WISSENSWERTES – DIABETISCHES FUßSYNDROM

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WISSENSWERTES – DIABETISCHES FUßSYNDROM
AUSFÜHRLICHE INFORMATIONEN
Diabetisches Fußsyndrom
1. Was kann der Diabetologe
tun, um Beinamputationen zu
vermeiden?
Diabetiker leiden oft an nicht heilenden Fußwunden (Diabetisches Fußsyndrom) und werden wegen verschleppter
Wundheilung
überdurchschnittlich
häufig amputiert. In Deutschland gehen etwa zwei Drittel aller Amputationen auf das Konto des Diabetischen
Fußsyndroms, nämlich 40.000 pro Jahr.
Hauptursachen sind eine Nervenschädigung der Füße (diabetische periphere
Neuropathie) und Durchblutungsstörungen der Beine (arterielle Verschlusskrankheit).
2.Diagnose
Ziel diagnostischer Maßnahmen ist es,
so schnell wie möglich das Ausmaß und
die führende Hauptursache festzustellen:
ƒƒ W ie lange besteht die Wunde? Wie
kam es dazu, z. B. nach Mehrbelastung durch Gartenarbeit oder
nach Verletzung (Anpralltrauma,
Fußmassagegerät, Fußpflege) oder
Verbrennung (Heizdecke, Fußbad,
Wärmflaschen)? Wegen ungeeignetem, nicht passendem Schuhwerk
oder überalterten Fußbettungen?
Wegen Barfuß- oder Strümpflingslaufen? Wie ist der Patient versorgt,
lebt er alleine? Welche Maßnahmen
sind bereits erfolgt, z. B. Antibiotikatherapie? Sind bereits früher Fußwunden aufgetreten und sind dabei
multiresistente Keime aufgetreten?
Wie lange besteht der Diabetes, welche anderen Ursachen kommen für
die Neuropathie in Frage (z. B. Wirbelsäulenschaden, Alkoholkonsum,
Chemotherapie, hohes Alter)?
ƒƒ Inspektion der Füße einschließlich der Zehenzwischenräume mit
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Suche nach Entzündungszeichen,
Haut- und Nagelveränderungen.
Beurteilung der Fußdeformität und
der Fußmuskulatur, ggf. Erfassung
früherer Zehenamputationen.
ƒƒ Untersuchung der Bein- und Fußdurchblutung und neurologische
Untersuchung durch Bestimmung
der altersbezogenen Empfindungsschwelle für Vibration am Großzeh
(graduierte Stimmgabel nach Rydel
und Seiffer und Evaluation nach Lininger und Assal). Untersuchung des
Schuhwerks.
ƒƒ Erstens Wundtoilette, anschließend
Wundreinigung mit physiologischer
Kochsalzlösung und Probeentnahme
zur bakteriologischen Untersuchung
aus der Tiefe der Wunde. Dabei Beurteilung der Ausdehnung, Beschaffenheit (Beteiligung von Sehnen,
Gelenken, Knochen; Wundrand,
Kavitäten, Unterminierungen), Farbe und Wundgeruch. Bilddokumentation und Einteilung der Läsion
nach Wagner/Armstrong.
ƒƒ Veranlassung einer Röntgenaufnahme, um nach Auflösungen von Fußknochen (Osteolysen) zu fahnden.
3.Therapie
Ziel therapeutischer Maßnahmen ist
es, so schnell wie möglich schädigende
Faktoren auszuschalten (Druckbelastung und Durchblutungsstörung) und
die bakterielle Infektion zu beseitigen.
Erforderlich sind:
ƒƒ Druckentlastung durch strenge
Bettruhe („Gehverbot“), phasengerechte Wundbehandlung einschließlich regelmäßiger Wundtoilette und
Versorgung mit Entlastungsorthese.
Ggf. Wundtoilette im Operationssaal durch einen Chirurgen (wegen
Möglichkeit zur Vollnarkose und
Blutstillung), ggf. operative Entfernung von Osteolysen
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ƒƒ Konsequente Blutdruck- und
Blutzuckereinstellung (ggf. Insulin),
ggf. Verbesserung des Ernährungszustandes, leitliniengerechte Antibiotika-Therapie und Einleitung von
Hygienemaßnahmen bei Nachweis
von multiresistenten Keimen.
ƒƒ Bei arterieller Verschlusskrankheit
Fallvorstellung in einem Plenum
von Angiologen und Gefäßchirurgen, konsequente Verbesserung der
Durchblutung.
Das „Orchester“ der verschiedenen
therapeutischen Disziplinen setzt sich
zusammen aus Innere Medizin/Diabetologie, spezialisierte Krankenpflege,
Radiologie, ggf. Chirurgie, Plenum
Angiologie/Gefäßchirurgie, Orthopädieschuhtechnik, Podologie und nicht
zuletzt die hausärztliche Behandlung.
Alle Beteiligten müssen sich mit einem
hohen Maß an Erfahrung und Engagement einbringen. Der Diabetologe koordiniert als „Dirigent“ die reibungslose
Zusammenarbeit.
Es kann nicht deutlich genug betont
werden, wie wichtig die konsequente Druckentlastung für eine erfolgreiche Fuß-Wundheilung ist. Diese
Maßnahme ist aus nachvollziehbaren
Gründen unbeliebt oder wird in ihrer
Wichtigkeit unterschätzt. Patienten
und Therapeuten sollten sich vor Augen führen, dass eine Wunde nur abheilen kann, wenn der Druck, der die
Wunde verursacht hat, abgestellt wird.
Von sich aus wird der Patient wegen
der Neuropathie die Notwenigkeit der
Druckentlastung nicht ohne Weiteres
nachvollziehen. Angehörigen und dem
Pflegedienst kommt hier eine besonders wichtige Rolle zu: sie müssen den
Patienten immer wieder ins Bett, Sofa
oder Rollstuhl schicken, wenn er auf
„freiem Fuß“ angetroffen wird.
Sollte es trotz konsequenter und richtiger Ausschöpfung aller geschilderten
Maßnahem zur lebensgefährlichen
Blutvergiftung (Sepsis) kommen, ist
die Beinamputation Ultima ratio. Gemäß „Amputationsnotbremse“ der Arbeitsgemeinschaft Fuß der Deutschen
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AUSFÜHRLICHE INFORMATIONEN
Diabetes-Gesellschaft ist vor einer
Amputation zu beachten:
ƒƒ Eine angiologische, neurologische
und mikrobiologische Diagnostik
muss vorliegen.
ƒƒ Es müssen vor einer Amputation ein
Diabetologe, ein interventionell tätiger Angiologe/Radiologe und ein
Gefäßchirurg konsultiert werden.
ƒƒ Bei Wundheilungsstörungen ist die
Amputation als erste Behandlungsmaßnahme nicht indiziert. Dies
trifft insbesondere für die akute
Neuro-Osteoarthropathie zu.
Vielleicht wird dem Arzt in der Fußambulanz trotz konsequenter und
richtiger Therapie die Abheilung der
Fußwunde nicht gelingen. Er wird aber
möglicherweise über Jahre eine Fußinfektion mit Sepsis verhindern können,
bis der Patient an einer anderen Erkrankung stirbt, ohne eine Extremität
verloren zu haben.
Es sei ausdrücklich vom „IRA-Prinzip“
(Infektsanierung, Revaskularisation/
Rekanalisation, Amputation) abgeraten: eine Amputation kann nicht
Bestandteil des Behandlungskonzepts
sein.
Fußambulanz verfügt.
Neben der regelmäßigen Fußinspektion und der podologischen Behandlung
kommt der Versorgung mit geeignetem
Schuhwerk eine wichtige Bedeutung
zu. Nicht jeder Fußpatient benötigt
eine Versorgung. Bequeme, ausreichend weite Schuhe können bereits
allen Anforderungen einer Prophylaxe
genügen. Auf der anderen Seite wird
eine notwendige Versorgung nur dann
angenommen werden, wenn der Patient
sich in den Schuhen wohl fühlt. Dem
Arzt in der Fußambulanz kommt eine
wichtige Vermittlerrolle zu. Er muss
auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Schuhversorgung achten und alles
tun, damit der Patient die Schuhe auch
mag. Der Ablauf der Schuhverordnungen muss sorgfältig koordiniert werden:
das erste „normale“ Paar, dann ein Paar
Hausschuhe und zuletzt ein Wechselpaar.
Autor
Dr. med. B. Mertes,
Facharzt für Innere Medizin
(Diabetologie)
4.Prophylaxe
Nach Infektsanierung und Wundbehandlung wird nach Wochen oder
Monaten die Fußläsion abheilen. Wegen des hohen Risikos eines Rückfalls
(Rezidiv) muss der Patient jetzt in ein
dauerhaftes Programm zur Vermeidung eines Rückfalls (Prophylaxe)
eingebunden werden. Neben der täglichen Fußinspektion durch den Patienten oder durch Angehörige, sollte
eine Fußinspektion alle drei Monate
in der Hausarztpraxis oder in der diabetologischen Fußambulanz erfolgen.
Der Patient sollte an eine podologische
Praxis angebunden werden, die über
eine Kooperationsvereinbarung mit der
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