1 Prof. Dr. Helmut Diederichs Thesenpapier zum Begriff "Öffentlichkeitsarbeit" Quellen: • Krenz, Armin: Handbuch Öffentlichkeitsarbeit. Professionelle Selbstdarstellung für Kindergarten, Kindertagesstätte und Hort, Freiburg Basel Wien: Herder, 3. Aufl., 1999 • Hoffmann, Bernward: Kommunikation und Medien. Einführung und Praxis aus (sozial-)pädagogischer Perspektive, Münster u.a.: Waxmann 2000, S. 214-227. I. Begriffe (Hoffmann, S. 216-217) 1. Öffentlichkeit ist eine wesentliche Kategorie des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates. Habermas: "... nach der bürgerlich-liberalen Auffassung ist Öffentlichkeit ein Raum, in dem sich die politische Willensbildung des souveränen Volkes vollzieht und gleichzeitig die Kontrolle über die staatlichen Gewalten stattfindet." 2. Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations, Corporate Identity) - beinhaltet das bewusste, legitime und kontinuierliche Bemühen einer Organisation bzw. einer Person um Aufbau und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit. - das sind alle Maßnahmen zur Herstellung einer einheitlichen, unverwechselbaren und wiedererkennbaren Identität eines Vereines, einer Gewerkschaft, einer Person. - ist weder Werbung noch Propaganda. - ist Selbstdarstellung partikularer Interessen durch Information. Als Medien sind alle Techniken und Formen schriftlicher, mündlicher, fotografischer, filmischer und audiovisueller Publizistik sowie interpersonaler Kommunikation denkbar. 3. Werbung ist darauf gerichtet, Personen und Personengruppen so zu beeinflussen, dass sie sich in der von den Werbenden gewollten Weise verhalten, also: Waren und Dienstleistungen kaufen (Produktwerbung, Imagewerbung), bzw. ihre Wählerstimme für eine bestimmte Partei abgeben (politische Werbung). 4. Propaganda ist der Versuch von einzelnen oder Machtgruppen und Institutionen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu beeinflussen und zu manipulieren. Im Dritten Reich war Propaganda eines der primären Machtmittel. Der Unterschied zu ÖA und Werbung liegt darin, wie mit Information und Wahrheit sowie der Freiheit der Menschen umgegangen wird. II. Aspekte von Öffentlichkeitsarbeit (Hoffmann, S. 218-219) 5. Intentional/funktional = im engeren Sinne/im weiteren Sinne – bewusst und aktiv betriebene ÖA (Professionalisierungsbemühungen) vs. eher beiläufige, ungezielte Öffentlichkeitswirkung einer Institution (Aussehen des Gebäudes, Verhalten der Mitarbeiter, Form des Telefonbucheintrages etc.) 6. Extern/intern – 'eigentliche' Öffentlichkeitsarbeit ist nach außen gerichtet, hat aber auch Rückwirkungen nach innen, auf Selbstbild der Mitarbeiter. Es gibt aber auch gezielte Maßnahmen interner ÖA, z.B. zur Transparenz von Entscheidungen. 7. Aktiv/passiv – Institution ergreift von sich aus Initiativen vs. beschränkt sich aufs Reagieren (Leserbrief, Gegendarstellung) oder wird öffentlich nur auf Anfrage. 2 III. Regeln der Öffentlichkeitsarbeit (Hoffmann, S. 219) 8. Eine funktionierende interne ÖA ist notwendige Voraussetzung für eine gelingende externe ÖA. 9. Gelingende externe ÖA verstärkt Motivation und Identifikationsbereitschaft der MitarbeiterInnen mit der Institution. 10. Regelmäßige und gezielte Informationen: Ihr Ziel erreichen nur regelmäßige Informationen, die einen "persönlichen Nutzwert" für eine möglichst konkrete Zielgruppe haben. (Beeinflusst auch Medienwahl). 11. Kontaktarbeit: Neben der Papier-, Wort- und Bildflut sind persönliche Beziehungen ein wichtiges Mittel (Flüsterpropaganda, Mund-zu-Mund-Propaganda). Jede mediale Information wird bewusster wahrgenommen, wenn der Adressat den Absender persönlich kennt; das gilt auch für die Kontaktpflege zu wichtigen Meinungsführern (z.B. Lokaljournalisten). 12. ÖA im Team: Nur im Miteinander verschiedener Faktoren gelingen Aktionen – die Information muss klar, interessant und wirkungsvoll sein, die Kontakte ("Vitamin B") müssen stimmen und das Angebot muss dem Versprochenen entsprechen. Das ist im Team wirkungsvoller und kreativer möglich. 13. Längerfristige Planung: Jede ÖA sollte sorgfältig und mit genügend Zeit geplant, durchgeführt und ausgewertet werden – ÖA als Imagepflege braucht langen Atem und Geduld. IV. Strategien und Formen von ÖA (Hoffmann, S. 219-220) 14. Strategie: - Analyse der Ausgangssituation - Ziel-Festlegung (sich nicht überfordern) - Bestimmung der Zielgruppe (Segmente der Öffentlichkeit) - Medienwahl (Zeit- und Kostenplan, Realisierung, W-Fragen) - Erfolgskontrolle 15. Formen: - Visuell-mediale Formen: Infotafel, Schwarzes Brett, Handzettel, Flugblatt, Zeitung, Plakat, Zeitungsbericht (Pressemitteilung, Leserbrief, Gegendarstellung, Interview), Infobroschüre, Schaukasten, Ausstellung, Film/Video. - Formen auch personaler Begegnung: Pressekonferenz, Hausbesuche, Gesprächsabende, Tag der offenen Tür, Informationsstand, Informationsveranstaltung, Offene Feste. - Alternative Formen: Pflastermalerei, Sandwichplakate, Demonstrationen, Aktionen, Straßentheater/musik, Graffitti, Litfaß-Säulen 3 IV. Definition und Aufgaben von sozialpädagogischer ÖA – nach Krenz (S. 26-36) 16. Öffentlichkeit ist jederzeit und an jedem Ort existent. Einer Öffentlichkeit kann sich niemand und nichts entziehen, denn schon der Entzug ist eine Existenz für die Öffentlichkeit." (in Analogie zu Watzlawicks: Man kann nicht nicht kommunizieren!) 17. Qualitativ hochwertige Öffentlichkeitsarbeit ist eine planmäßige, strukturierte und professionell gestaltete Herstellung von Öffentlichkeit, bei der die Einrichtung durch klare Informationen Fakten und Tatsachen der eigenen Arbeit weitergibt, mit dem Ziel, Aufgaben und Ansprüche transparent zu machen, das Ansehen in der Öffentlichkeit zu steigern und dabei das Vertrauen zur Öffentlichkeit aufzubauen und zu pflegen. 18. Öffentlichkeitsarbeit hat grundsätzlich immer drei Aufgaben zu erfüllen: a) Herstellung einer Transparenz der Aufgaben und Ansprüche dieser betreffenden Institution mit ihrer besonderen Arbeit; b) Steigerung des Ansehens dieser Institution in der Öffentlichkeit; c) Aufbau und Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit. V. Wem dient sozialpädagogische ÖA – nach Krenz (S. 37-81) 19. ÖA dient den pädagogischen MitarbeiterInnen. 20. ÖA dient dem Berufsbild. (Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz). 21. ÖA dient den Kindern. (Kinderrechte). 22. ÖA dient der Einrichtung. (Erwartungskarussell). 23. ÖA dient den Eltern. (ÖA ist Elternarbeit: Schafft Vertrauen). 24. ÖA dient dem Träger. (Kommunikationsverbesserung mit Einrichtung). 25. ÖA dient einrichtungsfernen Ziel- und Interessengruppen. (Klischeevorstellungen). VI. 21 Thesen für eine qualifizierte ÖA – nach Krenz (S. 82-89) 26. ÖA muss Neugierde wecken! 27. ÖA muss interessant gestaltet sein! 28. ÖA sollte eine Diskussion in Gang setzen! 29. ÖA muss durch Kontinuität gekennzeichnet sein! 30. ÖA verlangt vom Anbieter Einsatz! 31. ÖA muss ein hohes Maß an Aktualität besitzen! 32. ÖA muss prophylaktisch und perspektivisch ausgerichtet sein! 33. ÖA dient weder der persönlichen Eitelkeit noch einem privaten Interesse! 34. ÖA ist ein aktiver (agierender), kein passiver (reagierender) Prozess! 35. ÖA ist ein geplanter und strukturierter Vorgang! 36. ÖA bedient sich zielorientierter Methoden und wählt angemessene Formen! 37. ÖA richtet sich nach den Adressaten! 38. ÖA will Einfluss nehmen! 39. ÖA provoziert annehmbar! 40. ÖA ist immer eine Kombination aus einer Sach- und Beziehungspflege! 41. ÖA festigt und verbessert den Stellenwert der Einrichtung! 42. ÖA baut gezielt Berührungsängste ab! 43. ÖA trägt zu einer niveauvollen Streitkultur bei! 44. ÖA muss ein integrativer Bestandteil der Sozial-Pädagogik sein! 45. ÖA ist Werbung! 46. ÖA hält alle Beteiligten in Bewegung!