Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Kurt Lenk Probleme der Demokratie I. Entwicklung Demokratie als Ergebnis sozialer und politischer Kämpfe; ist kein geschlossenes System, sondern ein zukunftoffenes und riskantes Projekt. Die pol. Hauptziele der Bürger unseres Jahrhunderts umschreiben im grossen und ganzen eine Trias von Selbstbestimmung, Demokratie und Wachstum. Demokratie und Wohlstand sind zu universellen Forderungen geworden, deshalb wenig erstaunlich, dass der jeweilige Grad der Übereinstimmung oder Differenz zwischen Idee und Wirklichkeit sehr unterschiedlich ist. Demokratisierung als Emanzipationsprozess der Gesellschaft von blinden Zwängen und Herrschaftstechniken zu autonom vom Volk selbst getroffenen pol. Entscheidungen. Legitimationsglaube als Basis der Demokratie, die Fiktion demokratischer Legitimität beruht darauf, dass das Volk als Träger bestimmter kultureller Werte fungiert, die in ihrer Gesamtheit eine grundsätzliche von allen akzeptierte gesellschaftliche und staatliche Ordnung ermöglichen. II. Varianten, Kriterien 4 Ebenen der Verwendungsweise des Begriffs „Demokratie“: - Demokratie als einfache Bezeichnung komplexer Systeme (Unterscheidung pluralistische (westliche) vs. monistische (östliche) Regierungssysteme) - Demokratie als Legitimation politischer Systeme - Demokratie als Ordnungsprinzip (direkte, unmittelbare (Räte-)Demokratie vs. repräsentative Demokratie) - Demokratie als Verhaltensprinzip (Ausdruck einer bestimmten politischen Kultur) Der Demokratiebegriff enthält folgende Prinzipien: - Gleichheit (Rechtsgleichheit, Gleichheit der Chancen, Möglichkeit der pol. Willensbildung) - Mehrheitsprinzip (pragmatische ultima ratio, wenn die Diskussion keinen Konsens mehr herstellen kann) - Relativismus (Meinung der Mehrheit ist nur ein Mandat auf Zeit; Opposition kann Regierung ablösen) - Geltende Gesetze (Im Idealfall Resultate der aktiven Beteiligung aller Bürger) Demokratie-Modell, in der aktive Einfluss der Bürger über Wahlen hinaus vorgesehen ist, kann Partizipations-Modell genannt werden. Konsequenzen dieses Modells: Demokratie als Gesetzesherrschaft ist eine nüchterne, unpathetische Form der Herrschaft, des weiteren ist sie kein Obrigkeitsstaat. III. Freiheit und Gleichheit In der Struktur, im Menschenbild der Demokratie steht das Individuum im Zentrum des Weltbildes. Demokratie steht ständig im Spannungsfeld zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft. Demokratie als Klassengesellschaft. IV. Verfassung und Parteienstaat Sehr auf Deutschland ausgerichtete Diskussion. Frage: Ist Demokratie eine Herrschaftsform für Parteien oder das Volk ? Vorstellung des Begriffs des imperativen Mandats (nicht an Aufträge und Weisungen gebunden), in Verbundenheit mit einer der ältesten Legitimationsformen der Demokratie, der Repräsentation. Bestand und Funktion des modernen Parteienstaates: - Parteien haben Nähe zum Staat, sind mit ihm aber nicht identisch - Forderung nach innerparteilicher Demokratie V. Demokratie und Diktatur Moderne Demokratien sind Gesetzesstaaten. Werden Massen politisch aktiv, entsteht für jede Form pol. Herrschaft der Zwang zu demokratischer Legitimation. Diktaturen versuchen die Demokratie mit Demokratie zu überwinden, sie immer wieder mit Worten zu bejahen. Beispiele zur Entwicklung von Diktaturen in Deutschland und Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Kennzeichen der Diktatur: - potentielle Schrankenlosigkeit des Verfügens über pol. Macht (fehlende Rechtsstaatlichkeit) - tendenzielle Unverantwortlichkeit der Diktatoren - politische Macht wird repressiv zur Niederhaltung sozialer Macht, nicht positiv zur Gestaltung von Lebensbedingungen eingesetzt VI. Demokratie als Herrschaftskontrolle Demokratische Willensbildung ist in der Regel konfliktreich. Wird die Demokratie als oligopolistischer Parteienstaat angesehen, entstehen als Reaktion oft Ökonomie/Ökologie-Bewegungen als Kontrollinstanz. Oppositionsfreiheit als einer der grossen Vorteile demokratischer Verfassungen. Soziale Bewegungen sind stets auch Oppositionsbewegungen. Aktuelles Thema ist die Spannung zwischen Fundamentalopposition und Reformpolitik („Realpolitik“). Zur parlamentarischen Demokratie gibt es in fortgeschrittenen Industrieländern nur Varianten, aber keine vernünftige und lebenswerte Alternative prinzipieller Art. Norberto Bobbio Die Zukunft der Demokratie I. Kennzeichen der Demokratie - alle stimmberechtigt (inklusisch(vermehrend)); Omnikratie als Regierung aller als idealer Grenzbegriff - Mehrheitsregel - reale Alternativen - Grundfreiheiten; liberaler Rechtsstaat (Demokratie und lib. Rechtsstaat fallen gemeinsam, wenn sie fallen) Zentraler Punkt: Unterschied zwischen den demokratischen Idealen und der „realen Demokratie“ Sechs nicht eingehaltene Versprechen der Demokratie: 1. Volk als „ideale Einheit“ gibt es nicht mehr (dagegen miteinander konkurrierende Gruppen) 2. Statt Repräsentation des Volkes Repräsentation von (Gruppen-)Interessen 3. Oligarchische Macht existiert immer noch 4. Demokratie nur in Teilbereichen der Gesellschaft (im Staat, aber z.B. nicht am Arbeitsplatz) 5. Keine Beseitigung „unsichtbarer“ Macht (z.B. Spendengelder bei Wahlen und Abstimmungen) 6. Statt „Erziehung zur Bürgerschaft“ politische Apathie 4 notwendige Ideale, damit Demokratie funktioniert: 1. Ideal der Toleranz 2. Ideal der Gewaltfreiheit 3. Ideal der schrittweisen Erneuerung der Gesellschaft über den freien Gedankenstreit und den Wandel der Mentalitäten und Lebensformen 4. Ideal der Brüderlichkeit (die fraternité der französischen Revolution) Crawford B. Macpherson Nachruf auf die liberale Demokratie Historischer Kontext: Carter und Breschnew an der Spitze der beiden Supermächte – Mao Tse-Tung stirbt – weltweite Rezession – breite Diskussion bezüglich Demokratie und Kapitalismus Hauptthema des Textes: Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus 4 Modelle: - Merkmale der Modelle bei Macpherson ⇒ Unterschiede zur Historik (Grenzbereich zwischen Normativem & Realem) - Sinn des Modelldenkens: logisches Nachvollziehen möglich, Aufdecken von inneren Widersprüchen 1. Modell Demokratie als Schutz des Bürgertums (Utilitarismus, James Mill & Jeremy Bentham) • - Grundidee: Allgemeinwohl; grösstmögliches Glück der grössten Zahl Summe der individuellen Befriedigungen, Summe der individuellen Gewinnmaximierung Geld als Massstab des Glücks Problem: die Macht der anderen ⇒ Staatszweck des Law & Order, für Ordnung und Sicherheit der Bürger Entscheidende Fragen (gleichzeitig Kritik): - Können Reichtum und Wohlfahrt gleichgesetzt werden ? Nein (nach Macpherson) - Warum ein allgemeines Wahlrecht ? 2. Modell (John Stuart Mill) • • • - Demokratie als Voraussetzung menschlicher Selbstvervollkommnung Kritik: Geld nicht als Massstab aller Dinge Ziel: Entfaltung aller individuellen Fähigkeiten in der Gesellschaft Ungleichheit von Kapital und Arbeit die unterschiedlichen Positionen von Marx und Mill in der Deutung von Macpherson (Mill sieht das Unglück in der zufälligen Geschichte, für Marx ist es theoretisch erklärbar) Einschub: Wie können Güter zugeteilt werden ? Durch erbliche Rechte, Eigentumsrechte, Markt(Arbeits-)Leistung, Zufall/Los, Demokratie (one person, one vote) • - Wahlrecht: Vorschlag von Mill Ausschluss der arbeitenden Klasse nicht gerechtfertigt Allgemeines Wahlrecht würde zu Enteignung des Bürgertums führen ⇒ Klassengesetzgebung Sein Vorschlag: gestuftes Wahlrecht („mehr Geist, mehr Stimmrecht“) Kritik an Modell II: - Theoretisch: wie kann unter den Annahmen des Modells zum Ausgleich materieller Ungleichheit & zur Selbstvervollkommnung aller kommen ? - Historisch: der Fehlschluss, das Wahlrecht führe zu Enteignung des Bürgertums (kein reiner Antagonismus, auch Gleichlagen der Arbeiter und Kapitalisten bei gewissem Wohlstand) 3. Modell (Schumpeter) • - - Demokratie als Gleichgewicht Grundlage der ökonomischen Theorie: Demokratie = Verfahren für Wahl der Regierung (und nichts mehr) Demokratie = Konkurrenz von Parteien (Eliten) um die Stimmen des Volkes Merkmale der Politik als Markt: - Produzenten (innen) und Konsumenten (innen), beide sind Nutzenmaximierer Demokratie: - kein Gesellschaftsmodell, blosse Methode - Partizipation: keinen Eigenwert Kritik Macphersons: • Politische Fähigkeiten der Individuen: unveränderlich und beschränkt ? • Konsumentensouveränität ? - Geld als ungleiche „politische“ Kaufkraft - Ungleicher Nutzen politischer Partizipation - Apathie - Oligopol: Angebot diktiert Nachfrage 4. Modell - Demokratie als Beteiligung Methodisch: Unterschiede zu anderen Modellen 1) Hauptproblem (aus Modell 3) als Teufelskreis: Interesse der Partizipation wächst erst mit Gleichheit. ABER: Gleichheit setzt Partizipation voraus. 2) Einbruchstellen im Teufelskreis: Kosten wirtschaftlichen Wachstums, Bewusstwerden der Kosten politischer Apathie, Zweifel an Kapitalismus: produziert er mehr Ungleichheit als Wachstum ? Einschub: Merkmale des klassischen Rätesystems: - pyramidenartiges Mehrebenensystem (lokal-regional-zentral) Aufbau und Entscheidungsprozess von unten nach oben basisdemokratische Idee: imperatives Mandat, jederzeitige Abwählbarkeit der Repräsentanten Gründe für das Scheitern des klassischen Rätesystems: - Parteien für bestimmte Probleme nötig - „Gestufte Demokratie“ macht Klassenkonflikt lösbar - Frage-Kritik an Macpherson: 1. Warum sollte das Rätesystem das Ziel der Entfaltung aller menschlichen Fähigkeiten des Menschen besser erreichen als das parlamentarische System ? 2. Worin unterscheidet sich das 4. Modell von der schweizerischen Demokratie ? Richard Bäumlin Lebendige oder gebändigte Demokratie ? Historische Entwicklung: Schweizer Staatsrechtslehre als Staatsphilosophie und zugleich Vorläuferin der Politologie Vertreter dieser Fachgebietes: Kaiser, Schollenberger, Hilty Bis 1960: Fleiner, Giacometti, Huber Nachher: Basel: Eichenberger, Rhinow; Bern: Müller, Saladin Einstieg in den Text durch Begriffswandlungen: Republik-Demokratie / Demokratie-Staat usw. Frage: Warum diese Begriffsverwirrungen von Bäumlin ? • Schlüssel zum Textverständnis: Die Ideologiekritik als zentrales Element 19. Jahrhundert: Kritik von Marx an der Ideologie als „falsches Bewusstsein“ 20. Jahrhundert: Aufkommen modernerer Auffassungen bspw. von Karl Mannheim (Ideologie umfasst auch „richtiges Bewusstsein“), Berger/Luckmann (Ideologie als gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit), endlich Bourdieu (Theorie des Konstruktivismus („Alles Alltägliche ist konstruiert durch Sprache...“) • Ansätze und Wege der Theorie: 1.Unterscheidung: normativ-juristisch vs. normativ-politisch vs. deskriptiv-analytisch einfacher: Unterscheidung normativ / deskriptiv Wichtig: Unterscheidung zwischen „Bewerten“ und „Beschreiben“ 2.Unterscheidung: Input (Partizipation der Demokratie betreffende)- und outputorientierte (Leistung der Demokratie betreffende) Theorie, verbreitet durch Scharpf a) Normative Theorie der Selbstbestimmung (Fleiner) Landläufiges Demokratieverständnis: - Selbstgesetzgebung - Selbstregierung - Selbstverwaltung Folge ⇒ Identität von Regierenden und Regierten • Kritik: - Ist dies wirklich die Identität aller Beteiligten ? - Ausblendung der Frage der Willensbildung, Macht und Ungleichheit; Vorstellung eines einheitlichen Volkswillens (Homogenität) wird vorausgesetzt, ebenso die allg. politische Aktivierbarkeit aller Bürger - Beschränkung der Demokratie nur auf den Staat Das Modell bleibt „abstrakt-utopisch“ ! b) pluralistische Demokratie • • • • offene Wert- und Interessenordnung alle Interessen über Gruppen repräsentiert Interessenkonkurrenz, Konfliktlösung durch Verhandeln Kritik von rechts: einsetzender Zerfall der Autorität und der Werte des Pluralismus • • Kritik von links: ungleiche Konflikt- und Organisationsfähigkeit Bäumlin: Rechtfertigungsideologie, empirisch überholt ? c) das Rätesystem (Kritik von Bäumlin) • • • ⇒ • • Die Kritik am System repräsentativer Herrschaft findet er in Ordnung Richtige Einsicht: Demokratie verlangt Ausdehnung auf Gesellschaft Illusion: jederzeitige Mobilisierbarkeit der Bürgerschaft, Steuerung von unten nach oben, Entscheidungsfähigkeit, Garantie der Grundrechte Das Demokratisierungsmodell Bäumlins: Normative Setzungen: - Anerkennung des Einzelnen als zum Mitdenken und Mitentscheiden berufene Person (Ähnlichkeit zu Mill; Gegensatz zu Schumpeter) - kein gesellschaftlicher Bereich darf der Demokratisierung entzogen werden; Demokratie ist unteilbar. Differenzierte Demokratisierungsstrategien: - Inputkriterien: Betroffenheit (wer betroffen ist, bekommt mehr Rechte...) - Outputkriterien: Schaffung von mehr Gleichheit und Gerechtigkeit Demokratisierung der Wirtschaft: • Prämisse: Freiheiten müssen verallgemeinerbar sein (Problem des Eigentum) • Forderung von Bäumlin nach Eigentum / Recht auf Arbeit (in der CH nicht in der BV verankert) ⇒ Frage der Arbeitsqualität (Problem in der CH erkannt) und Mitbestimmung (1976: Mitbestimmungsinitiative des GWB deutlich abgelehnt) tauchen auf ⇒ Wunsch: Dezentralisierung der wirtschaftlichen Entscheide • Die Verstaatlichung wird von Bäumlin wegen einiger Schattenseiten abgelehnt; kein Selbstzweck, aber Präferenz für öffentliche gegenüber privaten Monopolen ⇒ Eine durchaus zeitgenössische ökonomische Ansicht, nämliche eine politische Steuerung gegenüber der Dominanz privatkapitalistischer Unternehmenslogik („Ziel der Strukturpolitik“ in den 60er-Jahren) Einschub: Entwicklung seit 1970: • • • • Im Zuge der Wirtschaftsdemokratisierung: Warum ist die Entwicklung seit 1970 ganz anders ? Aufkommende Vorstellung des „minimum state“ (vgl. Modell 1 Macpherson) 1989: Zusammenbruch des bipolaren Weltgefüges; Folge: eine Alternative der Wirtschaftsordnung geht verloren Der Staat verliert an Handlungsfähigkeit durch zunehmende zentralisierte, globalisierte Entscheidungen Fazit von Bäumlin: • • • Die Theorie von Demokratie ist abhängig von pol. Vorverständnis und lebensweltlichen Umständen Kritische Funktion der Theorie: sie ist Ideologie- und Funktionskritik zugleich (zeigt D.-Defizite auf) Demokratie als Nicht-Abgeschlossenes: aus dem Real-Normativen entwickelt sich das Mögliche Vergleich Macpherson-Bäumlin Macpherson Bäumlin 1. Argumentatorisches 1 Theorie 100 Begriffe 2. Methode Prüfung inhaltslogischer Konsistenz Selektive Darstellung und Kritik 3. Erkenntnisinteresse Theoriekritik Ideologiekritik 4. Position Kritisch-idealistisch Kritisch-idealistisch 5. Strategie der Demokratisierung Anderes Politiksystem (nämlich Rätesystem) Ziel der Demokratisierung der Wirtschaft und Gesellschaft Helmut Köser Demokratie und Elitenherrschaft Die klassischen Elitentheorien: ausführlicher: die Community Power Kontroverse Vorfrage: - Was für Eliten gibt es heute ? - Wie bewerten sie diese ? Zum Elitenbegriff (und ein Rückgriff auf Aristoteles) Funktionselite Machtelite Bewertung Aristoteles Aristokratie, gut „für die Regierten“ Oligarchie, schlecht „für sich selbst“ Prinzip der Selektion Eigene Leistung Vererbung, Usurpation Konsequenz für Zugang offen, meritokratisch geschlossen, privilegiert Einschub: Sind „Gebildete“ in der Schweiz eine Funktionselite ? ⇒ Quintessenz: sie sind eher eine Machtelite; der Zugang ist nicht offen für alle (kaum aus unteren Schichten) Klassische Elitetheorien (Pareto, Mosca und Nachfolger) • vorhandene Dichotomie zwischen Herrschenden / Beherrschten • Merkmal der politischen Klasse ist die Zirkulation: Bei Mosca dichotomer Vorgang zwischen Masse und Machtelite; bei Pareto ein trichotomer zwischen Masse, Machtelite und Gegenelite. ⇒ Diese Theorien haben Enthüllungscharakter. Frage: Demokratie als Oligarchie ? Rechtfertigung der klassischen Elitentheoretiker: die „Masse“ ist unfähig zu politischer Mitwirkung ! Elitisten und Pluralisten (die frühen Theoretiker aus den USA) Pluralisten Elitisten National Riesman (1950) The lonely crowd Mills (1956) The power elite Lokal Dahl (1961) Who governs ? Hunter (1953) Community power structure Positionen in der Community Power Kontroverse Pluralisten Elitisten Disziplin & Methode Politologie Entscheidungsansatz Soziologie Positions- und Reputationsansatz Macht, Konzeptualisierung Handlungsbegriff, Handlungseinfluss Strukturbegriff, Wirkung der Systemstruktur (Beobachtung der formellen & informellen Macht) Messung von Macht A beeinflusst Handeln von B A schreibt B Macht zu (geht auf Webers Definition zurück) Ergebnis zur Machtstruktur Dezentral, wechselnde Gruppen in verschiedenen Issues Zentralisiert, geschlossene Machtelite für jede Entscheidung Demokratienorm Repräsentativ-pluralistisch ⇒ Funktionseliten notwendig Radikale Direktdemokratie ⇒ Existenz von konzentrierten Eliten ein Ärgernis Funktion der Theorie Affirmativ, rechfertigend Kritisch, enthüllend Kritik (gegenseitig) Bias der Methode Bias der Methode Peter Bachrach, Morton S. Baratz Zwei Gesichter der Macht „Es gibt zwei Gesichter der Macht, wovon die Soziologen keines, die Politologen lediglich eines wahrnehmen.“ Die verwendeten Methoden zur Untersuchung der Macht • • Dahl (Politologie) verwendet den Entscheidungsansatz Hunter (Soziologie) verwendet den Positionsansatz Zwei Gesichter der Macht offene Konflikte nicht artikulierte Konflikte von Pluralisten erkannt nicht erkannt Grund: das Methodenproblem • • • Pluralisten erkennen nur ein Gesicht / Elitisten gar keines Drei Kritiken an Elitisten (im Text nachzulesen) Kritik an Pluralisten: - Wie lässt sich herausfinden, welches die „wichtigen“ Probleme im Entscheidungsprozess sind ? - Der Entscheidungsansatz lässt nicht untersuchen, ob wichtige Probleme ausgeschlossen werden Die Erfindung von Bachrach / Baratz: Non-issues , non-decisions • • • Der Entscheidungsansatz lässt nur offene (artikulierte) Konflikte beobachten Non-issues, non-decisions sind eine sehr effektive Art, Macht auszuüben Einschub: - Kann man theoretisch begründen, was Bachrach / Baratz behaupten ? Nur schwerlich möglich, höchstens durch die Systemtheorie (Input – politisches System – Output; gewisse Themen werden gefiltert ⇒ Selektionsleistung des Systems ⇒ Untersuchung der Selektionsleistung: welche Forderungen werden durchgelassen, welche nicht ?). ⇒ - Wie lassen sich Non-issues indirekt empirisch untersuchen ? Entweder durch einen Quervergleich international oder durch einen Längsvergleich historisch. - Gibt es Beispiele für Non-issues in der Schweiz ? Einführung der Todesstrafe in der Schweiz; fehlende Wahrnehmung der eigenen Interessen der Arbeitnehmer bei der BVG-Bestimmung der verzinsten Geldanlagen Einschub: Pluralisten und Elitisten in der Schweizer Literatur • • Leonhard Neidhart: Plebiszit und pluralitäre Demokratie (Pluralismus) Hanspeter Kriesi: Entscheidungsstrukturen und Entscheidungsprozesse in der schw. Politik (Elitismus) Neidhart (Pluralismus): • Hauptakteure im schweizerischen System: Parlament & Regierung / Souverän (Volk & Stände) / Verbände • Funktion des (Gesetzes-)Referendums: - Selten: direkter Volksentscheid - In der Regel: Verhandlungspfand aller intermediären Gruppen. Folge: Konkordanzzwang • Einflussstruktur: - viele Gruppen, jede mit dem Vetomittel Referendum - dezentral: föderalistisch, beschränkt auf „eigenen“ Bereich Kriesi (Elitismus): • Hauptakteure: siehe Neidhart • Eliteneinfluss (13 wichtige Entscheidungsfälle) Weitester Elitenkreis (1200) – engerer Elitenkreis (300) – engster Elitenkreis (30). Dieser letzte Kreis war in allen 13 Entscheidungsfällen involviert. • Machtstruktur: - es gibt viele Akteure, aber im vorparlamentarischen Verfahren erfolgt eine Konzentration auf wenige Schlüsselfiguren - herrschende Ungleichheit: Linke ‚formell kooptiert’, aber mit weniger Einfluss (Asymmetrie) Anthony Downs Die ökonomische Theorie der Demokratie Was bereits bekannt ist (Macpherson, Modell III): • • • • Demokratie hat keinen Eigenwert, ist nur Verfahren oder Methode Demokratie als Markt mit Produzenten und Konsumenten Ein individuelles Eigennutz-Axiom als Grundlage menschlichen Handelns Homo politicus = homo oeconomicus Methodische theoretische Vorbestimmungen (p. 4-20) • • Das Erkenntnisziel: „Generalisierte und doch realistische Verhaltensregeln für rationale Regierungen“ (4): ist dies normativ oder deskriptiv ? Im allgemeinen deskriptiv, ausser der Annahme ‚one person, one vote’ (normativ), sagt Downs. Aber dass er von Rationalität und Irrationalität ausgeht, ist mit (zwar teilweise versteckten) Werten besetzt. Das Konzept der Rationalität: - Rationalität ist nur auf die Mittel zu beziehen, nicht auf die Ziele selbst. D.f. die Vernunft oder Sinnhaftigkeit des Zieles wird ausgeklammert. minimieren Input Output Maximieren • Definition von fünf Punkten der Rationalität (Fähigkeit einer Alternativenerkennung, Fähigkeit einer Präferenzordnung, Transitivität der Präferenzen, Vorzug der stärksten Präferenz, gleiche Entscheidung bei jeweils gleichen Alternativen) Rationalität: Grenzen, Voraussetzungen Grenzen: - begrenzt auf polit-ökonomische Ziele - das Modell arbeitet mit ‚Durchschnitts’-Bürgern - die Unterscheidung zwischen Rationalität und Irrationalität Bsp.: Mann stimmt wie Frau, um Konflikt auszuweichen. Nach Linder rat. Verhalten, nicht nach Downs ! - Regelmässigkeit, Korrigierbarkeit Voraussetzungen: - voraussagbare Sozialordnung - nicht notwendigerweise demokratisch Struktur des Modells: • • • • • Das Hauptziel der regierenden Partei (11f.): Wiederwahl durch Stimmenmaximierung Freier Wettbewerb der Parteien Im übrigen unbegrenzte Macht der Regierung. Weil der Markt spielt, müssen keine Regeln in der Verfassung stehen Gleichheit des Wahlrechts als einziges ‚ethisches’ Prinzip (19) ‚deduktives, positives’ Modell (19) Besonderheiten demokratischer Regierungsformen • • Besonderheiten der Regierung (Def. der Regierung, höchster Handlungsträger mit Zwangsmonopol) Demokratische Regierungsform (8 Voraussetzungen; Hauptzweck: Regierung hervorzubringen) Politiker und politische Parteien • • • • Eigennutz als Axiom und Motiv allen politischen Handelns Die Parteien: - Behandlung wie eine einzelne Person als Vereinfachung. Damit Downs die Parteien zu den Produzenten zählen kann und nicht zu den Nachfragern. Konzept, Programme: Mittel zum Zweck Soziale Zwecke: werden nebenbei erfüllt Zusammenfassung • • • • Die Demokratie wird als Markt mit eigennützig handelnden Akteuren betrachtet Als Anbieter: Parteien (mit Ziel der Machterringung und darauffolgenden Regierungsgewalt durch Stimmenmaximierung; soziale Zwecke als Nebenprodukt) Als Konsumenten: Wähler(-innen) entscheiden nach Nutzenkalkül Demokratie: blosse Methode Die Stärken des politisch-ökonomischen (rational-choice) Ansatzes generell • • Einfachheit der Theorie; Formalisierbarkeit; Ideologiekritik, neue Erkenntnisse in der Politikwissenschaft (als Beispiel: die Policyanalyse) Arrows-Paradoxon (von Condorcet ursprünglich entwickelt): Grundfrage: Resultiert aus der Summe individueller Präferenzen eine eindeutige kollektive Präferenz (Wohlfahrt) ? Ergebnis: Das Problem der ‚zyklischen Mehrheiten’ verunmöglicht eindeutige kollektive Präferenz ! Illustriert am Beispiel der AHV-Rentenerhöhung: Vorschläge: A 100 Fr. SP A>B>C 1. Abstimmung: A:B ⇒ A B 50 Fr. FDP C>A>B 2. Abstimmung: A:C ⇒ C C 0 Fr. CVP B>C>A 3. Abstimmung: B:C ⇒ B Faktische Lösung im Parlament: Nicht alle Varianten treten gegeneinander an, sondern diese zwei Varianten, die am nächsten beieinander liegen. Die siegreiche Variante tritt dann nochmals gegen die dritte Variante an. Dieser Vorgang bietet offensichtlich Möglichkeiten der Manipulation und strategisches Abstimmungsverhalten. Die Auswahl der Variantenpräsentation obliegt dem Ratsbüro um den Ratspräsidenten. Folgerung: das Verfahren kann den Ausgang der Abstimmung bestimmen ! Problematik und Grenzen des rational choice Ansatzes • • • Homo oeconomicus als Axiom statt als empirische Frage. Methodologischer Individualismus (Ausgangspunkt der Theorie ist das Individuum; keine Erklärbarkeit durch das Kollektiv) Versteckter normativer Bias zugunsten des Egoismus und des Status quo (Egoismus als rationales Verhalten, alles andere ist irrational) Gesellschaftstheoretisch: Ausblendung sozialer und kultureller Werte und Sinnfragen (Nutzen steht im Mittelpunkt). Ist es sinnvoll mit mehr Geld zu sterben, als man auf die Welt gekommen ist ? Paradoxon des Wählens und Abstimmens • • • • Ökonomisch sinnvoll: wenn der Nutzen des Wählens die Kosten übersteigt. Rational choice-Annahme für politische Partizipation: K<N, genauer K<pN Diese Annahme ist praktisch nie erfüllt (wäre sie nur, wenn man genau der Medianwähler ist). Folgerung: die ökonomische Theorie erklärt die demokratische Partizipation nicht ! Ausweg der Ökonomie: Erweiterung des Nutzenbegriffs auf das Abstimmungsgewinn der Systemerhaltung. Folge: Tautologie der Theorie Andere Verhaltensmodelle als rational choice ? Beispielsweise das Gewissen. Schwächen des Eigennutz-Ansatzes: - Homo oeconomicus als Axiom statt als empirische Frage - Möglichkeiten individuellen Handelns: egoistisch altruistisch rational-kalkulierend emotional-wertorientiert Solidarisches Politikverhalten • • Frage: Verhalten sich Stimmbürger/-innen und Politiker systematisch (regelmässig) solidarisch ? Anlage der Untersuchung: Volksabstimmungen in 30 Fällen These: bei kleinen Nutzen- und grösserem Zahlerkreis sollte der JA-Anteil der Stimmen bei Eigennutz in den betroffenen Gebieten grösser sein. Ergebnis: Es kommt darauf an ! Dort, wo es um kollektive Gefahren geht (um Leben oder Tod) stimmen die Leute altruistisch (solidarisch), bei Luxusanschaffungen rational. Problematik Demokratietheorie (Linder) • • • Demokratie als blosse Methode ? Die Rolle von Ethik, Moral und von Ideologien ? Empirisch: die Kultur als entscheidender Faktor der Demokratie-Entwicklung. Nicht reduzierbar auf den methodologischen Individualismus. Max Kaase, Kenneth Newton Beliefs in Government – a crisis of democracy ? Die vorliegende Fallstudie ist eine Standortbestimmung über die Basis der Demokratie. Legitimationsgrundlagen des Staates (p.153 ff.) • Klassisch-bürgerliche Ansicht: Leviathan; heute: Pluralismus • (Faire) Verfahrensregeln statt Ethik und Moral ? (p.153/154) • Postmaterialismus: individuelle Selbstverwirklichung ohne kollektive Bindungen (p.155) • Gegenbefunde: keine ‚Atomisierung’, neue Politisierungen (p.155) Zur Frage friedlicher Konfliktlösung nach der ‚Entzauberung’ von Gemeinschaft und politischer Ideologien: - Genügt die Fairness der Regeln ? Es gibt trotzdem noch Sieger und Verlierer. Frage: was machen die Verlierer ? Werden sich wohl kaum mit der Fairness der Regeln begnügen. - Mehr (direkte) Partizipation ? - Ist solche sinnvoll und möglich bei a) geringerer Zurechenbarkeit staatlichen Handelns, b) Verlust von Kollektiv- und Parteienbindungen und c) unterschiedlichen Interessen arbeitender / nicht arbeitender Bürger/-innen The clash of civilisations (Huntington) (p.162/163): • Universalität liberaler Demokratie oder Minderheitenprogramm für OECD-Länder ? • Kulturell: Mix von Demokratie mit andern Gesellschaftsmodellen (seiner Ansicht nach wird sich nicht die westliche Kultur durchsetzen, sondern andere Kulturen aufkommen) • Ökonomisch: sind andere Modelle der liberalen Demokratie überlegen ? Alte Streitfrage, da teilweise autoritäre Regimes (Mobilisierungsregimes) ebenfalls wirtschaftlich erfolgreich sind. • Exkurs Linder: Interkulturelles Projekt mit einem Zürcher Ethnologen – was führt zu Demokratie ? Verschiedene Inputfaktoren: Ökonomie, Erziehung, Kultur, Staat, Politik ? ⇒ Schluss: Kultur als zentrales Element einer Demokratiebildung (heterogener Sprachraum, Familismus, Subsistenzwirtschaft) Postmodernismus und –materialismus (p.165 ff.) • ‚Apolitische’ Partizipation als Selbstzweck ? Ist die Beteiligung überhaupt wirksam ? • Überalterung der Gesellschaft, aber bleibende Ungleichheit ⇒ mögliche Verlagerung alt/jung ⇒ Wirtschaftliche Verteilungsfragen und Sozialstaat: weiter zuoberst auf der politischen Agenda (p.166) Zur Frage politischer Legitimation (p.167 ff.) • Input- und Outputlegitimation (bedeutet: einerseits sind die Verfahren stimmig; andererseits sind die Ergebnisse des Staates stimmig) • Gefährdungen der Legitimation: - Sinkende Parteibindungen (voter de-alignment) - Anti-Parteien-Trend - Neue soziale Bewegungen als blosser Mittelschichts-Aktivismus ⇒ die Unterschichten profitieren nicht von der Problembekämpfung der Mittelschicht Zukunft der Demokratie (p.170 ff.) • Die ‚neuen’ Bürger/-innen (mit besserer Ausbildung, besser pol. Beteiligung und mehr Aktivität) • Krise der Parteien und Bewegungen, neue extreme Rechte ⇒ Gefährdungspotential für die Demokratie • Institutionen: Verlust des Parlaments als politisches Zentrum ⇒ Mangel an Übersichtlichkeit ⇒ Mangel an politischer Orientierung • Demokratie ist besser als autoritäre Regimes • Herausforderungen: Ökologie in Verbindung mit Ökonomie und die Internationalisierung der Politik ⇒ Bsp. radioaktive Abfälle ⇒ Problem der zukünftigen Beteiligung nicht gelöst (Diskontierung der Zukunft) Fritz Scharpf • • • • Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung Der Autor: international bekanntester deutscher Politologe; Fachbereiche: Planung, europäische vergleichende Wirtschaftspolitik, Begründer des personenzentrierten Institutionalismus, Verfechter einer eigenwilligen Demokratietheorie (intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Forschungsergebnissen) Der Ansatz: empirisch oder normativ ? Die doppelte Perspektive der Demokratie-Theorie (p.21 ff.): - Input: unverfälschte Partizipation aller - Output: Entscheidung und Leistung (für wen ?) Die zwei Hauptteile des Texts: - Kritik der pluralistischen Theorie (bis p.53) und Entwicklung des eigenen Demokratiemodells (ab p.54 ff.) Die zwei demokratischen Perspektiven Zu den Output-Theorien gehörend: - negativ: Gewaltenteilungs- und Balance, Rechtsstaats-, Grundrechtstheorien ⇒ der Staat macht etwas nicht, man will eine gewisse Aufgabe dem Staat nicht geben - positiv: Repräsentations-, Leistungs- und Wohlfahrtstheorien Zu den Input-Theorien gehörend (p. 24/25): - Radikaldemokratische (identitäre) Modelle ⇒ Beherrschte und Herrschende sind die gleichen ⇒ Grundidee: Aufhebung der Herrschaft aber: das Problem der Minderheiten bleibt, sie werden marginalisiert; Folge: Totalitarismus Konsequenz: Anerkennung der Minderheiten und divergierender Interessen, auf diese Weise wird aber die Herrschaft nicht aus der Welt geschaffen (denn nun herrscht die Demokratie) Die frühe Pluralismustheorie (p. 29ff.) • Annahmen: - pluralistische Differenzierung, Dezentralisierung - Eliten antizipieren die Interessen der Nichteliten, weil sie deren Unterstützung brauchen ⇒ wenn nicht ‚Politik durch das Volk’, dann wenigstens ‚Politik für das Volk’ - Verhandeln und Elitenkompromiss, Apathie sogar vorteilhaft (kein working class authoritarianism) ⇒ die Teilnahmslosigkeit wird als Indiz für die Zufriedenheit mit den politischen Leistungen betrachtet • Scharpf: - falls Annahmen erfüllt, ‚Elitenherrschaft für das Volk’ als demokratisches Modell befriedigend. Aber: stimmt die Annahme, dass Interessen der Nichteliten befriedigt werden ? (p.43) Kritik Scharpfs I: Inkonsistenz des revidierten Pluralismus-Modells (p.43ff.) • • Klassencharakter der Partizipation im Pluralismus (Schattschneider) Egalitäre Elitenkonkurrenz und Interessenberücksichtigung der Nichteliten nur möglich durch Wahlen Kritik II: Ungleiche Organisations- und Konfliktfähigkeit sozialer Gruppen (p.48ff.) • Mancur Olsons Theorem (Logik kollektiven Handelns) (Organisationsfähigkeit: basiert auf der Anbietung eines exklusiven Vorteils (Bsp. TCS ⇒ Pannenhilfe); Konfliktfähigkeit: dann erfolgreich, wenn ich etwas verweigern kann, was gebraucht wird) • Wer ist am meisten auf Demokratie angewiesen ? Die ‚have nots’ (soziale Schichten und Gruppen, deren vitale Interessen nur durch eine Veränderung des status quo befriedigt werden können...), sie sind aber benachteiligt Kritik III: Output-Mängel des pluralistischen Systems (p.50ff.) Viele Gruppen und Vetopositionen: struktureller Konservatismus (bedeutet linker und rechter Pluralismus) • Starke Fragmentierung der Politik, keine grundsätzlichen Alternativen • Begrenzung auf friedliche ‚Akkommodation der begrenzten Ziele saturierter Gruppen’ ⇒ harte Abrechnung mit dem Pluralismusmodell • Zweiter Teil: a) Demokratie als Partizipation (p.54ff.) In den letzten 20 Jahren: vor allem die Grünen als Verfechter der radikalen Demokratie • Anspruch auf unverfälschte, umfassende Partizipation ist berechtigt, aber: - ist Interesse universell und vorrangig gegeben ? Wollen die Bürger partizipieren ? - Ausschluss der Unterschicht aus komplexer Partizipation im Gruppenpluralismus - Begrenzte Partizipationsbereitschaft und Fähigkeit, Apathie breiter Wählerschichten b) Komplexe Demokratietheorie (p.66ff.) • • Setzung: Festhalten am ‚Axiom des Eigenwertes menschlicher Selbstentfaltung und Selbstbestimmung’ Strategie der Demokratisierung verläuft auf 3 Ebenen: 1) hohes Gewicht der Wahlentscheidung in formellem Politiksystem (einzige Chance der ‚have nots’ auf Artikulation unverfälschter Interessen) 2) gleicher Zugang erweiterter Partizipation für alle Schichten 3) Nutzung in allen Gesellschaftsbereichen Partizipation in der Arbeitswelt (p.67ff.) • Ziele der innerorganisatorischen Mitbestimmung (auch in der management science / BWL diskutiert): - Selbstentfaltung - politische Kultur: Befähigung unterer Schichten, Erlernung ‚politischer Skills’ - breitere Rekrutierung von Eliten Scharpfs Modell des Politiksystems (p.76ff.) • Anforderungen: - mehr Partizipation in Gruppenpluralismus, kein taugliches Modell - Scharpf will höhere Entscheidungsfähigkeit UND Wertberücksichtigung als im Gruppenpluralismus ⇒ Grundzüge des Systems: • Zweiparteiensystem (Gründe: Konkurrenzdruck ⇒ Ernstnehmen der Unterschichtinteressen) • Starke Mehrheitsregierung, die sich gegen Gruppenforderungen durchsetzt ⇒ hohe Innovationsfähigkeit, aber: Problem der Machtkonzentration (muss verhindert werden, dass Macht nicht im Sinne Deutschs (‚Macht ist die Möglichkeit, nicht lernen zu müssen’) missbraucht wird) Lernfähigkeit und breite Wertberücksichtigung trotz Machtkonzentration ? • Rückgriff auf Gruppenpluralismus und Föderalismus (v.a. deutsche Diskussion) ? • Planung, think-tanks (Beratungsbüros) • Entscheidungen für künftige Generationen (bsp. Problem des Atommülls) • Partizipation nicht einzige Legitimationsgrundlage demokratischer Entscheidung • Aktive Öffentlichkeit muss gestärkt werden, Professionelle (Beratungsgruppen mit Moral) ⇒ Beispiel der Konsensfindung in der schweizerischen Drogenpolitik zwischen Ärzten & Sozialarbeitern Schluss: ‚Komplexe Demokratietheorie’ als Versuch • • • • eine Mehrzahl von Zielvorstellungen zu integrieren auf widersprüchliche Anforderungen und Zielkonflikte zu reagieren sowohl utopische Norm wie Realität im Auge zu behalten, sowie als Bezugsrahmen der Politikforschung und Anleitung politischer Praxis Georg Kohler Politikmüdigkeit in der Zivilgesellschaft Grundthese: ‚Entmächtigung’ der Politik durch die Ökonomie und technologische Zivilisation (objektiver Vorgang durch Systemzwänge) Grundfrage: Kann Politik (wieder) relevant werden ? Ansatz: Politische Philosophie Kohlers Unterscheidungen Law & Order I Law & Order II • Herrschaftsgründung und –ordnung (vgl. Machiavelli, Weber) ⇒ keine Frage nach Gleichheit / Gerechtigkeit Herstellung gerechter Gesellschaftsordnung • Systemtheorie Luhmanns ⇒ Gesellschaft lässt sich auf funktionale Systeme & Subsysteme aufteilen ⇒ Individuum spielt keine grosse Rolle, hat Wenig Einfluss in der Systemwelt Konstruktiv-normative politische Philosophie nach Habermas ⇒ Individuum im Zentrum; Politik findet in politischer Öffentlichkeit statt; Politik als Diskurs ⇒ deliberative Demokratie • Politikverdrossenheit nicht relevant ⇒ nur wichtig, wenn die Ordnung gefährdet würde ‚Öffentlich-lebensweltliches Bewusstsein’ wichtig Demokratie sinnvoll und möglich ? • Die anthropologische Dimension: Francis Fukujama (‚The end of history’ – grosser Systemkampf ist zu Ende ⇒ Marktsystem wird sich durchsetzen) - Technische Rationalität & Bedürfnis nach Selbstachtung: theoretisch passen diese 2 Dinge auf die Entwicklung für Law & Order II. Praktisch: Rückzug aus der Politik (Ohnmachtsgefühle) ⇒ Law & Order I reicht für Legitimation politischer Institutionen • Die kulturanalytische Dimension: Richard Sennett - Zersetzung des (individuellsozialen) Charakter durch ‚Flexibilisierung’ im System des Kapitalismus Wie können sich die Menschen selbst achten, wenn sie ihren Charakter nicht mehr haben ? • Das Dilemma zwischen beweglicher Anpassung und dem Wunsch nach Selbstachtung • Verlierer versinken in der Resignation • Folge: Schumpeter-Demokratie: Unschädlichmachung dyfunktionaler Gerechtigkeitsvorstellungen, Instabilität ⇒ Idee der Gleichheit bleibt auf der Strecke, Verschleierung der Gerechtigkeitsidee Die prekären Grundlagen der Gemeinschaftlichkeit • • Voraussetzungen von Gemeinschaft: Sesshaftigkeit und Reziprozität Probleme: - der Kapitalismus braucht dich nicht - Verlust der Bindungen (Überbetonung der Selbstanerkennung) - vernünftige Verständigung unter Menschen ⇒ wie können sich Menschen verständigen, um sich gegen die Systemzwänge zu behaupten ? ⇒ geht auf Habermas zurück: Menschen können sich verständigen, weil sie gemeinsame Interessen haben (Theorie des kommunikativen Handelns) Gegenposition Linder: Beispiel eines afrikanischen Kleindorfes ⇒ Vertrauen ist abnehmend auf die Systeme Familie, Nachbarschaft und Beruf begrenzt; dort endet die Kooperation. Reziprozität (nach Sennett) liegt Linder näher, ist entscheidend für die Nachbarschaft. Gemeinde mit beschränkter Aufgabe (Erheben von Steuern, um öffentliche Güter bereit zu stellen). ⇒ Linder sieht politische Ökonomie zentral für die Entwicklung von Gemeinschaft Kohlers Projekt • • Politik soll (wieder) den Markt bestimmen (‚Primat der Politik’), sonst Risiko eines autoritären 21. Jahrhunderts Neue Formen demokratischer Selbststeuerung als Vorschlag: 1. Transnationale Demokratie: Normativ sinnvoll ? Realitätsnah ? ⇒ Probleme der Übertragung von Demokratie auf grössere Räume ⇒ keine Diskurse mehr möglich 2. Willensbildung: ‚Kluge Fairnessbereitschaft’ zwischen den Staaten ⇒ aber: wie kommt so etwas zustande ? 3. Zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit, Verständigungsbereitschaft (vgl. öffentliche Gruppen bei Scharpf) Wolf Linder Die Zukunft der schweizerischen Demokratie • Institutionelle Besonderheiten des schweizerischen Systems: - Konkordanz und Machtteilung (im Gegensatz zu Mehrheitssystem) - Föderalismus -(Zentralismus) - Direkte Demokratie –(Repräsentativsystem) - Multikulturelle Staatsgründung Bezüge der Demokratietheorie • Demokratische Beteiligung als ‚Wert’ im schweizerischen System • Volksrechte I: ‚Bürgerperspektiven’: - Fortsetzung und Vertiefung der radikaldemokratischen Idee dese Abbaus von Herrschaft - Ausweitung des ‚Repertoires’ der Beteiligung - ‚Selbstverwirklichung’ durch Partizipation (Postmaterialismus). Aber: Milizsystem ? Diskrepanz zwischen eigenem Ausdruckswillen und persönlicher Beteiligung - Konsequenz: Maximierung der Volksrechte • Volksrechte II: Institutionelle Perspektive: - Begrenzte Teilnahmewilligkeit / -fähigkeit - Komplexe Direktdemokratie: Mittelschichtsdemokratie - Zusammenwirkung Regierung-Parlament-Volk mit Risiken - Konsequenz: Optimierung der Volksrechte ⇒ Konzentration auf wesentliche und einfache Fragen • Der Trade-Off zwischen Wahlen und Abstimmungen: In parlamentarischem Konkordanzsystem: strategischer Einfluss durch Wahl In direktdemokratischem Konkordanzsystem: taktischer Einfluss durch Abstimmung • Input- und Output-Perspektive des Gruppenpluralismus: - Input: starke Gruppenbeteiligung: Elitismus ? - Output: die Konfliktfähigen, Organisationsfähigen, Have-nots ! Kommen sie zu kurz ? • Ersetzung der Konkordanz durch ein Konkurrenzsystem ? Vorschlag des Ökonomen Borner und des Politologen Germann ⇒ führt zu mehr Innovation, gleichzeitig zu weniger Integration. (Neueste empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass auch Konkordanzsysteme innovativ sein können)