Konferenz Integration ist (auch) Ländersache Präsentation eines FES-Gutachtens zur politischen Inklusion von Migrantinnen und Migranten im Bundesländer-Vergleich Donnerstag, 6. Februar 2014, 14:00 Uhr in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin Am 6.2.2014 wurde in der Friedrich-Ebert-Stiftung das Gutachten „Integration ist (auch) Ländersache! Schritte zur politischen Inklusion von Migrantinnen und Migranten in den Bundesländern“ präsentiert und zur Diskussion gestellt. Nach einer ersten Präsentation des Gutachtens durch die Autoren Prof. Dr. Roland Roth und Dr. Frank Gesemann vom Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI) wurde in fünf „Denkräumen“ über Aspekte des Gutachtens und der darin enthaltenen Vorschläge zur Verbesserung der politischen Inklusion von Migrant/innen diskutiert. Im Folgenden werden in Stichpunkten die Diskussionsergebnisse wiedergegeben. Den Abschluss der Konferenz bildete eine politische Podiumsdiskussion u.a. mit Staatssekretär Thorsten Kluthe aus dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales Nordrhein-Westfalen und dem Integrationsbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, Miguel Vicente. Das Gutachten sowie weitere Materialien zur Konferenz am 6.2. stehen auf www.fes-forumberlin.de zum Download zur Verfügung. Denkraum 1: Jede Stimme zählt? – politische Einstellungen, Wahlverhalten und Repräsentanz von Migrant/innen Impuls: Dr. Andreas M. Wüst, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung Moderation: Dr. Dietmar Molthagen, FES Fünf Forderungen aus dem Gutachten wurden in dem Denkraum diskutiert: 1.) Einbürgerung erleichtern Möglich Maßnahmen: Erleichterung der doppelten Staatsbürgerschaft Einheitliche Umsetzung bei Einbürgerungen Neues Einwanderungsgesetz Paradigmenwechsel hin zur Einbürgerung, z.B. automatsche Anschreiben der Kommunen nach 8 Jahren Aufenthalt, NRW-Gesetz formuliert „Einbürgerung ist das Interesse des Landes NRW“ Wertschätzung der Entscheidung zur Einbürgerung Wohnortprinzip vor Staatsangehörigkeit bei der Erteilung des (kommunalen) Wahlrechts Fragen/ Anmerkungen: Muss die deutsche Staatsbürgerschaft das Ziel sein? Was ist bei temporärer Zuwanderung (z.B: aus anderen Eu-Staaten?) Die Abschaffung des Optionsmodells führt zu Ungleichheiten zwischen den Migrant/innen und damit zu Ungerechtigkeit 2.) Repräsentanz von Migrant/innen erhöhen Mögliche Maßnahmen: Interkulturalität in Parteien erhöhen Möglichkeit zum politischen Ebenenwechsel (Kommune-Land-Bund) Fragen/ Anmerkungen: Wie viel Präsenz braucht Repräsentanz? Was bewirkt Repräsentanz inhaltlich? Können nur Migrant/innen die Interessen von Migrant/innen vertreten? Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 1 Wer repräsentiert wen? (verschiedene Gruppierungen denkbar: Türkeistämmige, Aussiedler, EU-Bürger, Muslime, Arbeitnehmer/innen, etc.) Wie motiviert man Parteien zur interkulturellen Öffnung? Welche Voraussetzungen hat Repräsentanz? (Politische Bildung, Kompetenzen, etc.) Aktuell gibt es verschieden starke Repräsentanz von Migrant/innen in Parteien Wie gelingt eine stärkere Anerkennung von Migrantenselbstorganisationen? Welche Rolle spielt der Migrationshintergrund überhaupt im Vergleich zu anderen Faktoren wie Bildung, Sozialstatus, Arbeitsplatz, etc.? Braucht es für die Repräsentanz von Migrant/innen spezifische Institutionen? Die Repräsentanz in den Parlamenten steigt, seit 2013 auch im Bundestag. Sie ist im internationalen Vergleich schon heute hoch. 3.) Garantierte Vertretung von Migrant/innen Mögliche Maßnahmen: Beiräte sind wichtiges Instrument der Interessenvertretung Zielvereinbarung, wann ein Beiratsmodell in eine parlamentarische Vertretung überführt werden soll Aktionspläne der Länder Bekanntmachen von Best-Practice-Beispielen Fragen / Anmerkungen: Aufpassen, dass keine Parallelstrukturen geschaffen werden, die Migrant/innen vom direkten Engagement in Parteien/ Verbänden/ Vereinen abhalten. Kritik an der automatischen Zuständigkeit von Migrant/innen für das Thema Integration Das Negativ-Bild des Islams hemmt Engagement und Interessenvertretung 4.) Klare politische Zuständigkeit für das Politikfeld Integration Mögliche Maßnahmen: Räte als wichtige Schnittstelle der Kommunikation wichtig 5.) Mobilisierung zum politischen Engagement Mögliche Maßnahmen: Gezielte Ansprache von Migrant/innen Beteiligungshindernisse abbauen (sprachlich, zeitlich, räumlich) Themenspezifische Zugänge nutzen, z.B. beim hohen Interesse von Migrant/innen an bildungspolitischen Themen Tandemprogramme Migrantenselbstorganisation/ zivilgesellschaftliche Vereine Weitere Anmerkungen / Erkenntnisse des Denkraums: Wichtig: Perspektivwechsel vom Defizitansatz zum Potenzialansatz Es besteht ein zentraler Zusammenhang von Sozialstatus und Partizipation – bei Bürger/innen mit und ohne Migrationshintergrund Größere Einwanderergruppen sind besser mobilisierbar als kleine Die erste Einwanderergeneration ist distanzierter als die folgenden EU-Bürger/innen partizipieren seltener in D als in anderen Ländern Die politische Agenda einer Person ist nicht in erster Linie vom Migrationshintergrund geprägt. Denkraum 2: Ermöglichen statt verhindern! – Verwaltungshandeln für mehr Teilhabe auf kommunaler Ebene Impuls: Miguel Vicente, Integrationsbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz Moderation: Sarah Vespermann, FES Vier Forderungen aus dem Gutachten wurden in dem Denkraum diskutiert: 1.) Antidiskriminierung und Vielfalt verankern Positiv-Beispiel: Programm „Tolerantes Brandenburg“ Vernetzung mit Toleranzgedanken Das Denken in „wir“ / „die anderen“ aufbrechen Migranten müssen auf Augenhöhe agieren: Raus aus der Opferrolle 2.) Vereine /Verbände für Einwanderungsgesellschaft fit machen Länder müssen Strukturen schaffen Externe Expert/innen einbeziehen 3.) Kommunale Integrationspolitik fördern Vernetzung ist wichtig, funktioniert aber nicht immer und automatisch Erfolgreiche Modelle werden kopiert (sinnvoll!) Es gibt in der Praxis große Unterschiede zwischen Kommunen Willkommenskultur muss da sein! Strategische Konzepte und Leitbilder entwickeln Integration ist Querschnittsaufgabe Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 2 4.) Politische Beteiligung auf Landes- und kommunaler Ebene gesetzlich garantieren Erfolgreiche Professionalisierung: Die Beiräte von heute sind nicht die Beiräte von vor 10 Jahren Ministerien können Schwerpunkte setzen, müssen kreativ sein Beiräte müssen ausgestaltet werden, können Stütze sein Beirat muss Antragsrecht haben Die Formalisierung von Mitbestimmung ist essentiell Minister/innen müssen hinter der Sache stehen Allgemeine Hinweise / weitere Anregungen: Integration muss und Geld wert sein Es geht nicht immer um Geld, es geht um politische Entscheidungen Es braucht politische Partizipation Politische Bildung als unterstützender Faktor Hilfreich wäre ein länderübergreifender Vergleich der Integrationspolitik Die Rolle der Bildung stärker beachten Migrant/innen und ihre Themen werden in Wahlkämpfen zu wenig beachtet Denkraum 3: In die Parteien! – Migrantisches Engagement in Parteien als Motor politischer Beteiligung Impuls: Aziz Bozkurt, stv. Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der SPD Moderation: Dr. Martin Röw, Historiker Praxiserfahrungen aus Berlin: I) Räumliche Nähe / Verzahnung ist gegeben II) Förderstrukturen vorhanden III) Sprache ist für Mitglieder der ersten Generation eine unsichtbare Hürde IV) Es gibt eine „migrationsspezifische Motivation“ zum Engagement Erwartungen an die Politik: - Narration der Parteien(-geschichte) neu schreiben - Vielfalt als festen Bestandteil der Gesellschaft artikulieren - Klarer inhaltlicher Kurs ohne ständigen Wechsel zwischen progressiven und konservativen Forderungen - Förderung von Migrant/innen in der Politik von oben und von unten Hypothese: Migrant/innen sind teilweise bereits in den Parteien vertreten und in ihnen integriert. Aber: Sie sind noch zu selten in strategischen Positionen und können daher nicht als Multiplikatoren wirken. Fragen / Ideen: Wie will man den Anteil von Migrant/innen an der Parteimitgliedschaft feststellen? Arbeitskreise gründen / Im Dialog stehen Geschützte Räume anbieten Sichtbarkeit von Bemühungen Hohe Bedeutung der politischen Bildung Denkraum 4: Aus „Integration“ wird „Teilhabe“! – Nachdenken über einen nötigen Sinneswandel in der Einwanderungsgesellschaft Impuls: Hakan Demir, Herausgeber des Migazin und Mitglied bei DeutschPlus e.V. Moderation: Wiebke Witt, Witt Consulting GmbH Um den angesprochenen Sinneswandel zu fördern, wurden im Denkraum folgende Vorschläge gemacht und diskutiert: - Strukturen / Institutionen mehr in den Blick nehmen (strukturelle Diskriminierungen) - Wahlrecht für alle, unabhängig von der Staatsbürgerschaft - Förderung der Beteiligung auf Quartiersebene - Quotierung von Wahllisten - Finanzierung von Multiplikator/innenausbildung - Empowerment / Stärkung von Migranten (mehrfach genannt) - Ernennung von „Migrationsbeauftragten“ - Generationenübegreifende Bildungsangebote - Verständnis für einander entwickeln (auf Augehöhe!) - Doppelte Staatsangehörigkeit - Willkommenskultur - Ermutiungskultur - Gleichberechtigung fördern, gesetzliche Gleichstellung erreichen (mehrfach genannt) - Akzeptanz der individuellen Entscheidung für oder gegen Einbürgerung - Exklusionsmechanismen erforschen (Anregung einer Studie) Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 3 Denkraum 5: Selber machen! – Intensiv-Training für das eigene Engagement und den Ausbau der eigenen Interessensvertretung Leitung: Kristina Nauditt und Gerd Wermerskirch, argo-Team Berlin Professionalität von Interessenverbänden EU-Kommission-Politik Zukunft in deutschen Betrieben „Ein Pudding, viele Löffel“ Gutes Leben als Motiv Verselbständigung von Interessenverbänden Flüchtlingspolitik Zukunft der Demokratie Hindernisse für das persönliche Engagement: Sprache (mehrfach genannt) Vorurteile Keine Identifikation Bedürfnispyramide Fehlende Erfahrung mit politischem Engagement Keine Erfahrung mit Partizipation (mehrfach) Pessimismus Langer Weg des Einlebens Keine Zeit, Notwendigkeit des Geldverdienens Fehlende Organisation / Plattform für Engagement Unkenntnis des deutschen politischen Systems Geringes politisches Selbstbewusstsein Ablehnungserfahrung durch die Gesellschaft Engagement im Herkunftsland Kein Verständnis für Deutschland als Heimat Religion Fehlende Anerkennung von Abschlüssen (Ausbildung, Uni, etc.) Kulturelle Vielfalt als Reichtum Den ganzen Menschen willkommen heißen und keine Reduktion auf die Arbeitskraft Wohlfühlen als Motiv zu kommen und zu bleiben Es gibt nicht „den“ Migranten. Nötig sind verschiedene Angebote für verschiedene Gruppen Partizipation als Thema in den Integrationskurs aufnehmen Plattform für ausländische Fachkräfte in Deutschland Anerkennung der verschiedenen Perspektiven als politische Bereicherung Dilemma der fehlenden Zugehörigkeit aufheben Zuschreibungspraxis der deutschen Mehrheitsgesellschaft erstehen, offenlegen und verändern An Bedürfnissen anknüpfen statt am Migrationshintergrund Abhängigkeit von der deutschen Außenpolitik (wie verhält sich Deutschland z.B. gegenüber der Türkei?) Schubladendenken aufbrechen (eben nicht „kennst du einen, kennst du alle“ Vielfalt der verschiedenen Interessen wahrnehmen: Religion, Arbeitnehmer/Arbeitgeber, etc. Vermeidung einer Ethnisierun von Politik Rassistischen, sexistischen u.a. Ressentiments mit Gegenwind begegnen Lokale, selbstorganisierte Plattformen des unbeschwerten Austauschs (wie z.B. im Wedding) Engagementhindernisse für Organisationen: Misstrauen an der Basis Knappe Ressourcen Geringer Stellenwert von Migrantenselbstorganisationen Fehlende Erfahrung mit politischem Engagement Geringes politisches Selbstbewusstsein Faktoren/ Maßnahmen für gutes Gelingen: In die Mehrheitsgesellschaft kommunizieren: „Wir sind ein Einwanderungsland“ Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 4 Konferenz Integration ist (auch) Ländersache Präsentation eines FES-Gutachtens zur politischen Inklusion von Migrantinnen und Migranten im Bundesländer-Vergleich Donnerstag, 6. Februar 2014, 14:00 Uhr in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin Das Programm: 14:00 Uhr Begrüßung Dr. Dietmar Molthagen, Friedrich-Ebert-Stiftung 14:10 Uhr Vorstellung eines FES-Gutachtens „Integration ist (auch) Ländersache – Politische Inklusion von Migrantinnen und Migranten“ Prof. Dr. Roland Roth, DESI – Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration, Autor des Gutachtens 14:40 Uhr Rückfragen und Diskussion 15:00 Uhr Denkräume zur vertieften Diskussion einzelner Vorschläge des Gutachtens Denkraum 1: Jede Stimme zählt? – politische Einstellungen, Wahlverhalten und Repräsentanz von Migrant/innen Dr. Andreas M. Wüst, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung Dr. Dietmar Molthagen, FES Impuls: Moderation: Denkraum 2: Impuls: Moderation: Denkraum 3: Impuls: Moderation: Denkraum 4: Impuls: Moderation: Denkraum 5: Leitung: Ermöglichen statt verhindern! – Verwaltungshandeln für mehr Teilhabe auf kommunaler Ebene Miguel Vicente, Integrationsbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz Sarah Vespermann, FES In die Parteien! – Migrantisches Engagement in Parteien als Motor politischer Beteiligung Aziz Bozkurt, stv. Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der SPD Dr. Martin Röw, Historiker Aus „Integration“ wird „Teilhabe“! – Nachdenken über einen nötigen Sinneswandel in der Einwanderungsgesellschaft Hakan Demir, Herausgeber des Migazin und Mitglied bei DeutschPlus e.V. Wiebke Witt, Witt Consulting GmbH Selber machen! – Intensiv-Training für das eigene Engagement und den Ausbau der eigenen Interessensvertretung Kristina Nauditt und Gerd Wermerskirch, argo-Team Berlin Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 5 16:30 Uhr Kaffeepause und Möglichkeit zum Ansehen der Denkraum-Ergebnisse 17:00 Uhr Wege zu stärkerer politischer Inklusion –ein politischer Kommentar zum FESGutachten Thorsten Kluthe, Staatssekretär im Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 17:15 Uhr Politische Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft Podiumsdiskussion mit: Thorsten Klute, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW Prof. Dr. Roland Roth, Autor des FES-Gutachtens Angelina Weinbender, Geschäftsführerin des Migrationsrats Berlin & Brandenburg Miguel Vicente, Integrationsbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz Moderation: Ferda Ataman, Mediendienst Integration ca.18:30 Uhr Ausklang bei einem Imbiss Methodischer Hinweis zu dem „Denkräumen“: Es geht hierbei weniger um die klassische Workshop-Situation, sondern um die Möglichkeit, in kurzer Zeit konkrete Vorschläge zu einem Thema anhand der vorhandenen Ideen und Erfahrungen der Teilnehmenden zu entwickeln. Ausgangspunkt ist ein kurzer Impuls (5 Minuten) sowie die thematisch passenden Vorschläge des an dem Tag vorgestellten Gutachtens. Die Ideen aus Impuls und Gutachten bilden den Ausgangspunkt für die Diskussion, in der die Teilnehmenden die Vorschläge konkretisieren und weiter entwickeln sowie ihre eigenen Praxiserfahrungen einfließen lassen können. Die Ergebnisse werden von der/m Moderator/in festgehalten. Während der Kaffeepause stehen die Denkraum-Ergebnisse allen Anwesenden zur Ansicht zur Verfügung. Verantwortlich: Dr. Dietmar Molthagen Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin Arbeitsbereich Integration und Teilhabe Hiroshimastr. 17 10785 Berlin Tel. 939/ 269 35 7322 Fax 030/ 269 35 9240 Mail: [email protected] Dokumentation der FES-Konferenz „Integration ist (auch) Ländersache“ Seite 6