Riport 67 Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik 4 Anpassen von Medikamentenkombinationen und Dosierungen: Was gibt es neben Körpergewicht und Nierenfunktion zu beachten? 5 Wie lassen sich «evidence-based medicine« und «personalized medicine» verbinden? 6 Tipps und Tricks in der Hypertonie-Behandlung: Wie individuell können Leitlinien sein? 7 Hepatitis C: ein individuell geprägtes Krankheitsbild 8 Vorsorglicher Beitrag von Laboruntersuchungen bei infektiösen Geschlechtskrankheiten am Beispiel von Chlamydien und Gonokokken 10 Welches Allergen ist der Übeltäter? — Molekulare Diagnostik hilft weiter 12 Wie weit erlauben DRG eine personalisierte Medizin? 14 Tag der offenen Tür 15 40 Jahre Familienunternehmen mit Tradition 16 Für Sie gelesen Hämatologie Klinische Chemie Klinische Immunologie Medizinische Mikrobiologie Medizinische Genetik Ausgabe 67 im Sommer 2011 1 Impressum Verantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert Risch PD Dr. med. Lorenz Risch, MPH Dr. med. Martin Risch Dr. rer. nat. Sabine Berchtold Dr. med. Walter Fierz, MHIM Dr. phil. Peter Hagemann Dr. med. Pedro Medina Escobar Dr. rer. nat. Martine Michel Blanco Prof. Dr. med. Urs Nydegger Dr. phil. II Michael Ritzler Dr. rer. biol. hum. Ute Wiedemann Dr. sc. nat. ETH Monika Wydler Dr. phil. II Manfred Zerlauth Layout / Gestaltung IDconnect Design Solutions Bergstrasse 45, FL-9495 Triesen [email protected] www.id-connect.com Ziegelrain 25 5000 Aarau Bubenbergplatz 10 3011 Bern Waldeggstrasse 37 3097 Liebefeld-Bern Via Arbostra 2 6963 Pregassona www.risch.ch STS 177 REG NR. 13231 2 Fröhlichstrasse 7 5200 Brugg Akkreditierung nach ISO 17025 * Zertifizierung nach ISO 9001:2000 * Gersauerstrasse 8 6440 Brunnen Landstrasse 157 9494 Schaan* Rue des Lilas 8 2800 Delémont Mühlentalstrasse 28 8200 Schaffhausen* Schaffhauserstrasse 126 8302 Kloten Theatergasse 26 4500 Solothurn Krankheit / Unfall: ein multifaktorieller Prozess oder «Die Gesundheitsversorgung: auf der Luftmatratze?» Politik und Krankenkassen verstehen sich als Vertreter der Patienteninteressen. Ihr Blick ist fast ausschliesslich auf ein Kostenmonitoring eingeengt. Der Ruf und das Bekenntnis zu einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung werden von Seiten der Leistungserbringer meist als Lippenbekenntnis empfunden. Für die Struktur der Gesundheitsversorgung schlimm ist jedoch der nicht einkalkulierte «Luftmatratzen-Effekt» von kostensenkenden Massnahmen. Beamte und Versicherungsvertreter handeln und denken hauptsächlich für ihre Institution, was durchaus legitim ist. Von einem Krankheitsfall / Unfall sind aber neben den Krankenkassen immer auch das «Taggeld», der Arbeitsausfall und letztlich das soziale Umfeld in beachtlichem Ausmass betroffen. v.l.n.r.: Prof. Dr. med. B. Müllhaupt, Dr. med. A. Derungs, Dr. R. Müssner, Dr. med. M. Risch, Dr. sc. nat. G. Risch, PD Dr. med. L. Risch, Dr. med. R. von Moos, Prof. Dr. med. J. Steurer, Dr. med. Y. Crippa (auf dem Bild fehlt Prof. Dr. med. P. Greminger) In wenigen Monaten wird die Einführung des DRG’s die Kostenverteilung sicher messbar beeinflussen. Im Parlament und in den Medien wird die obligatorische Einführung von «Managed Care» gefordert, ein weiteres brisantes Thema. Gegen diese Struktur verändernden Massnahmen wäre nichts einzuwenden, wenn sicher gestellt wäre, dass alle kostenrelevanten Gesichtspunkte einer Krankheit, eines Unfalls berücksichtigt würden. Häufig bewirken solche Strukturveränderungen nur Kostenverlagerungen letztlich zu Lasten der Betroffenen, dessen sozialem Umfeld oder der Volkswirtschaft. Aus dieser Sichtweise müssen gesetzliche Massnahmen darauf bedacht sein, dass kostensparende Faktoren keinen Abbau an Qualität und der Versorgungssicherheit bedeuten und nicht nur Kosten verlagern. Es ist zwingend, dass Krankheiten und Unfälle in einer Gesamtschau als «Prozesse» ganzheitlich verstanden werden. Es ist unzulässig, dass Kostensenkungen an einer Stelle zu Kostensteigerungen andernorts führen: «Luftmatratzen-Effekte» sind zu vermeiden. Die Gesundheitsversorgung ist als volkswirtschaftliches, soziales und privates Gesamtsystem zu verstehen. Das Vermeiden oder die Linderung des Leidensdruckes der Versicherten ist dabei mit als zentraler Punkt zu berücksichtigen. Entgegen dem Trend haben wir Anfang dieses Jahres in Zürich einen weiteren Standort eröffnet, um wohnortnah Laborleistungen zu erbringen. Unsererseits sind dezentrale Laborkonzepte mit höheren Kosten verbunden. Sie bieten jedoch logistisch für die Auftraggeber wesentliche Vorteile. Auch lässt sich der persönliche Kontakt zwischen dem Laborteam und den Arztpraxen allein durch die Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen wesentlich besser auf- und ausbauen. Die Stabsübergabe an die beiden Söhne ist anlässlich des XVII. Diagnostik-Symposiums in feierlichem Rahmen erfolgt. Die Aufgabenbereiche sind innerhalb der Führungsmannschaft neu verteilt worden. Meinerseits habe ich nun die Möglichkeit, mich als Verwaltungsratspräsident in die zukünftige Unternehmungsentwicklung der Laborgruppe einzubringen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die sehr interessanten Ausführungen am Diagnostik-Symposium unter dem generellen Titel «Personalisierte Medizin», die Sie in dieser Riport-Ausgabe nachlesen können (siehe Referenten-Foto). Ich wünsche allen einen ebenso schönen Sommer, wie wir den Winter und Frühling genies­ sen konnten. Speziell wünsche ich recht erholsame Ferien. Freundliche Grüsse Dr. sc. nat. Gert Risch Präsident des Verwaltungsrates 3 Anpassen von Medikamentenkombinationen und Dosierungen: Was gibt es neben Körpergewicht und Nierenfunktion zu beachten? Dr. med. Adrian Derungs und Prof. Dr. med. Stephan Krähenbühl Die Variabilität der Arzneimittelwirkung ist ein alltägliches Problem jeden Arztes, der medikamentöse Therapien durchführt. Einerseits tragen genetische Faktoren, dann aber auch Umwelteinflüsse, Verminderung der Funktion der Eliminationsorgane Niere und Leber, die Körperzusammensetzung (insbesondere Adipositas und Hydratationszustand) sowie auch Lebensphasen wie hohes Alter, Kindheit und Schwangerschaft dazu bei. Genetische Faktoren In Bezug auf die genetischen Faktoren sind besonders die arzneistoffabbauenden Enzyme wie die Cytochrom P450 Enzyme (CYP) und die Glucuronyltransferasen zu nennen. Mangel oder Erhöhung der Aktivität solcher Enzyme kann mit einer verminderten Wirkung von Arzneistoffen oder auch mit Toxizität verbunden sein. Ein gutes Beispiel dazu ist der Effekt der Aktivität von CYP2D6 auf die Wirkung und Toxizität von Codein. Codein ist ein Prodrug und muss via CYP2D6 zu Morphin umgewandelt werden, damit es wirken kann. Codein ist deshalb bei Patienten mit fehlender CYP2D6Aktivität als Analgetikum wirkungslos. Auf der anderen Seite ist bei Patienten mit einer erhöhten Aktivität von CYP2D6, so genannten «CYP2D6 ultra rapid metabolisern», klar gezeigt worden, dass die Wirkung von Codein stark gesteigert ist und zu Toxizitätsproblemen führen kann. In der letzten Zeit ist auch die Genetik von Arzneistofftransportern vermehrt untersucht worden. Man hat unter anderem gefunden, dass die Myotoxizität von Statinen zum Teil durch eine Unterfunktion eines Transporters erklärt werden kann, welcher Statine in die Hepatozyten transportiert. Enzympolymorphismen im Bereich von Rezeptoren scheinen in Bezug auf die Wirkung von Arzneistoffen ebenfalls eine Rolle zu spielen, zum Beispiel bei der Wirkung von Betarezeptoren-Blockern. Enzympolymorphismen im HLA-System, welches wichtig ist zur Präsentation von Antigenen, sind ebenfalls wichtig für die Hypersensitivität auf gewisse Medikamente. Insbesondere konnte für Abacavir (ein Anti-HIV Medikament) gezeigt werden, dass das Hypersensitivitätssyndrom, welches mit diesem Medikament assoziiert ist, praktisch nur bei Patienten mit dem HLA B5701 vorkommt. Wenn solche Patienten nicht mit Abacavir behandelt werden, treten praktisch keine Hypersensitivitätssyndrome auf. Durch die Möglichkeit, das ganze Genom auf Assozi4 ationen mit gut definierten, unerwünschten Wirkungen untersuchen zu können, wird es in Zukunft vermehrt gelingen, genetisch bedingte Störungen festzustellen. Umwelteinflüsse Die Effekte von Hemmern oder auch von Induktoren der Cytochrom P450 Isoenzyme oder auch der Glucuronyltransferasen sind wahrscheinlich die am besten charakterisierten Umwelteinflüsse auf Arzneistoffmetabolismus und Wirkung. In der Medizin gibt es unzählige Beispiele, wie dadurch die klinische Wirksamkeit oder auch die Toxizität von Arzneistoffen verändert werden kann. Arzneistoffinteraktionen spielen deshalb in der Medizin eine grosse Rolle. Andere Umweltfaktoren, welche einen starken Effekt auf die Arzneistoffwirkung haben können, sind Rauchen (Enzyminduktion) sowie Alkohol (Enzyminduktion und allenfalls Leberschaden). Funktion der Eliminationsorgane Störungen der Funktion der Niere oder auch der Leber bedingen meistens eine verminderte Elimination von entsprechend ausgeschiedenen Pharmaka. In Bezug auf Nierenkrankheiten können die Effekte mit Hilfe des Schemas von Dettli gut abgeschätzt werden. Zudem müssen die Firmen bei der Zulassung neuer Arzneistoffe Daten vorlegen, welche die Elimination bei Patienten mit verminderter Nierenfunktion beschreiben. Diese Studien sind in der Fachinformation der Medikamente aufgeführt und können zur Dosisadaptation verwendet werden. In Bezug auf Leberkrankheiten ist es schwieriger, die Effekte auf die Pharmakokinetik oder auf Pharmakodynamik von Arzneistoffen vorauszusagen. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist es wichtig zu verstehen, dass die Bioverfügbarkeit von Me- dikamenten mit einer hohen hepatischen Elimination bei Patienten mit Leberzirrhose drastisch ansteigen kann. Dies muss bei oraler Verabreichung solcher Medikamente unbedingt beachtet werden, um Toxizitäten zu vermeiden. Körperzusammensetzung Eine veränderte Körperzusammensetzung ist eine weitere Variable, welche bei der Arzneistoffdosierung beachtet werden muss. Die Leitlinien für die Dosisadaptation sind aber in diesem Bereich im Moment ziemlich unklar, so gibt es nicht viele kinetische Studien bei sehr adipösen Patienten. Eine Dosierung auf das reine Körpergewicht führt für die meisten Medikamente zu einer Überdosis. Wenn auf das ideale Körpergewicht oder das «lean body weight» dosiert wird, besteht eine Tendenz zur Unterdosierung. Momentan ist es unklar, welches Gewicht für welche Arzneistoffe die zuverlässigste Arzneistoffwirkung ergibt. Falls möglich wird man also in diesem Fall mit einer vorsichtigen Dosierung beginnen und den Patienten langsam für seine (richtige) Dosis eintitrieren. Lebensphasen Lebensphasen spielen bei der Wahl der Arzneistoffdosierung eine wesentliche Rolle. Ältere Patienten haben meist eine Reduktion der Funktion der Arzneistoff-eliminierenden Organe, auch wenn sie keine spezifische Leber- oder Nierenkrankheit haben. Im Alter ist auch die Sensitivität vieler Organe erhöht, insbesondere aber des ZNS, so dass entsprechende unerwünschte Wirkungen resultieren können. Falls möglich, ist deshalb auch in diesem Fall eine vorsichtige Dosierung geboten. Weitere Spezialfälle für die Dosierung stellen Schwangerschaft und Kindheit dar. In Bezug auf die Schwangerschaft gibt es so- Wie lassen sich «evidence-based medicine» und «personalized medicine» verbinden? wohl pharmakokinetische Veränderungen als auch die potentielle Teratogenität der Arzneistoffe zu beachten. In Bezug auf die Dosierung bei Kindern ist es wichtig zu verstehen, dass eine Extrapolation von der Erwachsenendosis via Körpergewicht meistens nicht exakt genug ist. Leider ist es so, dass bei Kindern oft Studien in Bezug auf die Dosierung von Arzneistoffen fehlen, so dass viele Arzneistoffe «off lable» angewendet werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Variabilität der Kinetik, aber auch der Dynamik von Arzneistoffen, durch viele Faktoren bedingt ist, was die Dosierung vieler Medikamente schwierig macht. In jedem Fall sollten Patienten, welche mit einer Pharmakotherapie behandelt werden, laufend in Bezug auf Wirkung und unerwünschte Wirkungen der verabreichten Medikamente monitorisiert werden. Autor Prof. Dr. med. Stephan Krähenbühl Klinische Pharmakologie & Toxikologie Universitätsspital · 4031 Basel [email protected] Prof. Dr. med. Johann Steurer Das Ziel der Medizin ist Wissen über den Gesundheitszustand eines Individuums zu schaffen und das Individuum darüber zu unterrichten. Reduktion der Mortalität 4 % C C C C C C 20 % 2 % 6 % 12 % 1 % 0,4 % Das generelle medizinische Wissen das notwendig ist, um das spezifische Wissen über einen einzelnen Patienten zu schaffen, basiert auf den Ergebnissen der Forschung, primär der klinischen Forschung, und dem Wissen der Experten der jeweiligen medizinischen Disziplin. Forschungsresultate machen Aussagen über ein definiertes Kollektiv von Patienten und ermöglichen eine Wahrscheinlichkeitsangabe über den Effekt einer Therapie für den einzelnen Patienten. Die Lücke zwischen dem Mittelwert eines Patientenkollektivs und dem einzelnen Patienten zu schliessen haben sich die Vertreter der «personalized medicine» vorgenommen. Grosse Erwartungen werden in die Erkenntnisse der Genomik, Proteomik und Metabolomik gesetzt. Die Aussagen über einzelne Patienten werden dank dieser Erkenntnisse präziser, aber auch diese Aussagen sind in den allermeisten Situationen Wahrscheinlichkeitsaussagen und werden dies auch bleiben. Wenn man unter «evidence-based medicine» (EBM) die Berücksichtigung der Forschungsresultate bei medizinischen Empfehlungen oder Entscheidungen versteht, dann be- steht eigentlich kein Unterschied zwischen «evidence-based medicine» und «personalized medicine». Autor Prof. Dr. med. Johann Steurer Leiter Horten Zentrum für praxisorientierte Forschung und Wissenstransfer Universität Zürich · 8091 Zürich [email protected] 5 Tipps und Tricks in der Hypertonie-Behandlung: Wie individuell können Leitlinien sein? Prof. Dr. med. Peter Greminger Die Hypertonie ist eine der häufigsten Diagnosen in Praxis und Klinik. Leitlinien zu Abklärungsgang und Behandlungsplan sind somit von grosser praktischer Bedeutung, weshalb denn auch entsprechende Guidelines von nationalen1 und internationalen 2 Gesellschaften vorliegen. Im praktischen Alltag ist zunächst die sorgfältige Durchführung der Risikostratifikation von Bedeutung. Mittels Anamnese, klinischer Untersuchung und einfachen Labortests (Abb. 1) erlaubt diese Stratifikation die Stellung einer korrekten Behandlungsindikation (Abb. 2). Ist die Indikation zu einer medikamentösen Therapie gegeben, so liefern die Leitlinien Empfehlungen zu den verschiedenen Substanzgruppen, zu möglichen Kombinationen und zu den zu beachtenden Begleitumständen (Abb. 3 und 4). Die ärztliche Kunst besteht nun darin, über die Guidelines hinaus Entscheidungen zu treffen, wo individuell zu treffende Diagnose- und/oder Therapieschritte gefragt sind. Diese Situation ist insbesondere bei älteren und bei multimorbiden Patienten anzutreffen. Bei der Überarbeitung der zur Zeit vorliegenden Leitlinien wäre es deshalb wünschenswert, für dieses Kollektiv übergeordnete interdisziplinäre Guidelines zu erarbeiten. Abb. 2: Risikostratifikation: Behandlungsindikation Risikofaktoren 0 120 - 129 / 80 - 84 130 - 139 / 85 - 89 keine Therapie keine Therapie 140 - 159 / 90 - 99 160 - 179 / 100 - 109 ≥ 180 ≥ 110 Lebensstil Lebensstil Medikam. Medikamente Lebensstil Medikam. Lebensstil Medikam. Medikamente 1 - 2 Lebensstil Lebensstil > 2 Diabetes Endorg. Lebensstil Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente klin. Erkrankung Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Abb. 3: Hypertoniebehandlung: Empfehlungen der SHG Abb. 4: Wahl des Antihypertensivums: Begleitumstände ACE-Hemmer A II-Antagonist Renin-Hemmer * Begleitumstand Substanzklasse linksventr. Hypertrophie ACE-H, ARB St. n. Myokardinfarkt b Blocker, ACE-H, ARB Herzinsuffizienz ACE-H, ARB, b Blocker, Diuretika St. n. Apoplexie alle Substanzklassen Mikroalbuminurie ACE-H, ARB Niereninsuffizienz ACE-H, ARB, Schleifendiuretika PAVK Kalziumantagonisten metabolisches Syndrom ACE-H, ARB Diabetes mellitus ACE-H, ARB Kalziumantagonist Anmerkung: Die Guidelines der SHG und der ESH können eingesehen werden unter: www.swisshypertension.ch Betablocker Diuretikum Abb. 1: Hypertonie: Leitlinien Antihypertensiva erster Wahl · Anamnese Antihypertensiva für alternative Initialtherapie · körperliche Untersuchung · Routinetests: · Blutzucker ·Gesamt-, HDL- und LDLCholesterin, Triglyzeride · Kalium · Kreatinin (Clearance berechnen) · Harnsäure · Hämoglobin · Urinstatus (inkl. Mikroalbuminurie) · EKG (ESH, J. Hypertension 2007) * Morbiditäts- und Mortalitätsdaten noch ausstehend Literatur tor Blocker (= AIIA) 1Schweizerische Hypertonie Gesellschaft (SHG): Faltblatt 2009 Autor 2The Task Force for the Management of Arterial Hypertension of the European Society of Prof. Dr. med. Peter Greminger Hypertension (ESH): 2007 Guidelines for the Chefarzt Allgemeine Innere Medizin Management of Arterial Hypertension. Kantonsspital St. Gallen · 9007 St. Gallen Journal of Hypertension 2007; 25: 1105-1187 6 ACE-H=ACE-Hemmer / ARB=Angiotensin Rezep- [email protected] Hepatitis C: ein individuell geprägtes Krankheitsbild Prof. Dr. med. Beat Müllhaupt Das Hepatitis-C-Virus ist ein kleines, umhülltes Einzelstrang-RNA-Virus aus der Fami- lie der Flaviviridae. Es wurde 1989 als Erreger der non-A-non-B-Hepatitis identifiziert. Nach der Vorlage des RNAGenoms wird intrazellulär ein Polyprotein synthetisiert, das posttranslational in die verschiedenen Struktur- und Nichtstrukturproteine gespalten wird (Kapsidprotein C, Hüllproteine E1 und E2, Nichtstrukturproteine NS2, NS3, NS4A, NS4B, NS5A und NS5B). Heute sind mindestens 6 Genotypen bekannt. Die chronische Hepatitis C kann zu einer Entzündung und langfristig zur Fibrose der Leber führen, welche individuell sehr variabel ausgeprägt ist. 5 - 20 % der Patienten entwickeln über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren eine Leberzirrhose. Genotype 2 or 3, RVR, low viral load Genotype 1, RVR, low viral load In den meisten Fällen ist die serologische Diagnose einer chronischen Hepatitis C ein Zufallsbefund, z.B. im Rahmen des Screenings von Blutspendern oder von Routineuntersuchungen. Bei Personen mit i.v. Drogengebrauch in der Vorgeschichte, HIV-positiven Patienten, Empfängern von Blut oder Blutprodukten sowie Spenderorganen vor 1990, Dialysepatienten, medizinischem Personal nach Nadelstichverletzung und Personen mit klinischen oder laborchemischen Zeichen einer chronischen Lebererkrankung sollte ein HCVScreening durchgeführt werden. Grundsätzlich besteht eine Therapieindikation für alle HCV-Patienten, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Zirrhose haben oder von denen ein relevantes Übertragungsrisiko ausgeht. Die derzeitige Standardtherapie basiert auf PEG-Interferon alpha, das immunmodulatorisch und direkt antiviral wirkt und auf Ribavirin, einem Nucleosidanalogon, das ohne die Kombination mit Interferon keine Viruselimination ermöglicht. Die aktuelle Standardtherapie führt bei über 80 % der Patienten mit einer Genotyp 2 oder 3 Infektion zu einer dauerhaften Viruselimination. Beim Genotyp 1 werden leider dagegen lediglich 40 - 50 % der Patienten dauerhaft virusfrei. In den letzten Jahren wurden verschiedene prognostische Parameter identifiziert, die das Therapieansprechen besser abschätzen lassen. Dazu gehört neben dem Genotyp auch die sogenannte rapid virological response (RVR: HCV-RNA negativ bei Therapiewoche 4) und der sogenannte Interleukin-28 Genotype 1, no RVR, no EVR Baseline 12 -16 24 72 Treatment Duration (Weeks) Polymorphismus. Die bessere Charakterisierung des Therapieansprechens erlaubt heute eine individualisierte Behandlung (response guided therapy) bei der neben Genotyp auch die RVR und die Viruslast berücksichtigt werden (siehe Abbildung). In der letzten Zeit sind mehrere Substanzen für die Hepatitis-C-Therapie in klinischen Phase I - III Studien erprobt worden, die eine direkte antivirale Wirkung haben und z.B. spezifisch die virale Protease oder Polymerase hemmen können. Bereits stehen die ersten Medikamente kurz vor der Markteinführung in der Schweiz. Diese neuen Substanzen werden die Heilungschancen von Genotyp I Patienten sicher markant verbessern. Leider sind diese ersten Moleküle aber nur gegen Genotyp I aktiv, während sie bei den anderen Virustypen praktisch wirkungslos sind. Doch auch für diese Patienten sind bereits Moleküle in klinischer Testung, die gegen alle Virustypen eine antivirale Aktivität aufwiesen. Die grosse Frage wird sein, ob in Zukunft die Hepatitis C Infektion ohne Interferon be- handelt werden kann. Auch hier sind erste klinische Studien unterwegs. Insgesamt kann erwartet werden, dass sich die Behandlung der chronischen Hepatitis C in den nächsten Jahren stark wandeln wird und sich die Heilungschancen sicher kontinuierlich verbessern werden. Autor Prof. Dr. med. Beat Müllhaupt Leitender Arzt Gastroenterologie und Hepatologie Swiss HPB-Center Universitätsspital Zürich · 8091 Zürich [email protected] 7 Vorsorglicher Beitrag von Laboruntersuchungen bei infektiösen Geschlechtskrankheiten am Beispiel von Chlamydien und Gonokokken Prof. Dr. med. Urs Nydegger «Wenns juckt oder brennt, dann bitte zum Arzt.» Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will mit den Spots 2011 auf die zunehmende Verbreitung von Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Chlamydien aufmerksam machen. Diese Abklärungen können bei Hausärztin / Hausarzt, bei der / m behandelnden Gynäkologin / Gynäkologen oder in einer dermatologischen Poliklinik gemacht werden. «Bevor man zur Ärztin oder zum Arzt geht, kann man sich unentgeltlich und diskret auch bei einer Fachstelle für sexuelle Gesundheit beraten lassen,» so der informative Text des BAG. Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis (CT), klinisch allerdings oft symptomfrei, sowie von Neisseria gonorrhoeae (NG) Infektionen in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein ist einem Wandel in der Zusammensetzung der Einwohnerschaft unterworfen und muss regelmässig aufdatiert werden. Obwohl KoInfektionen auftreten, vielleicht mit HIV, Hepatitis B oder C Virus, werden doch häufig Teststrategien mit selektiver Suche entweder nach CT oder NG, oder beiden, eingesetzt. Im labormedizinischen zentrum Dr Risch rollt man die Frage nach Prävalenz von der anderen Seite auf: nämlich vom Laborergebnis eingesandter Analyseproben. Das Zentrum erhält tausende von Einsendungen mit der Frage nach Vorliegen von STD (sexually transmitted disease: sexuell übertragbaren Erkrankungen). Die Mehrzahl unserer Kunden für solche Fragestellungen sind Gynäkologen und Geburtshelfer, gefolgt von anderen Spezialisten-Gruppen, sodass ein grosses Zahlenmaterial von Untersuchungsergebnissen anfällt. Im LMZ Dr Risch läuft bereits seit vielen Jahren die molekularbiologische Bestimmung von CT und NG. Diese ist unabhängig von der Vitalität der Bakterien und präanalytischen Variationen im Probenzubereiten weniger stark ausgesetzt als klassisch mikrobiologische Methoden dies sind. CT haben einen gramnegativen Zellwandtypus und sind in ihrer biosynthetischen Leistungsfähigkeit, ähnlich den Rickettsien, dermassen eingeschränkt, dass dieses Bakterium im Wirtsorganismus zur ATPVersorgung auf intrazelluläres Milieu angewiesen ist («Energieparasiten»). NG, kurz auch Gonokokken genannt, sind gramnegative, aerobe Diplokokken, welche gegenüber Umwelteinflüssen, insbesondere gegen Austrocknung, empfindlich sind. Im Muttermund (Cervix uteri) verbergen sie sich in einem Biofilm, welcher aus den Bakterien selbst, aus Polysacchariden, abgeschilferten Zellwandteilen und DNA besteht, womit sie sich dem Zugriff von Antibiotika entziehen (Abbildung 1). Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Cervixbiopsie-Dünnschnitten von Patientinnen mit Gonokokken-Cervizitis. In A und B zeigen die Pfeile auf zu Bläschen-artigen Gebilden aufgerollte, abgeschilferte Zellwandteile der Gonokokken. Diese schliessen sich in eine Masse von Polysacchariden und DNA ein: man nennt diese Masse «Biofilm», dessen Eigenschaften Thema aktueller Forschungsarbeiten sind, vor allem, weil Biofilme den Zugang von Antibiotika zum Keim erschweren/verhindern. Unten links, C, ist eine negative Kontrolle aus einer gesunden Cervix abgebildet, wo weder Bakterien noch Biofilm sichtbar sind und unten rechts, D, sieht man bei schwächerer Vergrösserung die Gonokokken als schwarze Punkte auf der Cervix-Schleimhaut. 8 Die Nucleic Acid Amplification Technology (NAAT) hat die Diagnostik von Infektionserkrankungen von Grund auf revolutioniert dank der Möglichkeit, Nukleinsäuren der infektiösen Erreger zu vervielfältigen, womit auch geringe Mengen nachweisbar werden. Das bekannteste Verfahren ist die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), welche es erlaubt, in vitro DNA zu amplifizieren. Die Technik ist automatisierbar, wobei die ursprüngliche Ziel-DNA verdoppelt wird. Dies bei einer Temperatur von über 70 °C unter Zugabe der Taq-Polymerase. Ein Arbeitsschritt, welcher die Spezifität der Reaktion verbessert. Das marktführende Gerät von der Firma Abbott steht uns seit 2007 zur Verfügung. Abbott m2000 System®, amplifiziert gleichzeitig zwei Ziel-DNA Typen; nämlich die DNA von CT und das Opa-gen von NG. Dabei wird das kryptische Plasmid von CT, welches für einen einzigen Keim in ~10 Kopien vorliegt, gezielt gesucht: der Test meldet bereits ab 320 Kopien das Vorliegen von CT (Zahlen für NG etwa gleich). Dank Bioinformatik wird schliesslich die Diagnose für das Vorliegen bzw. das Ausbleiben einer CT und /oder NG Infektion vorgelegt. Weitaus häufigstes Untersuchungsmaterial welches bei uns eingeht sind endozervikale / vaginale Abstriche, gefolgt von Urin, Urethra-Abstrichen und Wund-Sekreten. Mit unseren Auftragstellenden Ärztinnen und Ärzten ist über die Jahre ein Vertrauensverhältnis entstanden, welches auf der Zuverlässigkeit der klinischen Angaben und vor allem auf professioneller Präanalytik (Probenentnahme) beruht. Man weiss nämlich, dass POCT (point of care test) - Analysen, Selbsttestung der Patienten und Patientinnen selber, Analysen in der Apotheke um die Ecke und Telemedizin bei der Diagnostik von STD mit einer Zuverlässigkeits-Einbusse behaftet sind. Wir haben die Resultate der diagnostischen Proben zwischen Januar 2009 und Januar 2010, welche für eine Testung zu uns gelangten, nun aufgearbeitet. Ziel war es, zu bestimmen, wie viele CT und NG Infektionen verpasst werden, wenn der Einsender selektiv nur auf entweder CT oder NG testen wollte. Zwischen Januar 2009 und Januar 2010 wurden diagnostische Proben, welche für eine Testung von CT oder NG oder kombiniert CT/ NG über- www.check-your-lovelife.ch unter anderem auch im medizinischen Labor wiesen wurden, systematisch für beide Infektionen analysiert. Es wurden Proben von total 9’245 Individuen (8’009 Frauen, 1’236 Männer) untersucht. Eine alleinige CT Infektion fand sich bei 318 (3.97 %), eine alleinige Infektion mit NG fand sich bei fünf (0.06 %) Patientinnen. Sechs (0.08 %) Frauen hatten eine Koinfektion mit CT/ NG. Die entsprechenden Zahlen für Männer sind: 72 (5.83 %) für alleinige CT Infektion, 18 (1.14 %) für alleinige NG Infektion und 8 (0.65 %) für Koinfektionen. Wenn der Einsender für seine Patientinnen lediglich einen Test auf CT verordnete, so wurden 6 NG Fälle verpasst (0.09 % Prävalenz, 54.55 % aller NG positiven Frauen). Die selektive Evaluation verpasster CT, bzw. NG Fälle ergibt folgende Prozentsätze: 4.64 % und 0.62 %. Bei Männern wurde bei selektivem Testen auf CT eine einzige NG Infektion (0.13 %, 3.85 %) verpasst. Bei selektivem Testen auf NG wurden 3 CT Infektionen (10 %, 3.75 %) übersehen. Selektives Testen entweder auf CT oder NG hat in dieser Studie eine nicht zu vernachlässigende Anzahl (n=12; 2.8 % des gesamten Untersuchungsgutes) an Infektionen verpasst. Es ist also bei dieser retrospektiven Analyse unseres Zahlenmaterials ein unverkennbarer Vorteil der gleichzeitigen Testung auf zwei typische STD-Bakterien in Erscheinung getreten. Die Durchseuchung der Bevölkerung mag mit den gefundenen Prävalenzzahlen überschätzt worden sein, ist doch das untersuchte Analysematerial von Personen mit Arztbesuch erbracht worden. Fussnote Die Originaldaten sind in einer Englisch-sprachigen Fachzeitschrift publiziert: Sakem B, Michel R, Nydegger U, Wydler M, Radjenovic D, Risch M, Risch L Diagnostic relevance of simultaneous testing for Chlamydia trachomatis and Neisseria gonorrhoeae Infection 2011 (ePub ahead of print, 27 april) zu Abbildung 1: aus Steichen CT. Shao JQ, Ketterer MR, Apicella MA. Gonococcal cervicitis: a Role for Biofilm in Pathogenesis. Journal of Infectious Diseases 2008;198: 1856-1862. (mit freundlicher Genehmigung der Autoren) Autor Prof. Dr. med. Urs Nydegger, FAMH Hämatologie und klinische Immunologie, FMH Innere Medizin und Hämatologie labormedizinisches zentrum Dr Risch Liebefeld bei Bern [email protected] 9 Welches Allergen ist der Übeltäter — Molekulare Diagnostik hilft weiter Dr. med. Walter Fierz Molekulare Allergiediagnostik hilft bei der gezielten Suche nach Allergieauslösern und erlaubt eine bessere Beurteilung ihrer klinischen Bedeutung. Denn der Nachweis von Allergieauslösern gleicht der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Oft sind nur wenige Proteinmoleküle in einer Allergenquelle für die Sensibilisierung verantwortlich. Die Molekulare Allergiediagnostik identifiziert klinisch relevante Allergenkomponenten und ermöglicht eine individuelle Therapie für Patienten mit Allergien. ImmunoCAP® Allergenkomponenten liefern differenzierte Ergebnisse für eine präzise Diagnose und stellen die Weichen für den Behandlungserfolg, etwa im Zusammenhang mit einer spezifischen Immuntherapie (SIT). In der konventionellen Allergiediagnostik wird das Patientenserum auf IgE-Antikörper gegen eine Allergenmischung oder dem Gesamtextrakt einer Allergenquelle, z.B. Birkenpollen, getestet. Die Molekulare Allergiediagnostik geht einen entscheidenden Schritt weiter: Sie testet gegen die einzelnen Komponenten der Allergenquelle und erstellt auf diese Weise ein genaues Sensibilisierungsprofil des Patienten. Bluttests mit Allergenkomponenten werden bereits von vielen Ärzten als wichtiges ergänzendes Instrument zur Diagnosestellung genutzt. Komponententestung mit hochreinen Proteinmolekülen Während ein Allergen-Gesamtextrakt aus einer Mischung aus allergenen und nichtallergenen Proteinmolekülen besteht, handelt es sich bei den ImmunoCAP® Allergenkomponenten um rekombinant hergestellte oder hochaufgereinigte Proteinmoleküle, die als Allergie auslösend bekannt sind. Die Tests mit Allergenkomponenten helfen, «echte» Allergien (Primärsensibilisierungen) von Kreuzreaktionen zu unterscheiden. Denn scheinbare Mehrfachsensibilisierungen werden häufig von wenigen kreuzreaktiven Allergenkomponenten ausgelöst, die in ähnlicher Form in vielen verschiedenen Allergenquellen vorkommen. Proteine der Familie PR-10 zum Beispiel, der auch das Hauptallergen der Birkenpollen Bet v 1 zugehört, kommen nicht nur in anderen Pollenpflanzen (u. a. Hasel, Erle, Buche), sondern auch in zahlreichen Obst und Gemüsesorten sowie Nüssen und Leguminosen vor. Sie stellen die Grundlage dar, für die bei Birkenpollenallergi- kern beobachteten Kreuzallergien zu Nahrungsmitteln. Mit gezielter Diagnostik zum Therapieerfolg Mit der Testung einzelner Allergenmoleküle kann ein individuell auf den Patienten abgestimmtes Behandlungskonzept entwickelt werden (siehe Abb. 1). Davon profitieren besonders Patienten, für die eine spezifische Immuntherapie (SIT) erwogen wird. Eine exakte diagnostische Vorarbeit hilft bei der Wahl der passenden SIT. Die ist nur dann erfolgreich, wenn auch mit dem Allergen behandelt wird, das die Allergie auslöst. Es können für die Pollen-SIT ungeeignete Patienten im Voraus identifiziert werden, denen man den Zeitaufwand und Nebenwirkungen ersparen kann. So eignen sich Patienten mit BirkenAllergie, die nicht auf die kreuzreagierenden Nebenallergene Profilin (Bet v 2) und Polcalcin (Bet v 4) sensibilisiert sind, besser für eine Hyposensibilisierung als sol- Abbildung 1: Patient mit Allergie gegen Birke und/oder Gräser. Diagnose basiert auf Anamnese und Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung. Ein Fall für SIT? Beschwerden im Frühjahr (März /April) Hauptallergen: Bet v 1 ImmunoCAP® t215 Kreuzreagierende Nebenallergene: Bet v 2, Bet v 4 ImmunoCAP® t221 Molekulare Allergiediagnostik mit ImmunoCAP® Eignung des Patienten für eine Birkenpollen-SIT Bet v 1: Bet v 2, 4: positiv negativ Bet v 1: Bet v 2, 4: positiv positiv MITTEL Bet v 1: negativ Bet v 2, 4: pos. / neg. WENIG GUT Eher keine SIT mit Birkenpollen. Testung auf andere Baumpollen, z.B. Eschenpollen Ole e 1 (t224) empfohlen 10 Beschwerden im Frühsommer (Mai - Juli) Hauptallergene: Phl p 1, Phl p 5b ImmunoCAP® g213 Kreuzreagierende Nebenallergene: Phl p 7, Phl p 12 ImmunoCAP® g214 Molekulare Allergiediagnostik mit ImmunoCAP® Phl p 1, 5b: positiv Phl p 7, 12: negativ Phl p 1, 5b: positiv Phl p 7, 12: positiv Phl p 1, 5b: negativ Phl p 7, 12:pos. / neg. Eignung des Patienten für eine Gräserpollen-SIT GUT MITTEL WENIG Eher keine SIT mit Gräserpollen. Weitere Untersuchungen, um die sensibilisierende Allergenquelle zu identifizieren Abbildung 2: Einsatzmöglichkeiten der Molekularen Allergiediagnostik Bereich HitzeStabilität Allergen Molekül PR-10: labil Bet v 1, Bet v 2/4 Ole e 1 Quelle Protein Frühjahr Birke Esche PR-10, Profilin, Polcalcin Trypsin-Inhibitor Frühsommer Gräser Spätsommer Ambrosia Beifuss Pektat-Lyase Defensin, LTP LTP: stabil Amb a 1 Art v 1, Art v 3 Hühnerei Ovomucoid stabil Gal d 1 Karpfen Dorsch Parvalbumin stabil Cyp c 1 Gad c 1 Tropomyosin stabil Pen a 1 2S Albumin, LTP LTP LTP stabil Ara h 2, Ara h 9 Cor a 8 Pru p 3 Pollen Ei Nahrungsmittel Fisch Schalen- / Krustentiere Anaphylaxie-Risiko Nüsse Früchte Erdnuss Haselnuss Pfirsich WDEIA (anstrengungsinduzierte Anaphylaxie) Weizen Latex Biene / Wespe che mit Reaktion auf Bet v 2 und Bet v 4, während sich die selteneren Patienten, die nur auf die Nebenallergene reagieren, wenig eignen. Eine ähnliche Rolle spielen bei der Gräser-Allergie ebenfalls die Nebenallergene Polcalcin (Phl p 7) und Profilin (Phl p 12). Zusammengefasst haben Patienten, die gegen ein Hauptallergen sensibilisiert sind, eine gute Ausgangslage für eine SIT; diejenigen, die ausschliesslich gegen Nebenallergene sensibilisiert sind, eignen sich nur eingeschränkt für eine SIT. Risikoabschätzung ohne Provokationstest Die Erdnussallergie ist eine der gefährlichsten Nahrungsmittelallergien, weil sie mit heftigen Symptomen bis hin zum allergischen Schock einhergehen kann. Daher ist eine frühzeitige und möglichst umfassende Diagnostik der Erdnussallergie für die Patientenberatung essentiell. Zur Risikoabschätzung ist gegebenenfalls auch ein Provokationstest erforderlich, bei dem der Patient kleinste Mengen an Erdnüssen konsumiert. Dieses aufwendige und nicht Gift Phl p 1 /5b, Phl p 7/12 Profilin, Polcalcin Omega-5-Gliadin Naturlatex Pro- / Hevein Profilin Biene Wespe Phospholipase A2 Ag 5 ungefährliche Vorgehen ist der Goldstandard, um die klinische Relevanz der Allergie beurteilen zu können. Mit der Molekularen Allergiediagnostik gibt es nun eine zusätzliche Möglichkeit, das Risiko für schwere allergische Reaktionen abzuschätzen. Das Verfahren könnte möglicherweise nach dem Vorliegen weiterer Studienergebnisse Provokationstestungen in einigen Fällen ersetzen. Ein positiver Bluttest auf bestimmte Allergenkomponenten markiert ein hohes Risiko, während andere Allergenkomponenten mit eher milden Allergiesymptomen assoziiert sind. Die Testung aller ErdnussAllergiekomponenten gewährleistet eine umfassende Risikoabschätzung und gibt Hinweise, wie gefährlich die Erdnussallergie für den Patienten tatsächlich ist. Ein höheres Risiko für anaphylaktische Reaktionen haben zum Beispiel Sensibilisierungen gegen Speicherproteine wie das 2S-Albumin der Erdnuss (Ara h 2) oder Paranuss (Ber e 1) oder Lipidtransferproteine (LTP) von Pfirsich (Pru p 3), Erdnuss (Ara h 9) oder Haselnuss (Cor a 8). Tri a 19 stabil Hev b 6.01 / 02 Hev b 8 Api m 1 Ves v 5 Zusammenfassend hat die Anwendung von molekular definierten Allergenen zur Bestimmung spezifischer IgE neue Möglichkeiten gebracht und diese neuen Dimensionen werden sich in Zukunft noch erweitern. So ist es möglich, Kreuzreaktionen zu verstehen, das Risiko für systemische Reaktionen besser abzuschätzen und die Indikation für die spezifische Immuntherapie gezielter zu stellen. Mit unserem neuen Allergie-Auftragsformular haben wir diese Entwicklung aufgenommen und die ganze Seite 4 der Molekularen Diagnostik gewidmet. Autor Dr. med. Walter Fierz, MHIM FAMH klinische Immunologie, Abteilungsleiter Infektionsserologie und Autoimmundiagnostik labormedizinisches zentrum Dr Risch · Schaan [email protected] 11 Wie weit erlauben DRG eine personalisierte Medizin? Dr. med. Yves Crippa Aus dem Blickwinkel des wissenschaftlich orientierten Arztes ist mit personalisierter (oder individualisierter) Medizin lediglich eine auf den einzelnen ausgerichtete Arzneimittelmedizin gemeint. Die Diskus­ sion um eine umfassende und zweckmässige Definition für den Begriff personalisierte Medizin wird durch die verschiedene Optik und dadurch unterschiedliche Begriffsbestimmungen der jeweiligen Akteure gekennzeichnet. Personalisierte Medizin kann auch als eine Medizin definiert werden, welche das Wohl des Patienten in den Mittelpunkt ihres Bestrebens stellt. Dadurch sind Begriffe wie patientenzentrierte Medizin und patientenorientierte Medizin entstanden, welche als Synonyme der personalisierten Medizin im oben genannten Sinne betrachtet werden können. Vielleicht am treffendsten ist der Begriff «Menschenmedizin». Nicht ganz zufällig gehört der Internist und Chefarzt Dr. Christian Hess aus Affoltern, welcher diesen Begriff in der Schweiz massgebend geprägt und propagiert hat, zu den Erstunterzeichnenden des DRG-Moratoriums. Sind es nicht unsere Motivation, unsere Vorgehensweisen und unsere ethische Grundeinstellung, welche zur personalisierten Medizin führen? Was ist unsere Motivation? Etwas Gutes tun, Linderung bewirken, für den Kranken da sein, die Faszination für die Individualität des Menschen, helfen können, helfen wollen, auf die Bedürfnisse unserer Patienten eingehen. Wie gehen wir vor? Wie wir es als Patient selber wünschen würden, wie wir unseren Partner/unsere Partnerin, unsere Eltern, unsere Geschwister behandeln würden, nach ethischen Grundsätzen. Letztere richten sich nach den bioethischen Prinzipien: 1. 2. 3. 4. Autonomie des Patienten Gutes tun Schaden vermeiden Gerechtigkeit (T.L. & J.F. childress, principels of biomedical ethics, 6 edition, OUF 2009). Das Selbstportrait von Francisco de Goya (1820) mit seinem Arzt Arrieta (Abb.1) illustriert obengenanntes auf eindrückliche Weise. DRG (diagnosis related groups) ist ein System, mit dem stationär behandelte Patienten in medizinisch homogene Gruppen mit ähnlichem Behandlungsaufwand eingeteilt werden. Das Bundesparlament hat diese Vergütungsform im Dezember 2007 verabschiedet. In einigen Kantonen wurde anschliessend DRG eingeführt. Flächendeckend in der ganzen Schweiz soll DRG per 01.01.2012 umgesetzt werden. Mit DRG werden also Diagnosen vergütet, unabhängig vom geleisteten Aufwand, von erbrachten Leistungen oder von der 12 Dauer des Spitalaufenthaltes. Der vergütete Betrag für einen stationären Patienten ist gleich, ob er 5 Tage oder 15 Tage hospitalisiert ist (vgl. Abb.2). DRG – falsche Hoffnungen? DRG sollen eine höhere Transparenz von Kosten erlauben. Durch DRG soll eine standardisierte Messung der Versorgungsqualität der Spitäler erfolgen. Zudem soll ein Vergleich der erbrachten Leistungen über die Kantonsgrenzen hinaus ermöglicht werden. Das Erreichen dieser Ziele soll zu einer gerechten Verteilung der knapper werdenden finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen führen. Letzteres weist auf den erhofften Spareffekt von DRG hin, wenn dies auch nicht so benannt wird. Deshalb wird auf die lange durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten in Schweizer Akutspitälern im Vergleich zur EU hingewiesen. Ebenso wird der relative hohe Personalbestand in Schweizer Spitälern anderer EU-Länder gegenüber gestellt. Die Zahlen aus dem Kanton St. Gallen und die Zahlen aus dem Spital Grabs zeigen, dass wir deutlich weniger Optimierungs- resp. Sparpotential haben als andere Schweizer Spitäler (vgl. Abb. 3 und 4). Die Frage ob DRG falsche Hoffnungen hegt, muss klar bejaht werden. Da das Gesundheitswesen kein freier sondern ein stark regulierter Markt darstellt, bewirkt ein Wettbewerb sehr beschränkte Preissenkungen und Qualitätssteigerungen. Bekanntlich können Nachfrage und Angebot durch die Leistungsanbieter massgebend beeinflusst werden. Allein durch die Umstellung auf DRG entstehen administrative Kosten, welche ohne medizinische Mehr- Abbildung 1 leistungen, die Krankenkassenprämien um 2- 3 % ansteigen lassen werden. Es ist mit einer starken Verlagerung von Kosten in den vor- und nachstationären ambulanten Bereich zu rechnen, ebenso in den Rehabilitationsbereich, als auch in die Pflegeinstitutionen und die Spitex. DRG weckt falsche Hoffnungen weil angestrebte Spitalschliessungen schwierig umzusetzen sein werden. Der schweizerische Föderalismus, die Regionalpolitik sowie die Quersubventionen innerhalb von Spitalverbunden sind die wichtigsten Gründe hierfür. Eine weitere Zunahme, und nicht eine Abnahme der Kosten, ist durch die Codierung von ertragsreichen Diagnosen und der Generierung von zusätzlichen stationären Fällen und Interventionen zu erwarten. Eine Mindest-Fallzahl (caseload) wird in gewissen Disziplinen im Rahmen von DRG gefordert, was nebst unnötigen medizinischen Leistungen – eine Zunahme der Kosten verursacht. 8 Kostengewicht der Hospitalisierung UGVD Spital Grabs 123 / Pflegende A 154 D 146 GB 120 D 52 A 52 E 44 GB 41 31 F 103 F Ø 103 Ø 31 N 102 N 26 DK 25 CH 24 DK 97 E CH NL 84 69 n / a UGVD: untere Grenze Verweildauer OGVD: obere Grenze Verweildauer 6 ALOS: average length of stay 5 4 3 System swissDRG 2 1 0 11.5 10 4 0 27 20 30 49 50 40 60 70 Treatment Duration (Weeks) Abbildung 2 Aufenthaltsdauer Akutspitäler SG - CH - EU 11.0 10.0 9.0 8.0 CH Akut 7.0 St. Gallen SR 1 / 4 6.0 EU 5.0 Grabs 06 20 05 20 04 20 03 20 02 20 01 20 00 20 19 9 9 4.0 19 9 / Arzt n/a OGVD Abbildung 4 Spitalentlassungen / Jahr US ALOS 7 8 DRG und personalisierte Medizin – ein Widerspruch? Dass DRG und personalisierte Medizin ein Widerspruch darstellen, soll an einem Beispiel illustriert werden: Ein 63-jähriger Patient leidet an einem fortgeschrittenen metastasierenden Prostata-Karzinom mit Lungen-, Knochen- und Hirnmetastasen. Hormon-, Chemo- und Radiotherapien haben nur anfänglich das Fortschreiten der Krankheit bremsen können. Zwischenzeitlich sind aus radiotherapeutischer, neurochirurgischer und onkologischer Sicht alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft. Es besteht eine zunehmende Schmerz- und Pflegeproblematik. Der Patient möchte sterben. Bei akuten Kopfschmerzen mit Halbseitenlähmung rechts und zunehmender Bewusstseinstrübung erfolgt durch die überforderten Angehörigen die Alarmierung der Notfall-Nr. 144 und dadurch eine notfallmässige Zuweisung ins Spital. Angesichts der Vorgeschichte mit Hirnmetastase links darf von einer Einblutung in eine Hirnmetastase ausgegangen werden. Im Spital wird entschieden, sich entsprechend dem bisherigen Wunsch des Patienten auf optimale supportive Massnahmen zu beschränken. Es kommen nun 2 Vorgehensweisen in Betracht: NL 14 US n / a Abbildung 3: Quelle: Statistiken der Gesundheitsämter US, D, GB, F, DK, NL, CH, N, E 2003 - 2006 Variante 1: Da keine therapeutischen Konsequenzen, werden ohne weitere Diagnostik supportive Massnahmen eingeleitet. Variante 2: Beim bewusstseinsgetrübten Patienten wird eine Computertomographie des Kopfes zur Bestätigung der Einblutung in eine Hirnmetastase durchgeführt. Unabhängig vom Vorgehen verstirbt der Patient erwartungsgemäss 3 Tage nach Eintritt. Nach AP-DRG (all patient DRG, dem in Deutschland und bisher in einigen Kantonen der Schweiz bis zur Einführung der Swiss-DRG verwendeten Vergütungssystem) wird das Spital im Falle der Variante 1, je nachdem wie der Codierer die Diagnose codiert mit zwischen CHF 3'372.30 und CHF 5'915.13 vergütet. Bei der Variante 2 erhält das Spital CHF 10'980.39. Dies entspricht einer Differenz von CHF 7'608.09 gegenüber der niedrigsten Vergütung, unabhängig vom Verlauf, vor allem unabhängig vom Wohle des Patienten. Die Frage, ob DRG und personalisierte Medizin ein Widerspruch darstellt, muss also mit Ja beantwortet werden. DRG führt zu einer weiteren Ökonomisierung der Medizin und dadurch zu einer Zunahme des finanziellen Drucks auf die Akteure in den Spitälern. Mehr Einnahmen erlauben ein höheres Investitionsund Stellenbudget, unter Umständen auch mehr Lohn. Durch die Zunahme des finanziellen Drucks auf die Akteure werden medizinische Entscheidungen beeinflusst. Der Spielraum für individuelle medizinische Entscheidungen nimmt ab. Die Umsetzung einer personalisierten Medizin im genannten Sinne wird zunehmend schwieriger. DRG und personalisierte Medizin stellen zudem einen Widerspruch dar, weil zusätzliche administrative Aufgaben der Ärzte (25 - 40 % mehr arztfremde Dokumentationstätigkeit durch DRG) die für den 13 Tag der offenen Tür im Labor Schaan Patienten zur Verfügung stehende Zeit weiter verringert. Die Zeit fehlt für Information, Entscheidungsfindung, psychologische Unterstützung, Erstellen einer Patientenverfügung und anderen für den Patienten sehr wichtige Anliegen. Eine personalisierte Medizin wird dadurch verunmöglicht. Aussagen wie «der grosse Vorteil dieser Verrechnungsart ist, dass optimale – nicht maximale – Behandlungsabläufe finanziert werden» und «der Patient steht im Mittelpunkt und erhält jene Behandlung und jene Pflegehandlungen, die er für die Verbesserung seines Gesundheitszustandes benötigt» (Beat Straubhaar, Präsident des Netzwerkes «diespitäler.be» NZZ vom 01.03.2011) sind zu hinterfragen. Aussagen wie «DRG setzen Anreize, eine möglichst technische Medizin einzusetzen, weil diese ertragsreicher ist» (Christian Hess, Chefarzt Innere Medizin Spital Affoltern, NZZ vom 01.03.2011) sind glaubwürdig. Forderungen und Lösungsansätze Nicht technische Medizin (z.B. PalliativMedizin, Kriseninterventionen, stationäre Betreuung von aufwändigen behinderten Menschen) soll ausreichend resp. gerecht vergütet werden. Eine konsequente, bereits vor Einführung der DRG implementierte Begleitforschung soll einen allfälligen Nutzen von DRG überprüfen und den Missbrauch dieses Vergütungssystems verhindern. Die DRG-Erträge sollen grösstenteils dem wertschöpfenden Spital zur Verfügung stehen, damit dieses auch für defizitäre Teile der personalisierten Medizin zur Verfügung gestellt werden können. Dadurch könnte die Hoffnung aufrecht erhalten werden, dass auch in Zukunft personalisierte Medizin, wie im genannten Selbstportrait von Francisco de Goya mit seinem Arzt Arrieta illustriert, finanzierbar sein wird. Quellenverzeichnis beim Autor erhältlich Autor Dr. med. Yves Crippa Chefarzt Klinik für Innere Medizin Spital Grabs · 9472 Grabs [email protected] 14 Anlässlich dem 40-jährigen Jubiläum und der offiziellen Stabsübergabe von Dr. Gert Risch an seine beiden Söhne PD Dr. med. Lorenz Risch und Dr. med. Martin Risch fand am 26.03.2011 im Labor Schaan ein Tag der offenen Tür statt. Die Bevölkerung wurde eingeladen, hinter die Kulissen des labormedizinischen zentrum Dr Risch zu blicken. Der Andrang war sehr gross, sodass sich die interessierten Besucher zum Teil in grosser Geduld üben mussten. Sie wurden dafür mit einem kleinen Blutbild belohnt und anschliessend durch Mitarbeiter des LMZ persönlich durch die Räumlichkeiten geführt. Die verschiedenen Geräte und Tätigkeiten wurden vom Laborpersonal ausführlich erklärt und vorgestellt. Im Anschluss bestand die Möglichkeit, im Festzelt eine Körperfettund Muskulaturmessung (BIA) durchzufüh- ren sowie die erhaltenen Informationen in einem Quiz zu beantworten. Auch dieses Angebot wurde rege benutzt, bevor sich die Besucher mit einer Wurst und Brot oder Kuchen stärken und über das Erfahrene austauschen konnten. Uns Mitarbeiter vom LMZ Dr Risch bereitete es eine besondere Freude, unsere tägliche Arbeit zum Wohle des Patienten einem äusserst interessierten Publikum näher zu bringen. Es war schön zu erfahren, wie viele Leute mit einem «Aha»-Erlebnis ihre positiven Eindrücke mit nach Hause genommen haben. 40 Jahre Familienunternehmen mit Tradition – der regionalen Versorgung verpflichtet Am 15. Mai 1970 eröffnete Dr. sc. nat. Gert Risch nach seinem Pharmaziestudium an der ETH und seinem Doktorat in Klinischer Chemie am Universitätsspital Zürich in Schaan eine Apotheke und ein medizinisches Labor. Schon bald konzentrierte er sich auf die Weiterentwicklung des Labor Dr. Risch. 1975 wurde ein Zweitlabor in Schaffhausen übernommen. Das Unternehmen wuchs kontinuierlich bis zum Firmeneintritt der beiden Söhne PD Dr. med. Lorenz Risch und Dr. med. Martin Risch, nachdem sie ihre Ausbildung als Labormediziner und Mediziner an den renommiertesten Ausbildungsplätzen beendigt hatten. Seither wächst das Familienunternehmen rasant. In den letzten 7 Jahren wurden in der Schweiz 9 weitere Labors eröffnet. Das Ziel ist eine wohnortnahe labormedizinische Versorgung auf höchster Qualität im Service wie in der Analytik. Qualität in Ihrer Nähe An 11 Standorten in der Schweiz und Liechtenstein beschäftigt das labormedizinische zentrum Dr. Risch insgesamt mehr als 230 Personen, davon ca. ein Drittel als Teilzeitangestellte. Als Meilenstein in der Entwicklung des Betriebes ist die 1997 zeitgleich implementierte Akkreditierung und Zertifizierung anzusehen. Als eines der ersten Privatlabors der Schweiz ist es gelungen, diesen hohen Qualitätsnachweis erfolgreich zu erbringen. Bei jedem Wiederholaudit wird bestätigt, dass das Qualitätssystem im Alltag gelebt wird. Die Labormedizin ist eine sich sehr rasch entwickelnde Wissenschaft, «evidence based». Sie dient einerseits der Verfeinerung der Diagnostik, der Therapiekontrolle und der Prävention. Man geht heute davon aus, dass über 60% aller Diagnosen sich auf den einen oder andern Laborwert abstützen. Als eine die Ärzte unterstützende und die Klinik ergänzende Wissenschaft dürfte die Labormedizin rasch noch an Bedeutung zunehmen. Das Unternehmen ist bestrebt, Untersuchungsmethoden, bei denen ein positives Kosten/Nutzenverhältnis bereits bewiesen ist, umgehend in der Region verfügbar zu machen. Dabei werden sehr enge Kontakte zu Universitäten und zu internationalen Netzwerken der Labormedizin gepflegt. Stabsübergabe erfolgt: Martin (links) und Lorenz Risch erhalten vom Labor-Gründer Gert Risch die Schlüssel und übernehmen somit die Leitung des labormedizinischen zentrum Dr Risch. Teilnahme und Mitwirken an internationalen Kongressen ist Bestandteil des Fortbildungsprogramms für Mitarbeiter. Damit wird modernste Labormedizin im Sinne einer optimalen Gesundheitsversorgung rasch in der Region verfügbar. Das grosse Kapital der labormedizinischen Zentren Dr. Risch ist deren hoch qualifiziertes und motiviertes Personal. Der Personalentwicklung wird grosse Bedeutung beigemessen, was sich in einer sehr hohen Firmenloyalität und einer tiefen Fluktuationsrate niederschlägt. Dazu gehört auch die Ausbildung des Nachwuchses in dieser Spezialdisziplin. Das Erfolgsrezept des Familienunternehmens beruht auf folgenden Faktoren: das Bemühen um Zuverlässigkeit und Vertrauen im Dienstleistungsbereich sowie höchste Qualität in der Analytik. Stabsübergabe erfolgt Am 24. März 2011 übergab der Firmengründer Gert Risch offiziell die Führung der labormedizinischen Zentren Dr. Risch an seine beiden Söhne. Martin Risch ist künftig als CEO der Gruppe tätig und leitet zusätzlich das Labor in Schaan. Lorenz Risch führt das Familienunternehmen als Medizinischer Leiter und leitet zudem den Standort Bern. Gert Risch wird als Präsident des Verwaltungsrates weiterhin seine langjährige Erfahrung zur Verfügung stellen. 15 Für Sie gelesen Dr. phil. P. Hagemann diskutiert einen viel versprechenden Ansatz im Umgang mit seltenen rezessiven genetischen Erkrankungen. Dies könnte ein genuiner Beitrag der Labormedizin zur personalisierten Medizin werden. Der «Scientific American» hatte in seiner letzten Nummer des vergangenen Jahres das Thema hoch gehängt: Unter dem Obertitel «World Changing Ideas» hatte die Zeitschrift zehn Ideen, Gedanken und Technologien – zwei davon medizinische – ausgewählt, mit der «power to transform our lives.» Das eine medizinische Thema in diesem «feature» der Herausgeber betraf nota bene billige transportable Wasserfilter – wäre ein Meilenstein in der globalen Hygiene. Und das zweite ein Screening auf seltene rezessive Erkrankungen, z.B. zystische Fibrose oder Tay-Sachs-Syndrom (Sci Am 2010; 303/6: 25). Das vorgestellte Produkt der Firma Counsyl in Redwood, CA (www.counsyl.com) ist nicht an sich revolutionär; neu ist vielmehr die Kombination von 100 Tests zu einem array. Und verlockend bequem die Verwendung von Speichel als Probenmaterial. Das Testprinzip besteht im Nachweis von single-nucleotide Polymorphismen (SNP, gesprochen «snips»), also Austausch einer einzelnen Base in der DNA, was entweder die fragliche Krankheit verursacht oder mit einem entsprechenden Gen im Zusammenhang steht. Die Autorin befasst sich prophylaktisch mit einer zu erwartenden Kritik an diesem Ansatz, nämlich, dass diese Technik die Tür öffnen könnte zu «designer babies». Sie zitiert dazu den bekannten Harvard-Psychologen Steven Pinker, der im ethischen Komitee von Counsyl sitzt: «Es gibt kein IQ-Gen, oder eins für musikalische Begabung. Vielmehr steuern mehrstufige genetische Netzwerke komplexe Phänomene wie etwa Intelligenz». Will heissen, dass Veränderungen im Umfang eines einzelnen Nukleotids, wie sie im Counsyl-Test nachgewiesen werden, lediglich Defekte aufzeigen und keinen Ansatz zu ethisch bedenklichen Entwicklungen bieten sollten. 16 Und dabei gedacht: Vorerst ist man in Bezug auf die Leistungsdaten auf die Behauptung der Firma angewiesen, dass Mutationen mit 99 % Sensitivität und Spezifität nachgewiesen würden. Was bedeutet das? Wird etwa pro Testelement immer ein Resultat falsch-positiv und eins falsch-negativ sein? Unabhängige Publikationen stehen noch aus. An sich klingt der Ansatz verlockend: einerseits als genuiner Beitrag der Labormedizin zu einer personalisierten Medizin – samt der sich abzeichnenden gesellschaftlichen Konsequenzen (vgl. letzten Absatz dieses Textes). Wo die Patientin selbst entscheiden kann, ob sie im Hinblick auf ihre Kinder ein Risiko eingehen oder vermeiden will. Alternativen sind heute vorhanden – so man sie denn wählen will. Attraktiv ist andererseits der Preis: $ 349 für 100 Tests, verglichen mit 93 Taxpunkten hier zu Lande allein für die zystische Fibrose. Auch für den Analytiker zeichnet sich eine viel versprechende Entwicklung ab, wenn es gelänge, für geeignete Fragestellungen komplette arrays zu entwickeln, statt unwürdig mit Behörden und Ärzten um den Preis einzelner Tests zu feilschen. Die 93 Taxpunkte sind für sich allein gerechtfertigt, aber mit wenig mehr Zeit- und technischem Aufwand liessen sich wohl «in einem Aufwasch» eine Mehrzahl rezessiver Merkmale abklären. Und der Kliniker schliesslich hätte die Gewissheit, komplexe Fragen nach dem aktuellen Stand des Unwissens abgeklärt zu haben, ohne an alle Eventualitäten denken zu müssen. Im selben Monat plädierte ein eminenter Kollege, Larry Kricka (U of Pennsylvania, Philadelphia, PA), in einem Übersichtsartikel aus diesen Gründen gar für eine zunehmende Entwicklung von arrays in vielen Bereichen der Labormedizin in der unmittelbaren Zukunft (Clin Chem 2010; 56: 1797-1803). Technisch geht es zunächst um eine Miniaturisierung der meist zweidimensionalen Testelemente, ausgehend von den «Mikrotiterplatten» aus den 50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die zwar so heissen, aber in Wahrheit nichts anderes sind als zusammengeschweisste Reaktionsgefässe und dementsprechend grosse Analysengeräte benötigen. Systematisch sind arrays von Reaktionsgefässen von solchen für Reagentien zu unterscheiden, also eine Messgrösse gleichzeitig in vielen Proben ermittelt (Beispiel HIV) versus viele Messgrössen in einer Probe bestimmt (das oben skizzierte Beispiel gehört hierhin). Thematisch reicht das denkbare Spektrum vom Nachweis suchterzeugender Drogen über rezessive Gene bis zur Früherkennung von Sepsis (Ankündigung von www.seegene.com aus Seoul: «90 Kandidatenkeime in drei Stunden»). Begrifflich scheint sich auf Deutsch der Ausdruck «Multiplex» einzubürgern. In der Laborlandschaft schliesslich dürfte diese Entwicklung zu einer weiteren Professionalisierung und Konzentration führen. Nichts Neues unter der Sonne: ein array im Embryonalzustand, mit dem wir wohl alle unsere ersten analytischen Gehversuche im klinischen Labor gemacht hatten, ist der Urin-Teststreifen, ein linearer array, in den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts von Helen Free und ihrem Mann Albert entwickelt und 1956 durch die Firma Miles Laboratories, Elkhart (IN) als Clinistix auf den Markt gebracht … Nachtrag zum Ausgangstext: In Sci Transl Med 2011; 3: 65ra4 berichtete die Arbeitsgruppe um SF Kingsmore (Natl. Center for Genome Resources in Santa Fe) von einer Erweiterung des Ansatzes auf 448 schwere rezessive Erkrankungen unter Verwendung leistungsfähigerer Techniken. Und DIE ZEIT vom 3. Februar 2011 (p 33-34) notierte zu Recht, dass im Streit um die Präimplantationsdiagnostik um das Gestern gerungen wird, wenn uns heute und morgen mit der Präkonzeptionsdiagnostik eine totale Technisierung der Fortpflanzung ins Haus steht.