Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler Teil I PMC Einführung und Vorversuche Wintersemester 2009/2010 Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG ......................................................................................................................................... 1 2 ABLAUF UND BEWERTUNG DES PRAKTIKUMS ............................................................................ 3 3 LITERATURVERZEICHNIS .................................................................................................................. 7 4 ANLEITUNG ZUR ERSTELLUNG EINES VOLLSTÄNDIGEN VERSUCHSPROTOKOLLS .............. 9 5 DIE AUSWERTUNG VON MESSDATEN ........................................................................................... 12 6 BEISPIELAUFGABE............................................................................................................................ 33 VORVERSUCH 0: VORBEREITENDE STATISTIKÜBUNG ....................................................................... 39 VORVERSUCH I: ROLLEN AUF DER SCHIEFEN EBENE, PENDEL ........................................................ 43 VORVERSUCH II: MESSEN IN GLEICHSTROMKREISEN ........................................................................ 59 VORVERSUCH III: MESSUNGEN MIT DEM OSZILLOSKOP.................................................................... 79 A1 THEORIE DES GERADENFITS (LINEARE REGRESSION) .......................................................... 93 A2 TABELLEN...................................................................................................................................... 97 A3 GRIECHISCHES ALPHABET ....................................................................................................... 104 1 1 EINLEITUNG Ziel der Veranstaltung ist die Auseinandersetzung jedes einzelnen Teilnehmers mit den Fragestellungen und den Gesetzen der Physik über den praktischen Umgang im physikalischen Experiment. Dazu bietet das Praktikum eine Einführung in Messprinzipien und -techniken sowie den Umgang mit den gewonnenen Messdaten zur Versuchsauswertung. Dieses Wissen wird nur sehr eingeschränkt in Vorlesungen, Übungen und Seminaren vermittelt. Es ist aber bedeutsam für die Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, wie etwa Ihre Diplom-, Staatsexamens- oder Bachelorarbeit sowie ggf. in Ihrem späteren Beruf. Die erfolgreiche Durchführung des Praktikums erfordert von Ihnen die Anwendung und Einhaltung einiger Prinzipien und Spielregeln, die Ihnen in diesem Skriptum dargelegt werden. Zusätzlich erleichtert Ihnen das Skriptum durch gezielte Angaben die Einarbeitung in den Wissensstoff sowie den Zugang zur Sekundärliteratur. Das Studium derselben wird dringend angeraten, da das Skriptum ein Lehrbuch nicht ersetzen kann. Hinweis in eigener Sache: Die Praktikumsleitung ist bemüht, das Skriptum zu verbessern. Ein Exemplar liegt im Praktikum aus, in das Korrekturen und Anregungen eingetragen werden können. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Physikalischen Praktikum! 2 3 2 ABLAUF UND BEWERTUNG DES PRAKTIKUMS Das Physikalische Praktikum ist eine der seltenen Gelegenheiten im Laufe Ihres Studiums, das in Vorlesungen erworbene Wissen praktisch einzusetzen. Sie führen in diesem Praktikum selbständig Messungen durch, werten diese aus und lernen so, mit den Fehlern und Ungenauigkeiten umzugehen, die jede physikalische Messung begleiten. Dazu ist es einerseits nötig, den physikalischen Hintergrund eines Experimentes zu verstehen, andererseits ist die Anwendung mathematischer Werkzeuge – insbesondere der Fehlerrechnung und der Statistik – erforderlich. 2.1 Voraussetzung für die Teilnahme am Praktikum Die Erfahrung lehrt, dass solide Kenntnisse über den Stoff der Vorlesungen Experimentalphysik und Mathematik die Vorbereitung und Auswertung der einzelnen Versuche deutlich erleichtern. Die Aneignung dieses Stoffes parallel zum Praktikum im gleichen Semester bedeutet einen erheblichen Mehraufwand und kann aus prinzipiellen Gründen (zyklische Versuchsorganisation, siehe unten) nicht im Rahmen einer gleichzeitig ablaufenden Vorlesung erfolgen. Daher ist für Studierende der Altstudiengänge der vorherige Besuch der Physikvorlesung Voraussetzung für die Teilnahme am Praktikum. Als Nachweis dient der in der Vorlesung erworbene Schein. Studierende mit dem Abschluss Bachelor weisen ihr Wissen in Form einer Eingangsklausur nach. Es wird ferner davon ausgegangen, dass Sie sich vor dem ersten Versuchstag, den Inhalt der Kapitel 1 bis 6 dieses Skriptums angeeignet haben und insbesondere mit den Grundzügen der „Fehlerrechnung“ vertraut sind. 2.2 Organisation des Praktikums Anmeldung und Gruppeneinteilung Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie dieses Skriptum erhalten, haben Sie die Anmeldung bereits hinter sich. Die Praktikumsleitung teilt vor dem ersten Versuch alle teilnehmenden Praktikanten in Gruppen zu max. 8 Personen ein. Die Gruppennamen bestehen aus der Gruppennummer, der Praktikumskennung (PMC) und gegebenenfalls der Einteilung in Montag (Mo) oder Freitag (Fr). Beispiel: [5-PMC-Fr] Gruppe 5 am Freitag 4 Die Gruppeneinteilung hängt im Foyer des Physikpraktikums aus. Nach den Vorversuchen kann es zu einer Neueinteilung kommen, bitte beachten Sie entsprechende Aushänge! Die Versuche Die vorbereitende Statistikübung (Vorversuch 0) am ersten Versuchstag sowie die ersten drei Versuche (Vorversuche I, II, III) werden von allen Gruppen parallel und in dieser Reihenfolge durchgeführt. Es handelt sich dabei um Versuche, die Sie mit genereller Messmethodik und der Verwendung von Messgeräten vertraut machen. Das bedeutet, dass Sie für den Tag der vorbereitenden Statistikübung diese mündlich und schriftlich vorzubereiten haben, genauso, wie Sie sich dann für den nächsten Versuchstag mit dem ersten Vorversuch (Vorversuch I) vorher mündlich und schriftlich vorbereiten. Analog läuft die Vorbereitung für die Vorversuche II und III ab. Die folgenden sieben Versuche (Hauptversuche 1a bis 7a bzw. 1b bis 7b) werden von den Gruppen zyklisch durchlaufen. Jeder der Versuche wird von einem anderen Assistenten betreut. Auch hier bereiten Sie sich zu Hause schriftlich und mündlich auf den nächsten für Sie anstehenden Hauptversuch vor. Es arbeiten jeweils zwei Teilnehmer einer Gruppe zusammen und führen die Messungen gemeinsam durch. Jeder Praktikant führt sein eigenes Protokoll! 2.3 Ablauf Zum Praktikum benötigen Sie ein gebundenes Protokollbuch und einen Block Millimeterpapier, Aufzeichnungen auf Blöcken oder losen Blättern werden von den Assistenten nicht akzeptiert. Zur Vorbereitung auf den Versuchstag sind in der Anleitung entsprechende Literaturhinweise gegeben. Die wesentlichen physikalischen Gesichtspunkte des jeweiligen Versuches fassen Sie stichpunktartig im Protokollbuch zusammen. Hierbei bearbeiten Sie auch die Aufgaben zur Vorbereitung. Vorbereitung Für eine sinnvolle Teilnahme am Praktikum ist es Voraussetzung, dass sich jeder PraktikumsTeilnehmer vor Antritt des Versuches auf den Stoff vorbereitet. Bei mangelnder Vorbereitung ist eine Teilnahme am Versuch nicht möglich. Zu Beginn jeder Versuchsanleitung werden Ihnen Stichpunkte zur Vorbereitung auf den Versuch gegeben. Das „Minimalprogramm“ für eine schriftliche Vorbereitung (im Protokollbuch!) umfasst neben der Bearbeitung der Aufgaben zur Vorbereitung eine ausformulierte Ausarbeitung der wichtigsten theoretischen Grundlagen für den Versuchsstoff und für die im Versuch benötigten Formeln. Die im Skript erwähnten Stichpunkte sollten, i. d. R. unter Hinzuziehung von Sekundärliteratur, kurz erläutert werden. Es ist jedoch niemandem damit gedient, wenn 5 Skripttext oder Sekundärliteratur nur unreflektiert abgeschrieben werden. Daraus resultierende Wissenslücken werden vermutlich beim mündlichen Vortestat schmerzlich offensichtlich! Weitere Informationen zum Umfang und den Anforderungen Ihrer schriftlichen Vorbereitung erhalten Sie im Merkblatt zum Praktikum bzw. in der Vorbesprechung. Vortestat Vor jedem Versuch findet ein etwa zehnminütiges schriftliches Vortestat statt, in dem Sie fünf Fragen zum jeweiligen Versuch beantworten sollen. Anschließend prüft der Assistent die Kenntnisse der Teilnehmer in einem Gruppengespräch. Dieses Gespräch soll auch dazu dienen, eventuelle Unklarheiten zu beseitigen. Hier sollen Sie auch bei der Vorbereitung aufkommende und noch unbeantwortete Fragen mit dem Assistenten klären (das ist ein Plus!). Studierende, denen die erforderlichen Kenntnisse fehlen, können an der Durchführung des Versuches nicht teilnehmen. Lässt das Ergebnis des schriftlichen und mündlichen Vortestates eine Teilnahme am Versuch zu, wird das Vortestat mit 1, 2, 3, 4 oder 5 Punkten bewertet. Bei ungenügender Leistung im Vortestat muss der Praktikant vom Versuch ausgeschlossen werden. Dies ist auch der Fall, wenn keine schriftliche Vorbereitung vorliegt. Er kann diesen dann am Nachholtermin wiederholen. Ist die Vorbereitungsaufgabe nicht bearbeitet, kann das Vortestat maximal mit einem Punkt bewertet werden. Generell hat die Notenskala folgende Bedeutung: 0 Punkte Unzureichende Leistungen, die zu einer Nichtzulassung zum Versuch führen. 1 Punkt Leistungen, die starke Mängel aufweisen, aber im Vortestat gerade noch die Versuchsdurchführung zulassen bzw. im Haupttestat gerade noch eine zulässige Versuchsauswertung darstellen. 2 Punkte Leistungen, die gegenüber den Anforderungen deutliche Mängel aufweisen, aber eine gewisse Beschäftigung mit dem Stoff erkennen lassen. 3 Punkte Leistungen, die in etwa den Anforderungen des Praktikums entsprechen und dabei geringe Lücken oder Mängel aufweisen können. 4 Punkte Gute Leistungen, die über den Anforderungen liegen, auch mit minimalen Einschränkungen im Wissensstand. 5 Punkte Sehr gute Leistungen, die explizit weit über den Anforderungen liegen. Tabelle 2.1: Punkteskala für Haupt- und Vortestat Durchführung Die Praktikanten führen nun den Versuch in 2er- bzw. 3er-Gruppen durch und protokollieren ihn. Insbesondere muss aus dem Protokoll auch stichwortartig hervorgehen, wie der Versuch durchgeführt wurde. Jeder Praktikant führt ein eigenes gebundenes Protokollbuch und beteiligt sich aktiv am Versuch. Um bei der Durchführung Zeit zu sparen, kann man 6 Tabellen(-köpfe), Skizzen und dergleichen schon zu Hause eintragen. Messwerte, Auswertung und Schlüsse daraus werden dann am Versuchstag eingetragen. Auswertung Die Auswertung des Versuches wird von den Praktikanten direkt im Anschluss an die praktische Durchführung in den Praktikumsräumen angefertigt. Für Rückfragen stehen die Assistenten zur Verfügung. Je nach Versuch hat es sich auch als sinnvoll erwiesen, Teile der Messungen und Auswertungen im zeitlichen Wechsel durchzuführen. Über die Einteilung der Mess- und Auswertungsphasen entscheidet der Versuchsbetreuer. Haupttestat - Bewertung der Auswertung Die Auswertung wird beim Assistenten bis spätestens 17 Uhr (Ferienpraktikum: 15 Uhr) abgegeben. Der Assistent bewertet sie als Haupttestat mit 1, 2, 3, 4 oder 5 Punkten oder einer Ablehnung. Im letzteren Fall kann der Assistent einer Überarbeitung der Auswertung (bis maximal zwei Werktage später) zustimmen, falls er das für sinnvoll erachtet. Eine solche überarbeitete Auswertung kann maximal mit zwei Punkten bewertet werden. Am Ende eines jeden Versuchstages muss das Protokollbuch mit den Eintragungen der Messprotokolle vom Assistenten abgezeichnet werden. Voraussetzung für den Erhalt des Praktikumsscheines Sie erhalten den Praktikumsschein, wenn die Bewertungen der Vortestate und der Haupttestate jeweils in der Summe mindestens 30 Punkte erreichen. Es müssen alle Versuche erfolgreich, d.h. mit Haupttestat abgeschlossen sein. Eine Anrechnung vor- oder haupttestierter Versuchsprotokolle auf das folgende Semester ist nicht möglich, ebenso wenig das Nachholen fehlender Versuche im nächsten Semester. 7 3 LITERATURVERZEICHNIS In diesem Skript werden zu Beginn eines jeden Versuches Stichworte zur gezielten Vorbereitung genannt. In der folgenden Tabelle finden Sie eine Auswahl von Büchern, die Sie auch in der Bibliothek finden, die Ihnen bei der Vorbereitung behilflich sein können. Prinzipiell wird gerade für Teilnehmer mit geringen Physikvorkenntnissen auch auf Schulbücher (z.B. Metzler) verwiesen, die oftmals gut in den Stoff einführen und zur Vorbereitung geeignet sind. Es handelt sich um folgende Bücher: Titel Autor Verlag Kommentar Physik Tipler SpektrumLehrbuch Sehr gut lesbar und verständlich, manchmal etwas oberflächlich Experimentalphysik Demtröder Springer ausführliche gute Zusammenstellung in drei Bänden Repetitorium Experimentalphysik Otten Springer kurze, klare Darstellung Metzler Physik Gesamtband Grehn, Joachim Schroedel, Hannover Physikbuch für die Oberstufe mit gutem Niveau Physik Gerthsen, Kneser, Springer Vogel Physik Alonso Finn umfassendes Nachschlagewerk, als Lehrbuch äußerst knapp Inter-European ähnlich Otten, etwas oberflächlich Edition Kurzes Lehrbuch der Stuart, Klages Physik Springer veraltet und oberflächlich Physik Hanser Gute Darstellung Teubner direkte Praktikumsvorbereitung, behandelt auch Fehlerrechnung Orear Praktikum der Physik Walcher Tabelle 3.1: Lehrbücher der Physik 8 Umgang mit den Literaturangaben: Die Versuchsanleitungen geben jeweils selbst eine kurze Einführung in den Versuchsstoff. Diese Einführungen sind bewusst recht knapp gehalten und im Allgemeinen zur alleinigen Vorbereitung nicht ausreichend. Eine Vorbereitung mit Hilfe von jeweils zumindest einem zusätzlichen Lehrbuch ist in jedem Falle sinnvoll, notwendig und wird ausdrücklich empfohlen. Die Vorbereitung zum Versuch sollte so erfolgen, dass Sie über alle Stichworte Bescheid wissen, zusätzlich müssen Ihnen die Versuchsdurchführung, die zu messenden Größen und der Weg der Auswertung klar sein. 9 4 ANLEITUNG ZUR ERSTELLUNG EINES VOLLSTÄNDIGEN VERSUCHSPROTOKOLLS 4.1 Grundsätzliches Ein Protokoll muss grundsätzlich so ausgearbeitet sein, dass anhand der Aufzeichnungen der Versuch und alle Messungen vollständig durchgeführt und nachvollzogen werden können, ohne dass dabei das Praktikumsskript zu Rate gezogen werden muss. Dazu gehört eine entsprechende Übersichtlichkeit in der Gliederung, Unterstreichung und Diskussion der Ergebnisse etc. Alle hier aufgeführten Teile des Protokolls müssen in Ihrem eigenen Interesse in ein fest gebundenes Protokollbuch eingetragen werden, in das auch die Testatkarte eingeklebt wird. Lose Blätter werden nicht akzeptiert. Ihre spätere Laborarbeit wird analog protokolliert werden. Weiterer Hinweis: In den angelsächsischen Ländern ist dieses Protokoll sogar maßgeblich für den Nachweis von Forschungsresultaten und Patentrechten und daher von entscheidender Wichtigkeit. 4.2 Vorbereitung und Versuchsdurchführung Eine minimale Vorbereitung besteht aus einer kurzen schriftlichen Ausarbeitung (mind. 4 Seiten) der Stichpunkte, die unter dem Punkt „Thematik“ aufgeführt sind und der Lösung der Aufgaben zur Vorbereitung. Eine gut geschriebene Vorbereitung gibt dem Assistenten einen kurzen Überblick über den Stand Ihrer Vorbereitung zu den im Versuch behandelten physikalischen Zusammenhängen und erleichtert Ihnen eine Wiederholung des behandelten Stoffes z. B. beim Lernen für die Vordiplomsprüfung in Experimentalphysik. Als zweiten Block der schriftlichen Vorbereitung und (bereits) unter der Überschrift „Versuchsdurchführung, Teil 1“ sind für jeden Versuchsteil Ziel, Skizze des Versuchsaufbaus, Durchführung und für die Messwerte vorbereitete Tabellen ins Protokollbuch einzutragen. 4.3 Die Versuchsdurchführung Die Messwerte werden dann beim Versuch in die bereits vorbereiteten Tabellen eingetragen. Unter der Überschrift „Versuchsdurchführung, Teil 2“ schreiben Sie dann, gegliedert nach den Teilversuchen, alle Parameter auf, die Sie während der Messungen zum jeweiligen 10 Versuchsteil konstant halten. Hierzu gehört auch, welches Messgerät sie in welchem Messbereich verwendet haben. Vergessen Sie nicht, dass zu jeder Zahl eine physikalische Einheit und ein Messfehler gehören. Für die Protokollführung während der Versuchsdurchführung gilt: Notieren Sie grundsätzlich alle Größen, die einen Einfluss auf Ihre Messgrößen haben könnten! Schreiben Sie lieber zu viele Informationen in das Protokollbuch, als dass Ihnen eine Größe fehlt, deren Wichtigkeit Sie erst bei der Auswertung erkennen. Denken Sie daran, dass Ihre Notizen so gegliedert und übersichtlich sein sollten, dass Sie selbst und andere, insbesondere Ihr Assistent, anhand der Aufzeichnungen Ihre Versuchsdurchführung nachvollziehen können. 4.4 Die Auswertung Die bei der Versuchsdurchführung aufgenommenen Messreihen werden in einem Diagramm aufgetragen, um die Abhängigkeit der Messgröße darzustellen. Hierzu ist Millimeterpapier zu verwenden. Jeder Messpunkt muss mit einem Fehlerbalken versehen werden, der die Genauigkeit des Messpunktes darstellt. Bei einem Diagramm dürfen die Achsenbeschriftungen und eine Überschrift nicht fehlen. Das Diagramm sollte so eingeklebt werden, dass andere Auswertungsteile nicht überdeckt werden, Ausklappbildchen reduzieren die Übersichtlichkeit eines Protokolls drastisch. Verlangt die Aufgabenstellung, dass Sie aus der Steigung der aufgetragenen Geraden ein Messergebnis bestimmen, so gibt es hierfür zwei Verfahren. a) Die graphische Auswertung: Legen Sie mit einem Lineal eine Gerade durch Ihre Messpunkte, wobei Sie die Größe der Fehlerbalken berücksichtigen. Bestimmen Sie die Steigung dieser Gerade über das Steigungsdreieck. Den Fehler einer so bestimmten Steigung erhalten Sie, indem Sie zwei weitere Geraden einzeichnen, eine mit einer möglichst großen Steigung, die noch gerade mit den Messpunkten und ihren Fehlerbalken verträglich ist, und eine mit einer möglichst kleinen. Erfahrungsgemäß liefert diese Auswertung „nach Augenmaß“ relativ verlässliche Ergebnisse, die Fehlerangabe muss jedoch ausführlich diskutiert werden, da keine mathematisch korrekte Vorgehensweise verwendet wurde. b) Die rechnerische Auswertung: Bestimmen Sie die Regressionsgerade durch Ihre Messwerte, indem Sie Ihre Messwerte in die entsprechenden Formeln im Kapitel „Messdaten und Messfehler“ einsetzen. Vergessen Sie nicht, dass Sie auch bei der rechnerischen Auswertung einen Fehler angeben müssen. Die Fehlerrechnung muss nachvollziehbar im Protokollbuch dargestellt sein. Eine Formel für den Fehler fällt nicht vom Himmel. Begründen Sie jeweils, warum Sie sich bei einer Auswertung mit Gaußscher Fehlerfortpflanzung für die Angabe eines Großfehlers oder eines quadratisch addierten entscheiden. 11 Geben Sie die aus der Aufgabe bestimmte Messgröße immer mit ihrem Messfehler an. Denken Sie daran, dass die Fehlerangabe genauso zu Ihrem Messergebnis gehört wie die physikalische Einheit der bestimmten Größe. Diskutieren Sie jedes Ergebnis im Hinblick auf seine Aussagekraft. Bewerten Sie die verwendete Messmethode, indem sie die Verträglichkeit des Ergebnisses mit Literaturwerten unter Berücksichtigung des Fehlers betrachten. Vergessen Sie nicht, systematische Fehlerquellen zu diskutieren und ihre Auswirkungen auf das Messergebnis quantitativ abzuschätzen. 12 5 DIE AUSWERTUNG VON MESSDATEN 5.1 Messdaten und Messfehler Was versteht man unter Fehlern? - Fehlerarten Der bei einer Messung ermittelte Wert einer (physikalischen) Größe stimmt im Allgemeinen nicht genau mit dem tatsächlichen Wert überein. Daher erfordert die vollständige Beschreibung des Messergebnisses Angaben über die Abweichungen. Die Messunsicherheiten (engl. uncertainties) stellen eine wichtige Aussage über die Qualität der Messung und/oder der Meßmethode dar. Im Jargon spricht man auch von Messfehlern (engl. Errors). Das vorliegende Skriptum folgt diesem Sprachgebrauch. Die Fehlerarten werden klassifiziert in: Systematische Fehler Ein systematischer Fehler ist ein Fehler, der sich mit jeder Wiederholung der Messung stets in der gleichen Art und Weise auswirkt. Die Ergebnisse einer mit einem systematischen Fehler behafteten Messung sind damit entweder zu größeren oder zu kleineren Werten hin verschoben. Beispiel für einen systematischen Fehler: Bei einem Wettlauf startet ein am Ziel stehender Helfer eine Stoppuhr, sobald er den Startschuss vom einen Kilometer entfernten Start hört. Damit wird die Zeitmessung um die Zeit zu kurz, die der Schall benötigt, um den Kilometer zurückzulegen (ca. 3 s). Auch ein Fehler in der Kalibration eines Messgerätes wäre ein systematischer Fehler. Das Messergebnis kann man korrigieren, wenn die Größe des systematischen Fehlers bekannt ist (und nicht nur ein Toleranzbereich dafür). Statistische Fehler (auch zufällige oder symmetrische Fehler) Ein statistischer Fehler beeinflusst das Ergebnis eines Versuches zufällig mit jedem neuen Versuch anders. So kann der Messwert z.B. im ersten Versuch viel zu groß, beim zweiten Versuch etwas zu klein und vielleicht beim dritten Versuch sehr nahe am wahren Wert liegen. Die Messwerte streuen um den wahren Wert. Beispiel für einen statistischen Fehler: Ein Experimentator misst mit einer Handstoppuhr die Zeit, die ein Stein benötigt, um eine Fallstrecke von einem Meter zu durchfallen. Aufgrund der sehr kurzen Fallzeit und der unsicheren Reaktionszeit des Experimentators ergibt sich mit jedem Experiment ein anderer Wert. Nicht immer ist die Einteilung der experimentellen Fehler so einfach. Wird zum Beispiel die Länge eines Stabes mit einem Lineal gemessen, so wird das Messergebnis von der 13 Temperatur abhängen. Wiederholt man eine solche Längenmessung über einen längeren Zeitraum, so misst man mit einem systematischen, aber nicht konstanten Fehler. Auch hier gilt: Ist die Größe des Fehlers genau bekannt, kann er korrigiert werden. Häufig ist auch der Fall, dass man eine kontinuierlich veränderliche Größe (z.B. die Raumtemperatur, eine Spannung) mit einem automatisierten Datenaufnahmesystem misst. Typischerweise ist das Ergebnis gefiltert, um Fluktuationen zu unterdrücken. Misst man nun verschiedene Messwerte in schneller Folge, so sind benachbarte Messwerte nicht mehr unabhängig. Diesen Art Messfehler bezeichnet man meistens als statistischen Fehler, aber ein solcher statistischer Fehler ist sehr schwer zu behandeln. Fehlerangaben Absolute Fehlerangaben Eine Messung, die als Ergebnis den Wert x liefert, ist immer auch mit einem Fehler x behaftet. Im Laborjargon heißt x schlicht „der Fehler“ (Error) von x. Wir werden in diesem Skriptum diesem Sprachgebrauch folgen. Genauer nennt man die Größe x den absoluten Fehler der Größe x. Die Angabe eines absoluten Fehlers erfolgt immer in der Einheit des Messergebnisses. Relative Fehlerangaben Eine einfache Überlegung zeigt, dass oft die Angabe von relativen Fehlern (also x / x) der Angabe von absoluten Fehlern vorzuziehen ist: Es werden mit ein und derselben Methode zwei Strecken s1 = 10 m und s2 1 m mit einem absoluten Fehler von jeweils s = 0,1 m gemessen. Damit verursacht der gleiche absolute Fehler relativ sehr unterschiedliche Fehler. Man verwendet die relative Fehlerangabe, um eine vom Messwert selbst unabhängige Fehlerangabe zu erhalten - z.B., um die Präzision einer bestimmten Meßmethode zu benennen. Behandlung von Messfehlern Bevor ein Fehler behandelt werden kann, muss er erkannt werden. Im Bereich des physikalischen Praktikums ist dies einfacher als in der beruflichen Praxis, da die Ergebnisse in aller Regel bereits vorher bekannt sind. Es ist aber zur Vorbereitung auf spätere Aufgaben in jedem Falle sinnvoll, sich in der Betrachtung von Messfehlern zu üben. Behandlung von systematischen Fehlern Systematische Fehler beeinflussen das Ergebnis eines Versuches stets in der gleichen Weise, so dass ein Messwert immer zu groß oder immer zu klein erscheint. Um einen solchen Fehler zu entdecken, ist es daher notwendig, Versuchsergebnisse auch dann kritisch zu betrachten, wenn sie scheinbar schlüssig und eindeutig sind. Leichtgläubige Praktikanten haben wenige Chancen, derartige Fehler zu entdecken. Wurde ein solcher Fehler erkannt, so kann man 14 entweder versuchen, die Fehlerquelle im Experiment abzustellen oder aber den Fehler quantitativ abzuschätzen und dann rechnerisch zu berücksichtigen. Behandlung von statistischen Fehlern Ein statistischer Fehler beeinflusst das Ergebnis eines Versuches in zufälliger Weise bei jeder Durchführung, er kann mit Hilfe statistischer Methoden jedoch gut abgeschätzt werden. Wie wir sehen werden, ermöglicht unter Umständen das Gesetz der großen Zahl eine gezielte Verminderung des statistischen Messfehlers, indem sehr viele Versuche durchgeführt werden. 5.2 Eine kurze Einführung in die Statistik Der Begriff des Versuches In der Statistik versteht man unter einem Versuch „... einen Vorgang, bei dem verschiedene Ausgänge möglich sind, so dass man vorher nicht sagen kann, welcher Ausgang eintreten wird. Ein Versuch ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass er im Prinzip beliebig oft wiederholbar ist.“ (aus Bronstein: "Taschenbuch der Mathematik"). Ein physikalisches Experiment, bei dem ein gewisser Zahlenwert ermittelt wird, ist also im Sinne obiger Definition ein solcher Versuch, da aufgrund statistischer Fehler verschiedene Ausgänge möglich sind. Die Begriffe Zufallsvariable / Messwert „Eine Variable, die je nach dem Ausgang eines Versuches, also in Abhängigkeit vom Zufall, verschiedene Werte annimmt, heißt eine Zufallsvariable.“ (aus Bronstein: "Taschenbuch der Mathematik"). Der sich aus einem physikalischen Experiment ergebende Messwert ist also eine Zufallsgröße im Sinne der Statistik. Wir verwenden daher zur Behandlung von Messwerten die Werkzeuge der Statistik. Wir unterscheiden: (a) Diskrete Zufallsgrößen Diskrete Zufallsgrößen können in einem gewissen Intervall nur endlich viele Werte annehmen. Im physikalischen Praktikum sind dies im Wesentlichen ganzzahlige Größen, die durch Zählungen ermittelt werden. (b) Stetige Zufallsgrößen Unter einer stetigen Zufallsgröße versteht man eine Zufallsgröße, die in einem bestimmten Intervall jeden Wert annehmen kann. Die meisten im physikalischen Praktikum ermittelten Messwerte sind stetige Zufallsgrößen. Beispiel: Es wird die Zeit bestimmt, die ein Fadenpendel für 20 volle Schwingungen benötigt. 15 Abbildung 5-1: Fadenpendel Beispiel: Es wird durch Zählen die Anzahl der Schwingungen ermittelt, die ein Fadenpendel in zehn Minuten ausführt. Häufigkeitsverteilung von Zufallsgrößen Untersucht man die Häufigkeit, mit der eine Zufallsgröße bestimmte Werte annimmt, indem man deren Häufigkeit über dem Wert graphisch aufträgt, so kommt man zur Häufigkeitsverteilung bzw. zum Histogramm. Besonders bedeutsam ist dabei die Darstellung der relativen Häufigkeiten. Allgemein gesagt unterteilt man zur Erstellung eines Histogramms den Messbereich in ungefähr N Klassen (Intervalle) gleicher Breite, wenn N Messungen durchgeführt wurden. Dann wird die Häufigkeit der einzelnen Klassen bestimmt. Im Histogramm wird über die Klassenbreite ein Rechteck gezeichnet, dessen Höhe der Häufigkeit entspricht. Im Beispiel unten sehen Sie zwei solche Häufigkeitsverteilungen wie sie z.B. bei der Messung der Schwingungsperiode an zwei verschiedenen Fadenpendeln auftreten könnten. 0 1 2 0 1 2 3 4 5 3 4 5 150 100 50 Häufigkeit 0 300 200 100 Häufigkeit 0 t/s Abbildung 5-2: Häufigkeitsverteilungen für die Messung der Schwingungsperiode zweier Fadenpendel 16 Die Verteilungen unterscheiden sich in zwei wesentlichen Punkten. Zunächst liegt der am häufigsten auftretende Wert im einen Falle bei 1,5 s, im anderen bei 2,5 s. Falls keine systematischen Fehler auftreten, liegen die tatsächlichen Schwingungsperioden der Pendel also offensichtlich bei diesen Werten. Weiterhin ist eine der Verteilungen sehr viel schmaler als die andere. Hier ergeben sich mehr Messwerte, die in der Nähe des tatsächlichen Wertes liegen. Die Messung ist genauer. Im Fall der breiten Verteilung sind auch Werte, die sehr viel größer oder sehr viel kleiner als der tatsächliche Wert sind, noch einigermaßen häufig. Die Messung ist weniger genau. Wir erhalten also aus der Untersuchung von Häufigkeitsverteilungen die folgenden Informationen: Die Lage des Maximums ermöglicht eine Aussage über den wahren Wert. Man bezeichnet Maßzahlen, die eine Aussage über die Lage des wahren Wertes machen auch als Lagemaße. Die Breite der Verteilung ermöglicht eine Aussage über die Genauigkeit der Messung. Schlanke, hohe Verteilungsbilder signalisieren eine hohe Genauigkeit, breite und flache Bilder eine niedrige Genauigkeit. Maßzahlen, die die Breite eines Verteilungsbildes charakterisieren, bezeichnet man auch als Streumaße. In den folgenden Abschnitten werden nun Maße eingeführt, die quantitative Aussagen über die Lage des häufigsten Wertes und die Breite der Verteilung und damit über den wahren Wert und die Genauigkeit der Messung erlauben. Lagemaße - Das arithmetische Mittel Das für unsere Zwecke wichtigste Lagemaß ist das arithmetische Mittel. Bei einer Anzahl von n Messwerten xi ergibt sich das arithmetische Mittel (auch Mittelwert genannt) zu: 1 n x n xi . (5.1) i 1 Unter der Voraussetzung, dass die einzelnen xi gleich große Messfehler xi haben stellt das arithmetische Mittel auch den Bestwert dar, der aus den n Messungen ermittelt werden kann. Streumaße - Varianz und Standardabweichung Mit dem arithmetischen Mittel steht eine Maßzahl zur Verfügung, die eine Aussage über die Lage des wahren Wertes ermöglicht. Wir suchen nun nach einer Maßzahl, die die Breite der Streuung charakterisiert. Der erste Gedanke könnte sein, die Abweichungen der einzelnen Messwerte vom Mittelwert zu mitteln. Es ist aber in jedem Falle 1 n n x i 1 xi 0, (5.2) 17 (Wieso? Vergleiche mit Definition von x ) so dass diese Größe natürlich nicht aussagefähig ist. Weiter kommt man, wenn man nicht die Abweichungen der Messwerte zum Mittelwert, sondern die Quadrate dieser Abweichungen mittelt, die auf jeden Fall positiv sind und sich in der Summe daher nicht wegheben. Man bezeichnet das sich so ergebende Streumaß als die Varianz V: Vn n 1 1 n 1i x xi 2 . (5.3) 1 Die Varianz ist in der Statistik wohl das wichtigste Streumaß. Für unsere Zwecke ist jedoch als Streumaß die Standardabweichung praktischer. Diese ist gegeben als Quadratwurzel der Varianz: n 1 Vn 1 . (5.4) Warum ist die Standardabweichung für uns besser geeignet als die Varianz? Mittelwert und Standardabweichung haben die gleiche Einheit. Mit der Standardabweichung steht uns daher ein Streumaß zur Verfügung, mit dem wir die Streuung einer gemessenen Größe in der Einheit dieser Größe angeben können. Die Gauß-Verteilung In vielen praktisch wichtigen Fällen gehorcht die statistische Verteilung von Messdaten der so genannten Gauß-Verteilung oder Normalverteilung. Sie wird mathematisch beschrieben durch: Px 1 2 2 x e 2 2 (5.5) Um diese Gleichung zu verstehen, betrachten wir zunächst ihren Graphen. Im Abb. 5-3 sehen Sie die Graphen mehrerer Gaußverteilungen mit gleichem Parameter = und variablem Parameter . Im Bild wird die Bedeutung des Parameters schnell klar: er verschiebt die Kurve entlang der Abszisse (x-Achse). 18 P(x) 1 x=2 x = 32 3 x=4 4 0.5 0 x 0 1 2 3 4 5 6 7 Abbildung 5-3: Gaußverteilungen mit gleichen -Parametern und variablen x -Parametern. Auf gleiche Weise untersuchen wir den Einfluss des Parameters . Sie sehen unten die Graphen dreier Gaußverteilungen mit gleichem Mittelwert aber verschiedenen Parametern . P(x) 2 max 0.45 max 0.75 max 1.9 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 x Abbildung 5-4: Gaußverteilungen mit gleichen x -Parametern und variablen -Parametern. Der Parameter bestimmt also die Form der Verteilung. Ist klein, so ist die Verteilung schlank und hoch, charakteristisch für relativ genaue Einzelmessungen, bei großem wird die Verteilung flach und breit und bezeichnet relativ ungenaue Einzelmessungen. Die Fläche unter P(x) bleibt infolge des Faktors im Nenner konstant, beschriebe also, als Histogramm interpretiert, immer die gleiche Gesamtzahl von Versuchen. Der Parameter ist also ein Maß 19 für die Streuung der Verteilung. Man nennt den Parameter auch die Standardabweichung der Verteilung. Man beachte den Unterschied zwischen der hier definierten Standardabweichung der Gauß-Verteilung und der im vorigen Abschnitt eingeführten Standardabweichung als Streumaß einer Zufallsgröße n 1 . Wir werden den Zusammenhang im Abschnitt „Schätzwerte“ untersuchen. Abb. 5-5: Zehnmarkschein mit dem Portrait von Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und der nach ihm benannten Gaußkurve. Wenden wir uns jetzt genauer der Interpretation der auf der Ordinate abgetragenen Größe P(x) zu. Um mit einem verbreiteten Missverständnis gleich zu Beginn aufzuräumen: P(x) ist nicht die Wahrscheinlichkeit, mit der der Wert x auftritt. Dass dies nicht so sein kann, zeigt eine einfache Einheitenbetrachtung: Da der Exponent der Exponentialfunktion einheitenlos sein muss, besitzt die Standardabweichung der Normalverteilung die gleiche Einheit wie ihr Mittenparameter. Damit ist die Einheit der Größe P(x) der Kehrwert der Einheit von x. P(x) ist somit keine „Wahrscheinlichkeit“, sondern eine „Wahrscheinlichkeitsdichte“. Wie oben schon angedeutet, ist die Gauß-Verteilung P(x) (siehe Abb. 5-5) über den Faktor: 1 (5.6) 2 nun so normiert, dass die Funktion von ergibt: P ( x )dx 1. bis integriert immer den Wert 1, d.h. 100% (5.7) 20 Der Wert dieses Integrals trägt also der Tatsache Rechnung, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der die Zufallsgröße x irgendeinen Wert im Bereich von - und annimmt, 100% sein muss. Auf dieselbe Weise lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der ein Ergebnis in einem Intervall a x b liegt: b p( a x b) P ( x )dx . (5.8) a Die Wahrscheinlichkeit p für das Auftreten eines solchen Wertes ist im Graphen der Funktion gegeben als die Fläche, die die Funktion und die Abszisse zwischen a und b einschließen (siehe Abb. 5-6). Für die Normalverteilung gilt z. B. x P ( x )dx 0,683 x und x 2 P ( x )dx 0,954 . x 2 Das heißt in Worten: Die Wahrscheinlichkeit, einen Messwert innerhalb der einfachen vom wahren Wert zu finden ist 68,3%. Innerhalb der doppelten Standardabweichung 2 Standardabweichung Standardabweichung 3 liegen schon 95,4% 99,7% aller Ereignisse. und innerhalb der dreifachen Abb. 5-6: Die schwarze Fläche im Verhältnis zur gesamten Fläche unter der hier gezeigten Normalverteilung von Messwerten ist die Wahrscheinlichkeit dafür, den Messwert im Intervall a x b zu finden. 21 Einschub: Wir können nun auch angeben, wie groß die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines exakt angegebenen Messwertes x = c ist: c p( x c) p(c x c) P ( x )dx 0. (5.9) c Sie verschwindet! Das muss auch so sein für jede realistische Messwertverteilung. Denn da Messungen immer fehlerbehaftet sind, ist es nicht möglich, beliebig genau zu messen. Mit anderen Worten, es ist unmöglich, einen Messwert mit absoluter Genauigkeit zu ermitteln, also zu behaupten, der Messwert x läge exakt bei c. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist Null. Das gilt natürlich auch für digitale Messwerte. Nehmen wir z. B. an, wir hätten mit einem dreistelligen Voltmeter wiederholt eine Spannung U gemessen und für alle Einzelwerte Ui in Ziffern den Wert 113 V abgelesen. Das bedeutet im Idealfall, dass die Messwerte Ui allesamt in das Intervall 113 V Ui < 114 V fallen. Die tatsächlichen Schwankungen der Ui innerhalb dieses Intervalls werden wir erst mit einem höher auflösenden Instrument in einer der folgenden Dezimalen erkennen können. Schätzwerte Wenn wir einen Versuch mehrfach und jeweils mit gleicher Messgenauigkeit durchführen, so erhalten wir eine gewisse Anzahl von Messwerten, die wie gesagt in aller Regel normalverteilt um den wahren Wert streuen. Ziel ist es nun, aus diesen Messwerten die Parameter der Normalverteilung zu schätzen. Schätzwert für die Lage des wahren Wertes Wir haben bereits den Mittelwert als Lagemaß kennen gelernt. Aufgrund der Symmetrie der Normalverteilung ist das arithmetische Mittel x der beste Schätzwert für den wahren Wert . Schätzwert für den statistischen Fehler der Einzelmessung Wir kennen bereits das Streumaß Standardabweichung. Sie ist durch Gl. (5.4) gegeben, und wird manchmal auch geschrieben wie n 1 n 1 n 1i x xi 2 (5.10) 1 Oft wird das mit der Standardabweichung einer Verteilung (mit Mittelwert µ) verwechselt, die durch n 1 n n ( i 1 xi ) 2 (5.11) 22 gegeben ist. Das n-1 im Nenner berücksichtigt, dass man in Unkenntnis des wahren Wertes µ ersatzweise mit Hilfe des Mittelwerts x aus n Messungen nur (n-1) voneinander unabhängige 2 Fehlerquadrate x xi bilden kann. Man überzeuge sich hiervon z. B. für den Fall n = 2. Folglich müssen wir hier auch den Fall nur einer einzigen Messung (n = 1) ausschließen. Mit nur einer Messung hat man gar keine Information über die Standardabweichung. Schätzwert für den statistischen Fehler des Mittelwertes Auch bei einer endlichen Streuung der Einzelmesswerte erhält man einen umso genaueren Schätzwert für den wahren Wert, d.h. den Mittenparameter, je öfter man die Messung wiederholt. In der Theorie der Fehlerrechnung lässt sich zeigen, dass die Unsicherheit des Mittelwerts x n 1 n (5.12) beträgt, sie ist also umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Anzahl der Versuche. Die Unsicherheit in der Bestimmung des Mittelwertes wird mit zunehmender Zahl der Messungen kleiner als die Standardabweichung der Messwertverteilung, ein fundamental wichtiges Ergebnis! 5.3 Kurze Einführung in die Fehlerrechnung Wir wollen in diesem Abschnitt eine kurze und praktikable Einführung in die Fehlerrechnung geben. Die angegebenen Formeln haben sich in der experimentellen Praxis bewährt und reichen für das Praktikum aus. Weiterführendes, theoretische Ableitungen, aber auch Einschränkungen werden in späteren Vorlesungen wie z.B. „Statistik und Datenanalyse“ besprochen. Zusammengesetzte Größen Im Abschnitt über die Statistik haben wir diskutiert, wie sich aus einer Reihe von Messwerten Schätzwerte für den Wert einer Größe und für den Fehler dieses Schätzwertes ermitteln lassen. In den Experimenten möchte man aber zumeist Größen bestimmen, die aus mehreren zu messenden Größen berechnet werden. Beispiel: Es soll die Fläche eines rechteckigen Areals gemessen werden. Dazu werden die Länge l und die Breite b der Fläche durch direkte Messung ermittelt. Die Fläche erhält man als das Produkt aus beiden Messgrößen, also als eine aus beiden Größen zusammengesetzte Größe. 23 Schätzwert für den Fehler einer zusammengesetzten Größe (Fehlerfortpflanzung) Eine zusammengesetzte Größe sei als eine bekannte Funktion R(x, y, z) von mehreren zu messenden Variablen (x, y, z) gegeben. Daraus berechnet man den Schätzwert von R zu R R x , y, z . (5.12) Um einen Schätzwert für den Fehler von R zu erhalten, ist es notwendig, die Fehler ( x, y, z) der Größen zu kennen. Ist dies der Fall, so kann der Fehler von R nach folgendem Verfahren abgeschätzt werden: Betrachten wir zunächst den einfachsten Fall, dass R nur von einer einzigen Messgröße abhängt, also R = R(x). Geht man von einem relativ kleinen Fehler x aus, so pflanzt sich dieser in das Ergebnis R durch Multiplikation mit der 1. Ableitung von R nach x fort und wir erhalten für den absoluten Fehler von R: R R x x. (5.13) Dies folgt aus einer Reihenentwicklung (dem sog. Taylorschen Satz) bei Vernachlässigung höherer Potenzen von x. Ist z.B. R(x) = a·xb, so ergibt sich als absoluter Fehler von R: relativen Fehler finden wir: R R x . x b R = ± a·b·xb-1· x. Für den (5.14) Bei einem Potenzgesetz pflanzt sich also der relative Fehler der Variablen mit dem Faktor der Potenz in den des Endergebnisses fort. Z. B. wächst die von einem heißen Körper abgestrahlte Wärme nach dem Stefan Boltzmann Gesetz mit der 4. Potenz der absoluten Temperatur. Ein relativer Temperaturmessfehler von 10% führt daher schon zu einem relativen Fehler von 40% in der daraus berechneten abgestrahlten Wärme. Sei R nun eine zusammengesetzte Funktion R = R(x, y, z) mehrerer unmittelbar gemessener Größen, so pflanzen sich deren Fehler im Fehler von R als Summe fort: R R x x R y y R z z. (5.15) Dabei tritt analog zu Gl. (5.13) jeweils die partielle Ableitung von R nach der betreffenden Variablen als Vorfaktor hinzu. Diesen Wert nennt man den absoluten Großfehler des 24 Endergebnisses, weil alle Beiträge zu R unabhängig von ihren tatsächlichen Vorzeichen absolut genommen sind, sich also zum größtmöglichen Fehler aufaddieren. Man sieht, dass sich bei Summen und Differenzen die absoluten Fehler addieren. Bei einfachen Multiplikationen und Divisionen addieren sich laut Gl. (5.15) die relativen Fehler. Für das Beispiel B x (5.16) y z ergibt sich B B x x y y z . z (5.17) Die Benutzung des absoluten Großfehlers ist angebracht, wenn z. B. der Fehler einiger Messgrößen nur subjektiv abgeschätzt werden kann. Sind die Fehlerursachen voneinander unabhängig und somit die Vorzeichen der einzelnen Beiträge zu R statistisch verteilt, so ist es angebracht, die Einzelbeiträge zum Fehler quadratisch zu addieren und anschließend die Wurzel zu ziehen: R x x R 2 R y y 2 R z z 2 . (5.18) Gleichung (5.18) ist das Gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz; es liefert den so genannten mittleren absoluten Fehler von R. Als Beispiel betrachten wir die Bestimmung des spezifischen Widerstandes eines Stoffes aus den Messwerten von Widerstand (R = 10,0 ± 0,2 ), Querschnitt (Q = 1,00 ± 0,01mm²) und Länge (L = 1,000 ± 0,001m). Es gilt: RQ . L (5.19) Die Standardabweichungen der Einzelmessungen bezeichnen wir mit folgt für den absoluten mittleren Fehler in : Q R L 2 R Q L 2 R, Q und L. Dann 2 RQ L . L2 (5.20) 25 Aus den oben angegebenen Daten folgt dann das Endergebnis: (10 0,223) 10 6 m. Beachte: Der mittlere relative Fehler lässt sich in diesem Fall einfacher Multiplikationen und Divisionen analog zu Gl. (5.17) schreiben als: R R 2 Q Q 2 L L 2 . (5.21) Beispiel: Einfacher Fallversuch: Wir lassen einen kleinen Körper aus einer Höhe h fallen und messen die bis zum Aufprall auf den Boden verstrichene Zeit t. Mit der Bewegungsgleichung des Fallgesetzes: h 1 g t2 2 (5.22) lässt sich dann die Fallbeschleunigung bestimmen zu: g 2h . t2 (5.23) Wir haben dazu die Fallhöhe h und die Fallzeit t zu bestimmen. Messung der Fallhöhe: Die Fallhöhe wird mit einem Zollstock bestimmt und ergibt einen Wert h = 2,80m. Diese Messmethode ist recht ungenau. Wir schätzen den Fehler, der durch Ableseungenauigkeit und das Durchbiegen des Zollstockes entsteht, auf h = 0,01m. Messung der Fallzeit: Die Fallzeit wird mittels einer Stoppuhr bestimmt. Schon bei den ersten Versuchen zeigt sich, dass die Messung wegen der sehr kurzen Fallzeit von unter einer Sekunde recht ungenau wird. Aus diesem Grunde führen wir die Messung mehrfach durch und verwenden dann den Mittelwert aus den erhaltenen Fallzeiten für die weitere Berechnung. Bei zehnmaliger Durchführung des Fallversuches ergaben sich folgende Fallzeiten, gemessen in Sekunden: 0,76 0,69 0,75 0,71 0,82 0,76 0,80 0,73 Wir bestimmen daraus den Mittelwert t sowie die Standardabweichung 0,77 0,74 n-1, die wir nach Gl. (5.11) mit t = 0,039 s als Fehler der Einzelzeitmessung annehmen. Wir erhalten mit Gl. (5.1) und Gl. (5.12) t 0,753 s und t n 1 n = 0,012 s. 26 Mit den so erhaltenen Werten bestimmen wir nun die Fallbeschleunigung g. Es ergibt sich 2h t2 g 2 2,8m (0,753s ) 2 9,88 m . s2 (5.24) Nach (5.18) gilt dann für den Fehler von g: g h h g 2 g t 2 t . (5.25) Wir bestimmen zunächst die partiellen Ableitungen: g h 2 t2 (5.26) g t 4h . t3 (5.27) und Damit lässt sich nun der Fehler g berechnen. Wir führen dabei die Einheiten in den Gleichungen mit, um sicher zu gehen, dass das Ergebnis auch tatsächlich die Einheit der Fallbeschleunigung hat: 2 2 g 0,753s 2 0,01m 4 2,8m 0,753s 3 2 0,012s (5.28) also g 0,32 m . s2 (5.29) Das Gesamtergebnis lautet daher: g 9,88 m s2 Man schreibt auch kürzer: 0,32 m s2 9,88 0,32 m . s2 (5.30) 27 g 9,88 32 m . s2 (5.31) Bitte beachten Sie auch, wie viele Stellen jeweils im Endergebnis angegeben werden sollten. Im Allgemeinen begnügt man sich, den Fehler auf 1 höchstens 2 Dezimalen gerundet anzugeben und dementsprechend auch das Ergebnis bis zur letzten, im Fehler geführten Dezimalen. Auswertung von Messreihen für lineare Funktionen (lineare Regression) Bei physikalischen Messungen kommt es besonders häufig vor, dass die gemessene Größe y eine Funktion einer zweiten veränderlichen Größe x ist. Hier wird die Methode der kleinsten Quadrate benutzt, um die Parameter herauszufinden, die den funktionalen Zusammenhang zwischen x und y am besten beschreiben. Dies sei für den Fall erläutert, dass y eine lineare Funktion von x ist. Hier versucht man jetzt, eine Gerade entlang der Messwerte (xk, yk) zu legen, derart, dass die Summe der Quadrate der Abstände der Messpunkte von der Geraden am kleinsten ist. Ergebnis sind dann die Werte für die Steigung m und den y-Achsenabschnitt b: y= x + b. (5.32) Abbildung 5-7 zeigt ein Diagramm, in dem Messwerte yk einschließlich ihres Fehlerbalkens der Länge ± yk an vorgegebenen Messpunkten xk aufgetragen sind. Die xk seien fehlerfrei angenommen, tragen also keinen Balken. y 6 5 4 c xk 3 b 2 0 yk yk a 1 2 3 4 x Abb. 5.7: Messwerte mit einer Ausgleichsgeraden, aus der der Achsenabschnitt b und die Steigung m=c/a entnommen werden können. Mit einem durchsichtigen Lineal kann man dann näherungsweise durch die Punkte eine Ausgleichsgerade legen und so die Konstanten m und b bestimmen. Dies ist oft schon eine 28 genügend genaue Auswertung. Die exakte algebraische Auswertung geschieht nach dem genannten von Gauß angegebenen Verfahren der kleinsten Quadrate wie folgt: Man bildet die Differenz zwischen den Messwerten yk und den erwarteten Funktionswerten (mxk + b), quadriert sie und summiert sie auf: n S yk 2 mx k b . (5.33) k 1 Die beste Anpassung der Geraden an die Messpunkte ergibt sich nach der statistischen Theorie nun dort, wo diese Summe S ein Minimum bezüglich der gesuchten Parameter hat, in unserem Beispiel also sowohl für m als auch für b. In diesem Extremwert der Funktion S müssen die partiellen Ableitungen nach beiden Parametern m und b verschwinden: n S m 2 S b 2 xk y k mx k b (5.34) k 1 und n yk mx k b . (5.35) k 1 Umstellen dieser beiden Gleichungen liefert bezüglich m und b das lineare Gleichungssystem: n n x k2 m nbx k 1 mx xk y k und (5.36) k 1 b y (5.37) wobei x und y die arithmetischen Mittelwerte der xk bzw. yk (vgl. Gl. (5.1)) bezeichnen. Daraus erhält man durch Auflösen die gesuchten Bestwerte der Parameter zu: xk yk m b x y x k2 x n x y 2 k x 2 k und nx 2 xk y k nx 2 . (5.38) (5.39) 29 Wahrscheinlich (hoffentlich) ist Ihnen aufgefallen, dass bei den hier angegebenen Verfahren des „Geradenfits“ die Unsicherheiten xk und yk der einzelnen Messwerte xk, yk nicht bewertet werden. Das kann man besser machen, und wie wird im Anhang dargestellt. Die relativ einfachen Verfahren der linearen Regression legen es nahe, auch für nicht lineare Zusammenhänge eine linearisierte Darstellungsweise zu wählen, um sie auf diese Weise auswerten zu können. So gehorcht z. B. der radioaktive Zerfall dem Gesetz: N N0e t (5.40) Die Aktivität klingt mit wachsender Zeit t exponentiell ab. Eine Auftragung von ln(N/N0) in Abhängigkeit von der (linear aufgetragenen) Zeit ergibt eine abfallende Gerade, deren Steigung die Zerfallskonstante festlegt. In der experimentellen Praxis benutzt man heutzutage numerische Verfahren zur Durchführung der Anpassungsrechnungen. In den meisten Datenanalyseprogrammen (z.B. Origin, Gnuplot oder root) sind diese integriert. Einige gute Einführung in die verwendeten Verfahren ist z.B. im (englischen) Buch „Numerical Recipes“ von Press und Koautoren zu finden. Wir betrachten nun den Spezialfall, dass m = 0 wird. Dann ergibt sich als Gerade eine Parallele im Abstand b zur x-Achse und die Messresultate yk sind unabhängig von x. Für b erhält man in diesem Fall einfach y , das arithmetische Mittel der Messwerte, wie schon im oben diskutierten Fall der wiederholten Messung ein und derselben Größe (vgl. Abschnitt 5.2.4). Die Abszissenwerte wären dann als die Zeitpunkte der einzelnen Messungen zu interpretieren und ohne Belang, d.h. die Messgrößen x und y sind unkorreliert. Als Minimum der Summe der Fehlerquadrate Gl. (5.33) finden wir dann (abgesehen von Normierungsfaktoren) die Varianz Gl. (5.3) wieder: n n (y k b)² k 1 (y k y )² nV . (5.41) k 1 Korrelation zweier Messgrößen Mit m verschwindet auch der Zähler auf der rechten Seite von Gl. (5.38) und es wird 1 n xk y k nk1 (x y ) x y, (5.42) d. h. der Mittelwert des Produkts von x und y ist gleich dem Produkt der Mittelwerte von x und y selbst. Nach den Regeln der Statistik gilt dies immer dann (im Sinne eines notwendigen Kriteriums), wenn x und y unkorreliert also unabhängig voneinander sind, wie ja das Beispiel der Geradengleichung y = b = const. aussagt. 30 Man benutzt aber dieses Kriterium in viel allgemeineren statistischen Untersuchungen zur Korrelation zwischen verschiedenen Messgrößen x und y, vor allem auch dann, wenn es um die Prüfung vermuteter Korrelationen geht, für die noch kein konkreter mathematischer Zusammenhang formulierbar ist, wie z. B. die komplexe Frage, ob, wie und gegebenenfalls ab welcher Dosis radioaktive Strahlenbelastung mit dem späteren Auftreten von Krebs korreliert. Eine gefundene Korrelation bedeutet dagegen noch nicht, dass auch ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Zur Verallgemeinerung definieren wir die Kovarianz von x und y durch den Zähler in Gl. (5.38). Dabei gelten die beiden äquivalenten Definitionen (Beweis durch Ausrechnen): cov( x, y ) (x y ) x y (( x x )( y y )) . (5.43) Setzen wir darin x = y, so finden wir zur üblichen Varianz einer einzigen Variablen (Gl. (5.3)) zurück: cov( x, x ) cov( x ) v(x) x² x 2 (x x )² . (5.44) Um eine dimensionslose Beschreibung des Zusammenhangs der beiden Messgrößen x und y zu erhalten, berechnet man den so genannten Korrelationskoeffizienten durch die Division von Gl. (5.43) mit dem Produkt der Standardabweichung von x und y. ( x, y ) cov( x, y ) x Man kann zeigen, dass sich 1 ( x, y ) . (5.45) y in den Grenzen 1 (5.46) bewegt. An den beiden Grenzen sind die Datensätze voll korreliert, d. h. kennt man den Wert = 0 sind die Messgrößen einer Messgröße, so ist die andere dadurch definiert. Bei unkorreliert, wie oben beschrieben. 31 Abb. 5-8: Beispiele von Messwertverteilungen mit verschiedenen Korrelationskoeffizienten : a) = 0,75, b) = -0,75, c) = 0,95 (sehr stark korreliert), d) korreliert). In allen Beispielen wurde für die Breite der Verteilungen = 0,25 (schwach = y = 1 in Einheiten der Abszisse bzw. Ordinate gewählt. (Quelle: Glen Cowan, Statistical Data Analysis, Oxford University Press, 1998) x Abbildung 5-8 zeigt Beispiele von Verteilungen der Messgrößen x und y für verschiede Werte von . HINWEIS: Die Formeln für Standardabweichungen, lineare Regression, KorrelationsKoeffizient etc. sind auf wissenschaftlichen Taschenrechnern in der Regel vorprogrammiert! 33 6 BEISPIELAUFGABE 6.1 Aufgabe Wir beobachten einen Zug beim Verlassen des Bahnhofes und nehmen an, dass er nach seiner Abfahrt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung ausführt. Es werden 2 unterschiedliche Messungen der Ankunftszeit durchgeführt. 1. Bestimmen Sie mit den Daten der ersten Messung die Beschleunigung a des Zuges 2. Mit den Daten der zweiten Messung ermitteln Sie wiederum die Beschleunigung. Fertigen Sie ein Histogramm der gemessenen Zeiten an und tragen Sie die Gaußverteilung ein. 3. Vergleichen Sie die Ergebnisse und deren Fehler. Messung 1: 10 Praktikanten mit Stoppuhren stellen sich mit jeweils 10m Abstand entlang des Gleises auf. Gleichzeitig mit dem Start des Zuges werden alle Stoppuhren gestartet. Sobald der Zug die Position einer Stoppuhr erreicht, wird die Zeit gestoppt. Man erhält folgende Wertetabelle: 2 3 4 5 6 7 8 9 10 4,5 6,4 7,7 8,9 9,9 10,9 11,9 12,5 13,5 14,2 Strecke s /m 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Uhr Zeit t Nr. 1 /s Messung 2: 20 Praktikanten stellen sich an die 100 m Marke und nehmen die Zeit, die der Zug für diese Strecke bei gleichmäßiger Beschleunigung benötigt. Praktikant Nr. 1 Zeit t /s 14,1 Praktikant Nr. 11 Zeit t /s 13,7 2 3 4 5 6 7 8 9 10 14,0 13,7 14,0 14,3 14,1 14,1 13,9 14,1 14,1 12 13 14 15 16 17 18 19 20 13,9 14,3 14,6 14,6 13,8 14,1 14,3 14,3 14,1 Messfehler der einzelnen Größen: Der Fehler der Zeitmessung beträgt t = Reaktionszeit der Praktikanten verursacht. 0,3 s. Er wird hauptsächlich durch die Die Streckenmessung wurde mit einem Maßband von 100 m Länge durchgeführt. Der Fehler beträgt aufgrund der Länge des Maßbandes s = 0,15 m. 34 6.2 Auswertung Teil 1 Aus der Theorie kennt man den quadratischen Zusammenhang zwischen Weg und Zeit 1 a t2. 2 s Wir tragen daher die Messwerte in einem s-t²-Diagramm auf. Es ist eine Gerade mit der 1 a zu erwarten. In der folgenden Tabelle wurden zunächst die gemessenen Steigung m 2 Zeiten t quadriert. s /m 10 t² /s² t² /s² 20 30 40 50 60 70 80 90 100 20,3 41,0 59,3 79,2 98,0 118,8 141,6 156,3 182,3 201,6 2,7 3,8 4,6 5,3 5,9 6,5 7,1 7,5 8,1 8,5 Fehlerbetrachtung Das Quadrat der gemessenen Zeiten ist mit einem Fehler t2 behaftet, der sich aus dem Fehler der gemessenen Zeiten t ergibt. Nach dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz folgt: t2 2 t t. Diese Fehler t2 wurden ebenfalls in obiger Tabelle angegeben. Grafische Darstellung und qualitative grafische Auswertung der Steigung Die gemessenen Strecken werden in Abhängigkeit von den zugehörigen quadrierten Zeiten in das unten gezeigte Diagramm aufgetragen. Die Fehler t2, mit denen die Quadrate der Zeiten behaftet sind, werden als Fehlerbalken eingezeichnet. Aufgrund der unterschiedlichen Fehler gibt es keine einfache analytische Möglichkeit, eine Steigungsgerade festzulegen und einzuzeichnen. Stattdessen muss eine fehlergewichtete lineare Regression durchgeführt werden, wie sie in Anhang-1 dargestellt ist. Um trotzdem zu einer oftmals akzeptablen Näherung zu kommen, kann man als Näherung zwei Geraden mit der größten und der kleinsten Steigung einzeichnen. Im Beispiel unten wurden dazu die Enden der Fehlerbalken des größten und des kleinsten Messwertes über Kreuz verbunden. Man bestimmt die Steigung dieser beiden Geraden und daraus einen Mittelwert sowie eine grobe Abschätzung für den Fehler. Diese Methode berücksichtigt aber die Fehler aller dazwischen liegenden Punkte nicht und ist nur dann näherungsweise zulässig, wenn alle Fehler von ähnlicher Größe sind. 35 100 mmax = 0.53m/s² 80 mmin = 0.47m/s² 60 s / m 40 20 0 0 50 100 150 200 250 t² / s² Abb. 6-1: s-t²-Diagramm und einfache grafische Erstellung einer Ausgleichsgeraden Die Abbildung zeigt aber bereits deutlich, dass alle Messwerte gut auf einer Geraden liegen und somit das oben angegebene Weg-Zeit-Gesetz bestätigt ist. Geradensteigung Mit Hilfe des Steigungsdreieckes folgt die Steigung der beiden Geraden gemäß s2 t 22 mmax s1 t12 0,53 m s2 mmin s4 t 42 Als Näherung für die wirkliche Steigung geben wir den Mittelwert m Fehler m m max m m m min 2 m 0,50 0,03 s3 t 32 0,47 mmax mmin 2 m . s2 folgt 1,00 0,06 , als an. Für die Beschleunigung des Zuges muss nach dem Weg-Zeit-Gesetz gelten: a a m . s2 m . s2 2 m , damit 36 Teil 2 Zunächst berechnen wir den Mittelwert der gemessenen Zeiten. Wir verwenden dazu die eingebauten Statistikfunktionen des Taschenrechners. Die Berechnung ist natürlich ebenso „von Hand“ möglich. Die Verwendung eines geeigneten Taschenrechners ist jedoch aus Gründen der Zeitersparnis zu empfehlen. Der Mittelwert ergibt sich zu: 1 20 t 20 ti 14,105 s . i 1 Wir berechnen auch die Standardabweichung mit dem Taschenrechner und erhalten: 20 ti t 2 i 1 19 20 1 0,248 s sowie t 19 20 0,055s . Grafische Darstellung Wir erstellen nun aus den gemessenen Zeiten ein Histogramm. Wir fassen dazu Intervalle von jeweils 0,1s um einen Wert zusammen. Mit den berechneten Werten für Mittelwert und Standardabweichung zeichnen wir eine Normalverteilung in das gleiche Diagramm ein: 10 Häufigkeit 8 6 4 2 0 13 13,5 14 14,5 15 t [s] Abb. 6-2: Histogramm und Gaußverteilung Oft wird auf der y- Achse auch eine relative Häufigkeit, oder die Häufigkeit geteilt durch die Intervallbreite (hier: die Zeitauflösung t) aufgetragen. Der Vorteil ist, dass die erhaltene Darstellung unabhängig von der Wahl von t ist. 37 Beschleunigung Die Beschleunigung des Zuges ergibt sich aus dem Weg-Zeit-Gesetz zu 2 s a t 2 . Für die Fahrstrecke s setzen wir die gemessene Strecke s = 100 m ein, für die Zeit t den oben berechneten Mittelwert der Zeiten. Man erhält dann: 2 100m a 14,105 1, 005 2 m . s2 Der Fehler der Beschleunigung berechnet sich, da die Größen s und t voneinander unabhängig sind, nach der Gaußschen Fehlerfortpflanzungsformel: a 2 2 t 4 s s 2 t 3 2 t 0,008 m . s2 Gegenüberstellung der Ergebnisse In der folgenden Tabelle werden die Ergebnisse der beiden Aufgaben und deren Fehler einander gegenübergestellt: Beschleunigung a in m s2 absoluter Fehler von a in m s2 relativer Fehler von a in % Messung 1 Messung 2 1,00 1,005 0,06 0,008 6 0,8 Diskussion Beide Messungen liefern im Rahmen ihrer jeweiligen Fehler übereinstimmende Ergebnisse. Dabei ist aufgrund der inkorrekten Auswertung der erste Wert nur eine Abschätzung, dies wird auch durch den großen Fehler belegt. Für die zweite Messung wird ein deutlich geringerer Fehler erzielt, da erstens mehr Messwerte vorliegen und zweitens die Fahrtzeiten im Mittel länger sind und dadurch der Fehler der Zeitmessung geringer wird. Die Messergebnisse bestätigen diese Erwartung. Der relative Fehler der Messung 2 liegt mit 0,8 % um einen Faktor 8 niedriger als der abgeschätzte relative Fehler der Messung 1. (Je nach Art 38 der Datennahme wären zusätzlich in beiden Fällen auch noch systematische Fehler zu diskutieren, z.. B. infolge der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls). 39 VORVERSUCH 0: VORBEREITENDE STATISTIKÜBUNG Thematik in Stichpunkten Statistische und systematische Fehler, relative und absolute Fehlerangabe, Zufallsvariablen, Häufigkeitsverteilung, Histogramm, arithmetisches Mittel, Varianz, Standardabweichung, Gaußverteilung, Fehlerfortpflanzung, lineare Funktionen, Ausgleichsgerade, lineare Regression. Nur für Physiker: Korrelation von Messgrößen. Grundlagen Lesen Sie hierzu Kapitel 5 und 6. 40 Aufgaben zur Vorbereitung 1. Berechnen Sie die fehlenden Werte in der Tabelle: Apfel m /g m /g d /cm d /cm 1 100 5 5,4 0,1 2 120 5 5,8 0,1 3 180 5 6,9 0,15 4 230 5 7,5 0,15 5 250 5 7,8 0,15 6 300 5 8,2 0,15 7 360 5 9,0 0,2 8 410 5 9,5 0,2 9 490 5 10,0 0,2 10 540 5 10,5 0,2 r /cm r /cm V /cm³ V /cm³ 2. Tragen sie grafisch auf: a) Die Masse der Äpfel in Abhängigkeit von ihrem Radius. b) Die Masse der Äpfel in Abhängigkeit von ihrem Volumen. 3. Welchen funktionalen Zusammenhang erwarten Sie in den Fällen 2a) bzw. 2b)? 4. Bestimmen Sie im zweiten Diagramm die Steigung a) mit der einfachen Näherung der Maximal- und Minimalsteigung grafisch mit Hilfe von Ausgleichsgeraden. b) rechnerisch mit Hilfe von linearer Regression. Vernachlässigen Sie hierzu die Fehler in der Massenbestimmung! 5. Erstellen Sie ein Histogramm über die Anzahl der Äpfel pro Volumen. Wählen Sie hierzu sinnvolle Volumenintervalle. 6. Berechnen Sie die Dichte der einzelnen Äpfel. Bilden Sie Mittelwert und Standardabweichung. 7. Interpretieren und bewerten Sie Ihre Ergebnisse! 41 Aufgabe 1 (vor Ort): Die Anzahl der Pulsschläge pro Zeiteinheit (I) Messen Sie die Anzahl der Pulsschläge pro Zeiteinheit zur Bestimmung der Pulsfrequenz im Selbstversuch sowie an einer Testperson. Benutzen Sie dazu eine Uhr mit Sekundenzeiger bzw. eine „normale“ Stoppuhr (falls vorhanden). Führen Sie jeweils eine Messung bei 15, 30, 45, 60, 75, 90, 105 und 120 Sekunden durch. Auswertung: a) Erstellen Sie eine Tabelle mit den Messwerten, den dazugehörigen Fehlern, den berechneten Pulsfrequenzen und den Fehlern der Pulsfrequenzen für beide Personen. b) Tragen Sie die Pulsschläge für beide Personen als Funktion der Messdauer in ein Diagramm ein. Benutzen Sie unterschiedliche Symbole, um die Personen zu kennzeichnen, und zeichnen Sie die Fehlerbalken ein. Bestimmen Sie für eine der Personen die Steigung der Ausgleichsgeraden auf zwei Wegen: i. Grafisch über die Geraden mit größter und kleinster Steigung ii. Rechnerisch über die lineare Regression gemäß Kapitel 5.3.4. c) Mitteln Sie die Pulsfrequenzen aus a). Vergleichen Sie die Werte mit b) und diskutieren Sie die systematischen und statistischen Ungenauigkeiten. Aufgabe 2: Die Anzahl der Pulsschläge pro Zeiteinheit (II) Führen Sie analog zu Aufgabe 1 eine Serie mit10 Messungen von jeweils 30 s Dauer durch. Auswertung: Erstellen Sie je ein Histogramm über die Verteilung Ihrer Messwerte für beide Personen. Bestimmen Sie jeweils den Mittelwert, die Varianz und die Standardabweichung. Vergleichen Sie Ihr Resultat mit demjenigen aus Messung I und diskutieren Sie die Genauigkeit der Vorgehensweise. 43 VORVERSUCH I: ROLLEN AUF DER SCHIEFEN EBENE, PENDEL Thematik in Stichpunkten Newtonsches Kraftgesetz, Energiesatz der Mechanik, geradlinige Bewegung und Drehbewegung, Trägheitsmoment, Drehmoment, Winkelgeschwindigkeit, physikalisches und mathematisches Pendel, Kräfteparallelogramm und Zwangskräfte, Messdatenerfassung und darstellung, Trigonometrie. Grundlagen Gleiten und Rollen auf einer schiefen Ebene Ein Körper mit dem Schwerpunkt S, der auf einer schiefen Ebene mit dem Neigungswinkel gegen die Horizontale (s. Abb. VV1-1) abgleitet oder abrollt, führt darauf wie beim Fallgesetz eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung aus. s= 1 a t². 2 (VV1-1) s S R FII h0 I FI FG Abb. VV1-1: Schiefe Ebene h 44 Die während der Zeit t zurückgelegte Strecke s wächst proportional zur Beschleunigung a und mit dem Quadrat der Zeit. Allerdings ist die Beschleunigung a jetzt gegenüber der freien Fallbeschleunigung g = 9,81 m/s2 (VV1-2) reduziert, weil von der Schwerkraft FG = M g (VV1-3) nur die Komponente entlang der schiefen Ebene wirksam wird: F = M g sin (VV1-4) Die senkrechte Komponente F = M g cos (VV1-5) wird von der Unterlage aufgenommen, d.h. durch eine gleich große, entgegengesetzte Zwangskraft kompensiert. Gleitet der Körper nun ohne Reibung und auch ohne Rollen auf der Ebene ab, so liefert das Newtonsche Kraftgesetz F = M g sin = M a = M s (VV1-6) für die Beschleunigung auf der schiefen Ebene den Wert s = g sin (VV1-7) Startet der Körper aus der Höhe h0 entsprechend s = 0 mit der Geschwindigkeit v0 = 0, so hat er nach der Zeit t die Geschwindigkeit t s v a dt (g sin ) t (VV1-8) 0 erreicht und dabei die Strecke t s = v dt 0 1 (g sin )t 2 2 (VV1-9) 45 zurückgelegt. Was ändert sich beim Rollen? Hier hilft am einfachsten eine Energiebetrachtung weiter! Da wir Reibung ausschließen, ist die mechanische Energie, d.h. die Summe aus potentieller Energie Ep und kinetischer Energie Ek beim Abrollen ebenso wie beim Abgleiten erhalten. E = Ep + Ek = const. (VV1-10) Dabei wandelt sich die potentielle Energie der Schwerkraft Ep = M g h (VV1-11) in kinetische Energie um. Beim Rollen können wir diese in zwei Anteile aufspalten. Der erste Etrans = 1 M s² 2 (VV1-12) ist die Translationsenergie, die auf die Schwerpunktsbewegung entfällt. Dazu kommt ein Anteil Erot = 1 2 ² (VV1-13) der in der Rotationsbewegung der einzelnen Massenelemente um den Schwerpunkt S steckt. Darin ist v R (VV1-14) die Winkelgeschwindigkeit, mit der sich der Körper – hier eine Kugel mit Radius R – um S dreht. Das Rollen ohne Schlupf verlangt nun, dass die Bahngeschwindigkeit v auf dem Rollradius R genauso groß ist, wie die Geschwindigkeit s , mit der sich der Schwerpunkt S gegenüber der Unterlage bewegt. ist das so genannte Trägheitsmoment des Körpers. Es tritt bei allen Gleichungen von Drehbewegungen starrer Körper an die Stelle, die ansonsten die Masse bei Bewegungen von Massepunkten einnimmt. Das Trägheitsmoment hängt von der Gestalt und der Massenverteilung des Körpers ab, aber auch von der Lage der Drehachse. Wir werden darauf im Anhang genauer eingehen. Für eine Drehachse durch den Schwerpunkt S beträgt das Trägheitsmoment einer massiven Kugel 46 Kugel 2 M R². 5 = (VV1-15) Drücken wir in (VV1-11) noch die Höhe h durch die zurückgelegte Strecke s aus h = h0 – s sin (VV1-16) so nimmt der Energiesatz (VV1-10) die Form E = Ep + Etrans + Erot = M g (h0 – s sin + 1 1 Ms2 + 2 2 s2 = const (VV1-17) R2 an. Wir haben darin nur noch eine Variable, s, und können daher die Gleichung leicht lösen. Dazu differenzieren wir (VV1-17) nach der Zeit und beachten dabei, dass die Zeitableitung aller Konstanten Null ist und die eines Quadrates nach der Kettenregel d 2 s dt d v² dt 2vv 2ss . (VV1-18) Damit folgt aus (VV1-17) - (M g sin ) s + (M + R² ) ss = 0. (VV1-19) Division durch s und Auflösen nach s liefert die gesuchte Bewegungsgleichung des Abrollens auf der schiefen Ebene M s= M g sin (VV1-20) R² Beim Rollen ist also die Beschleunigung gegenüber dem Fall des Abgleitens (VV1-7) um den Bruchteil M / (M + / R2) reduziert, weil jetzt zusätzlich zu der kinetischen Translationsauch Rotationsenergie aufgebaut werden muss. Setzen wir das Trägheitsmoment der Kugel (VV1-15) ein, so kürzen sich R2 und M wieder heraus und wir erhalten als Schlussformel für die Abrollbeschleunigung der Kugel ar, Kugel = 1 2 1 5 g sin = 5 g sin 7 (VV1-21) 47 bzw. nach (VV1-1) für die zurückgelegte Strecke s= 5 g sin t². 14 (VV1-22) Fadenpendel Unter einem Fadenpendel versteht man einen kleinen, an einem dünnen Faden aufgehängten Körper. Es wird vorausgesetzt, dass die Masse des Fadens gegenüber der Masse des Körpers vernachlässigt werden kann und dass der Körper so kleine Abmessungen hat, dass man sich seine Masse als in einem Punkt konzentriert vorstellen kann. Man nennt diesen Spezialfall das mathematische Pendel: FR FS FG Abb. VV1-2: Fadenpendel Lenkt man das Pendel um einen Winkel aus, so kann man die auf den Körper wirkende Gewichtskraft FG = M g in eine rückstellende Kraft FR sowie in eine Seilkraft FS zerlegen. Sie bewirkt, dass der Faden während der Bewegung gespannt bleibt, d.h. das Seil eine entgegengesetzte Zwangskraft als Zentripetalkraft zur Verfügung stellt. FR wächst mit dem Sinus des Winkelausschlags und ist diesem entgegen gesetzt FR = -M g sin (VV1-23) Das ist typisch für alle Schwingungen um einen Ort des Minimums der potentiellen Energie, so z.B. auch für Federschwingungen. FR beschleunigt die punktförmig gedachte Masse auf einem Kreisbogen mit Radius l. Die darauf zurückgelegte Strecke s drücken wir durch l und den Winkel im Bogenmaß aus s=l (VV1-24) 48 Damit gewinnen wir aus dem Newtonschen Kraftgesetz die Bewegungsgleichung für das mathematische Pendel FR = -M g sin = M s = M l . (VV1-25) Aufgelöst nach der Winkelbeschleunigung lautet sie g sin l =- (VV1-26) Sie stellt eine funktionale Beziehung zwischen einer Variablen – in diesem Falle - und deren Ableitungen dar. Solche Art Gleichungen werden generell Differentialgleichungen (DGL) genannt. Die Pendelbewegung muss also eine Funktion (t) sein, die der DGL (VV126) genügt. Eine einfache analytische Lösung lässt sich nur für kleine Winkelausschläge des Pendels gewinnen. Dort können wir die Näherung sin ~ (VV1-27) benutzen. 1 (VV1-26) vereinfacht sich dann weiter zu g l . (VV1-28) Die Erfahrung zeigt uns, dass die Lösung eine periodische Schwingung um das Lot = 0 sein muss. In der Tat befriedigen die einfachsten Winkelfunktionen Sinus oder Cosinus die DGL (VV1-28). Wir setzen daher die Lösung wie folgt an (t) = Darin beschreibt 0 cos( t + 0). (VV1-29) den Maximalausschlag, den das Pendel erreicht, wenn der Cosinus seine Extremwerte ± 1 annimmt. 0 beschreibt die Anfangsphase der Pendelschwingung zur Zeit t = 0. Sie kann ebenso wie die andere Anfangsbedingung 0 frei gewählt werden, d.h. (VV128) sagt über diese beiden so genannten Randbedingungen nichts aus, wohl aber über die Kreisfrequenz 0 =2 1 =2 T (VV1-30) Stellen Sie zur Übung die Funktionen f(x) = x und f(x) = sin(x) im Bereich 0 < x < und veranschaulichen Sie sich, dass diese Näherung für kleine Winkel vernünftig ist! / 2 dar 49 ( = Frequenz, T = Periode der Schwingung). Hierzu differenzieren wir (VV1-29) zweimal nach der Zeit und erhalten unter Verwendung der Kettenregel =- 0 sin( t + =- 0 cos( t + 0) 0) ²=- ² (VV1-31) und daraus durch Vergleich mit (VV1-28) ²= g l (VV1-32) bzw. T=2 l g (VV1-33) In unserer Näherung hängt also die Schwingungsdauer des mathematischen Pendels nur von seiner Länge und der Erdbeschleunigung ab, nicht aber vom Maximalausschlag 0 – das ist entscheidend für die Ganggenauigkeit einer Pendeluhr.2 In Abb. VV1-3 ist die Pendelschwingung (VV1-29) als Funktion der Zeit graphisch dargestellt mit der Anfangsphase 0 = 0. Eine solche rein sinusförmige Schwingung nennt man auch harmonisch. 2 Man kann sich leicht überlegen, dass bei größeren Ausschlägen, wo die Rückstellkraft (VV1-23) mit sin abflacht, die Schwingungsdauer anwachsen muss; bis zu 0 = 0,1 rad (entsprechend ca. 6°) bleibt diese Zunahme jedoch unter 0,1%. Bei größeren Ausschlägen ändert sich zusätzlich auch die Schwingungsform; sie ist dann nicht mehr rein sinusförmig. 50 T=2 / 0.5 1 1.5 2 t T Abb. VV1-3: Harmonische Schwingung Es folgen einige Fragen, die typischerweise im Vortestat gestellt werden können. Dieser Fragenkatalog ist nicht vollständig, sondern soll lediglich einen Eindruck über den inhaltlichen Umfang vermitteln. (Bei den späteren Versuchen ist es Aufgabe des Studierenden, sich über Inhalt und Umfang des Versuchsstoffes zu informieren!) I. Schiefe Ebene 1. Leiten Sie an der Tafel die Formel (VV1-20) her. 2. Wie unterscheiden sich physikalische Größen, die Skalare bzw. Vektoren sind? 3. Welchen Einfluss hat die Kraft senkrecht zur schiefen Ebene? 4. Wie misst man eine Kraft? 5. Erläutern Sie die Wirkungsweise einer Waage bzw. einer Umlenkrolle. 6. Wie groß ist die Gewichtskraft auf der Erdoberfläche und im Abstand von 10 Erdradien ( 60.000 km)? 7. Woran erkennt man, ob man die Rotationsenergie der Kugel bei der Auswertung vergessen hat? 8. Eine Rutschbahn führe von A nach B. Ist die kürzeste Verbindung auch die Schnellste?? 51 II. Pendel 1. Leiten Sie die Bewegungsgleichung des mathematischen Pendels (VV1-26) aus dem Energiesatz in Analogie zum Fall der schiefen Ebene her. 2. Leiten Sie die Formel (VV1-29) her. 3. Diskutieren Sie die Energieerhaltung beim Pendel. 4. Wieso weicht die Drehbewegung des mathematischen Pendels von einer harmonischen Schwingung ab? 5. Ist bei großen Amplituden die Rückstellkraft pro Auslenkung größer oder kleiner als beim harmonischen Oszillator? 6. Wie lautet die Schwingungsdauer T als Funktion der Pendellänge und der Erdbeschleunigung für ein mathematisches Pendel? 7. Ist es hinsichtlich des Messfehlers besser, 50mal eine Schwingungsdauer, einmal 50 Schwingungsdauern oder 5mal 10 Schwingungsdauern zu messen? Beispiele für Fragen, deren Antwort sich nicht aus dem Skript ergibt: 1. Was ist ein Foucaultpendel? 2. Leiten Sie die Bewegungsgleichung für ein physikalisches Pendel her. 52 Aufgaben zur Vorbereitung: 1) Eine Vollkugel und eine dünnwandige Hohlkugel gleicher Masse und gleichen Durchmessers rollen die gleiche schiefe Ebene hinab. Wie groß ist das Trägheitsmoment der Hohlkugel? Welche Kugel ist schneller? 2) Zeigen Sie anhand einer einfachen grafischen Darstellung die Grenzen der Näherung Gleichung (VV1-27) auf. 3) Leiten Sie die Schwingungsdauer eines physikalischen Pendels her. Schätzen Sie den Fehler in T ab, der sich bei endlicher Schwingungsamplitude ergibt. Aufgabe 1: Bestimmung der Erdbeschleunigung mit der schiefen Ebene Man lege in die V-förmige Schiene die Fallrinne, in der die Kugel abrollen soll, mit der konkaven Seite nach oben ein. 3 Die Neigung der schiefen Ebene stelle man mit Hilfe eines Stativs ein, auf dessen Arm man den einen Fuß der V-Schiene stellt. Den Neigungswinkel bestimme man aus der Höhe der Anhebung und der Länge der V-Schiene. Man führe die Messung für zwei verschiedene Fallhöhen durch – günstig sind Werte im Bereich zwischen 5 und 15 cm; darunter machen sich Reibungsverluste unangenehm bemerkbar, darüber wird die Fallzeit zu kurz, um sie mit der Hand ordentlich messen zu können. An der Messung beteiligen sich beide Praktikanten. Der eine hält die Kugel am oberen Ende der Fallrinne fest, zählt „drei – zwei – eins – null“ und lässt sie bei „null“ los. Der andere stoppt die Fallzeit ab. Dabei hilft ihm der Countdown, die Reaktionszeit zu verkürzen. Aus dem gleichen Grunde beobachte man auch die Kugel beim Rollen und verlasse sich nicht nur auf das Aufprallgeräusch. Für jede der beiden Neigungswinkel führe man 50 Messungen durch. Nach je 25 Messungen tauschen die Praktikanten ihre Rollen. Auswertung: Bestimmen Sie Mittelwert und Standardabweichung der beiden Laufzeiten. Prüfen Sie bei mindestens einer der beiden Messungen nach, ob es beim Vertauschen der Rollen zu signifikanten Verschiebungen kommt (aufgrund unterschiedlicher Reaktionszeiten der Praktikanten). Berechnen Sie mit den erhaltenen Mittelwerten jeweils die Erdbeschleunigung g mit Fehlerangabe. 3 Man kann den Versuch auch in der V-förmigen Schiene durchführen. Jedoch liegt dann die Kugel auf den beiden rechtwinkligen Seiten auf. Dadurch verringert sich der Abrollradius auf R / 2 . Entsprechend erhöht sich das Verhältnis aus und v. Vor allem aber leidet eine solche Messung unter erhöhter Reibung. 53 Tragen Sie die einzelnen Messwerte jeweils in ein Histogramm (vgl. Abb. 4-2) für beide Fallhöhen ein und beurteilen Sie qualitativ nach dem Augenschein, ob Ihnen diese Verteilung mit einer Gaußkurve verträglich erscheint. Wählen Sie dazu die konstante Intervallbreite der Histogramme so, dass im Maximum zwischen 5 bis 10 Ereignisse ins Intervall fallen. Aufgabe 2: Bestimmung der Erdbeschleunigung mit dem mathematischen Pendel Nehmen Sie ein Pendel (Metallkugel mit Nylonfaden) und befestigen Sie den Faden am Stativ. Achten Sie dabei auf die Standfestigkeit des Stativs, auch bei einer Auslenkung des Pendels! Lenken Sie das Pendel aus. Stoppen Sie nun nacheinander jeweils die benötigte Zeit für eine Periode, für fünf, zehn und fünfzig Perioden. Wie groß schätzen Sie den Fehler der Handstoppung? Bitte wechseln Sie sich auch bei der Messung der Pendelfrequenz ab. Es empfiehlt sich, die Messung am Tiefpunkt des Pendels zu starten und zu stoppen, weil es dort am schnellsten ist, während der Zeitpunkt der Umkehr im Scheitelpunkt der Sinus-Kurve nicht so sicher erfasst werden kann (vgl. auch Abb. VV1-3). Man mache sich zu diesem Zweck eine geeignete Markierung. Will man n Schwingungen abstoppen, so zähle man „0, 1, 2, 3, … n“ und starte bei 0 die Stoppuhr und stoppe sie bei n. Auswertung: Bestimmen Sie aus den Messwerten die Schwingungsdauer und aus der Pendellänge (Abstand zwischen Aufhängepunkt und Schwerpunkt) die Erdbeschleunigung. Geben Sie den Fehler nach der Gaußschen Fehlerfortpflanzung an. Anhang: Drehungen starrer Körper, Trägheitsmoment In Aufgabe 1 hatten wir die kinetische Energie Erot, die in der Rotation der Kugel steckt, mit (VV1-13) durch das Trägheitsmoment und die Winkelgeschwindigkeit der Kugel ausgedrückt. Wir wollen diese Formel jetzt ableiten und dabei auch den Begriff des Trägheitsmoments klären. 54 A AS RS mi = Vi SX ri Abb. VV1-4: Skizze zur Definition des Trägheitsmoments eines starren Körpers um eine raumfeste Achse A. Abb. VV1-4 zeigt einen beliebig geformten Körper der Masse M, der sich um eine raumfeste Achse A mit der Winkelgeschwindigkeit drehen soll. Der gezeichnete Schnitt enthalte die Achse und auch den Schwerpunkt S. Wir teilen nun den Körper in sehr viele Massenelemente mi auf, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Abstände ri von der Drehachse auch unterschiedliche Bahngeschwindigkeiten um die Achse vi = ri (VV1-34) haben. Jedes Massenelement trägt dann zur kinetischen Energie den Beitrag Erot, i = 1 1 vi² mi = 2 2 ² ri² mi (VV1-35) bei. Die gesamte Rotationsenergie erhalten wir dann als Summe über alle Teilbeträge Erot = 1 2 N ² ri2 mi = lim N i 1 1 2 ² (VV1-36) 55 1 ² haben wir dabei ausgeklammert. Außerdem haben wir die 2 Aufteilung beliebig fein gemacht, d.h. den Limes unendlich vieler Teilmassen gewählt. Diese Den konstanten Faktor Summe ist per definitionem das Trägheitsmoment des Körpers, bezogen auf die gewählte Achse A. Es hängt nicht nur von der Gesamtmasse des Körpers ab, sondern auch von seiner Gestalt und der Lage der Achse. Achsenferne Elemente tragen stärker bei als achsennahe und zwar proportional zum Quadrat ihres Abstands. Mit Hilfe der Massendichte des Körpers können wir die Massenelemente auch durch die entsprechenden Volumenelemente Vi substituieren mi = (ri) Vi. (VV1-37) Die Summe stellt dann per definitionem ein Volumenintegral über den Körper dar mit dem Produkt aus Massendichte und Abstandsquadrat als Integranden. Damit gewinnen wir für das Trägheitsmoment die Formel = r ² dV . (VV1-38) Volumen In einfachen Fällen kann man das Integral analytisch bestimmen. Das Trägheitsmoment einer Kugel räumlich konstanter Massendichte für eine Achse durch den Mittelpunkt ist z.B. durch (VV1-15) gegeben. Läuft die Achse A nicht durch den Schwerpunkt wie in Abb. VV1-4, so kann man mit Hilfe des Steinerschen Satzes das entsprechende Trägheitsmoment A auf ein Trägheitsmoment AS bezüglich einer parallelen Achse durch den Schwerpunkt S zurückführen. Liege S im Abstand RS von A, so gilt nämlich A = AS + M RS². (VV1-39) Auch der Gesamtdrehimpuls eines starren Körpers um eine raumfeste Achse lässt sich mit Hilfe des Trägheitsmoments durch die einfache Formel L= (VV1-40) ausdrücken. Denn jede Teilmasse trägt hierzu definitionsgemäß den Beitrag Li = ri pi = ri vi mi = ri² mi (VV1-41) bei. Die Summation über ri2 mi führt wieder auf das Trägheitsmoment und damit zu (VV1-40). 56 Bilden wir die zeitliche Ableitung von (VV1-41) L i = ri² mi = ri² mi so treten die Beschleunigungen ai = ri = = ri mi ai = ri Ftg, i = Ni (VV1-42) entlang der Kreisbahn auf, die wir im Produkt mit mi durch die Tangentialkräfte Ftg,i auf die mi ausdrücken können. Sie beschleunigen die Teilmassen auf ihren Kreisbahnen. Da sie senkrecht auf den ri stehen, bilden sie im Produkt mit diesem Drehmomente Ni um die Achse. Summieren wir wieder über alle Teilmassen, so erhalten wir die wichtige Bewegungsgleichung für den Drehimpuls L = = N. (VV1-43) N ist hier das resultierende Drehmoment um die Achse. Mit Hilfe von (VV1-43) können wir z.B. die Bewegungsgleichung des physikalischen Pendels aufstellen. Dazu bestimmen wir N aus der gesamten Schwerkraft Mg, die im Schwerpunkt angreift. Mit Hilfe der Vektorrechnung können obige Überlegungen sehr viel allgemeiner gefasst werden. Z.B. gilt der Drehimpulssatz (VV1-43) auch in der vektoriellen Form L N (VV1-44) ganz allgemein für ein System von N Massenpunkten (auch wenn sie nicht starr verbunden sind). L ist dann der resultierende Drehimpuls um einen beliebig gewählten Punkt im Raum N L ri pi (VV1-45) i 1 und N das resultierende Drehmoment um den betreffenden Punkt N N ri Fi (VV1-46) i 1 Dabei sind die pi die Impulse der Massenpunkte und Fi die daran angreifenden Kräfte. 57 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit a Beschleunigung (acceleration) m s-2 Epot potentielle Energie, Lageenergie kg m 2 s2 J Ekin kinetische Energie, Bewegungsenergie kg m 2 s2 J Erot Rotationsenergie kg m 2 s2 J F Kraft (force) N = kg m s-2 Frequenz 1 s Winkel radian L Drehimpuls kg m² s-1 m, M Masse eines Körpers kg N Drehmoment kg m 2 s2 ,f Hz = s-1 Trägheitsmoment eines starren Körpers bzgl. kg m² der Rotation s zurückgelegte Strecke m t Zeit (time) s T Periodendauer s v Geschwindigkeit m s Winkelgeschwindigkeit s-1 59 VORVERSUCH II: MESSEN IN GLEICHSTROMKREISEN Thematik in Stichpunkten Spannung und Potential, Stromstärke, Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Regeln, Elektronische Bauteile: Widerstand, Kondensator, Diode, Strom-Spannungs-Kennlinien von Leitern, elektrische Energie und Leistung, maximal abgegebene elektrische Leistung, Messgeräte, Innenwiderstand, Potentiometerschaltung, Spannungs-, Strom- und Widerstandsmessungen, Benutzung von Analog- und Digitalmultimetern, Strom- und Spannungsfehlerschaltung Grundlagen Elektrische Ladung Atome sind aus Protonen, Neutronen und Elektronen aufgebaut. Protonen und Elektronen besitzen eine dem Betrag nach gleiche elektrische Ladung, die Elementarladung. Diese hat den Betrag: e = 1,602·10-19C Protonen tragen eine positive Elementarladung, Elektronen eine negative. Ein Körper, der gleich viele positive wie negative Ladungsträger besitzt, ist elektrisch neutral. Besteht in einem Körper ein Überschuss an Ladungsträgern eines bestimmten Vorzeichens, so ist der Körper elektrisch geladen. Kraftwirkung zwischen Ladungen Zwischen elektrischen Ladungen wirken Kräfte, die Coulomb-Kräfte. Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, Ladungen mit entgegengesetztem Vorzeichen ziehen sich an. Die zwischen zwei Ladungen Q und q wirkende Kraft F hat den Betrag F qQ 4 0r 2 (VV2-1) sie wirkt in Richtung der Verbindungslinie der beiden Ladungen. Elektrisches Feld Um eine Größe zu erhalten, mit der die Wirkung einer Ladung Q auf eine andere Ladung q beschrieben wird, dividiert man Gleichung (VV2-1) durch die Ladung q und erhält eine 60 Größe in der Einheit Kraft Ladung . Man nennt diese Größe die elektrische Feldstärke E. Sie ist eine gerichtete Größe (Vektor) und zeigt in Richtung der Coulomb-Kraft. Sie hat den Betrag: E Q 4 0 r2 (VV2-2) Die elektrische Feldstärke bestimmt, wie groß die Coulomb-Kraft ist, die auf eine Probeladung q wirkt, die sich in der Umgebung der Ladung Q befindet. Der Betrag dieser Coulomb-Kraft ergibt sich zu F E q (VV2-3) Im Raum um die Ladung Q herum wirken auf andere Ladungen Kräfte. Diese Raumeigenschaft nennt man das elektrische Feld der Ladung Q. Um zu einer visuellen Vorstellung von diesem Kraftfeld zu kommen, bringt man gedanklich eine positive Probeladung in das Feld der Ladung Q und skizziert den Weg, den diese Probeladung unter dem Einfluss der Coulomb-Kraft nehmen würde. Wiederholt man dies für verschiedene Punkte, so erhält man ein Netz von Linien, die das elektrische Feld der Ladung skizzieren. Als Beispiel sehen Sie in Abb. VV2-1 das elektrische Feld einer kugelförmigen Ladung (z.B. einer elektrisch geladenen Metallkugel): Abb. VV2-1: Elektrisches Feld einer Punktladung. In den Bereichen, in denen die elektrischen Feldlinien dicht beieinander liegen, ist die Feldstärke hoch. In diesen Bereichen ist demnach die Kraftwirkung auf elektrische Ladungen stärker als in Bereichen mit niedriger Feldliniendichte. Man mache sich jedoch bewusst, dass diese Feldlinien nicht real existieren. Sie unterstützen lediglich die Vorstellung der Wirkungsweise des elektrischen Feldes. 61 Verschiebungsarbeit im elektrischen Feld Wir betrachten eine positive Ladung Plattenkondensators befindet: q, die sich im elektrischen Feld eines + + + + + + + + + Probeladung q - - - - - - - - - Abb. VV2-2: Elektrisches Feld eines Plattenkondensators Auf die Ladung q wirkt eine Kraft in Richtung der eingezeichneten Feldlinien. Um die Ladung entlang der Feldlinien zu bewegen, muss Arbeit verrichtet werden. Bei einer Verschiebung um ein kleines Streckenstück dr ist die Arbeit dW = F dr = q E(r) dr (VV2-4) zu verrichten. Das Minuszeichen deutet an, dass bei Verschiebung in Richtung der Feldlinien Arbeit frei wird, während bei Verschiebung entgegen dem Feldlinienverlauf Arbeit verrichtet werden muss. Da die Coulomb-Kraft immer nur in Richtung der elektrischen Feldlinien wirkt, muss für eine Verschiebung senkrecht zu den Feldlinien keine Arbeit aufgewendet werden. Weiterhin gilt, dass der Energieumsatz bei Verschiebung einer Ladung um ein Streckenstück dr und anschließende Verschiebung auf dem gleichen Wege zurück Null ist, da die Arbeit, die in der einen Richtung aufgewendet wird, in der anderen Richtung wieder frei wird. Mit diesen beiden Feststellungen kann man sich leicht überlegen, dass die für die Verschiebung einer Ladung von einem Punkt in einen anderen aufzuwendende Arbeit unabhängig vom Weg ist. Im nachstehenden Bild sehen Sie eine Ladung, die im Feld eines Plattenkondensators von A nach B verschoben werden soll. Dabei ist die Verschiebungsarbeit für jeden der drei skizzierten Wege gleich groß. 62 Abb. VV2-3: Wegunabhängigkeit der Verschiebungsarbeit Sie beträgt: rA W AB rA F dr rB q E dr (VV2-5) rB Diese Verschiebungsarbeit ist gegeben durch die Probeladung q und Start- und Endpunkt des Verschiebungsweges. Von einem beliebigen Bezugspunkt ausgehend kann man für jeden Punkt im Raum die Arbeit bestimmen, die aufzuwenden ist, um die Probeladung dorthin zu verschieben. So betrachtet man häufig die Verschiebungsarbeit, die aufgebracht werden muss, um die Probeladung aus dem Unendlichen zu einem bestimmten Punkt - in unserem Fall A zu bringen. Sie beträgt: WA q E dr . (VV2-6) rA Elektrisches Potential Als von der Probeladung q unabhängige Größe führt man das elektrische Potential A WA q E dr . ein: (VV2-7) rA Das elektrische Potential sagt aus, welche Arbeit bei der Verschiebung einer beliebigen Probeladung aus dem Unendlichen zum durch r gegebenen Punkt pro Ladungseinheit aufgewendet werden muss. Elektrische Spannung Unter der Spannung U zwischen zwei Punkten A und B versteht man die Differenz der Potentiale zwischen diesen beiden Punkten, also: 63 U AB B A W AB . q (VV2-8) Die Spannung hat die Einheit Volt (V). Liegt zwischen zwei Punkten die Spannung 1V an, so muss für die Verschiebung von Ladungen zwischen diesen Punkten für eine Ladungsmenge von 1C eine Arbeit von 1J aufgewendet werden. Oder anders betrachtet: Befindet sich eine Ladungsmenge von 1C frei in einem elektrischen Feld, so beginnt sie sich unter dem Einfluss der Coulomb-Kraft zu bewegen. Wenn diese Ladung eine kinetische Energie von 1J erreicht hat, hat sie eine Strecke durchlaufen, zwischen deren Endpunkten eine Spannung von 1V besteht. Spannungsquellen Eine Spannungsquelle ist ein Gerät, das an verschiedenen Punkten (z.B. an verschiedenen Steckeranschlüssen) unterschiedliche Potentiale bereitstellt. Zwischen diesen Punkten können damit elektrische Spannungen abgegriffen werden. Es gibt verschiedene Methoden, elektrische Spannungen zu erzeugen und zu speichern. Alle Methoden beruhen auf dem Prinzip, Ladungen voneinander zu trennen. Durch die Trennung der Ladungen wirken elektrische Kräfte, die als elektrische Spannungen in Erscheinung treten. Im Alltag beobachtbare Phänomene der Ladungstrennung beruhen auf folgenden Effekten: Reibung: Durch das Reiben unterschiedlicher Materialien aufeinander kann erreicht werden, dass Ladungsträger unterschiedlichen Vorzeichens sich in jeweils einem der Materialien ansammeln. Beispiel: Reiben eines Glasstabes an einem Wolltuch, Aufladung einer Schallplatte beim Abspielen, Streicheln einer Katze. Elektromagnetische Durch Bewegung elektrischer Leiter in Magnetfeldern lassen sich Induktion: Ladungsträger in Materialien bewegen und damit trennen. Beispiel: Dynamo, Generator. Chemie: Beim Eintauchen zweier Metalle mit unterschiedlich großem elektrochemischem Potential in eine Elektrolytlösung entsteht eine Spannung. Beispiel: Batterie, zwei in einen Apfel gesteckte Nägel aus unterschiedlichen Materialien. In einem Schaltbild verwendet man für eine Gleichstromspannungsquelle folgendes Symbol: 64 Elektrischer Strom Unter dem elektrischen Strom I versteht man die pro Zeiteinheit t bewegte Ladungsmenge Q: I dQ . dt (VV2-9) Man misst den Strom in der Einheit Ampere (A). Wird eine Ladung von Q = 1C in einer Zeit von t = 1s transportiert, so fließt ein Strom von I = 1A. Elektrische Leiter und Isolatoren Um einen elektrischen Strom fließen zu lassen, ist ein Medium erforderlich, in dem bewegliche Ladungsträger (z.B. Elektronen) vorhanden sind. Man bezeichnet Materialien, die diese Bedingung erfüllen, als elektrische Leiter. Materialien, die den Transport von Ladungsträgern nicht ermöglichen, nennt man Isolatoren. Gute elektrische Leiter sind Metalle, da sich die Elektronen im Inneren von Metallen mit relativ geringem Widerstand bewegen können und in sehr großer Zahl zur Verfügung stehen. Elektrischer Stromkreis + - Stromfluss Um unter dem Einfluss einer elektrischen Spannung einen Strom fließen zu lassen, ist es notwendig, zwei Punkte unterschiedlichen Potentials - also zwei Punkte, zwischen denen eine Spannung anliegt - durch einen elektrischen Leiter zu verbinden. Dann beginnen die Ladungsträger, sich durch den Leiter vom einen Punkt zum anderen zu bewegen. In Abbildung VV2-4 sehen Sie ein Beispiel für einen sehr einfachen Stromkreis. Links erkennen Sie das Symbol für eine Spannungsquelle, die an zwei Punkten zwei unterschiedliche Potentiale bereitstellt. Der Stromkreis ist z.B. mit einem einfachen Kabel geschlossen (in der Skizze als Linie dargestellt). Der Strom fließt nun vom höheren Potential („Pluspol“) zum niedrigeren Potential („Minuspol“). Abb. VV2-4: einfacher Stromkreis Die Richtung des Stromflusses wird konventionell als die Richtung angegeben, in der sich positive Ladungsträger bewegen würden, also vom höheren Potential zum niedrigeren („von Plus nach Minus“). Bedenken Sie aber, dass in metallischen Leitern die Ladungsträger (Elektronen) einfach negativ geladen sind, und daher die tatsächliche (physikalische) Stromrichtung der technischen Stromrichtung genau entgegengesetzt ist. 65 Elektrischer Widerstand und Ohmsches Gesetz Unter dem Einfluss einer elektrischen Spannung beginnen sich in einem Leiter Ladungen zu bewegen. Wie es jedoch bei der Bewegung makroskopischer Körper durch Reibung zu einer Hemmung der Bewegung kommt, ist auch im Leiter dem Ladungstransport ein Widerstand entgegengesetzt. Man nennt diese Erscheinung den elektrischen Widerstand. Man definiert den elektrischen Widerstand R als den Quotienten der am Widerstand anliegenden Spannung U und dem durch den Widerstand fließenden Strom I: R U I (VV2-10) Er hat die Einheit Ohm ( ). Es gilt 1 = 1 V/A. Für viele Stoffe, insbesondere Metalle, ist R konstant, d. h. unabhängig von U oder I unter sonst konstanten äußeren Bedingungen, insbesondere konstanter Temperatur. Die dann an einem Widerstand anliegende Spannung und der durch den Widerstand fließende Strom sind zueinander proportional. Dieser Befund heißt Ohmsches Gesetz. Man skizziert einen elektrischen Widerstand wie in Abbildung (VV2-5) als kleines Rechteck. Man stellt Widerstände durch das Symbol R (engl.: resistor) dar. Abb. VV2-5: Stromkreis mit Widerstand Leistung In einem Stromkreis mit Widerstand R wie in Abb. VV2-5 verrichten die Ladungsträger für die Überwindung der Potentialdifferenz U eine Arbeit der Größe: W Q U (VV2-11) Diese Arbeit wird in andere Energieformen, vornehmlich Wärme, umgesetzt. (Man bemerkt z.B. eine Erwärmung eines stromdurchflossenen Widerstands.) Die Leistung P ist allgemein als die in der Zeiteinheit verrichtete Arbeit definiert, bzw. in differentieller Schreibweise dW = P dt (VV2-12) 66 Im Zeitintervall dt wird im Stromkreis die differentielle Ladungsmenge dQ = I dt (vgl. Gl. (VV2_9)) über die Potentialdifferenz U geführt und dabei die differentielle Arbeit (vgl. Gl. (VV2_10)) dW = U dQ = U I dt (VV2-13) geleistet. Durch Vergleich mit Gl. (VV2_12) ergibt sich für die elektrische Leistung im Stromkreis das Produkt aus Spannung und Strom: P U I (VV2-14) Die Leistung hat die Einheit Watt (W). Es gilt 1 W = 1 VA. Die Kirchhoffschen Regeln Häufig stellt sich das Problem, in einem komplizierteren Schaltungsnetzwerk wie z. B. in Abb. VV2-6, der berühmten Brückenschaltung, die einzelnen Teilströme Ii, bzw. die an den entsprechenden Widerständen abfallenden Ohmschen Spannungen Ui = Ii Ri zu berechnen. I R R3 1 I1 U I3 M2 R5 M1 R2 I2 I5 R 4 I4 I Abb. VV2-6: Schaltungsnetzwerk aus Spannungsquelle und Widerständen Dies gelingt vollständig mit Hilfe der beiden folgenden Regeln: 1. Kirchhoffs Knotenregel: In jedem Knoten ist die Summe der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme (folgt aus der Ladungserhaltung). Also gilt z. B. in Abb. VV2-6: I = I1 + I3 = I2 + I4 und I1 = I2 + I5 bzw. I4 = I3 + I5 (Ströme in (gegen) Pfeilrichtung werden jeweils positiv (negativ) gerechnet; die Pfeilrichtung ist daher im Prinzip frei wählbar.) 67 2. Kirchhoffs Maschenregel: Längs einer geschlossenen Masche eines Stromkreises ist die Summe aller durchlaufenen Spannungen Null (folgt aus der Wegunabhängigkeit des elektrischen Potentials). Wir unterscheiden dabei zwischen so genannten eingeprägten Spannungen Ue aus Spannungsquellen, die die Energie liefern z. B. Batterien, und den Ohmschen Spannungsabfällen Ui = Ii Ri an den einzelnen Widerständen, wo die Energie verbraucht wird. Man vereinbart praktischerweise folgende Vorzeichen: Die Ue zählen positiv, wenn sie im Umlaufsinn der Masche vom Plus- zum Minuspol durchlaufen werden; die Ui zählen positiv, wenn die entsprechenden, eingezeichneten Strompfeile parallel zum Umlaufsinn der Masche sind. Dann lautet die Regel: In einer Masche ist die Summe der eingeprägten Spannungen gleich der Summe der Ohmschen Spannungsabfälle. Für die Masche M1 in Abb. VV2-6 gilt dann mit Ue = U: U = U1 + U2 = I1 R1 + I2 R2, und für die Masche M2, die keine eingeprägte Spannung enthält: 0 = I3 R3 - I5 R5 - I1 R1, Das Gleichungssystem aus allen Knoten- und Maschenbeziehungen kann man lösen, z. B. bezüglich des gesuchten Brückenstroms I5. In diesem Beispiel verzichten wir darauf und wählen eine einfachere Lösung. Anwendung der Kirchhoff’schen Regeln Serienschaltung von Widerständen/Spannungsteiler Betrachtet man einen Stromkreis mit zwei in Reihe geschalteten Widerständen R1 und R2 (Abb. VV2-7), so fließt nach der Knotenregel durch beide der gleiche Strom I. I R1 U1 R2 U2 U Abb. VV2-7: Serienschaltung zweier Widerstände 68 An den Widerständen R1 und R2 fallen damit die Spannungen U1 R1 I bzw. U 2 R2 I ab, deren Summe nach Kirchhoffs Maschenregel gleich der angelegten Spannung U ist. U = U1 + U2 = I R1 + I R2 = I (R1 + R2) = I Rges (VV2_-15) Die beiden Widerstände addieren sich folglich zum Gesamtwiderstand Rges Rges =R1 + R2 (VV2-16) Eine solche Serienschaltung von zwei Widerständen R1 und R2 ist auch als Spannungsteiler verwendbar. Die an den einzelnen Widerständen abfallenden Ohmschen Spannungen: U1 R1 I U2 U R2 Rges R1 U R ges U U R2 R1 R2 R1 bzw. R1 R 2 . (VV2-17) sind direkt proportional zum Verhältnis des jeweiligen Widerstands zum Gesamtwiderstand. Dies gibt die Möglichkeit definierte Teilspannungen zu erzeugen. Parallelschaltung von Widerständen/Stromteiler Zwei Widerstände lassen sich auch parallel in einen Stromkreis schalten: I P I1 U M1 R1 I2 R2 Abb. VV2-8: Parallelschaltung zweier Widerstände Betrachtet man die erste Masche M1, so erkennt man, dass die am Widerstand R1 abfallende Spannung gleich der angelegten Spannung ist Uges = U1 = I1 R1. Ebenso gilt in einer zweiten Masche über R2 Uges = U2 = I2 R2. (VV2-18) Der Gesamtstrom Iges ergibt sich nach der Knotenregel im Punkt P aus den beiden Teilströmen 69 I ges I1 I 2 U1 R1 U2 R2 U ges 1 R1 1 . R2 Damit erhält man für den Gesamtwiderstand Rges U ges I ges 1 1 R1 1 R2 . Die Widerstände in einer Parallelschaltung addieren sich also reziprok 1 Rges 1 R1 1 . R2 (VV2-19) Eine Parallelschaltung ist auch als Stromteiler analog der Serienschaltung als Spannungsteiler einsetzbar. Das Wassermodell: Zum besseren Verständnis der Vorgänge in einem elektrischen Stromkreis kann man diese mit den Vorgängen im Wasserkreislauf vergleichen. Hier fließt statt der Elektronen Wasser. Die Leiter sind keine Kabel sondern Rohre. Die Spannung entspricht dem Druckgefälle zwischen zwei Punkten entlang einer Rohrleitung. Dem Strom entspricht die pro Zeiteinheit transportierte Wassermenge. Der Durchmesser der Rohrleitung bestimmt ihren Widerstand. Vollziehen Sie das Ohmsche Gesetz und die Kirchhoffschen Regeln an diesem Modell nach. Reale Widerstände: Beim ohmschen Widerstand besteht eine Proportionalität zwischen Spannung am Bauteil und Strom durch das Bauteil. Diese idealisierte Eigenschaft ist in Wirklichkeit nur näherungsweise erfüllt. Reale Bauteile erwärmen sich z.B. durch den Stromfluss. Der Widerstand ist im Allgemeinen temperaturabhängig und damit nicht mehr wie im Ohmschen Gesetz angenommen konstant. Beispiele: Kohleschichtwiderstände, Glühlampe (Schaltsymbol ) Halbleiterdiode: In Abbildung (VV2-9) ist die Strom-Spannungs-Kennlinie eines streng Ohmschen Widerstandes dargestellt, die nach dem Ohmschen Gesetz eine Gerade ist. 70 Strom I Halbleiterdiode Widerstand Spannung U Abb. VV2-9: I / U- Kennlinien vom Widerstand und Halbleiterdiode Das Verhalten der Halbleiterdiode ist grundsätzlich anders. Bei negativen und kleinen positiven Spannungen fließt nahezu kein Strom durch die Diode. Der Widerstand der Diode ist in diesem Bereich sehr groß. Wächst die Spannung in Durchlassrichtung, nimmt auch der Strom stark zu. Oberhalb einer bestimmten, von der Bauart abhängigen Spannung ist der Strom durch die Diode so groß, dass die Diode dem Strom praktisch keinen Widerstand mehr entgegensetzt. Das Verhalten der Diode ist also gekennzeichnet durch folgende Eigenschaften: 1. Der elektrische Widerstand spannungsabhängig. 2. Die Diode lässt den Strom nur in einer Richtung passieren (Gleichrichterwirkung der Diode). Ihr Schaltsymbol ist _ + der Diode ist nicht konstant, _ Durchlassrichtung sondern + Sperrrichtung wobei die Spitze in Durchlassrichtung zeigt. Innenwiderstand von Spannungsquellen: Eine ideale Spannungsquelle gibt unabhängig vom entnommenen Strom (Laststrom) eine konstante Spannung ab. Eine reale Spannungsquelle setzt dagegen dem Strom einen inneren Widerstand entgegen, der einen Spannungsabfall verursacht. Sie verhält sich daher wie eine ideale Spannungsquelle mit in Serie vorgeschaltetem Widerstand. Diesen Widerstand nennt man Innenwiderstand Ri. Die unbelastete Spannungsquelle (I = 0) liefert die volle Potentialdifferenz, die man als Quellen- oder Leerlaufspannung UQ bezeichnet. Fließt ein Strom, so fällt am Innenwiderstand eine Spannung Ui Spannungsquelle ist dann nur noch die Klemmenspannung Ri I ab. Am Ausgang der 71 UK = UQ – Ui = UQ – Ri I (VV2-20) nutzbar (siehe Abb.VV2-10). I Ri RL UK UQ + - Abb. VV2-10: Ersatzschaltbild für eine Spannungsquelle mit Innen- und Lastwiderstand (Ri bzw.RL) Strom- und Spannungsmessgeräte Als Messgeräte dienen meist Multimeter, mit denen man sowohl Spannungen als auch Ströme und Widerstände bestimmen kann. Da der nutzbare Bereich dieser Messgeräte im Allgemeinen klein ist, vergrößert man ihn intern durch Dazuschalten von bekannten Widerständen. Diese sind je nach der Größe der Spannung und Ströme am Multimeter für jede Betriebsart als Messbereich wählbar. Beim Messen unbekannter Ströme und Spannungen fängt man immer im größten Messbereich an und schaltet schrittweise in kleinere, um die Geräte nicht zu zerstören. Ihr Schaltsymbol ist mit einer Bezeichnung für die Betriebsart (U für Spannungs-, I für Strommessgeräte). Aus Kirchhoffs Regeln ergibt sich, dass ein Amperemeter in Reihe zu dem Verbraucher geschaltet werden muss, damit es vom gleichen, zu messenden Strom durchflossen wird und ein Voltmeter parallel, damit die gleiche Spannung anliegt. I RL RL Abb. VV2-11: Schaltung von Messgeräten U 72 Ein ideales Amperemeter hat demnach einen Innenwiderstand von Ri = 0, damit an ihm keine zusätzliche Spannung abfällt. Ein ideales Voltmeter hat dagegen einen unendlich hohen Innenwiderstand, damit kein Strom hindurchfließt. Reale Messgeräte haben jedoch von 0 bzw. verschiedene Innenwiderstände, die nicht nur von der Betriebsart, sondern auch vom Messbereich abhängen. Dadurch entstehen Fehler bei der gleichzeitigen Messung von Stromstärke und Spannung. Es gibt dabei zwei Möglichkeiten: Abb. VV2-12: Stromfehlerschaltung Abb. VV2-13: Spannungsfehlerschaltung Im ersten Fall misst man den Gesamtstrom, der sich auf den Lastwiderstand und das Voltmeter verteilt. Der gemessene Strom ist also zu groß, weshalb diese Schaltung Stromfehlerschaltung heißt. Im Zweiten ist die gemessene Spannung die Summe des Spannungsabfalls am Amperemeter und am Lastwiderstand. Die gemessene Spannung ist deshalb größer als die am Lastwiderstand abfallende, weshalb die Schaltung als Spannungsfehlerschaltung bezeichnet wird. Bei großen Lastwiderständen ist die Spannungsfehlerschaltung besser geeignet, weil der relative Fehler der Spannungsmessung durch Serienschaltung des niederohmigen Amperemeters geringer als der relative Fehler bei Parallelschaltung des Voltmeters mit einem zu kleinen Widerstand ist. Entsprechend eignet sich die Stromfehlerschaltung besser für kleine Lastwiderstände, da der Strom durch das Voltmeter nur einen kleinen relativen Fehler bewirkt, wohingegen die bei der Spannungsfehlerschaltung am Amperemeter abfallende Spannung zu einem größeren relativen Fehler führt. 73 Aufgaben zur Vorbereitung: 1) Skizzieren Sie einen Stromkreis mit 12 V-Gleichspannungsquelle mit zwei Widerständen R1 und R2 sowie Strom- und Spannungsmessgeräten, die die Messung der an den Widerständen abfallenden Spannungen U1, U2 und der durch die Widerstände fließenden Ströme I1, I2 ermöglichen. a. in Serienschaltung b. in Parallelschaltung. Am Widerstand R1 sollen 200 mW, an R2 400 mW elektrische Leistung verbraucht werden. Wie groß sind U1, U2 bzw. I1, I2 für beide Schaltungen? Welche Messbereiche stellen Sie für die Strom- bzw. Spannungsmessungen am Messgerät ein? (Die Messbereiche der im Praktikum verwendeten Vielfachmessgeräte finden Sie im Tabellenteil.) 2) Mit bis zu drei Widerständen R = 100 sollen Schaltungen mit folgenden Widerstandswerten aufgebaut werden: RG = 33, 50, 67, 100, 150, 200, 300 . Skizzieren Sie die Schaltungen. 3) Zeigen Sie, dass Gleichung (VV2-20) gilt und berechnen Sie UK als Funktion von UQ, RL, Ri. 4) Bei welchem Wert von RL wird die Leistungsabgabe P = UK I für gegebenes Ri maximal? 74 Aufgabe 1: Aufnahme der Belastungskennlinie einer Spannungsquelle Es soll die Belastungskennlinie einer Batterie (hier simuliert durch eine Spannungsquelle mit Vorwiderstand) aufgenommen werden. Bauen Sie dazu folgende Schaltung auf: Abb. VV2-14: Versuchsaufbau Belastungskennlinie Belasten Sie die Spannungsquellen mit allen zur Verfügung stehenden Widerständen im Bereich von 10 bis 10 M . Messen Sie jeweils Strom und Spannung am Widerstand und berechnen Sie die von der Spannungsquelle abgegebene Leistung. Notieren Sie dabei in einer Tabelle für jeden Lastwiderstand Strom, Spannung und Leistung. Zur Messung der Ströme soll ein Digitalmultimeter und zur Messung der Spannungen ein analoges Messgerät verwendet werden. Auswertung: Erstellen Sie ein Diagramm, in dem Sie die Spannung als Funktion des Ausgangsstroms und die berechnete Ausgangsleistung als Funktion des Lastwiderstands darstellen. Diskutieren Sie die Graphen und bestimmen Sie den Innenwiderstand der Spannungsquelle. Aufgabe 2: Widerstandsbestimmung mit Strom- und Spannungsfehlerschaltung Für diese und die weiteren Aufgaben wird die Schaltung in Abbildung (VV2-15) verwendet, um eine variable Spannungsquelle aufzubauen: 75 Abb. VV2-15: Veränderbare Spannungsquelle In dem blauen Experimentierkasten ist ein Potentiometer eingebaut, an dessen Enden die Spannung des Festspannungsnetzteiles anliegt. Am Schleifer des Potentiometers kann eine Spannung abgegriffen werden, deren Größe von der Stellung des Schleifers abhängt. Messen Sie Strom- und Spannungswerte für drei Widerstände (Nennwerte 10 M , 1 k und 10 ) jeweils in Strom- und Spannungsfehlerschaltung. Beachten Sie dabei, dass bei der Messung mit dem 10 - Widerstand die Spannung nicht mehr als 50mV betragen darf. Eine höhere Spannung führt zu Strömen, die den Widerstand zerstören. Zur Messung der Ströme soll ein Digitalmultimeter und zur Messung der Spannungen ein analoges Messgerät verwendet werden. Auswertung: Berechnen Sie aus den gemessenen Strom- und Spannungswerten die Widerstände mit Fehlerangabe. Vergleichen Sie die ermittelten Werte mit den direkt gemessenen Widerstandswerten und den Nennwerten. Überlegen Sie sich, woher die Strom- und Spannungsfehlerschaltung ihren Namen haben. Diskutieren Sie, welche der Schaltungen zur Bestimmung welcher Widerstände geeigneter ist. Aufgabe 3: Strom-Spannungskennlinien verschiedener Bauteile Nehmen Sie die Strom-Spannungskennlinien folgender Bauteile auf: a) Glühlampe. Bauen Sie unten stehende Schaltung auf (Abb. VV-16). 76 Abb. VV2-16: Strom- Spannungskennlinie der Glühlampe - Schaltungsvorschlag b) Diode in Durchlass- und in Sperrichtung. Die Diode befindet sich mit einem bereits angelöteten Vorwiderstand im Experimentierkasten. Der Widerstand schützt die Diode vor Beschädigung durch zu große Ströme. Legen Sie niemals die Spannung direkt an die Diode. Beachten Sie: Bei der Aufnahme der Strom/Spannungs- Kennlinie ist die Spannung direkt an der Diode zu messen. Schaltungsvorschlag: Abb. VV2-17: Strom-Spannungskennlinie Halbleiterdiode - Schaltungsvorschlag Zum Wechsel von Durchlass- zur Sperrrichtung polen Sie die Spannungsquelle um. Auswertung: Tragen Sie für jedes der zwei Bauteile eine Strom-Spannungskennlinie auf. Bei der Diode sollten Sperrrichtung und Durchlassrichtung in ein Diagramm eingetragen werden. In welchen Betriebszuständen verhalten sich die Bauteile annähernd wie Ohmsche Widerstände? Bestimmen Sie dessen Widerstandswert aus der Steigung. 77 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit I elektrischer Strom A (Ampere) q, Q Ladung A s = C (Coulomb) e Elementarladung A s=C F Kraft (Force) kg m s2 N (Newton) E Elektrische Feldstärke kg m A s3 N C W Arbeit (Work) kg m 2 s2 J (Joule) Potential kg m2 A s3 J C U Spannung V R ohmscher Widerstand V A (Ohm) P elektrische Leistung V A = W (Watt) V (Volt) 79 VORVERSUCH III: MESSUNGEN MIT DEM OSZILLOSKOP Thematik in Stichpunkten Wichtiger Hinweis: Im Gegensatz zu den Vorversuchen I und II werden die theoretischen Grundlagen dieses Versuches nicht im Skript aufgeführt. Dort wird lediglich die Messtechnik mit dem Oszilloskop erläutert. Die weiteren Stichpunkte sollen selbstständig nachgeschlagen werden!!! Braunsche Röhre, Oszilloskop (in vielen Büchern auch der Begriff Oszillograph verwendet), Wechselspannung und -strom, Spitzen- und Effektivwerte, Wechselstromwiderstand eines Kondensators, Auf- und Entladekurve, Definition der Kapazität, Impedanz, Phasenlage zwischen Strom und Spannung, Zeigerdiagramm, Messtechnik mit dem Oszilloskop. Grundlagen Das Oszilloskop als Spannungsmessgerät Das Oszilloskop ist ein Messgerät, welches Spannungen misst. Die Darstellung der gemessenen Spannungen erfolgt mit Hilfe einer Braunschen Röhre 4. Mit einem Oszilloskop können zwei Spannungen unabhängig voneinander gemessen und als Auslenkung des Leuchtpunktes auf der Mattscheibe der Braunschen Röhre dargestellt werden. Die Auslenkung des Leuchtpunkts ist proportional zur gemessenen Spannung. Auf dem Schirm des Oszilloskops kann eine Skala angebracht werden, an der die gemessene Spannung direkt abgelesen werden kann. In Anlehnung an die konventionelle Benennung der Achsen im kartesischen Koordinatensystem heißen die den beiden Achsen auf der Mattscheibe zugeordneten Eingänge am Oszilloskop auch X-Eingang und Y-Eingang. Das Anlegen einer Spannung am X-Eingang lenkt den Strahl in horizontaler Richtung ab während eine Spannung am YEingang eine Ablenkung in vertikaler Richtung bewirkt. Positive Spannungen bewegen den Strahl nach oben bzw. nach rechts, negative Spannungen bewegen ihn nach unten bzw. nach links. 4 Zum weiteren Verständnis ist es notwendig, Aufbau und Funktionsweise der Braunschen Röhre im Prinzip zu kennen. 80 Wechselspannungen an Ozilloskopen Legt man an einen der Eingänge eine sich verändernde Spannung, so folgt die Position des Leuchtflecks der Spannung. Bei langsamen Signalen erkennt man, wie der Punkt sich über den Schirm bewegt. Ist die Frequenz des Signals hoch, so kann das menschliche Auge die Bewegung nicht mehr auflösen und erkennt statt vieler einzelner Positionen eine Linie entlang der Bahn des Leuchtflecks. Um diesen Effekt zu verstärken, sind die Mattscheiben der Oszilloskope zumeist mit nachleuchtenden Substanzen beschichtet. Zeitablenkung Am Y-Eingang eines Oszilloskops liege eine ihren Betrag mit einer Sinusfunktion ändernde Spannung an. Damit bewegt sich der Strahl auf und ab. Gleichzeitig legen wir nun an den X-Eingang eine Gleichspannung, deren Betrag wir von Hand einstellen können. Indem wir diese Spannung ändern, verschieben wir die horizontale Position des sich auf und ab bewegenden Leuchtflecks. Wenn wir den Strahl in horizontaler Richtung mit geeigneter Geschwindigkeit gleichmäßig bewegen, so erkennen wir am Schirm die Form des Signals. Diese Zeitablenkung des Elektronenstrahls geschieht in Oszilloskopen automatisch. Dazu wird intern an den X-Eingang ein sägezahnförmiges Signal gelegt (siehe Abb. VV3-1), das den Strahl mit konstanter Geschwindigkeit von links nach rechts über den Schirm bewegt. Die steil abfallende Kante nach Erreichen des Maximums sorgt dafür, dass der Strahl an die linke Seite des Schirmes zurückspringt. Bei modernen Oszilloskopen schaltet sich der Strahl für die sehr kurze Zeit des Rückspringvorganges ab. UT t Abb. VV3-1: Sägezahnspannung zur Zeitablenkung Triggerung Legt man nun an den Y-Eingang ein Wechselspannungssignal, so wird die Form dieses Signals am Schirm dargestellt. Dabei kann es jedoch zu einem Problem kommen. Die Darstellung des Signals erfolgt jeweils während der ansteigenden Phase des Sägezahns, und es kann mit jedem Darstellungszyklus ein anderer Ausschnitt des Sinussignals dargestellt werden. Wegen der hohen Frequenzen der Signale erscheinen diese verschiedenen 81 Ausschnitte gleichzeitig auf dem Schirm, was die Anzeige unbrauchbar macht (vgl. Foto Abb.VV3-2). Abb. VV3-2: Zeitablenkung ohne Triggerung Um zu einer klaren Darstellung des Signals zu kommen, arbeitet der Sägezahngenerator nicht freischwingend. Das Sägezahnsignal läuft erst dann los, wenn das Eingangssignal einen bestimmten, einstellbaren Wert überschritten hat. Dann läuft der Strahl durch, springt in die Ausgangslage zurück und wartet erneut bis die eingestellte Schwelle überschritten wird. Man nennt diese Schwelle auch den Triggerpegel. Hierdurch wird sichergestellt, dass immer der gleiche Ausschnitt auf dem Schirm dargestellt wird. Da dieser Ausschnitt in sehr schneller Folge immer wieder auf den Schirm geschrieben wird, erscheint das Signal als stehendes Bild auf dem Schirm (vgl. Foto Abb. VV3-3). Abb. VV3-3: Zeitablenkung mit Triggerung Betriebsarten des Oszilloskops Man kann das Oszilloskop in folgenden Betriebsarten betreiben: YT-Betrieb: Die interne Zeitablenkung wird zugeschaltet, so dass der Strahl auf der XAchse abgelenkt wird. Es kann wahlweise einer der beiden Eingänge auf der Y-Achse dargestellt werden. YTZweikanal- Die interne Zeitablenkung lenkt den Strahl auf der X-Achse ab, und beide Eingänge werden auf der Y-Achse dargestellt. Dabei erfolgt die Darstellung 82 Betrieb: der beiden Signale entweder abwechselnd (Alternating-Mode) oder addiert (Add-Mode), wobei während der Darstellung schnell zwischen beiden Eingängen umgeschaltet wird (Chopping-Mode). XY-Betrieb: Zwei Spannungen werden getrennt an den beiden Eingängen gemessen und auf den beiden Achsen des Oszilloskopenschirms dargestellt. Kalibrierte Spannungsmessungen - Spitzen- und Effektivwerte Jede der beiden Achsen auf dem Schirm des Oszilloskops ist in Abschnitte gleicher Länge eingeteilt (Skalenteile SKT, engl: Divisions DIV). Daraus ergibt sich ein auf dem Schirm des Monitors aufgedrucktes Raster. Die Eingänge des Oszilloskops verfügen über Verstärker, die das Eingangssignal so verstärken, dass das Verhältnis zwischen Spannung und Auslenkung bekannt ist. Jeder der Eingänge verfügt über einen Drehschalter, mit dem dieses Verhältnis gewählt werden kann. Die Angabe erfolgt in der Einheit V/DIV (Volt/Division). Bei einer Wahl des Messbereiches 1V/DIV gilt: Ein Kästchen entspricht einem Volt. Wenn man die Amplitude eines Wechselspannungssignals mit dem Oszilloskop misst, erhält man immer den Spitzenwert US des Signals. Mit den meisten Multimetern misst man dagegen den Effektivwert Ueff des Signals (Anleitung oder Beschriftung beachten!). Kalibrierte Zeit-, Perioden- und Frequenzmessungen Die Frequenz des Signals, mit dem der Elektronenstrahl abgelenkt wird, kann exakt gewählt werden. Damit ist die Zeit, die der Elektronenstrahl für das Durchlaufen eines Skalenteils benötigt, bekannt. Das Oszilloskop verfügt über einen weiteren Drehschalter, mit dem diese Zeit eingestellt werden kann. Man nennt diese Zeit auch die Zeitbasis (Timebase). Die Angabe erfolgt in s/DIV (Sekunden/Division). Um die Periodendauer eines Signals zu bestimmen, zählt man, wie viele Skalenteilungen ein kompletter Zyklus des Signals auf der Zeitachse benötigt und multipliziert mit der Zeitbasis. Die Frequenz des Signals ist der Kehrwert der Periodendauer. Phasenmessungen Um die Phase5 zwischen zwei Signalen zu bestimmen, betreibt man das Oszilloskop im YTZweikanal- Betrieb und bestimmt die zeitliche Verschiebung der Signale t zueinander und die Periodendauer T. Die Phase ergibt sich dann zu t 2 T 5 Unter der Phase versteht man die zeitliche Verschiebung zweier Signale gleicher Frequenz im Bogenmaß rad. 83 Die Bedienelemente des Oszilloskops Im Bild unten sehen Sie die Frontplatte des im Praktikum hauptsächlich verwendeten Oszilloskops, dessen Bedienelemente im Folgenden besprochen werden. Bei Oszilloskopen anderer Hersteller weicht zwar das Design des Gerätes ab, jedoch sind die Bezeichnungen der Bedienelemente in aller Regel gleich. Netzschalter und Display Unten links am Panel befinden sich die Bedienelemente für das Display und der Netzschalter. Es sind von links nach rechts: POWER Netzschalter INTEN Intensitätsregelung für den Elektronenstrahl FOCUS Bildschärfe TRACE ROTATION ILLUM zur Kompensation einer Verkippung des Bildes Helligkeit der Hintergrundbeleuchtung 84 Zeitablenkung Die Bedienelemente für die Zeitablenkung befinden sich in der Mitte oben: TIME/DIV Einstellung der Zeitbasis und Wahl des XY-Modus in Stellung XY VARIABLE Ist dieser Regler im Rechtsanschlag eingerastet, dann gilt die mit TIME/DIV eingestellte Zeitbasis exakt. Wird der Regler aus der Rasterung herausgedreht, so lassen sich beliebige Zeitbasen zwischen den am Regler TIME/DIV Aufgedruckten einstellen. Dies kann zum Beispiel sinnvoll sein, um genau eine Periode eines Signals über den ganzen Schirm zu strecken. POSITION Mit diesem Regler kann das dargestellte Bild in horizontaler Richtung verschoben werden. Triggermodus Der Triggermodus lässt sich mit den Tastern SWEEP MODE oben rechts am Panel einstellen. Hier sollte während des Versuches immer der Taster AUTO gedrückt sein. 85 Triggereinstellungen Die Einstellungen des Triggers werden mit den Bedienelementen unter den SWEEP-MODE Tastern vorgenommen: SLOPE Mit diesem Wahlschalter wird eingestellt, ob der Strahl bei steigender (+) oder bei fallender (-) Flanke des Signals getriggert werden soll. LEVEL/HOLDOFF Bei schwierigen Triggerbedingungen kann hier durch manuelle Einstellung des Triggerpegels ein stehendes Bild erzeugt werden. Der obere der beiden Regler sollte im Normalfall im Linksanschlag gerastet sein, der Untere in Mittelstellung. COUPLING Ankopplung des Triggersignals. Sollte in Stellung AC stehen. SOURCE Bestimmt die Quelle des Triggersignals. Sollte in Stellung INT stehen. Vertikaler Modus: Mit diesen Tastern kann gewählt werden: CH1 YT-Betrieb, Darstellung von Kanal 1 ALT YT-Zweikanalbetrieb, Alternating CHOP YT-Zweikanalbetrieb, Chopping ADD (wird im Versuch nicht benötigt) 86 CH2/X-Y YT-Betrieb, Darstellung Kanal 2; wurde mit TIME/DIV der XY-Modus aktiviert, so muss auch dieser Taster gedrückt sein. Eingangsverstärker: Die Bedienelemente der Eingangsverstärker befinden sich unten rechts: VOLTS/DIV Einstellung der vertikalen Verstärkung in Volt pro Skalenteil. POSITION verschiebt das Signal in vertikaler Richtung AC/GND/DC Stellung DC stellt das Signal so dar, wie es ankommt. Stellung AC stellt nur den Wechselspannungsanteil eines Signals dar, ein konstanter Gleichspannungsanteil wird unterdrückt. In Stellung GND ist der Eingang kurzgeschlossen, so dass die Nulllinie mit POSITION positioniert werden kann. Schalter INT TRIG Mit diesem Wahlschalter kann gewählt werden, welches der beiden Eingangssignale zur Triggerung verwendet wird (Positionen CH1 und CH2). 87 Ist der XY-Modus mit TIME/DIV gewählt, so muss der Schalter in Position CH1 stehen. Der Schalter sollte während des Versuches nie in Position VERT MODE stehen. Eingänge Das Oszilloskop besitzt zwei Eingänge CH1 (X) und CH2 (Y), die an BNC-Buchsen herausgeführt sind. Die beiden Eingänge besitzen gemeinsame Masse, die zusätzlich an einer Bananenbuchse in der Mitte zur Verfügung steht. 88 Aufgaben zur Vorbereitung: 1. Zwei sinusförmige Wechselspannungssignale U1 und U2 werden mit dem Oszilloskop dargestellt. Auf dem Schirm nehmen die Perioden der Signale jeweils einen Raum von sechs Skalenteilen ein, sind aber um ein Skalenteil gegeneinander verschoben. Die Spannung U1 nimmt in vertikaler Richtung einen Raum von 3 Skalenteilen (SpitzeSpitze) ein, Spannung U2 dagegen 5 Skalenteile. Die Zeitbasis des Oszilloskops ist auf 0,5 ms/SKT eingestellt. Für beide Y-Verstärker gilt die Einstellung 1V/SKT. Bestimmen Sie Frequenz und Amplitude (Spitze und Effektiv) der Signale sowie die Phase zwischen ihnen. 2. Ein Kondensator wird über einen Widerstand R = 1 k an einer Spannung von U0 = 10 V geladen. Er erreicht nach 2,5 ms eine Ladespannung von 3,4 V. Wie groß ist die Kapazität des Kondensators? 89 Aufgabe 1: Signalformen, Frequenzmessung, Spitzen und Effektivspannung Funktionsgenerator Festspannungsnetzteil Verbindung zum Multimeter BNC-Kabel zum Oszilloskop Abb. VV3-4: Versuchsaufbau zur Betrachtung von Signalformen Verwenden Sie den Funktionsgenerator gemäß Abb. VV3-4. Beobachten Sie die möglichen Signalformen Rechteck, Dreieck und Sinus für mindestens 9 verschiedene Frequenzen im gesamten Bereich und lesen Sie die jeweilige Periodendauer und daraus die Frequenz am Oszilloskop ab. Bestimmen Sie die maximalen und minimalen Ausgangsfrequenzen in jedem Frequenzbereich. Erstellen Sie eine grobe Kalibrierungskurve zur Messung von Wechselspannungen unterschiedlicher Frequenz mit dem Digitalmultimeter (im Messbereich 2 Volt) mit jeweils 3 Messpunkten pro Frequenzbereich. Stellen Sie dazu ein Sinussignal bei niedrigster Frequenz ein. Erhöhen Sie die Frequenz in sinnvollen Schritten und erstellen Sie das Kalibrierungsdiagramm, indem Sie die am Multimeter abgelesene Effektivspannung über der Frequenz darstellen. Das Oszilloskop wird dabei zur Frequenzmessung und zur Überprüfung der Konstanz der Spitzenspannung verwendet. Die gemessenen, bzw. die aus der Messung der Spitzenspannung am Oszilloskop erhaltenen Effektivspannungswerte sind in ein Diagramm einzutragen, tragen Sie hierbei die Frequenz logarithmisch auf. Bestimmen Sie aus der so erstellten Grafik die höchste Frequenz, bei der das Multimeter als Wechelspannungsmessgerät noch einsetzbar ist und diskutieren Sie das Resultat. Aufgabe 2: Auf- und Entladekurve eines Kondensators Bauen Sie die folgende Schaltung auf: 90 R=1k Oszilloskop Eingang 1 Funktions -generator ~ Oszilloskop Masse Abb. VV3-5: Versuchsaufbau Auf- und Entladekurven Es wird am Ausgang des Funktionsgenerators ein Rechtecksignal gewählt. Stellen Sie die Frequenz des Generators und die Zeitablenkung des Oszilloskops so ein, dass Sie auf dem Oszilloskopenschirm einen kompletten Lade- und Entlade-Zyklus erkennen können. Bestimmen Sie aus der Darstellung am Oszilloskopenschirm die Zeitkonstante RC der Kombination und daraus die Kapazität des Kondensators. Aufgabe 3: Strom-Spannungsbeziehung Wechselstromkreis eines Kondensators im Um den Wechselstromwiderstand eines Bauteils bei einer bestimmten Frequenz messen zu können, müssen die Amplituden der anliegenden Spannung und des fließenden Stroms gemessen werden. Da ein Oszilloskop prinzipiell nur Spannungen misst, wird vor das zu untersuchende Bauteil ein betragsmäßig kleiner Widerstand geschaltet, an dem nach dem Ohmschen Gesetz eine dem Strom proportionale Spannung abfällt. Man nennt einen solchen Vorwiderstand auch einen Shuntwiderstand. Die beiden Eingänge des Oszilloskops besitzen eine gemeinsame Masse. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, wird daher zur gleichzeitigen Strom- und Spannungsmessung folgende Schaltung aufgebaut: Abb. VV3-6: Versuchsaufbau Strom- Spannungsbeziehung des Kondensators im Wechselstromkreis. 91 Das Experiment wird mit Sinussignalen durchgeführt. Durch die oben skizzierte Auskopplung an das Oszilloskop erscheint aufgrund der zentralen Masse eines der beiden Signale dem anderen gegenüber invertiert, was am Oszilloskop kompensiert werden kann. Dazu wird an Channel 2 der Positionsknopf herausgezogen. Durch die Verwendung eines Shuntwiderstandes von R = 1 k wird die Spannungsskalierung des Oszilloskops unmittelbar in eine Stromskalierung transformiert, d.h. es gilt: 1 V/SKT = 1 mA/SKT. Versuchsdurchführung: Bauen Sie die in Abb. VV3-6 gezeigte Schaltung auf. Die Spannungsquelle bitte erst nach erfolgtem Aufbau einschalten. Messen Sie für 2 Frequenzen (1 kHz, 10 kHz) die Phasenverschiebung von Strom und Spannung am Kondensator und vergleichen sie diese mit dem theoretischen Wert (-90 ). Der Strom durch den Kondensator wird dabei mit Hilfe des Vorwiderstandes zu IC = UV / RV bestimmt. Hinweis: Arbeiten Sie mit den Maximalwerten der Spannungen. Bestimmen Sie die Kapazität C des Kondensators mit Hilfe der Gleichung ZC 1 C 1 2 fC UC . IC Messen Sie dafür bei 5 verschiedenen Frequenzen f die Werte UC und IC. Tragen Sie dann den Betrag von ZC als Funktion von 1 / f in ein Diagramm ein und ermitteln Sie so graphisch den Wert von C. Theoretischer Hintergrund: Ein Kondensator mit der Kapazität C bildet in einem Wechselstromkreis einen endlichen, von der Kreisfrequenz der Wechselspannung abhängigen (imaginären) kapazitiven Widerstand Z C 1 i C i 1 . C Den Betrag des kapazitiven Widerstandes |ZC| = 1/ C bezeichnet man als Blindwiderstand. Unter dem Einfluss einer äußeren Spannung U nimmt ein Kondensator der Kapazität C die Ladung Q I dt U 1 I dt C auf. Es gilt Die Spannung und die Stromstärke in einem Wechselstromkreis lassen sich durch harmonische Schwingungen beschreiben, die um die Phase verschoben sind: U U 0e i t , I I 0e i ( t ) . 92 Wenn man diese beiden Gleichungen in die darüber stehende einsetzt, so erhält man die folgende Abhängigkeit zwischen Strom und Spannung i I. C 1 I i C U Aus dieser Beziehung folgt, dass der Strom und die Spannung um 90 phasenverschoben sind (Strom eilt der Spannung um 90° voraus). Der Vergleich mit dem Ohmschen Gesetz liefert den kapazitiven Widerstand ZC. Jeder reale Kondensator stellt auch einen Ohmschen Widerstand dar, da das Dielektrikum zwischen den Kondensatorplatten bis zu einem gewissen Grade leitend ist. Als Ersatzschaltbild dient dann eine Parallelschaltung eines C- und eines R-Glieds. Dadurch ergibt sich ein Scheinwiderstand Z: 1 Z 1 R 1 ZC 1 R i C, 1 Z 1 R2 2 C2 . Aufgabe 4: Gleichrichterwirkung einer Diode Zur Untersuchung der Gleichrichterwirkung von Dioden wird folgende Schaltung aufgebaut: R=1k Vorwiderstand (mit der Diode verlötet) Oszilloskop Eingang Funktions -generator ~ Diode Oszilloskop Masse Abb. VV3-7: Versuchsaufbau Gleichrichterwirkung. Der Funktionsgenerator ist so einzustellen, dass an seinem Ausgang ein Sinussignal liegt. Beobachten Sie am Oszilloskop den Spannungsverlauf an der Diode und diskutieren Sie diesen. Überlegen Sie sich technische Anwendungen für diese Schaltung. 93 A1 THEORIE DES GERADENFITS (LINEARE REGRESSION) 1. Aufgabenstellung Gegeben sei ein Satz von Messwerten (xi, yi), i = 1, 2, ..., n. Diese Messwerte sollen durch eine lineare Funktion beschrieben werden. Es wird also eine Funktion der Form y m x b (1) gesucht, welche den beobachteten Zusammenhang zwischen den xi und yi möglichst korrekt wiedergibt. Anders gesagt: Die freien Parameter m und b in Gl. (1) sollen so gewählt werden, dass die Summe der quadratischen Abweichungen zwischen den Messwerten yi und den berechneten Werten ytheo = mxi + b minimiert wird, also gilt n (y i mx i b)2 min (2). i 1 2. Ein Maß für die Abweichung zwischen Modellfunktion und Messwerten: 2 Bei einem realen Experiment sind die Messwerte yi niemals beliebig genau bestimmbar, sondern mit Unsicherheiten („Messfehlern“) yi behaftet. (Der Fall, dass auch die Koordinaten xi Unsicherheiten xi haben, wird weiter unten diskutiert.) Diese Unsicherheiten werden bei der Regressionsrechnung dadurch berücksichtigt, dass die Messwerte yi mit ihrem jeweiligen Fehler yi gewichtet werden. Anders gesagt: Je genauer ein Punkt bekannt ist, desto stärker geht er bei der Berechnung ein, und umgekehrt. Man definiert daher in Abwandlung von (2) eine Größe n 2 i 1 ( y i mxi b) 2 . y i2 2 : (3) Es gilt nun, m und b so zu bestimmen, dass 2 minimiert wird. (m, b ) min (4) 94 Hierzu bildet man die partiellen Ableitungen nach den Parametern m und b. Aus (3) folgt sofort: 2 b n 0 i 1 2 m n 0 i 1 n n yi xi 1 m b 2 2 yi yi y i2 i 1 i 1 (5) n n xi y i xi2 xi . m b 2 2 yi yi y i2 i 1 i 1 (6) Dies kann als System von 2 Gleichungen mit den 2 Unbekannten m und b aufgefasst werden. Auflösung nach m und b ergibt: n i 1 b xi yi2 n i 1 n i 1 m xi yi2 n i 1 n i 1 xi yi2 n i 1 xi yi2 2 i 1 n i 1 2 i 2 i x y n yi yi2 2 xi2 yi2 n xi yi yi2 i 1 n i 1 2 i x yi2 n yi yi2 i 1 n i 1 1 yi2 n i 1 (7) 1 yi2 n i 1 xi yi yi2 (8) 1 yi2 Somit sind m und b analytisch bestimmt. Güte des Fits: Ein Maß für Güte des Fits ist das 2 oder eine abgeleitete Größe, die man häufig als „reduziertes 2 “ bezeichnet. Hierzu wird (3) durch die Anzahl der Freiheitsgrade f geteilt: 2 2 red (9) f Die Anzahl der Freiheitsgrade f bestimmt sich aus der Anzahl der Datenpunkte, abzüglich der anzupassenden Parameter. Bei n Datenpunkten und 2 Parametern (m, b) ist f = n 2. Eine gute Übereinstimmung von Messpunkten und Theorie liegt dann vor, wenn 2 red in der Größenordnung von 1 liegt (ohne Beweis): n 1 n 2 i ( yi mxi b)2 yi2 1 1 (10) Als Faustregel gilt: Ist 2 red » 1, und sind die Messfehler nicht überschätzt worden, so entsprechen die Messwerte nicht dem angenommenen funktionalen (hier: linearen) Verlauf. Ist 2 red « 1, so sind die Messfehler y i als zu groß angenommen worden. 95 3. Der Fehler der Fitgeraden Oftmals interessiert nicht nur die Güte eines Fits, sondern Genauigkeit der Größen m und b, die hieraus folgt. Zur Bestimmung dieser Größen m und b muss unter Verwendung der zweiten Ableitung von 2 nach den Parametern die sog. Kovarianzmatrix berechnet werden. In ihren Diagonalelementen stehen die Varianzen von b und m, deren Quadratwurzeln die gesuchten Fehler sind. (Die Elemente der Nebendiagonalen lassen auf die Korrelation zwischen den Fitergebnissen m und b schließen.) Man erhält: n i 1 b n i 1 1 yi2 2 i n i 1 i 1 m i 1 1 yi2 n i 1 n x yi2 n n xi2 yi2 i 1 xi yi2 (11) 2 1 yi2 xi2 yi2 n i 1 xi yi2 (12) 2 Vorsicht: Hat man durch Betrachtung des reduzierten 2 festgestellt, dass die Modellfunktion (hier: die Fitgerade) die Daten nicht beschreibt, so können aus den Werten und Fehlern der angepassten Fitparameter (hier: b und m) auch nur sehr eingeschränkt Schlüsse gezogen werden. 4. Berücksichtigung von Messfehlern xi Sind auch die x-Werte xi fehlerbehaftet mit Fehlern xi, so empfiehlt sich ein iteratives Vorgehen bei der Rechnung. In einem ersten Schritt werden lediglich die Fehler yi berücksichtigt, und die Rechnung läuft wie oben skizziert. In einem zweiten Schritt wird die (vorläufig bestimmte) Geradensteigung m verwendet, um die xi in y-Fehler zu übersetzen: y i , neu y i2 m 2 Hieraus wird eine neue Fitgerade y xi2 m neu x (13) bneu bestimmt. Dieser zweite Schritt wird ggf. solange wiederholt, bis sich die Werte von m, b und mehr ändern. 2 nicht 96 Zusammengefasst: 1. Schritt: Berechne m und b ( ²-Fit wie oben) 2. Schritt: Mit dem (vorläufigen) m-Wert aus Schritt 1 bzw. 3 berechne y i , neu y i2 m 2 xi2 . 3. Schritt: Berechne m und b (erneuter ²-Fit) 4. Schritt: Falls m, b und ² „kaum“ von den alten Werten abweichen: Ende der Schleife. Falls signifikante Abweichung besteht: Gehe zu Schritt 2. 97 A2 TABELLEN Wichtige Konstanten in der Physik Konstante Symbol Wert - Teilchen, Ruhemasse m 6,645·10-27 kg - Teilchen, Ruheenergie m c2 3727,4 MeV - Teilchen, spezifische Ladung 2e 4,8223·107 C kg-1 m Avogadro'sche Konstante (Loschmitt Konstante) AL 6,0220·1023 mol-1 Boltzmann-Konstante kB 1,3807·10-23 J K-1 8,8542·10-12 C V-1m-1 Elektrische Feldkonstante (Influenzkonstante) Elektron, Ruhemasse me 9,1095·10-31 kg Elektron, Elementarladung e 1,6022·10-19 C Elektron, Ruheenergie mec2 511 keV Elektron, spezifische Ladung e/me 1,7588·1011 C kg-1 Erdbeschleunigung g 9,80665 m s-2 Faradaysche Konstante F 9,6455·107 C kmol-1 Gaskonstante, allgemein R 8,3144 J K-1 mol-1 Gravitationskonstante G 6,672·10-11 m3 kg-1 s2 Lichtgeschwindigkeit im Vakuum Magnetische Feldkonstante c 2,99792·108 m s-1 4 10-7 V s A-1 m-1 98 Neutron, Ruhemasse mn 1,67495·10-27 kg Neutron, Ruheenergie mnc2 939,57 MeV Plancksches Wirkungsquantum h 6,6262·10-34 J s Proton, Ruhemasse mp 1,67265·10-27 kg Proton, Ruheenergie mpc2 938,28 MeV Proton, spezifische Ladung e/mp 9,5788·107 C kg-1 Rydbergkonstante, Kernmasse R 1,0973732·107 m-1 Rydbergkonstante für das Wasserstoffatom RH 1,0967758·107 m-1 99 Die Dichte einiger Stoffe Feste Stoffe Metalle Dichte Legierungen in g cm-3 Dichte sonstige Dichte in g cm-3 in g cm-3 Aluminium 2,70 Duraluminium 2,75 bis 2,87 Beton 0,5 bis 5 Blei 11,35 Messing 8,1 bis 8,6 Eis (0º C) 0,917 Eisen 7,86 V2A-Stahl 7,9 Fette 0,90 bis 0,96 Gold 19,3 ChromnickelStahl 7,9 Glas 2,4 bis 6,0 Kupfer 8,93 Graphit 2,0 bis 2,5 Magnesium 1,74 Gummi 0,92 Nickel 8,9 Holz 0,4 bis 0,8 Platin 21,5 Kork 0,2 bis 0,35 Silber 10,5 Papier 0,7 bis 1,2 Zink 7,13 Plexiglas 1,2 Zinn 7,3 100 Flüssigkeiten organische Fl. Dichte anorganische Fl. Dichte Aceton 0,791 Kalilauge (40%,15ºC) 1,395 Vollmilch 1,032 Benzol 0,879 Natronlauge (40%,15ºC) 1,434 Olivenöl 0,91 Ethanol 0,789 Quecksilber 13,546 Spiritus 0,83 Salpetersaüre (50%) 1,31 CCl4 1,594 Schwefelsäure (50%) 1,40 Toluol 0,867 Wasser 0,9982 Xylol 0,88 Wasserstoffperox 1,463 yd in g cm-3 sonstige in g cm-3 Dichte in g cm-3 101 Multimeter Hinweise: 1. Zunächst unempfindlichen Messbereich wählen! 2. Bei Analogmessgeräten die Güteklasse (der Fehler vom Skalenendwert in %) beachten! Widerstandsmessbereiche des verwendeten Digitalinstrumentes Bereich Genauigkeit Auflösung Messspannung Messform 0,1 < 0,40 V 2,1 mA 1 < 0,25 V 13 mA 10 < 0,25 V 12,8 A 200 k 100 < 0,25 V 1,3 A 2M 1k < 0,25 V 0,13 A 10 k < 0,40 V 0,03 A 200 k ± 0,5 % v. Messwert 20 k 20 M + 1 digit ±1% v. Messwert + 1 digit Gleichstrommessbereiche des verwendeten Digitalinstrumentes Bereich Genauigkeit Auflösung 200 A ± 0,5 % 0,1 A mA v. Messwert Spannungsabfall 1 + 1 digit 20 mA 200 mA 2A 10 ± 0,8 % v. Messwert 250 mV 0,1 mA 1 mA + 1 digit 10 A 10 mA 350 mV 102 Wechselstrommessbereiche des verwendeten Digitalinstrumentes Bereich Genauigkeit 200 A mA Auflösung Spannungsabfall 0,1 A ± 1,5 % 1 v. Messwert 20 mA 200 mA + 1 digit (40-600 Hz) 10 250 mVeff 0,1 mA 2A 1 mA 10 A 10 mA 350 mVeff Gleichspannungsmessbereiche des verwendeten Digitalinstrumentes Bereich Genauigkeit 200 mV V Auflösung Eingangswiderstand 100 V ± 0,5 % 1 mV v. Messwert 20 V + 1 digit 10 mV 200 V 100 mV 1000 mV 1V 10 M 103 Wechselspannungsmessbereiche des verwendeten Digitalinstrumentes Bereich Genauigkeit Auflösung 200 mV ±1% 100 V V v. Messwert Eingangswiderstand 1 mV + 2 digits 20 V (40 - 600 Hz) 200 V 750 V 10 mV 100 mV ± 1,5 %v. Messwert + 2 digits (40 - 600 Hz) 1V 10 M 104 A3 GRIECHISCHES ALPHABET Griechische Buchstaben a Alpha j Jota R Rho b Beta k Kappa S Sigma g Gamma l Lambda T Tau d Delta m My Y Ypsilon e Epsilon n Ny Ph Phi z Zeta x Xi Ch Chi e Eta o Omikron Ps Psi th Theta p Pi O Omega