PDF - labormedizinische zentrum Dr Risch

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Riport
67
Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik
4 Anpassen von Medikamentenkombinationen und Dosierungen: Was gibt es neben
Körpergewicht und Nierenfunktion zu beachten? 5 Wie lassen sich «evidence-based
medicine« und «personalized medicine» verbinden? 6 Tipps und Tricks in der Hypertonie-Behandlung: Wie individuell können Leitlinien sein? 7 Hepatitis C: ein individuell
geprägtes Krankheitsbild 8 Vorsorglicher Beitrag von Laboruntersuchungen bei infektiösen Geschlechtskrankheiten am Beispiel von Chlamydien und Gonokokken 10 Welches
Allergen ist der Übeltäter? — Molekulare Diagnostik hilft weiter 12 Wie weit erlauben
DRG eine personalisierte Medizin? 14 Tag der offenen Tür 15 40 Jahre Familienunternehmen mit Tradition 16 Für Sie gelesen
Hämatologie
Klinische Chemie
Klinische Immunologie
Medizinische Mikrobiologie
Medizinische Genetik
Ausgabe 67 im Sommer 2011
1
Impressum
Verantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe:
Dr. sc. nat. Gert Risch
PD Dr. med. Lorenz Risch, MPH
Dr. med. Martin Risch
Dr. rer. nat. Sabine Berchtold
Dr. med. Walter Fierz, MHIM
Dr. phil. Peter Hagemann
Dr. med. Pedro Medina Escobar
Dr. rer. nat. Martine Michel Blanco
Prof. Dr. med. Urs Nydegger
Dr. phil. II Michael Ritzler
Dr. rer. biol. hum. Ute Wiedemann
Dr. sc. nat. ETH Monika Wydler
Dr. phil. II Manfred Zerlauth
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2
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Krankheit / Unfall:
ein multifaktorieller Prozess
oder «Die Gesundheitsversorgung: auf der Luftmatratze?»
Politik und Krankenkassen verstehen sich als Vertreter der Patienteninteressen. Ihr Blick
ist fast ausschliesslich auf ein Kostenmonitoring eingeengt. Der Ruf und das Bekenntnis zu
einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung werden von Seiten der Leistungserbringer meist als Lippenbekenntnis empfunden. Für die Struktur der Gesundheitsversorgung schlimm ist jedoch der nicht einkalkulierte «Luftmatratzen-Effekt» von kostensenkenden Massnahmen. Beamte und Versicherungsvertreter handeln und denken hauptsächlich
für ihre Institution, was durchaus legitim ist. Von einem Krankheitsfall / Unfall sind aber neben
den Krankenkassen immer auch das «Taggeld», der Arbeitsausfall und letztlich das soziale
Umfeld in beachtlichem Ausmass betroffen.
v.l.n.r.: Prof. Dr. med. B. Müllhaupt, Dr. med. A. Derungs, Dr. R. Müssner,
Dr. med. M. Risch, Dr. sc. nat. G. Risch, PD Dr. med. L. Risch,
Dr. med. R. von Moos, Prof. Dr. med. J. Steurer, Dr. med. Y. Crippa
(auf dem Bild fehlt Prof. Dr. med. P. Greminger)
In wenigen Monaten wird die Einführung des DRG’s die Kostenverteilung sicher messbar beeinflussen. Im Parlament und in den
Medien wird die obligatorische Einführung von «Managed Care» gefordert, ein weiteres brisantes Thema. Gegen diese Struktur verändernden Massnahmen wäre nichts einzuwenden, wenn
sicher gestellt wäre, dass alle kostenrelevanten Gesichtspunkte
einer Krankheit, eines Unfalls berücksichtigt würden. Häufig bewirken solche Strukturveränderungen nur Kostenverlagerungen
letztlich zu Lasten der Betroffenen, dessen sozialem Umfeld oder
der Volkswirtschaft. Aus dieser Sichtweise müssen gesetzliche
Massnahmen darauf bedacht sein, dass kostensparende Faktoren keinen Abbau an Qualität und der Versorgungssicherheit
bedeuten und nicht nur Kosten verlagern. Es ist zwingend, dass
Krankheiten und Unfälle in einer Gesamtschau als «Prozesse»
ganzheitlich verstanden werden. Es ist unzulässig, dass Kostensenkungen an einer Stelle zu Kostensteigerungen andernorts
führen: «Luftmatratzen-Effekte» sind zu vermeiden. Die Gesundheitsversorgung ist als volkswirtschaftliches, soziales und privates Gesamtsystem zu verstehen. Das Vermeiden oder die Linderung des Leidensdruckes der Versicherten ist dabei mit als
zentraler Punkt zu berücksichtigen.
Entgegen dem Trend haben wir Anfang dieses Jahres in Zürich einen weiteren Standort eröffnet, um wohnortnah Laborleistungen zu erbringen. Unsererseits sind dezentrale Laborkonzepte mit höheren Kosten verbunden. Sie bieten jedoch logistisch für die Auftraggeber
wesentliche Vorteile. Auch lässt sich der persönliche Kontakt zwischen dem Laborteam und
den Arztpraxen allein durch die Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen wesentlich besser auf- und ausbauen.
Die Stabsübergabe an die beiden Söhne ist anlässlich des XVII. Diagnostik-Symposiums
in feierlichem Rahmen erfolgt. Die Aufgabenbereiche sind innerhalb der Führungsmannschaft neu verteilt worden. Meinerseits habe ich nun die Möglichkeit, mich als Verwaltungsratspräsident in die zukünftige Unternehmungsentwicklung der Laborgruppe einzubringen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die sehr interessanten Ausführungen am
Diagnostik-Symposium unter dem generellen Titel «Personalisierte Medizin», die Sie in dieser
Riport-Ausgabe nachlesen können (siehe Referenten-Foto).
Ich wünsche allen einen ebenso schönen Sommer, wie wir den Winter und Frühling genies­
sen konnten. Speziell wünsche ich recht erholsame Ferien.
Freundliche Grüsse
Dr. sc. nat. Gert Risch
Präsident des Verwaltungsrates
3
Anpassen von Medikamentenkombinationen
und Dosierungen: Was gibt es neben Körpergewicht und Nierenfunktion zu beachten?
Dr. med. Adrian Derungs und Prof. Dr. med. Stephan Krähenbühl
Die Variabilität der Arzneimittelwirkung ist ein
alltägliches Problem jeden Arztes, der medikamentöse Therapien durchführt. Einerseits tragen genetische Faktoren,
dann aber auch Umwelteinflüsse, Verminderung der Funktion der Eliminationsorgane Niere und Leber, die Körperzusammensetzung (insbesondere Adipositas und Hydratationszustand) sowie auch Lebensphasen wie hohes Alter,
Kindheit und Schwangerschaft dazu bei.
Genetische Faktoren
In Bezug auf die genetischen Faktoren sind
besonders die arzneistoffabbauenden Enzyme wie die Cytochrom P450 Enzyme
(CYP) und die Glucuronyltransferasen zu
nennen. Mangel oder Erhöhung der Aktivität solcher Enzyme kann mit einer verminderten Wirkung von Arzneistoffen oder
auch mit Toxizität verbunden sein. Ein gutes
Beispiel dazu ist der Effekt der Aktivität von
CYP2D6 auf die Wirkung und Toxizität von
Codein. Codein ist ein Prodrug und muss
via CYP2D6 zu Morphin umgewandelt werden, damit es wirken kann. Codein ist deshalb bei Patienten mit fehlender CYP2D6Aktivität als Analgetikum wirkungslos. Auf
der anderen Seite ist bei Patienten mit einer erhöhten Aktivität von CYP2D6, so
genannten «CYP2D6 ultra rapid metabolisern», klar gezeigt worden, dass die Wirkung von Codein stark gesteigert ist und
zu Toxizitätsproblemen führen kann. In der
letzten Zeit ist auch die Genetik von Arzneistofftransportern vermehrt untersucht
worden. Man hat unter anderem gefunden,
dass die Myotoxizität von Statinen zum Teil
durch eine Unterfunktion eines Transporters erklärt werden kann, welcher Statine
in die Hepatozyten transportiert. Enzympolymorphismen im Bereich von Rezeptoren scheinen in Bezug auf die Wirkung
von Arzneistoffen ebenfalls eine Rolle zu
spielen, zum Beispiel bei der Wirkung von
Betarezeptoren-Blockern. Enzympolymorphismen im HLA-System, welches wichtig ist zur Präsentation von Antigenen, sind
ebenfalls wichtig für die Hypersensitivität
auf gewisse Medikamente. Insbesondere
konnte für Abacavir (ein Anti-HIV Medikament) gezeigt werden, dass das Hypersensitivitätssyndrom, welches mit diesem Medikament assoziiert ist, praktisch nur bei
Patienten mit dem HLA B5701 vorkommt.
Wenn solche Patienten nicht mit Abacavir
behandelt werden, treten praktisch keine
Hypersensitivitätssyndrome auf. Durch die
Möglichkeit, das ganze Genom auf Assozi4
ationen mit gut definierten, unerwünschten
Wirkungen untersuchen zu können, wird
es in Zukunft vermehrt gelingen, genetisch
bedingte Störungen festzustellen.
Umwelteinflüsse
Die Effekte von Hemmern oder auch von
Induktoren der Cytochrom P450 Isoenzyme oder auch der Glucuronyltransferasen
sind wahrscheinlich die am besten charakterisierten Umwelteinflüsse auf Arzneistoffmetabolismus und Wirkung. In der Medizin
gibt es unzählige Beispiele, wie dadurch
die klinische Wirksamkeit oder auch die
Toxizität von Arzneistoffen verändert werden kann. Arzneistoffinteraktionen spielen
deshalb in der Medizin eine grosse Rolle.
Andere Umweltfaktoren, welche einen starken Effekt auf die Arzneistoffwirkung haben
können, sind Rauchen (Enzyminduktion)
sowie Alkohol (Enzyminduktion und allenfalls Leberschaden).
Funktion der Eliminationsorgane
Störungen der Funktion der Niere oder
auch der Leber bedingen meistens eine
verminderte Elimination von entsprechend
ausgeschiedenen Pharmaka. In Bezug auf
Nierenkrankheiten können die Effekte mit
Hilfe des Schemas von Dettli gut abgeschätzt werden. Zudem müssen die Firmen
bei der Zulassung neuer Arzneistoffe Daten
vorlegen, welche die Elimination bei Patienten mit verminderter Nierenfunktion beschreiben. Diese Studien sind in der Fachinformation der Medikamente aufgeführt
und können zur Dosisadaptation verwendet werden.
In Bezug auf Leberkrankheiten ist es
schwieriger, die Effekte auf die Pharmakokinetik oder auf Pharmakodynamik von
Arzneistoffen vorauszusagen. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist es wichtig zu verstehen, dass die Bioverfügbarkeit von Me-
dikamenten mit einer hohen hepatischen
Elimination bei Patienten mit Leberzirrhose
drastisch ansteigen kann. Dies muss bei
oraler Verabreichung solcher Medikamente
unbedingt beachtet werden, um Toxizitäten
zu vermeiden.
Körperzusammensetzung
Eine veränderte Körperzusammensetzung ist eine weitere Variable, welche bei
der Arzneistoffdosierung beachtet werden
muss. Die Leitlinien für die Dosisadaptation sind aber in diesem Bereich im Moment ziemlich unklar, so gibt es nicht viele
kinetische Studien bei sehr adipösen Patienten. Eine Dosierung auf das reine Körpergewicht führt für die meisten Medikamente zu einer Überdosis. Wenn auf das
ideale Körpergewicht oder das «lean body
weight» dosiert wird, besteht eine Tendenz
zur Unterdosierung. Momentan ist es unklar, welches Gewicht für welche Arzneistoffe die zuverlässigste Arzneistoffwirkung
ergibt. Falls möglich wird man also in diesem Fall mit einer vorsichtigen Dosierung
beginnen und den Patienten langsam für
seine (richtige) Dosis eintitrieren.
Lebensphasen
Lebensphasen spielen bei der Wahl der
Arzneistoffdosierung eine wesentliche Rolle. Ältere Patienten haben meist eine Reduktion der Funktion der Arzneistoff-eliminierenden Organe, auch wenn sie keine
spezifische Leber- oder Nierenkrankheit
haben. Im Alter ist auch die Sensitivität
vieler Organe erhöht, insbesondere aber
des ZNS, so dass entsprechende unerwünschte Wirkungen resultieren können.
Falls möglich, ist deshalb auch in diesem
Fall eine vorsichtige Dosierung geboten.
Weitere Spezialfälle für die Dosierung stellen Schwangerschaft und Kindheit dar. In
Bezug auf die Schwangerschaft gibt es so-
Wie lassen sich
«evidence-based medicine»
und «personalized medicine»
verbinden?
wohl pharmakokinetische Veränderungen
als auch die potentielle Teratogenität der
Arzneistoffe zu beachten. In Bezug auf die
Dosierung bei Kindern ist es wichtig zu verstehen, dass eine Extrapolation von der Erwachsenendosis via Körpergewicht meistens nicht exakt genug ist. Leider ist es so,
dass bei Kindern oft Studien in Bezug auf
die Dosierung von Arzneistoffen fehlen, so
dass viele Arzneistoffe «off lable» angewendet werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden,
dass die Variabilität der Kinetik, aber auch
der Dynamik von Arzneistoffen, durch viele Faktoren bedingt ist, was die Dosierung
vieler Medikamente schwierig macht. In jedem Fall sollten Patienten, welche mit einer Pharmakotherapie behandelt werden,
laufend in Bezug auf Wirkung und unerwünschte Wirkungen der verabreichten
Medikamente monitorisiert werden.
Autor
Prof. Dr. med. Stephan Krähenbühl
Klinische Pharmakologie & Toxikologie
Universitätsspital · 4031 Basel
[email protected]
Prof. Dr. med. Johann Steurer
Das Ziel der Medizin ist Wissen über den
Gesundheitszustand eines Individuums zu schaffen und das Individuum darüber zu unterrichten.
Reduktion der Mortalität 4 %
C
C
C
C
C
C
20 %
2 %
6 %
12 %
1 %
0,4 %
Das generelle medizinische Wissen das
notwendig ist, um das spezifische Wissen
über einen einzelnen Patienten zu schaffen,
basiert auf den Ergebnissen der Forschung,
primär der klinischen Forschung, und dem
Wissen der Experten der jeweiligen medizinischen Disziplin. Forschungsresultate machen Aussagen über ein definiertes
Kollektiv von Patienten und ermöglichen
eine Wahrscheinlichkeitsangabe über den
Effekt einer Therapie für den einzelnen Patienten. Die Lücke zwischen dem Mittelwert
eines Patientenkollektivs und dem einzelnen Patienten zu schliessen haben sich die
Vertreter der «personalized medicine» vorgenommen. Grosse Erwartungen werden
in die Erkenntnisse der Genomik, Proteomik und Metabolomik gesetzt. Die Aussagen über einzelne Patienten werden dank
dieser Erkenntnisse präziser, aber auch
diese Aussagen sind in den allermeisten
Situationen Wahrscheinlichkeitsaussagen
und werden dies auch bleiben. Wenn man
unter «evidence-based medicine» (EBM)
die Berücksichtigung der Forschungsresultate bei medizinischen Empfehlungen
oder Entscheidungen versteht, dann be-
steht eigentlich kein Unterschied zwischen
«evidence-based medicine» und «personalized medicine».
Autor
Prof. Dr. med. Johann Steurer
Leiter Horten Zentrum für praxisorientierte
Forschung und Wissenstransfer
Universität Zürich · 8091 Zürich
[email protected]
5
Tipps und Tricks in der
Hypertonie-Behandlung:
Wie individuell können Leitlinien sein?
Prof. Dr. med. Peter Greminger
Die Hypertonie ist eine der häufigsten Diagnosen in Praxis und Klinik. Leitlinien zu
Abklärungsgang und Behandlungsplan sind somit von grosser praktischer Bedeutung, weshalb denn auch entsprechende Guidelines von nationalen1 und internationalen 2 Gesellschaften vorliegen.
Im praktischen Alltag ist zunächst die sorgfältige Durchführung der Risikostratifikation
von Bedeutung. Mittels Anamnese, klinischer Untersuchung und einfachen Labortests (Abb. 1) erlaubt diese Stratifikation die
Stellung einer korrekten Behandlungsindikation (Abb. 2). Ist die Indikation zu einer
medikamentösen Therapie gegeben, so liefern die Leitlinien Empfehlungen zu den verschiedenen Substanzgruppen, zu möglichen Kombinationen und zu den zu beachtenden Begleitumständen (Abb. 3 und 4).
Die ärztliche Kunst besteht nun darin, über
die Guidelines hinaus Entscheidungen zu
treffen, wo individuell zu treffende Diagnose- und/oder Therapieschritte gefragt sind.
Diese Situation ist insbesondere bei älteren und bei multimorbiden Patienten anzutreffen. Bei der Überarbeitung der zur
Zeit vorliegenden Leitlinien wäre es deshalb wünschenswert, für dieses Kollektiv
übergeordnete interdisziplinäre Guidelines
zu erarbeiten.
Abb. 2: Risikostratifikation: Behandlungsindikation
Risikofaktoren
0
120 - 129 /
80 - 84
130 - 139 /
85 - 89
keine Therapie keine Therapie
140 - 159 /
90 - 99
160 - 179 /
100 - 109
≥ 180
≥ 110
Lebensstil
Lebensstil
Medikam.
Medikamente
Lebensstil
Medikam.
Lebensstil
Medikam.
Medikamente
1 - 2
Lebensstil
Lebensstil
> 2 Diabetes
Endorg.
Lebensstil
Medikamente
Medikamente Medikamente Medikamente
klin.
Erkrankung
Medikamente
Medikamente
Medikamente Medikamente Medikamente
Abb. 3: Hypertoniebehandlung:
Empfehlungen der SHG
Abb. 4: Wahl des Antihypertensivums: Begleitumstände
ACE-Hemmer
A II-Antagonist
Renin-Hemmer *
Begleitumstand
Substanzklasse
linksventr.
Hypertrophie
ACE-H, ARB
St. n. Myokardinfarkt
b Blocker, ACE-H,
ARB
Herzinsuffizienz
ACE-H, ARB,
b Blocker, Diuretika
St. n. Apoplexie
alle Substanzklassen
Mikroalbuminurie
ACE-H, ARB
Niereninsuffizienz
ACE-H, ARB, Schleifendiuretika
PAVK
Kalziumantagonisten
metabolisches
Syndrom
ACE-H, ARB
Diabetes mellitus
ACE-H, ARB
Kalziumantagonist
Anmerkung: Die Guidelines der SHG und der ESH
können eingesehen werden unter:
www.swisshypertension.ch
Betablocker
Diuretikum
Abb. 1: Hypertonie: Leitlinien
Antihypertensiva erster Wahl
· Anamnese
Antihypertensiva für
alternative Initialtherapie
· körperliche Untersuchung
· Routinetests:
· Blutzucker
·Gesamt-, HDL- und LDLCholesterin, Triglyzeride
· Kalium
· Kreatinin (Clearance berechnen)
· Harnsäure
· Hämoglobin
· Urinstatus (inkl. Mikroalbuminurie)
· EKG
(ESH, J. Hypertension 2007)
* Morbiditäts- und Mortalitätsdaten
noch ausstehend
Literatur
tor Blocker (= AIIA)
1Schweizerische Hypertonie Gesellschaft
(SHG): Faltblatt 2009
Autor
2The Task Force for the Management of Arterial Hypertension of the European Society of
Prof. Dr. med. Peter Greminger
Hypertension (ESH): 2007 Guidelines for the
Chefarzt Allgemeine Innere Medizin
Management of Arterial Hypertension.
Kantonsspital St. Gallen · 9007 St. Gallen
Journal of Hypertension 2007; 25: 1105-1187
6
ACE-H=ACE-Hemmer / ARB=Angiotensin Rezep-
[email protected]
Hepatitis C:
ein individuell geprägtes Krankheitsbild
Prof. Dr. med. Beat Müllhaupt
Das Hepatitis-C-Virus ist ein kleines, umhülltes Einzelstrang-RNA-Virus aus der Fami-
lie der Flaviviridae. Es wurde 1989 als Erreger der non-A-non-B-Hepatitis identifiziert. Nach der Vorlage des RNAGenoms wird intrazellulär ein Polyprotein synthetisiert, das posttranslational in die verschiedenen Struktur- und
Nichtstrukturproteine gespalten wird (Kapsidprotein C, Hüllproteine E1 und E2, Nichtstrukturproteine NS2, NS3,
NS4A, NS4B, NS5A und NS5B). Heute sind mindestens 6 Genotypen bekannt.
Die chronische Hepatitis C kann zu einer
Entzündung und langfristig zur Fibrose der
Leber führen, welche individuell sehr variabel ausgeprägt ist. 5 - 20 % der Patienten
entwickeln über einen Zeitraum von 20 bis
30 Jahren eine Leberzirrhose.
Genotype 2 or 3, RVR, low viral load
Genotype 1, RVR, low viral load
In den meisten Fällen ist die serologische
Diagnose einer chronischen Hepatitis C ein
Zufallsbefund, z.B. im Rahmen des Screenings von Blutspendern oder von Routineuntersuchungen. Bei Personen mit i.v.
Drogengebrauch in der Vorgeschichte,
HIV-positiven Patienten, Empfängern von
Blut oder Blutprodukten sowie Spenderorganen vor 1990, Dialysepatienten, medizinischem Personal nach Nadelstichverletzung und Personen mit klinischen oder
laborchemischen Zeichen einer chronischen Lebererkrankung sollte ein HCVScreening durchgeführt werden.
Grundsätzlich besteht eine Therapieindikation für alle HCV-Patienten, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Zirrhose haben oder von denen ein relevantes
Übertragungsrisiko ausgeht. Die derzeitige
Standardtherapie basiert auf PEG-Interferon alpha, das immunmodulatorisch und
direkt antiviral wirkt und auf Ribavirin, einem Nucleosidanalogon, das ohne die
Kombination mit Interferon keine Viruselimination ermöglicht.
Die aktuelle Standardtherapie führt bei
über 80 % der Patienten mit einer Genotyp 2 oder 3 Infektion zu einer dauerhaften
Viruselimination. Beim Genotyp 1 werden
leider dagegen lediglich 40 - 50 % der Patienten dauerhaft virusfrei. In den letzten
Jahren wurden verschiedene prognostische Parameter identifiziert, die das Therapieansprechen besser abschätzen lassen.
Dazu gehört neben dem Genotyp auch
die sogenannte rapid virological response
(RVR: HCV-RNA negativ bei Therapiewoche 4) und der sogenannte Interleukin-28
Genotype 1, no RVR, no EVR
Baseline 12 -16
24
72
Treatment Duration (Weeks)
Polymorphismus. Die bessere Charakterisierung des Therapieansprechens erlaubt
heute eine individualisierte Behandlung (response guided therapy) bei der neben Genotyp auch die RVR und die Viruslast berücksichtigt werden (siehe Abbildung).
In der letzten Zeit sind mehrere Substanzen für die Hepatitis-C-Therapie in klinischen Phase I - III Studien erprobt worden,
die eine direkte antivirale Wirkung haben
und z.B. spezifisch die virale Protease
oder Polymerase hemmen können. Bereits stehen die ersten Medikamente kurz
vor der Markteinführung in der Schweiz.
Diese neuen Substanzen werden die Heilungschancen von Genotyp I Patienten sicher markant verbessern. Leider sind diese
ersten Moleküle aber nur gegen Genotyp I
aktiv, während sie bei den anderen Virustypen praktisch wirkungslos sind. Doch auch
für diese Patienten sind bereits Moleküle in
klinischer Testung, die gegen alle Virustypen eine antivirale Aktivität aufwiesen. Die
grosse Frage wird sein, ob in Zukunft die
Hepatitis C Infektion ohne Interferon be-
handelt werden kann. Auch hier sind erste klinische Studien unterwegs. Insgesamt
kann erwartet werden, dass sich die Behandlung der chronischen Hepatitis C in
den nächsten Jahren stark wandeln wird
und sich die Heilungschancen sicher kontinuierlich verbessern werden.
Autor
Prof. Dr. med. Beat Müllhaupt
Leitender Arzt
Gastroenterologie und Hepatologie
Swiss HPB-Center
Universitätsspital Zürich · 8091 Zürich
[email protected]
7
Vorsorglicher Beitrag von Laboruntersuchungen bei infektiösen Geschlechtskrankheiten
am Beispiel von Chlamydien und Gonokokken
Prof. Dr. med. Urs Nydegger
«Wenns juckt oder brennt, dann bitte zum Arzt.» Das Bundesamt für Gesundheit (BAG)
will mit den Spots 2011 auf die zunehmende Verbreitung von Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Chlamydien
aufmerksam machen. Diese Abklärungen können bei Hausärztin / Hausarzt, bei der / m behandelnden Gynäkologin /
Gynäkologen oder in einer dermatologischen Poliklinik gemacht werden. «Bevor man zur Ärztin oder zum Arzt geht,
kann man sich unentgeltlich und diskret auch bei einer Fachstelle für sexuelle Gesundheit beraten lassen,» so der
informative Text des BAG. Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis (CT), klinisch allerdings oft symptomfrei, sowie
von Neisseria gonorrhoeae (NG) Infektionen in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein ist einem Wandel in
der Zusammensetzung der Einwohnerschaft unterworfen und muss regelmässig aufdatiert werden. Obwohl KoInfektionen auftreten, vielleicht mit HIV, Hepatitis B oder C Virus, werden doch häufig Teststrategien mit selektiver
Suche entweder nach CT oder NG, oder beiden, eingesetzt.
Im labormedizinischen zentrum Dr Risch
rollt man die Frage nach Prävalenz von der
anderen Seite auf: nämlich vom Laborergebnis eingesandter Analyseproben. Das
Zentrum erhält tausende von Einsendungen mit der Frage nach Vorliegen von STD
(sexually transmitted disease: sexuell übertragbaren Erkrankungen). Die Mehrzahl
unserer Kunden für solche Fragestellungen
sind Gynäkologen und Geburtshelfer, gefolgt von anderen Spezialisten-Gruppen,
sodass ein grosses Zahlenmaterial von
Untersuchungsergebnissen anfällt. Im LMZ
Dr Risch läuft bereits seit vielen Jahren
die molekularbiologische Bestimmung von
CT und NG. Diese ist unabhängig von der
Vitalität der Bakterien und präanalytischen
Variationen im Probenzubereiten weniger
stark ausgesetzt als klassisch mikrobiologische Methoden dies sind.
CT haben einen gramnegativen Zellwandtypus und sind in ihrer biosynthetischen
Leistungsfähigkeit, ähnlich den Rickettsien, dermassen eingeschränkt, dass dieses
Bakterium im Wirtsorganismus zur ATPVersorgung auf intrazelluläres Milieu angewiesen ist («Energieparasiten»). NG, kurz
auch Gonokokken genannt, sind gramnegative, aerobe Diplokokken, welche gegenüber Umwelteinflüssen, insbesondere gegen Austrocknung, empfindlich sind.
Im Muttermund (Cervix uteri) verbergen
sie sich in einem Biofilm, welcher aus den
Bakterien selbst, aus Polysacchariden, abgeschilferten Zellwandteilen und DNA besteht, womit sie sich dem Zugriff von Antibiotika entziehen (Abbildung 1).
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Cervixbiopsie-Dünnschnitten von Patientinnen mit
Gonokokken-Cervizitis. In A und B zeigen die Pfeile auf zu Bläschen-artigen Gebilden aufgerollte, abgeschilferte Zellwandteile der Gonokokken. Diese schliessen sich in eine Masse von Polysacchariden und
DNA ein: man nennt diese Masse «Biofilm», dessen Eigenschaften Thema aktueller Forschungsarbeiten
sind, vor allem, weil Biofilme den Zugang von Antibiotika zum Keim erschweren/verhindern. Unten links, C,
ist eine negative Kontrolle aus einer gesunden Cervix abgebildet, wo weder Bakterien noch Biofilm sichtbar sind und unten rechts, D, sieht man bei schwächerer Vergrösserung die Gonokokken als schwarze
Punkte auf der Cervix-Schleimhaut.
8
Die Nucleic Acid Amplification Technology
(NAAT) hat die Diagnostik von Infektionserkrankungen von Grund auf revolutioniert
dank der Möglichkeit, Nukleinsäuren der
infektiösen Erreger zu vervielfältigen, womit auch geringe Mengen nachweisbar
werden. Das bekannteste Verfahren ist die
Polymerase-Kettenreaktion (PCR), welche
es erlaubt, in vitro DNA zu amplifizieren. Die
Technik ist automatisierbar, wobei die ursprüngliche Ziel-DNA verdoppelt wird. Dies
bei einer Temperatur von über 70 °C unter
Zugabe der Taq-Polymerase. Ein Arbeitsschritt, welcher die Spezifität der Reaktion
verbessert. Das marktführende Gerät von
der Firma Abbott steht uns seit 2007 zur
Verfügung. Abbott m2000 System®, amplifiziert gleichzeitig zwei Ziel-DNA Typen;
nämlich die DNA von CT und das Opa-gen
von NG. Dabei wird das kryptische Plasmid
von CT, welches für einen einzigen Keim
in ~10 Kopien vorliegt, gezielt gesucht: der
Test meldet bereits ab 320 Kopien das Vorliegen von CT (Zahlen für NG etwa gleich).
Dank Bioinformatik wird schliesslich die
Diagnose für das Vorliegen bzw. das Ausbleiben einer CT und /oder NG Infektion
vorgelegt. Weitaus häufigstes Untersuchungsmaterial welches bei uns eingeht
sind endozervikale / vaginale Abstriche,
gefolgt von Urin, Urethra-Abstrichen und
Wund-Sekreten. Mit unseren Auftragstellenden Ärztinnen und Ärzten ist über die
Jahre ein Vertrauensverhältnis entstanden,
welches auf der Zuverlässigkeit der klinischen Angaben und vor allem auf professioneller Präanalytik (Probenentnahme) beruht. Man weiss nämlich, dass POCT (point
of care test) - Analysen, Selbsttestung der
Patienten und Patientinnen selber, Analysen in der Apotheke um die Ecke und Telemedizin bei der Diagnostik von STD mit
einer Zuverlässigkeits-Einbusse behaftet
sind.
Wir haben die Resultate der diagnostischen Proben zwischen Januar 2009 und
Januar 2010, welche für eine Testung zu
uns gelangten, nun aufgearbeitet. Ziel war
es, zu bestimmen, wie viele CT und NG Infektionen verpasst werden, wenn der Einsender selektiv nur auf entweder CT oder
NG testen wollte. Zwischen Januar 2009
und Januar 2010 wurden diagnostische
Proben, welche für eine Testung von CT
oder NG oder kombiniert CT/ NG über-
www.check-your-lovelife.ch
unter anderem auch im medizinischen Labor
wiesen wurden, systematisch für beide
Infektionen analysiert. Es wurden Proben
von total 9’245 Individuen (8’009 Frauen,
1’236 Männer) untersucht. Eine alleinige
CT Infektion fand sich bei 318 (3.97 %), eine alleinige Infektion mit NG fand sich bei
fünf (0.06 %) Patientinnen. Sechs (0.08 %)
Frauen hatten eine Koinfektion mit CT/
NG. Die entsprechenden Zahlen für Männer sind: 72 (5.83 %) für alleinige CT Infektion, 18 (1.14 %) für alleinige NG Infektion
und 8 (0.65 %) für Koinfektionen. Wenn
der Einsender für seine Patientinnen lediglich einen Test auf CT verordnete, so
wurden 6 NG Fälle verpasst (0.09 % Prävalenz, 54.55 % aller NG positiven Frauen). Die selektive Evaluation verpasster CT,
bzw. NG Fälle ergibt folgende Prozentsätze: 4.64 % und 0.62 %. Bei Männern wurde
bei selektivem Testen auf CT eine einzige
NG Infektion (0.13 %, 3.85 %) verpasst. Bei
selektivem Testen auf NG wurden 3 CT Infektionen (10 %, 3.75 %) übersehen. Selektives Testen entweder auf CT oder NG hat
in dieser Studie eine nicht zu vernachlässigende Anzahl (n=12; 2.8 % des gesamten Untersuchungsgutes) an Infektionen
verpasst. Es ist also bei dieser retrospektiven Analyse unseres Zahlenmaterials ein
unverkennbarer Vorteil der gleichzeitigen
Testung auf zwei typische STD-Bakterien in
Erscheinung getreten. Die Durchseuchung
der Bevölkerung mag mit den gefundenen
Prävalenzzahlen überschätzt worden sein,
ist doch das untersuchte Analysematerial von Personen mit Arztbesuch erbracht
worden.
Fussnote
Die Originaldaten sind in einer Englisch-sprachigen Fachzeitschrift publiziert:
Sakem B, Michel R, Nydegger U, Wydler M,
Radjenovic D, Risch M, Risch L
Diagnostic relevance of simultaneous testing
for Chlamydia trachomatis and Neisseria
gonorrhoeae
Infection 2011 (ePub ahead of print, 27 april)
zu Abbildung 1:
aus Steichen CT. Shao JQ, Ketterer MR, Apicella MA. Gonococcal cervicitis: a Role for Biofilm
in Pathogenesis. Journal of Infectious Diseases
2008;198: 1856-1862. (mit freundlicher Genehmigung der Autoren)
Autor
Prof. Dr. med. Urs Nydegger,
FAMH Hämatologie und klinische Immunologie,
FMH Innere Medizin und Hämatologie
labormedizinisches zentrum Dr Risch
Liebefeld bei Bern
[email protected]
9
Welches Allergen ist der Übeltäter —
Molekulare Diagnostik hilft weiter
Dr. med. Walter Fierz
Molekulare Allergiediagnostik hilft bei der gezielten Suche nach Allergieauslösern und erlaubt
eine bessere Beurteilung ihrer klinischen Bedeutung. Denn der Nachweis von Allergieauslösern gleicht der Suche
nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Oft sind nur wenige Proteinmoleküle in
einer Allergenquelle für die Sensibilisierung
verantwortlich. Die Molekulare Allergiediagnostik identifiziert klinisch relevante
Allergenkomponenten und ermöglicht eine individuelle Therapie für Patienten mit
Allergien. ImmunoCAP® Allergenkomponenten liefern differenzierte Ergebnisse für
eine präzise Diagnose und stellen die Weichen für den Behandlungserfolg, etwa im
Zusammenhang mit einer spezifischen Immuntherapie (SIT).
In der konventionellen Allergiediagnostik
wird das Patientenserum auf IgE-Antikörper gegen eine Allergenmischung oder dem
Gesamtextrakt einer Allergenquelle, z.B.
Birkenpollen, getestet. Die Molekulare Allergiediagnostik geht einen entscheidenden
Schritt weiter: Sie testet gegen die einzelnen Komponenten der Allergenquelle und
erstellt auf diese Weise ein genaues Sensibilisierungsprofil des Patienten. Bluttests
mit Allergenkomponenten werden bereits
von vielen Ärzten als wichtiges ergänzendes Instrument zur Diagnosestellung genutzt.
Komponententestung mit
hochreinen Proteinmolekülen
Während ein Allergen-Gesamtextrakt aus
einer Mischung aus allergenen und nichtallergenen Proteinmolekülen besteht, handelt es sich bei den ImmunoCAP® Allergenkomponenten um rekombinant hergestellte
oder hochaufgereinigte Proteinmoleküle,
die als Allergie auslösend bekannt sind.
Die Tests mit Allergenkomponenten helfen,
«echte» Allergien (Primärsensibilisierungen)
von Kreuzreaktionen zu unterscheiden.
Denn scheinbare Mehrfachsensibilisierungen werden häufig von wenigen kreuzreaktiven Allergenkomponenten ausgelöst, die
in ähnlicher Form in vielen verschiedenen
Allergenquellen vorkommen.
Proteine der Familie PR-10 zum Beispiel,
der auch das Hauptallergen der Birkenpollen Bet v 1 zugehört, kommen nicht nur in
anderen Pollenpflanzen (u. a. Hasel, Erle,
Buche), sondern auch in zahlreichen Obst
und Gemüsesorten sowie Nüssen und
Leguminosen vor. Sie stellen die Grundlage dar, für die bei Birkenpollenallergi-
kern beobachteten Kreuzallergien zu Nahrungsmitteln.
Mit gezielter Diagnostik
zum Therapieerfolg
Mit der Testung einzelner Allergenmoleküle
kann ein individuell auf den Patienten abgestimmtes Behandlungskonzept entwickelt werden (siehe Abb. 1). Davon profitieren besonders Patienten, für die eine
spezifische Immuntherapie (SIT) erwogen
wird. Eine exakte diagnostische Vorarbeit
hilft bei der Wahl der passenden SIT. Die ist
nur dann erfolgreich, wenn auch mit dem
Allergen behandelt wird, das die Allergie
auslöst. Es können für die Pollen-SIT ungeeignete Patienten im Voraus identifiziert
werden, denen man den Zeitaufwand und
Nebenwirkungen ersparen kann.
So eignen sich Patienten mit BirkenAllergie, die nicht auf die kreuzreagierenden Nebenallergene Profilin (Bet v 2) und
Polcalcin (Bet v 4) sensibilisiert sind, besser für eine Hyposensibilisierung als sol-
Abbildung 1: Patient mit Allergie gegen Birke und/oder Gräser.
Diagnose basiert auf Anamnese und Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung. Ein Fall für SIT?
Beschwerden im Frühjahr (März /April)
Hauptallergen:
Bet v 1
ImmunoCAP® t215
Kreuzreagierende Nebenallergene:
Bet v 2, Bet v 4
ImmunoCAP® t221
Molekulare Allergiediagnostik
mit ImmunoCAP®
Eignung des Patienten
für eine Birkenpollen-SIT
Bet v 1:
Bet v 2, 4:
positiv
negativ
Bet v 1:
Bet v 2, 4:
positiv
positiv
MITTEL
Bet v 1:
negativ
Bet v 2, 4: pos. / neg.
WENIG
GUT
Eher keine SIT mit Birkenpollen. Testung auf andere
Baumpollen, z.B. Eschenpollen Ole e 1 (t224) empfohlen
10
Beschwerden im Frühsommer (Mai - Juli)
Hauptallergene:
Phl p 1, Phl p 5b
ImmunoCAP® g213
Kreuzreagierende Nebenallergene:
Phl p 7, Phl p 12
ImmunoCAP® g214
Molekulare Allergiediagnostik
mit ImmunoCAP®
Phl p 1, 5b:
positiv
Phl p 7, 12:
negativ
Phl p 1, 5b:
positiv
Phl p 7, 12:
positiv
Phl p 1, 5b: negativ
Phl p 7, 12:pos. / neg.
Eignung des Patienten
für eine Gräserpollen-SIT
GUT
MITTEL
WENIG
Eher keine SIT mit Gräserpollen. Weitere Untersuchungen,
um die sensibilisierende Allergenquelle zu identifizieren
Abbildung 2: Einsatzmöglichkeiten der Molekularen Allergiediagnostik
Bereich
HitzeStabilität
Allergen
Molekül
PR-10: labil
Bet v 1, Bet v 2/4
Ole e 1
Quelle
Protein
Frühjahr
Birke
Esche
PR-10, Profilin, Polcalcin
Trypsin-Inhibitor
Frühsommer
Gräser
Spätsommer
Ambrosia
Beifuss
Pektat-Lyase
Defensin, LTP
LTP: stabil
Amb a 1
Art v 1, Art v 3
Hühnerei
Ovomucoid
stabil
Gal d 1
Karpfen
Dorsch
Parvalbumin
stabil
Cyp c 1
Gad c 1
Tropomyosin
stabil
Pen a 1
2S Albumin, LTP
LTP
LTP
stabil
Ara h 2, Ara h 9
Cor a 8
Pru p 3
Pollen
Ei
Nahrungsmittel
Fisch
Schalen- / Krustentiere
Anaphylaxie-Risiko
Nüsse
Früchte
Erdnuss
Haselnuss
Pfirsich
WDEIA (anstrengungsinduzierte Anaphylaxie) Weizen
Latex
Biene / Wespe
che mit Reaktion auf Bet v 2 und Bet v 4,
während sich die selteneren Patienten, die
nur auf die Nebenallergene reagieren, wenig eignen. Eine ähnliche Rolle spielen bei
der Gräser-Allergie ebenfalls die Nebenallergene Polcalcin (Phl p 7) und Profilin (Phl
p 12). Zusammengefasst haben Patienten,
die gegen ein Hauptallergen sensibilisiert
sind, eine gute Ausgangslage für eine SIT;
diejenigen, die ausschliesslich gegen Nebenallergene sensibilisiert sind, eignen sich
nur eingeschränkt für eine SIT.
Risikoabschätzung
ohne Provokationstest
Die Erdnussallergie ist eine der gefährlichsten Nahrungsmittelallergien, weil sie
mit heftigen Symptomen bis hin zum allergischen Schock einhergehen kann. Daher ist eine frühzeitige und möglichst umfassende Diagnostik der Erdnussallergie für
die Patientenberatung essentiell. Zur Risikoabschätzung ist gegebenenfalls auch
ein Provokationstest erforderlich, bei dem
der Patient kleinste Mengen an Erdnüssen
konsumiert. Dieses aufwendige und nicht
Gift
Phl p 1 /5b,
Phl p 7/12
Profilin, Polcalcin
Omega-5-Gliadin
Naturlatex
Pro- / Hevein
Profilin
Biene
Wespe
Phospholipase A2
Ag 5
ungefährliche Vorgehen ist der Goldstandard, um die klinische Relevanz der Allergie
beurteilen zu können. Mit der Molekularen
Allergiediagnostik gibt es nun eine zusätzliche Möglichkeit, das Risiko für schwere
allergische Reaktionen abzuschätzen. Das
Verfahren könnte möglicherweise nach
dem Vorliegen weiterer Studienergebnisse
Provokationstestungen in einigen Fällen ersetzen. Ein positiver Bluttest auf bestimmte
Allergenkomponenten markiert ein hohes
Risiko, während andere Allergenkomponenten mit eher milden Allergiesymptomen
assoziiert sind. Die Testung aller ErdnussAllergiekomponenten gewährleistet eine
umfassende Risikoabschätzung und gibt
Hinweise, wie gefährlich die Erdnussallergie für den Patienten tatsächlich ist.
Ein höheres Risiko für anaphylaktische Reaktionen haben zum Beispiel Sensibilisierungen gegen Speicherproteine wie das
2S-Albumin der Erdnuss (Ara h 2) oder Paranuss (Ber e 1) oder Lipidtransferproteine
(LTP) von Pfirsich (Pru p 3), Erdnuss (Ara h
9) oder Haselnuss (Cor a 8).
Tri a 19
stabil
Hev b 6.01 / 02
Hev b 8
Api m 1
Ves v 5
Zusammenfassend hat die Anwendung
von molekular definierten Allergenen zur
Bestimmung spezifischer IgE neue Möglichkeiten gebracht und diese neuen Dimensionen werden sich in Zukunft noch
erweitern. So ist es möglich, Kreuzreaktionen zu verstehen, das Risiko für systemische Reaktionen besser abzuschätzen
und die Indikation für die spezifische Immuntherapie gezielter zu stellen. Mit unserem neuen Allergie-Auftragsformular haben
wir diese Entwicklung aufgenommen und
die ganze Seite 4 der Molekularen Diagnostik gewidmet.
Autor
Dr. med. Walter Fierz, MHIM
FAMH klinische Immunologie, Abteilungsleiter
Infektionsserologie und Autoimmundiagnostik
labormedizinisches zentrum Dr Risch · Schaan
[email protected]
11
Wie weit erlauben DRG
eine personalisierte Medizin?
Dr. med. Yves Crippa
Aus dem Blickwinkel des wissenschaftlich orientierten Arztes ist mit personalisierter (oder
individualisierter) Medizin lediglich eine auf den einzelnen ausgerichtete Arzneimittelmedizin gemeint. Die Diskus­
sion um eine umfassende und zweckmässige Definition für den Begriff personalisierte Medizin wird durch die
verschiedene Optik und dadurch unterschiedliche Begriffsbestimmungen der jeweiligen Akteure gekennzeichnet.
Personalisierte Medizin kann auch als eine Medizin definiert werden, welche das Wohl des Patienten in den Mittelpunkt ihres Bestrebens stellt. Dadurch sind Begriffe wie patientenzentrierte Medizin und patientenorientierte Medizin entstanden, welche als Synonyme der personalisierten Medizin im oben genannten Sinne betrachtet werden
können. Vielleicht am treffendsten ist der Begriff «Menschenmedizin». Nicht ganz zufällig gehört der Internist und
Chefarzt Dr. Christian Hess aus Affoltern, welcher diesen Begriff in der Schweiz massgebend geprägt und propagiert
hat, zu den Erstunterzeichnenden des DRG-Moratoriums.
Sind es nicht unsere Motivation, unsere Vorgehensweisen und unsere ethische Grundeinstellung, welche zur personalisierten
Medizin führen? Was ist unsere Motivation? Etwas Gutes tun, Linderung bewirken,
für den Kranken da sein, die Faszination
für die Individualität des Menschen, helfen
können, helfen wollen, auf die Bedürfnisse unserer Patienten eingehen. Wie gehen wir vor? Wie wir es als Patient selber
wünschen würden, wie wir unseren Partner/unsere Partnerin, unsere Eltern, unsere
Geschwister behandeln würden, nach ethischen Grundsätzen. Letztere richten sich
nach den bioethischen Prinzipien:
1.
2.
3.
4.
Autonomie des Patienten
Gutes tun
Schaden vermeiden
Gerechtigkeit
(T.L. & J.F. childress, principels of biomedical ethics, 6 edition, OUF 2009). Das
Selbstportrait von Francisco de Goya
(1820) mit seinem Arzt Arrieta (Abb.1) illustriert obengenanntes auf eindrückliche
Weise.
DRG (diagnosis related groups) ist ein
System, mit dem stationär behandelte Patienten in medizinisch homogene Gruppen mit ähnlichem Behandlungsaufwand
eingeteilt werden. Das Bundesparlament
hat diese Vergütungsform im Dezember
2007 verabschiedet. In einigen Kantonen
wurde anschliessend DRG eingeführt. Flächendeckend in der ganzen Schweiz soll
DRG per 01.01.2012 umgesetzt werden.
Mit DRG werden also Diagnosen vergütet, unabhängig vom geleisteten Aufwand,
von erbrachten Leistungen oder von der
12
Dauer des Spitalaufenthaltes. Der vergütete Betrag für einen stationären Patienten ist
gleich, ob er 5 Tage oder 15 Tage hospitalisiert ist (vgl. Abb.2).
DRG – falsche Hoffnungen?
DRG sollen eine höhere Transparenz von
Kosten erlauben. Durch DRG soll eine
standardisierte Messung der Versorgungsqualität der Spitäler erfolgen. Zudem soll
ein Vergleich der erbrachten Leistungen
über die Kantonsgrenzen hinaus ermöglicht werden. Das Erreichen dieser Ziele
soll zu einer gerechten Verteilung der knapper werdenden finanziellen Ressourcen im
Gesundheitswesen führen. Letzteres weist
auf den erhofften Spareffekt von DRG hin,
wenn dies auch nicht so benannt wird.
Deshalb wird auf die lange durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten in
Schweizer Akutspitälern im Vergleich zur
EU hingewiesen. Ebenso wird der relative
hohe Personalbestand in Schweizer Spitälern anderer EU-Länder gegenüber gestellt. Die Zahlen aus dem Kanton St. Gallen und die Zahlen aus dem Spital Grabs
zeigen, dass wir deutlich weniger Optimierungs- resp. Sparpotential haben als andere Schweizer Spitäler (vgl. Abb. 3 und 4).
Die Frage ob DRG falsche Hoffnungen
hegt, muss klar bejaht werden. Da das
Gesundheitswesen kein freier sondern ein
stark regulierter Markt darstellt, bewirkt ein
Wettbewerb sehr beschränkte Preissenkungen und Qualitätssteigerungen. Bekanntlich können Nachfrage und Angebot
durch die Leistungsanbieter massgebend
beeinflusst werden. Allein durch die Umstellung auf DRG entstehen administrative
Kosten, welche ohne medizinische Mehr-
Abbildung 1
leistungen, die Krankenkassenprämien um
2- 3 % ansteigen lassen werden. Es ist mit
einer starken Verlagerung von Kosten in
den vor- und nachstationären ambulanten
Bereich zu rechnen, ebenso in den Rehabilitationsbereich, als auch in die Pflegeinstitutionen und die Spitex. DRG weckt
falsche Hoffnungen weil angestrebte Spitalschliessungen schwierig umzusetzen
sein werden. Der schweizerische Föderalismus, die Regionalpolitik sowie die Quersubventionen innerhalb von Spitalverbunden sind die wichtigsten Gründe hierfür.
Eine weitere Zunahme, und nicht eine Abnahme der Kosten, ist durch die Codierung
von ertragsreichen Diagnosen und der Generierung von zusätzlichen stationären Fällen und Interventionen zu erwarten. Eine
Mindest-Fallzahl (caseload) wird in gewissen Disziplinen im Rahmen von DRG gefordert, was nebst unnötigen medizinischen
Leistungen – eine Zunahme der Kosten
verursacht.
8
Kostengewicht der Hospitalisierung
UGVD
Spital Grabs 123
/ Pflegende
A
154
D
146
GB
120
D
52
A
52
E
44
GB
41
31
F
103
F
Ø
103
Ø
31
N
102
N
26
DK
25
CH
24
DK
97
E
CH
NL
84
69
n / a
UGVD: untere Grenze Verweildauer
OGVD: obere Grenze Verweildauer
6
ALOS: average length of stay
5
4
3
System swissDRG
2
1
0
11.5
10
4
0
27
20
30
49
50
40
60
70
Treatment Duration (Weeks)
Abbildung 2
Aufenthaltsdauer Akutspitäler SG - CH - EU
11.0
10.0
9.0
8.0
CH Akut
7.0
St. Gallen SR 1 / 4
6.0
EU
5.0
Grabs
06
20
05
20
04
20
03
20
02
20
01
20
00
20
19
9
9
4.0
19
9
/ Arzt
n/a
OGVD
Abbildung 4
Spitalentlassungen / Jahr
US
ALOS
7
8
DRG und personalisierte Medizin –
ein Widerspruch?
Dass DRG und personalisierte Medizin ein
Widerspruch darstellen, soll an einem Beispiel illustriert werden:
Ein 63-jähriger Patient leidet an einem fortgeschrittenen metastasierenden Prostata-Karzinom mit Lungen-, Knochen- und
Hirnmetastasen. Hormon-, Chemo- und
Radiotherapien haben nur anfänglich das
Fortschreiten der Krankheit bremsen können. Zwischenzeitlich sind aus radiotherapeutischer, neurochirurgischer und onkologischer Sicht alle Therapiemöglichkeiten
ausgeschöpft. Es besteht eine zunehmende Schmerz- und Pflegeproblematik. Der
Patient möchte sterben. Bei akuten Kopfschmerzen mit Halbseitenlähmung rechts
und zunehmender Bewusstseinstrübung
erfolgt durch die überforderten Angehörigen die Alarmierung der Notfall-Nr. 144 und
dadurch eine notfallmässige Zuweisung ins
Spital. Angesichts der Vorgeschichte mit
Hirnmetastase links darf von einer Einblutung in eine Hirnmetastase ausgegangen
werden. Im Spital wird entschieden, sich
entsprechend dem bisherigen Wunsch des
Patienten auf optimale supportive Massnahmen zu beschränken. Es kommen nun
2 Vorgehensweisen in Betracht:
NL
14
US
n / a
Abbildung 3: Quelle: Statistiken der Gesundheitsämter US, D, GB, F, DK, NL, CH, N, E 2003 - 2006
Variante 1: Da keine therapeutischen Konsequenzen, werden ohne weitere Diagnostik supportive Massnahmen eingeleitet.
Variante 2: Beim bewusstseinsgetrübten
Patienten wird eine Computertomographie
des Kopfes zur Bestätigung der Einblutung
in eine Hirnmetastase durchgeführt.
Unabhängig vom Vorgehen verstirbt der
Patient erwartungsgemäss 3 Tage nach
Eintritt. Nach AP-DRG (all patient DRG,
dem in Deutschland und bisher in einigen
Kantonen der Schweiz bis zur Einführung
der Swiss-DRG verwendeten Vergütungssystem) wird das Spital im Falle der Variante 1, je nachdem wie der Codierer die Diagnose codiert mit zwischen CHF 3'372.30
und CHF 5'915.13 vergütet. Bei der Variante 2 erhält das Spital CHF 10'980.39.
Dies entspricht einer Differenz von CHF
7'608.09 gegenüber der niedrigsten Vergütung, unabhängig vom Verlauf, vor allem
unabhängig vom Wohle des Patienten. Die
Frage, ob DRG und personalisierte Medizin
ein Widerspruch darstellt, muss also mit Ja
beantwortet werden.
DRG führt zu einer weiteren Ökonomisierung der Medizin und dadurch zu einer
Zunahme des finanziellen Drucks auf die
Akteure in den Spitälern. Mehr Einnahmen erlauben ein höheres Investitionsund Stellenbudget, unter Umständen auch
mehr Lohn. Durch die Zunahme des finanziellen Drucks auf die Akteure werden
medizinische Entscheidungen beeinflusst.
Der Spielraum für individuelle medizinische Entscheidungen nimmt ab. Die Umsetzung einer personalisierten Medizin im
genannten Sinne wird zunehmend schwieriger. DRG und personalisierte Medizin
stellen zudem einen Widerspruch dar, weil
zusätzliche administrative Aufgaben der
Ärzte (25 - 40 % mehr arztfremde Dokumentationstätigkeit durch DRG) die für den
13
Tag der offenen Tür
im Labor Schaan
Patienten zur Verfügung stehende Zeit
weiter verringert. Die Zeit fehlt für Information, Entscheidungsfindung, psychologische
Unterstützung, Erstellen einer Patientenverfügung und anderen für den Patienten
sehr wichtige Anliegen. Eine personalisierte Medizin wird dadurch verunmöglicht.
Aussagen wie «der grosse Vorteil dieser
Verrechnungsart ist, dass optimale – nicht
maximale – Behandlungsabläufe finanziert
werden» und «der Patient steht im Mittelpunkt und erhält jene Behandlung und
jene Pflegehandlungen, die er für die Verbesserung seines Gesundheitszustandes benötigt» (Beat Straubhaar, Präsident
des Netzwerkes «diespitäler.be» NZZ vom
01.03.2011) sind zu hinterfragen. Aussagen wie «DRG setzen Anreize, eine möglichst technische Medizin einzusetzen, weil
diese ertragsreicher ist» (Christian Hess,
Chefarzt Innere Medizin Spital Affoltern,
NZZ vom 01.03.2011) sind glaubwürdig.
Forderungen und Lösungsansätze
Nicht technische Medizin (z.B. PalliativMedizin, Kriseninterventionen, stationäre
Betreuung von aufwändigen behinderten
Menschen) soll ausreichend resp. gerecht
vergütet werden. Eine konsequente, bereits vor Einführung der DRG implementierte Begleitforschung soll einen allfälligen
Nutzen von DRG überprüfen und den
Missbrauch dieses Vergütungssystems
verhindern. Die DRG-Erträge sollen grösstenteils dem wertschöpfenden Spital zur
Verfügung stehen, damit dieses auch für
defizitäre Teile der personalisierten Medizin
zur Verfügung gestellt werden können. Dadurch könnte die Hoffnung aufrecht erhalten werden, dass auch in Zukunft personalisierte Medizin, wie im genannten
Selbstportrait von Francisco de Goya mit
seinem Arzt Arrieta illustriert, finanzierbar
sein wird.
Quellenverzeichnis beim Autor erhältlich
Autor
Dr. med. Yves Crippa
Chefarzt Klinik für Innere Medizin
Spital Grabs · 9472 Grabs
[email protected]
14
Anlässlich dem 40-jährigen Jubiläum und der offiziellen Stabsübergabe
von Dr. Gert Risch an seine beiden Söhne PD Dr. med. Lorenz Risch und
Dr. med. Martin Risch fand am 26.03.2011 im Labor Schaan ein Tag der offenen Tür statt.
Die Bevölkerung wurde eingeladen, hinter
die Kulissen des labormedizinischen zentrum Dr Risch zu blicken. Der Andrang war
sehr gross, sodass sich die interessierten
Besucher zum Teil in grosser Geduld üben
mussten. Sie wurden dafür mit einem kleinen Blutbild belohnt und anschliessend
durch Mitarbeiter des LMZ persönlich
durch die Räumlichkeiten geführt.
Die verschiedenen Geräte und Tätigkeiten
wurden vom Laborpersonal ausführlich erklärt und vorgestellt. Im Anschluss bestand
die Möglichkeit, im Festzelt eine Körperfettund Muskulaturmessung (BIA) durchzufüh-
ren sowie die erhaltenen Informationen in
einem Quiz zu beantworten. Auch dieses
Angebot wurde rege benutzt, bevor sich
die Besucher mit einer Wurst und Brot
oder Kuchen stärken und über das Erfahrene austauschen konnten.
Uns Mitarbeiter vom LMZ Dr Risch bereitete es eine besondere Freude, unsere tägliche Arbeit zum Wohle des Patienten einem
äusserst interessierten Publikum näher zu
bringen. Es war schön zu erfahren, wie viele
Leute mit einem «Aha»-Erlebnis ihre positiven Eindrücke mit nach Hause genommen
haben.
40 Jahre Familienunternehmen mit Tradition –
der regionalen Versorgung verpflichtet
Am 15. Mai 1970 eröffnete Dr. sc. nat. Gert Risch nach seinem Pharmaziestudium an der ETH und seinem Doktorat in
Klinischer Chemie am Universitätsspital Zürich in Schaan eine Apotheke und ein medizinisches Labor. Schon bald
konzentrierte er sich auf die Weiterentwicklung des Labor Dr. Risch.
1975 wurde ein Zweitlabor in Schaffhausen
übernommen. Das Unternehmen wuchs
kontinuierlich bis zum Firmeneintritt der beiden Söhne PD Dr. med. Lorenz Risch und
Dr. med. Martin Risch, nachdem sie ihre
Ausbildung als Labormediziner und Mediziner an den renommiertesten Ausbildungsplätzen beendigt hatten. Seither wächst
das Familienunternehmen rasant. In den
letzten 7 Jahren wurden in der Schweiz
9 weitere Labors eröffnet. Das Ziel ist eine wohnortnahe labormedizinische Versorgung auf höchster Qualität im Service wie
in der Analytik.
Qualität in Ihrer Nähe
An 11 Standorten in der Schweiz und
Liechtenstein beschäftigt das labormedizinische zentrum Dr. Risch insgesamt mehr
als 230 Personen, davon ca. ein Drittel als
Teilzeitangestellte. Als Meilenstein in der
Entwicklung des Betriebes ist die 1997
zeitgleich implementierte Akkreditierung
und Zertifizierung anzusehen. Als eines der
ersten Privatlabors der Schweiz ist es gelungen, diesen hohen Qualitätsnachweis
erfolgreich zu erbringen. Bei jedem Wiederholaudit wird bestätigt, dass das Qualitätssystem im Alltag gelebt wird.
Die Labormedizin ist eine sich sehr rasch
entwickelnde Wissenschaft, «evidence
based». Sie dient einerseits der Verfeinerung der Diagnostik, der Therapiekontrolle
und der Prävention. Man geht heute davon aus, dass über 60% aller Diagnosen
sich auf den einen oder andern Laborwert
abstützen. Als eine die Ärzte unterstützende und die Klinik ergänzende Wissenschaft
dürfte die Labormedizin rasch noch an Bedeutung zunehmen.
Das Unternehmen ist bestrebt, Untersuchungsmethoden, bei denen ein positives
Kosten/Nutzenverhältnis bereits bewiesen
ist, umgehend in der Region verfügbar zu
machen. Dabei werden sehr enge Kontakte zu Universitäten und zu internationalen
Netzwerken der Labormedizin gepflegt.
Stabsübergabe erfolgt: Martin (links) und Lorenz Risch erhalten vom Labor-Gründer Gert Risch
die Schlüssel und übernehmen somit die Leitung des labormedizinischen zentrum Dr Risch.
Teilnahme und Mitwirken an internationalen Kongressen ist Bestandteil des Fortbildungsprogramms für Mitarbeiter. Damit
wird modernste Labormedizin im Sinne
einer optimalen Gesundheitsversorgung
rasch in der Region verfügbar.
Das grosse Kapital der labormedizinischen
Zentren Dr. Risch ist deren hoch qualifiziertes und motiviertes Personal. Der Personalentwicklung wird grosse Bedeutung
beigemessen, was sich in einer sehr hohen Firmenloyalität und einer tiefen Fluktuationsrate niederschlägt. Dazu gehört
auch die Ausbildung des Nachwuchses in
dieser Spezialdisziplin. Das Erfolgsrezept
des Familienunternehmens beruht auf folgenden Faktoren: das Bemühen um Zuverlässigkeit und Vertrauen im Dienstleistungsbereich sowie höchste Qualität in der
Analytik.
Stabsübergabe erfolgt
Am 24. März 2011 übergab der Firmengründer Gert Risch offiziell die Führung der
labormedizinischen Zentren Dr. Risch an
seine beiden Söhne. Martin Risch ist künftig als CEO der Gruppe tätig und leitet zusätzlich das Labor in Schaan. Lorenz Risch
führt das Familienunternehmen als Medizinischer Leiter und leitet zudem den Standort Bern. Gert Risch wird als Präsident des
Verwaltungsrates weiterhin seine langjährige Erfahrung zur Verfügung stellen.
15
Für Sie gelesen
Dr. phil. P. Hagemann
diskutiert einen viel versprechenden Ansatz im Umgang mit seltenen rezessiven genetischen
Erkrankungen. Dies könnte ein genuiner Beitrag der Labormedizin zur personalisierten Medizin werden.
Der «Scientific American» hatte in seiner
letzten Nummer des vergangenen Jahres das Thema hoch gehängt: Unter dem
Obertitel «World Changing Ideas» hatte
die Zeitschrift zehn Ideen, Gedanken und
Technologien – zwei davon medizinische –
ausgewählt, mit der «power to transform
our lives.» Das eine medizinische Thema in
diesem «feature» der Herausgeber betraf
nota bene billige transportable Wasserfilter – wäre ein Meilenstein in der globalen
Hygiene. Und das zweite ein Screening auf
seltene rezessive Erkrankungen, z.B. zystische Fibrose oder Tay-Sachs-Syndrom
(Sci Am 2010; 303/6: 25). Das vorgestellte Produkt der Firma Counsyl in Redwood,
CA (www.counsyl.com) ist nicht an sich
revolutionär; neu ist vielmehr die Kombination von 100 Tests zu einem array. Und
verlockend bequem die Verwendung von
Speichel als Probenmaterial. Das Testprinzip besteht im Nachweis von single-nucleotide Polymorphismen (SNP, gesprochen
«snips»), also Austausch einer einzelnen
Base in der DNA, was entweder die fragliche Krankheit verursacht oder mit einem
entsprechenden Gen im Zusammenhang
steht.
Die Autorin befasst sich prophylaktisch mit
einer zu erwartenden Kritik an diesem Ansatz, nämlich, dass diese Technik die Tür
öffnen könnte zu «designer babies». Sie
zitiert dazu den bekannten Harvard-Psychologen Steven Pinker, der im ethischen
Komitee von Counsyl sitzt: «Es gibt kein
IQ-Gen, oder eins für musikalische Begabung. Vielmehr steuern mehrstufige genetische Netzwerke komplexe Phänomene wie
etwa Intelligenz». Will heissen, dass Veränderungen im Umfang eines einzelnen Nukleotids, wie sie im Counsyl-Test nachgewiesen werden, lediglich Defekte aufzeigen
und keinen Ansatz zu ethisch bedenklichen
Entwicklungen bieten sollten.
16
Und dabei gedacht:
Vorerst ist man in Bezug auf die Leistungsdaten auf die Behauptung der Firma angewiesen, dass Mutationen mit 99 % Sensitivität und Spezifität nachgewiesen würden.
Was bedeutet das? Wird etwa pro Testelement immer ein Resultat falsch-positiv und
eins falsch-negativ sein? Unabhängige Publikationen stehen noch aus. An sich klingt
der Ansatz verlockend: einerseits als genuiner Beitrag der Labormedizin zu einer
personalisierten Medizin – samt der sich
abzeichnenden gesellschaftlichen Konsequenzen (vgl. letzten Absatz dieses Textes).
Wo die Patientin selbst entscheiden kann,
ob sie im Hinblick auf ihre Kinder ein Risiko
eingehen oder vermeiden will. Alternativen
sind heute vorhanden – so man sie denn
wählen will.
Attraktiv ist andererseits der Preis: $ 349
für 100 Tests, verglichen mit 93 Taxpunkten hier zu Lande allein für die zystische
Fibrose. Auch für den Analytiker zeichnet
sich eine viel versprechende Entwicklung
ab, wenn es gelänge, für geeignete Fragestellungen komplette arrays zu entwickeln,
statt unwürdig mit Behörden und Ärzten
um den Preis einzelner Tests zu feilschen.
Die 93 Taxpunkte sind für sich allein gerechtfertigt, aber mit wenig mehr Zeit- und
technischem Aufwand liessen sich wohl
«in einem Aufwasch» eine Mehrzahl rezessiver Merkmale abklären. Und der Kliniker
schliesslich hätte die Gewissheit, komplexe
Fragen nach dem aktuellen Stand des Unwissens abgeklärt zu haben, ohne an alle
Eventualitäten denken zu müssen.
Im selben Monat plädierte ein eminenter
Kollege, Larry Kricka (U of Pennsylvania,
Philadelphia, PA), in einem Übersichtsartikel aus diesen Gründen gar für eine zunehmende Entwicklung von arrays in vielen Bereichen der Labormedizin in der
unmittelbaren Zukunft (Clin Chem 2010;
56: 1797-1803). Technisch geht es zunächst um eine Miniaturisierung der meist
zweidimensionalen Testelemente, ausgehend von den «Mikrotiterplatten» aus den
50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die
zwar so heissen, aber in Wahrheit nichts
anderes sind als zusammengeschweisste
Reaktionsgefässe und dementsprechend
grosse Analysengeräte benötigen. Systematisch sind arrays von Reaktionsgefässen
von solchen für Reagentien zu unterscheiden, also eine Messgrösse gleichzeitig in
vielen Proben ermittelt (Beispiel HIV) versus viele Messgrössen in einer Probe bestimmt (das oben skizzierte Beispiel gehört
hierhin). Thematisch reicht das denkbare
Spektrum vom Nachweis suchterzeugender Drogen über rezessive Gene bis zur
Früherkennung von Sepsis (Ankündigung
von www.seegene.com aus Seoul: «90
Kandidatenkeime in drei Stunden»). Begrifflich scheint sich auf Deutsch der Ausdruck
«Multiplex» einzubürgern. In der Laborlandschaft schliesslich dürfte diese Entwicklung
zu einer weiteren Professionalisierung und
Konzentration führen.
Nichts Neues unter der Sonne: ein array
im Embryonalzustand, mit dem wir wohl
alle unsere ersten analytischen Gehversuche im klinischen Labor gemacht hatten,
ist der Urin-Teststreifen, ein linearer array,
in den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts von Helen Free und ihrem Mann Albert entwickelt und 1956 durch die Firma
Miles Laboratories, Elkhart (IN) als Clinistix
auf den Markt gebracht …
Nachtrag zum Ausgangstext: In Sci Transl
Med 2011; 3: 65ra4 berichtete die Arbeitsgruppe um SF Kingsmore (Natl. Center for
Genome Resources in Santa Fe) von einer
Erweiterung des Ansatzes auf 448 schwere
rezessive Erkrankungen unter Verwendung
leistungsfähigerer Techniken. Und DIE ZEIT
vom 3. Februar 2011 (p 33-34) notierte zu
Recht, dass im Streit um die Präimplantationsdiagnostik um das Gestern gerungen wird, wenn uns heute und morgen mit
der Präkonzeptionsdiagnostik eine totale
Technisierung der Fortpflanzung ins Haus
steht.
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