ArbeitspapierAbschlusskolloquium2012_ Empfehlungen zur

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Gabi Aldag
Eva Grimm
Doris Karle
Susan Lutze
Kolloquium 02.04.2012
Thema:
Beratung durch insoweit erfahrene Fachkräfte:
Empfehlungen zur Beratung von Fachkräften, die mit psychisch belasteten
Eltern arbeiten
Inhalt:
Vorbemerkungen
Zur Relevanz des Themas
Empfehlungen:
1. Vertrauen Sie Ihrem Erleben, verzichten Sie auf die vermeintliche
Sicherheit einer psychiatrischen Diagnose!
2. Akzeptieren Sie die „Gesundheitsüberzeugung“ psychisch belasteter Eltern (hoffen
Sie nicht auf Krankheitseinsicht)!
3. Bereiten sie erwartbar „kritische Gespräche“ mit psychisch belasteten Eltern vor und
überlegen Sie im Vorfeld, auf welche „Vereinbarung“ sie bestehen müssen!
4. Arbeiten Sie mit psychisch belasteten Eltern so transparent, wie mit allen anderen Eltern!
5. Gehen Sie im Gespräch methodisch vor!
6. Vergessen Sie in Ihren Gesprächen die Kinder nicht!
7. Über die konkrete Beratung hinausgehende (auch politische) Empfehlungen
1
Vorbemerkungen
Die Arbeit mit Eltern, die in ihrer Wahrnehmung, ihrer Erlebnisverarbeitung und in ihrem
Verhalten in sozialen Beziehungen Besonderheiten aufweisen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Im Zusammenhang mit tatsächlicher oder vermuteter Kindeswohlgefährdung stellt sie
eine Herausforderung dar, der sich Fachkräfte mitunter nicht gewachsen fühlen. Sie suchen
daher in der Beratung Unterstützung, Aufklärung und Sicherheit.
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema im Rahmen der Ausbildung zur „insoweit erfahrenen Fachkraft nach § 8a“ im Modul „Psychisch auffällige bzw. kranke Eltern und ihre Kinder - Alkoholabhängige Eltern - frühzeitige Interventionsansätze für das Kind“ regte dazu an,
sich der Frage nach praktischen Empfehlungen für Fachkräfte, die mit psychisch belasteten
Eltern1 befasst sind, zu widmen. Diese Empfehlungen sollen die Beratungstätigkeit erleichtern helfen, sie sollen Fachkräfte sicherer und vielleicht ein wenig „gelassener“ machen.
Wir haben unsere Empfehlungen mit anderen Kolleginnen und Kollegen diskutiert, deren
Anregungen aufgenommen und auch danach gefragt, welche Empfehlungen sie selbst anderen Fachkräften geben würden. Die nachfolgenden Empfehlungen stellen keine abschließende Betrachtung dar, sie sollen vielmehr zur eigenen Reflexion und Ergänzung ermutigen.
Letztlich wollen wir insoweit erfahrene Fachkräfte dazu anregen, aus ihren eigenen Erfahrungen sich die „Werkzeuge zu backen“, die sie für eine optimale Unterstützung der von ihnen zu beratenden Fachkräfte benötigen. Diese Haltung wäre darüber hinaus an die Fachkräfte zu vermitteln, die mit psychisch belasteten Eltern arbeiten: Auch sie brauchen aus
eigener Erfahrung entwickelte Ideen zur optimalen Unterstützung psychisch belasteter Eltern, die sie in ihre eigenen Wirkungskreise als „Lernen vom Erfolg“ weitertragen sollen.
Wie wichtig das Thema insgesamt ist, sollen nachfolgend einige statistische Daten verdeutlichen.
1
Wir vermeiden hier absichtlich die Zuschreibungen „psychisch krank“ oder „verhaltensauffällig“.
Mit dem Begriff der „psychisch belasteten Eltern“ wollen wir der besonderen Lebenslage dieser Eltern Rechnung tragen, wir wollen signalisieren, dass wir um die Belastung wissen, und gehen davon
aus, dass dieser Begriff bei Eltern Akzeptanz findet.
2
Zur Relevanz des Themas
Das Zahlenmaterial zu Kindern von psychisch erkrankten Eltern beruht auf Schätzungen und
Hochrechnungen. Bei Veröffentlichung von konkretem Zahlenmaterial wird stets auf eine
vermutlich hohe Dunkelziffer hingewiesen.
„Schätzungen zufolge haben zwei bis drei Millionen Kinder in Deutschland mindestens
einen Elternteil, der psychisch erkrankt ist, also etwa an Depressionen, Schizophrenie,
Persönlichkeits- oder Zwangsstörungen leidet – gut 500.000 Kinder davon wachsen bei
einer Mutter oder bei einem Vater mit schweren psychischen Störungen auf.
Psychische Erkrankungen eines oder beider Elternteile stellen für die gesunde psychische
Entwicklung eines Kindes ein erhebliches Risiko dar. Das Risiko von Kindern depressiver
Eltern, eine affektive Störung zu entwickeln, ist um das 1,75fache höher als bei Kindern
mit gesunden Eltern. Bei Eltern mit Angststörungen liegt das Risiko sogar um das Siebenfache höher. Ein Drittel aller Mädchen und Jungen, die in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt wurden, haben mindestens einen psychisch erkrankten Elternteil.
Kinder von psychisch erkrankten Eltern (Schizophrenie, affektive Störungen, dissoziale
Persönlichkeitsstörung) haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine zwei- bis
fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellen
Missbrauch.
Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung: Von den Probanden, die angaben, ihre Kinder misshandelt zu haben, bejahten rund 60% eine psychiatrische Diagnose.
Von den Probanden, die angaben, ihre Kinder vernachlässigt zu haben, bejahten rund
70% eine psychiatrische Diagnose.“2
Diese Zahlen machen einerseits deutlich, dass insbesondere präventive und Resilienz fördernde Angebote für Kinder und Jugendliche mit psychisch erkrankten und suchtkranken
Eltern notwendig und wichtig sind.
Darüber hinaus verweisen sie aber auch auf die Unverzichtbarkeit einer frühzeitigen, konstruktiven und auf Hilfeakzeptanz gerichteten Beratung durch Fachkräfte, um Kindeswohlgefährdungen rechtzeitig abwenden zu können.
Empfehlung 1:
Vertrauen Sie Ihrem Erleben, verzichten Sie auf die vermeintliche Sicherheit einer psychiatrischen Diagnose!
Um die Ereignisse und unser Erleben in der Zusammenarbeit mit psychisch belasteten Eltern
für uns selbst verstehbar zu machen, entwickeln wir nicht selten die Idee, eine psychiatrische
Diagnose und damit das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung könne unsere Wahr2
Auszug aus: „Kinder von psychisch erkrankten und suchtkranken Eltern. Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ
3
nehmung und unser Erleben „absichern“. Das, was wir wahrnehmen und erleben wird dann
von anderen auch wahrgenommen und erlebt und damit bestätigt, die Wahrnehmungen
erhalten einen „Namen“, sie werden einem Krankheitsbild zugeordnet. Das Krankheitsbild
kennt Ursache (Ätiologie), Entstehung (Pathogenese), Merkmale und Anzeichen (Symptome)
der Erkrankung und lässt eine Prognose von Veränderungsmöglichkeiten zu. Diese Klarheit
und Sicherheit erweist sich nicht selten als trügerisch und hilft in der Zusammenarbeit mit
psychisch belasteten Eltern im Rahmen von Kindeswohlgefährdung nicht wirklich weiter.
Eine psychiatrische Diagnose vereinfacht den fachlichen Austausch im Hinblick auf eine psychiatrische Erkrankung, sie schafft Zugang zu Hilfesystemen, mitunter hilft sie einer erkrankten Person, sich selbst besser zu verstehen. Diagnosen sind machtvolle Instrumente,
Gebrauch und Nutzen dieser Machtinstrumente müssen immer auch hinterfragt werden.
Der Nutzen im Zusammenhang mit kindeswohlgefährdenden Aspekten ist dagegen eher gering. Eine psychiatrische Diagnose gibt nicht konkret Auskunft über die jeweilige Ausprägung
von Denken, Fühlen und Handeln einer Person, sie sagt auch nichts über die Auswirkung der
Erkrankung auf Kinder aus. Im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung können wir uns
ohnehin nicht alleine auf das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung berufen. Nicht
selten lehnen psychisch belastete Eltern selbst eine Diagnostik ab, weil sie sich gegen eine
Stigmatisierung wehren, oder Psychiater (insbesondere beim Sozialpsychiatrischen Dienst)
weigern sich, eine Diagnostik durchzuführen, weil sie ihre Arbeit nicht als „DiagnoseLieferant“ für die Jugendhilfe verstanden wissen wollen. Darüber hinaus besteht ja auch die
Möglichkeit, dass der Wahrnehmung, der Erlebnisverarbeitung und dem Verhalten psychisch
belasteter Eltern kein Krankheitswert zugeschrieben wird. Das Fehlen einer Diagnose oder
einer „Krankheit“ bedeutet aber nicht, dass tatsächlich oder vermutet kindeswohlgefährdendes Verhalten nicht vorhanden ist. Letztlich entbindet das Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose Eltern auch nicht von der Verantwortung für das Wohl ihres Kindes.
Was wir daher brauchen, ist eine konkrete und detaillierte Beschreibung der Interaktion zwischen psychisch belasteten Eltern und ihrem Kind. Beobachtungen müssen kleinteilig geschildert, Interpretationen und Schlussfolgerungen erkennbar davon abgegrenzt dargelegt
werden. Dabei kommt dem Erleben der Fachkraft selbst eine besondere Bedeutung zu. Eigenes Erleben und eigene Gefühle, die psychisch belastete Eltern auslösen, erlauben uns nicht
nur eine Einschätzung des Erlebens und der Gefühle des Kindes, sie sind im Zusammenwirken mit den fachlichen Kompetenzen hinsichtlich des Zusammenhangs von Erziehungsverhalten und kindlicher Entwicklung sowie kindlicher Copingstrategien Grundlage einer prognostischen Einschätzung.
Empfehlung 2:
Akzeptieren Sie die „Gesundheitsüberzeugung“ psychisch belasteter Eltern (hoffen Sie
nicht auf Krankheitseinsicht)!
In der Zusammenarbeit mit psychisch belasteten Eltern hoffen wir nicht selten auf eine
Krankheitseinsicht, weil sie uns noch am ehesten geeignet erscheint, Ausgangspunkt für
Veränderungen zu sein. Wer krankheitseinsichtig ist, hat eigene Vorstellungen über die Ursache der Erkrankung, die Behandlungsnotwendigkeit und verfügt über die Bereitschaft, bei
der Behandlung kooperativ mitzuwirken (compliance). Hinsichtlich psychischer Erkrankung
4
würde das bedeuten, psychisch belastete Eltern würden die eigene Wahrnehmung, Erlebnisverarbeitung und ihr Verhalten in sozialen Beziehungen selbst als krankheitsbedingt beeinträchtigt einschätzen. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Erkenntnis höchst selbstwertkränkend wäre, wirft die Erwartung einer Krankheitseinsicht möglicherweise mehr Probleme auf, als sie lösen könnte.
Psychische Störungen gehen nicht immer mit einem Krankheitsgefühl einher. Personen mit
Persönlichkeitsstörungen würde die Frage, ob sie sich denn krank fühlen, spontan verneinen.
Auch Personen mit einer bipolaren Störung empfinden in der manischen Phase keinen Leidensdruck, im Gegenteil, sie fühlen sich eher gut. Bei paranoiden Psychosen fehlt die Krankheitseinsicht gar krankheitsbedingt. Der subjektive Leidensdruck, das Gefühl, krank zu sein,
ist emotional nicht vorhanden. Das erschwert eine kognitive Krankheitseinsicht. Bei psychosomatischen Erkrankungen ist der subjektive Leidensdruck zwar vorhanden ist, häufig werden Ursache oder Pathogenese aber geleugnet oder verdrängt.
Mit Krankheitseinsicht wird häufig die Fähigkeit zu kooperativem Verhalten im Rahmen einer
Behandlung gleichgesetzt, weil wer krankheitseinsichtig ist, auch eine Behandlung akzeptiert
und kooperiert. In der Praxis akzeptieren jedoch Patienten auch Behandlungen, auch wenn
sie von deren Notwendigkeit nicht wirklich überzeugt sind.
Menschen, die an psychischen Störungen leiden, haben häufig eine mehr oder minder festgelegte Vorstellung, warum sie anders wahrnehmen, sich anders verhalten als andere. Ihr
Krankheitskonzept stimmt aber nicht immer mit der medizinischen bzw. psychologischen
Krankheitsbestimmung überein. Üblicherweise erwartet „Krankheitseinsicht“ aber eine
Übernahme der medizinischen bzw. psychologischen Sicht auf die Erkrankung. Gegen diese
Übernahme von Krankheitskonzepten regt sich mitunter heftiger Widerstand.
Fachkräften, die mit psychisch belasteten Eltern arbeiten, sind gut beraten, nicht weitere
Felder des Widerstands zu erzeugen. Letztlich stellt auch nicht akzeptables Verhalten Versuche von Problemlösungen dar. Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit entfalten sich in Beziehungen, die von Akzeptanz und Wertschätzung geprägt sind. Wo allerdings
Krankheitseinsicht vorhanden ist, kann sie in der Kooperation hilfreich sein.
Empfehlung 3:
Bereiten sie erwartbar „kritische Gespräche“ mit psychisch belasteten Eltern vor und überlegen Sie im Vorfeld, auf welche „Vereinbarung“ sie bestehen müssen!
(Anlage: Arbeitshilfe 1)
In der Praxis wissen wir in der Regel, wann und warum ein anstehendes Gespräch möglicherweise „kritisch“ werden kann. Viel Energie wird gebunden in der Erwartung unbefriedigender und belastender Gesprächsverläufe. Dieser Sorge gilt es, durch eine gründliche Vorbereitung aktiv zu begegnen.
Hilfreich ist es, folgende Punkte zu beachten und schriftlich (als Protokoll) vorzubereiten:
•
Das Gespräch ist zeitlich zu befristen, weil nicht unbedingt besser wird, was lange dauert.
5
•
Die Sorge der Fachkraft ist (auch schriftlich) zu formulieren, nach der Sorge psychisch
belasteter Eltern ist zu fragen. Häufig bietet die Sorge der Fachkraft und die Sorge psychisch belasteter Eltern eine Basis, auf der eine Zusammenarbeit auf der Grundlage des
kleinsten gemeinsamen Nenners möglich wird. Dabei sind Übereinstimmungen und Unstimmigkeiten festzuhalten.
•
Lösungsideen, wie der jeweiligen Sorge zu begegnen ist, sind zu entwickeln und in kurzen
klaren Sätzen als Ziele/Aufträge zu notieren.
•
Fachkraft und psychisch belastete Eltern treffen eine verbindliche Vereinbarung zum
weiteren Vorgehen, die im Protokoll aufgenommen wird.
•
Das vorbereitete und im Gespräch (eventuell handschriftlich) ergänzte Protokoll ist von
allen Gesprächsteilnehmern zu unterzeichnen, ein Exemplar erhalten psychisch belastete
Eltern.
Diese Protokolle sind Grundlage einer späteren Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarungen. Langwierige Diskussionen über das, was gesagt oder nicht gesagt, verstanden oder
nicht verstanden, vereinbart oder nicht vereinbart wurde, erübrigen sich, wenn die Vereinbarung in schriftlicher Form vorliegt.
Empfehlung 4:
Arbeiten Sie mit psychisch belasteten Eltern so transparent, wie mit allen anderen Eltern!
(Anlage: Arbeitshilfe 2)
Psychisch belastete Eltern wollen wie alle anderen Eltern als gute Mütter, gute Väter darauf
hinwirken, dass ihre Kinder selbstbewusst, selbstsicher und erfolgreich durchs Leben gehen.
Wenn Jugendamt/Jugendhilfe auf den Plan treten, ist klar, dass sie als Eltern den sozialen
Normen und ihren eigenen Erwartungen nicht gerecht werden. Psychisch belastete Eltern
sind voller Schamgefühle wegen ihrer Erfolglosigkeit, sie sehen sich in der Verantwortung für
den Misserfolg und entwickeln Schuldgefühle. Im Jugendamt erkennen sie vor allem das
„Amt, das die Kinder wegnimmt“, die Folge sind Misstrauen und Angst. Zudem leben Familien mit großen psychischen Belastungen häufig isoliert, sodass Kontakte zu anderen, fremden
Menschen ohnehin nur selten und deshalb schwierig sind. Scham- und Schuldgefühle, Misstrauen und Angst erschweren Gespräche mit psychisch belasteten Eltern von Anfang an.
Gerade für ängstliche, unsichere und hoch verletzliche Eltern ist eine klare, offene und eindeutige Kommunikation schon zu Beginn der Zusammenarbeit wichtig, um jenseits von Misstrauen und Angst ein Arbeitsbündnis zu ermöglichen. Dabei sind früh Schweigepflicht, Datenschutz und die Grenzen des Datenschutzes im Kinderschutz anzusprechen, Missverständnisse und Störungen in der Kommunikation sollten umgehend aufgegriffen und geklärt werden.
Insbesondere sind
•
kindeswohlgefährdende Verhaltensweisen klar und konkret zu beschreiben;
6
•
Aufträge zu benennen, die geeignet sind, Kindeswohlgefährdung abzuwenden;
•
die Konsequenzen, die erfolgen, wenn eine Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht
gelingt, offen aufzuzeigen, auch wenn es sich dabei für die Eltern um „unangenehme
Schritte“ (z.B. Mitteilung an das Familiengericht) handelt;
•
alle diese Punkte schriftlich festzuhalten und psychisch belasteten Eltern zur Verfügung
zu stellen (Anlage: Arbeitshilfe 2).
Größtmögliche Transparenz auch in der Arbeit mit psychisch belasteten Eltern fördert eine
konstruktive und bestenfalls auch vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Empfehlung 5:
Gehen Sie im Gespräch methodisch vor!
Gespräche mit psychisch belasteten Eltern bergen sowohl für die Fachkräfte als auch für die
Eltern selbst eine Reihe von Schwierigkeiten. Falsche Erwartungen, unausgesprochene Befürchtungen und Voreingenommenheit auf beiden Seiten können ein Gespräch schnell scheitern lassen. Um praktische Ergebnisse zu erlangen, ist es daher gerade für solche Gespräche
noch einmal sinnvoll, sich im Vorfeld die methodischen Vorgehensweisen in Erinnerung zu
rufen:
•
Treten Sie nicht mit den Eltern in Konkurrenz!
•
Beziehen Sie die Eltern von Anfang an als Akteure mit ein (z. B. „Gibt es etwas, was Ihnen
Sorge macht?“ als Einstieg/Türöffner)!
•
Hören Sie zu und beobachten Sie, ohne zu bewerten!
•
Stellen Sie Fragen, statt Antworten zu geben, damit die Eltern in der Verantwortung bleiben!
•
Lassen Sie den Eltern Zeit zu antworten, je mehr Sie reden, desto eher riskieren Sie, dass
die Eltern „dicht“ machen!
•
Wiederholen Sie in ihren Worten den Eltern gegenüber, was sie verstanden haben.
•
Sprechen Sie Gefühle und Gedanken an, die sich Ihnen mitteilen, die die Eltern aber nicht
explizit benennen (z. B. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich entsetzlich schämten!“).
•
Äußern Sie Verständnis für das Handeln und die Sichtweisen der Eltern!
•
Heben Sie Positives hervor (z. B. „Wie ist Ihnen das gelungen?“)!
•
Formulieren Sie Negatives so, dass es von den Eltern nicht als „Anklage“ aufgenommen
wird (z. B. „Was ist schief gegangen?“)!
7
Empfehlung 6:
Vergessen Sie in Ihren Gesprächen die Kinder nicht!
•
Stellen Sie offene Fragen an die Kinder (z.B. „Wie hast Du Dich in der Situation gefühlt?“)
•
Nutzen Sie Spielmaterial, mit dem das Kind seine Situation beschreiben, seine Gefühle
ausdrücken kann!
•
Entlasten Sie die Kinder von der Verantwortung für die Eltern!
•
Erklären Sie das Verhalten der Eltern kindgerecht, achten Sie dabei auf die Fantasien des
Kindes zum Verhalten der Eltern!
•
Führen Sie mit Eltern und Kindern gemeinsam Gespräche über das, was die Kinder erlebt
haben!
•
Ermutigen Sie die Kinder, eigene Gefühle zulassen zu können!
•
Stärken Sie kindgerechte Problemlösungsmöglichkeiten!
•
Nehmen Sie den Kindern Schuldgefühle!
•
Bahnen Sie Kontakte zu „gesunden“ sozialen Ressourcen (Verwandte, Erzieher, Trainer,
Nachbarn, MitarbeiterInnen in Jugendfreizeiteinrichtungen) an!
Empfehlung 7:
Über die konkrete Beratung hinausgehende (auch politische) Empfehlungen:
1. Arbeiten Sie in der Familie zu zweit!
2. Erarbeiten Sie gemeinsam mit den psychisch belasteten Eltern einen Notfallplan!
3. Bilden Sie mit allen beteiligten Fachkräften ein Team!
4. Nehmen Sie regelmäßig Supervision in Anspruch!
5. Informieren Sie sich über bereits bestehende Unterstützungsangebote für Kinder und
Eltern (Selbsthilfegruppen, Tageskliniken, ambulante Hilfen)!
6. Besuchen Sie Fortbildungen und Fachtage, lesen Sie Fachliteratur!
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Anlage: Arbeitshilfe 1
Protokoll
Datum:
Uhrzeit: von
bis
Name des Kindes
Gesprächsteilnehmer
Mutter
Vater
Was macht mir Sorgen und warum?
(Fachkraft)
Mutter
Vater
Verbindliche Vereinbarung, wer macht was bis wann?
(Fachkraft)
Mutter
Vater
Datum, Unterschriften
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Anlage: Arbeitshilfe 2
Protokoll
Datum:
Uhrzeit: von
bis
Name des Kindes
Konkrete Beschreibung des (sichtbaren) Verhaltens, das das Wohl
eines Kindes gefährdet:
Konkrete Beschreibung, was
(kleinschrittig, alltagspraktisch) zu
tun ist, um die Kindeswohlgefährdung abzuwenden:
Wer macht was
Konsequenzen, wenn die Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht gelingt:
Datum, Unterschrift
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