Von Gernot Kirch 10. September 2013 NIBELUNGEN KURIER Die Zahlen beweisen es: Jeder dritte Wormser ist Migrant Studie belegt den gesellschaftlichen Wandel und zeigt, wohin die Reise geht Präsentation der Studie im Rathaus. Von links: Sabine Müller (Integrationsbeauftragte), OB Michael Kissel, Joachim Kramer (Verwaltung) und Markus Schöfer (Demographiekommunal). Foto: Gernot Kirch Von Gernot Kirch Am Montagmittag präsentierte Oberbürgermeister Michael Kissel die Studie über den Anteil der Migranten in Worms. Angefertigt wurde die Untersuchung von dem Meinungsforschungsinstitut „Demograhiekommunal“ aus Günzburg. Die Analyse brachte keine grundlegenden neuen Erkenntnisse, belegt aber mit harten Fakten, was bisher eher nebulös im Raum stand. So besitzen 30 Prozent der 82.000 Wormser Bürger einen Migrationshintergrund. Der Anteil der Migranten ist dabei räumlich unterschiedlich verteilt. Während der Anteil in der Innenstadt und in Neuhausen fast 50 Prozent beträgt, liegt er in den Vororten bei rund 20 Prozent. Genauso unterschiedlich ist der Anteil der Migranten auf die Alterspyramide verteilt. So besitzen nur rund 15 Prozent aller Wormser über 60 einen Migrationshintergrund. Bei den Kindern bis zum 15. Lebensjahr ist dies gerade umgekehrt. Hier kommen rund 50 Prozent der Jungen und Mädchen aus Zuwandererfamilien. Nimmt man beide Zahlen zusammen, ergibt sich, dass in manchen Innenstadtbezirken bis 80 Prozent der Kinder ausländische Wurzeln haben. Projiziert man die Altersverteilung hinsichtlich des Migrationshintergrundes in die Zukunft, lässt sich leicht vorhersagen, dass der Gesamtanteil der Zuwanderer an der Wormser Bevölkerung weiter wächst und in 15 oder 20 Jahren bei 50 Prozent oder gar darüber liegen wird. Worms ist hier übrigens kein Ausnahmefall, sondern weist Zahlen auf wie alle Großstädte in Deutschland. Mannheim, Augsburg oder Stuttgart haben heute schon einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund 40 Prozent Migranten. Was bedeutet Migrationshintergrund? Viele Leser werden sich fragen, was bedeutet Migrationhintergrund nun genau? Hier die allgemeingültige, wissenschaftliche Definition: Ein Migrant / Zuwanderer ist eine Person, die entweder die ausländische Staatsbürgerschaft besitzt oder nach 1949 nach Deutschland gezogen ist oder Deutscher ist, seine Eltern aber eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen. Damit ist klar, ein Migrant ist nicht unbedingt Ausländer, sondern er kann auch ein Deutscher sein, der aber ausländische Wurzeln hat. Daher erklärt sich der Unterschied, warum Worms nur einen Anteil von 15 Prozent Ausländer, aber von 30 Prozent Migranten hat. So haben etwa viele Wormser Bürger einen deutschen Pass, deren Eltern oder Großeltern aus der Türkei oder aus Italien in den 70er Jahren als Gastarbeiter in die Nibelungenstadt kamen. Die Zahlen von DEMOGRAPHIEKOMMUNAL sind keine Hochrechungen, sondern Fakten, die anhand des Einwohnermelderegisters ermittelt wurden. Die gesamte Studie kann auf der Internetseite der Stadt Worms nachgelesen werden. Sie ist dort veröffentlicht. Türken und Russen überwiegen Schaut man in die Studie, woher die Menschen nach Worms zugewandert sind, stechen zwei Gruppen hervor. Dies sind die Türken und die „Russen“, die jeweils ein Viertel der Migranten stellen. So haben rund 6.000 Migranten in Worms ihre Wurzeln in der Türkei und 5.600 in der ehemaligen Sowjetunion. Die nächst größte Gruppe sind Menschen mit Wurzelen in Polen (2.700), dann folgt Rumänien (1.300) und das ehemalige Jugoslawien (1.150). Erstaunlich, immerhin 475 Bürger sind aus den USA nach Worms eingewandert. Konsequenzen angemahnt Die entscheidende Frage ist jetzt, welche Konsequenzen müssen aus den Zahlen gezogen werden. Die wichtigste Sache ist, der gesellschaftliche Wandel muss endlich von allen akzeptiert werden. Die diffuse Hoffnung einiger Mitbürger, die „Ausländer“ werden schon irgendwann wieder gehen und in Worms werden dann nur wieder Deutsche wohnen, sollte endgültig begraben werden. Vielmehr muss der Wandel als Realität anerkannt und gestaltet werden. Soll das Zusammenwachsen funktionieren, muss mehr für die Integration getan werden. In erster Linie ist hier die Sprachförderung für Kinder zu nennen. Nur wer die Sprache kann, hat eine Chance in Schule, Studium und Arbeitsmarkt. Und nur wer Erfolg hat, wird sich integrieren wollen und dies auch können. Wobei Integration stets eine Zweibahnstraße sein muss, die Zuwanderer müssen aufgenommen werden wollen und die anderen, die Deutschen, müssen bereit sein Zuwanderer willkommen zu heißen. Diesbezüglich schadet es nicht einen Blick nach Kanada oder Australien zu werfen, wie dort Neubürger aufgenommen werden und man ihnen das Gefühl vermittelt wird, jetzt dazu zu gehören. Und auch ein anderes Faktum verdient Beachtung, bald werden Migranten die Wahlen mitentscheiden oder gar entscheiden. Hier sind die Parteien gefordert, Zuwanderer einzubinden, denn bisher verfügen im Stadtrat von 52 Personen nur drei über einen Migrationshintergrund. http://nibelungen-kurier.de/jeder-dritte-wormser-ist-migrant/