bild des Strahls, der im Punkt (0.5, 0, 0)
beginnt und parallel zur positiven y-Achse verläuft.
ii. Betrachten Sie das in der xy-Ebene liegende Einheitsquadrat Q mit zur x- und
zur y-Achse parallelen Seiten und Mittelpunkt (1, 0.5, 0), und konstruieren Sie
sein perspektivisches Bild Q′ .
(b) Seien jetzt a, b > 0, c beliebig und P = (x, y, z), y > 0. Bestimmen Sie das
perspektivische Bild P ′ = (x′ , y ′ , z ′ ) von P rechnerisch.
(c) Benutzen Sie (b) um Ihre Konstruktion von Q′ in (a) zu kontrollieren.
(d) Wie lässt sich das Bild einer quadratischen Säule mit dem Grundriss Q und der
Höhe 1.5 konstruieren?
(e) Wie lassen sich Fluchtpunkte berechnen?
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4. Parallelprojektion einer Kugel
Gegeben ist die senkrechte Parallelprojektion einer Kugel mit dem Äquator. Konstruieren Sie den Nord - und den Südpol.
b
O
5. Dreidimensionale Variante des Satzes von Pythagoras
Begründen Sie die folgende dreidimensionale Variante des Satzes von Pythagoras:
Stehen in einer dreiseitigen Pyramide die Kanten in der Spitze senkrecht aufeinander,
so ist die Summe der Quadrate der Seitenflächeninhalte gleich dem Quadrat des
Grundflächeninhalts.
Literatur
[1] Linnemann, T., Nüesch, A., Rüede, C. und Stocker, H.: Vektoren. Orell Füssli, 2009.
[2] Malle, G.: Neue Wege in der Vektorgeometrie. Mathematik lehren, 133:8–14, 2005.
[3] Scriba, C.J. und Schreiber, P.: 5000 Jahre Geometrie. Springer, 2010.
11
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