c - Physikalisch-Chemisches Institut

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THERMISCHE GLEICHGEWICHTSKONSTANTE KTH
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Versuch E 2
Die thermische Gleichgewichtskonstante Kth
Die Gleichgewichtskonstante Kth für die Dissoziation von Essigsäure soll bestimmt werden.
Hierzu werden zunächst die Leitfähigkeiten von Essigsäurelösungen verschiedener Konzentration gemessen und hieraus die Äquivalentleitfähigkeiten Λc berechnet. Aus den gegebenen
Ionenbeweglichkeiten des H+- und des Ac--Ions ergibt sich Λo. Für alle Konzentrationen
wird mit der Gleichung (13) ein α berechnet. Damit können Kc und (α c)1/2 berechnet und aus
der Auftragung nach Gleichung (28) die Gleichgewichtskonstante Kth gewonnen werden.
Anschließend wird mit Hilfe der Näherung der Leitfähigkeitskoeffizient f und der wahre
Dissoziationsgrad bestimmt.
Ionenleitfähigkeit [cm2/Ω Äqui] Λο(H+) = 349,8, Λο(Ac-) = 40,9 bei 25oC
1
Ausführung der Messung
In das Gefäß (Abb. 3) werden aus einer Bürette 30 ml 0,1 molarer HAc gefüllt.
Mittels der Leitfähigkeitsmessbrücke, der Tauchelektrode und dem
Temperaturfühler wird die Leitfähigkeit der Lösung gemessen.
Darauf verdünnt man auf die halbe Konzentration (30 ml dest.
Wasser zugeben), mischt gut durch, und misst wiederum die
Leitfähigkeit. Das Ganze wird dreimal wiederholt, bis die letzte
Essigsäurelösung eine Konzentration von 1/160 Mol/l hat.
Von dieser Säure gibt man 50 ml in eine Bürette, schüttet den Rest
Abb. 3 Messgefäß
weg
und
reinigt
und
trocknet
das
Messgefäß
und
die
Tauchelektrode sorgfältig. Danach werden 30 ml der 1/160 molaren Essigsäure in das Gefäß
gegeben, thermostatisiert und erneut die Leitfähigkeit gemessen (Kontrolle).
Erneut wird die Säure schrittweise um den Faktor 2 Verdünnt bis eine Konzentration von
1/2560 Mol/l erreicht ist. Bei jeder Verdünnung ist wiederum die Leitfähigkeit zu messen.
66
2
VERSUCH TH2
Beschreibung der Messung:
Leitfähigkeitsmessgerät LF 530 mit automatischer Temperaturkompensation.
¾Funktionsschalter auf "K" stellen und die Konstante der Messzelle mit dem Schalter
"K" (=1.000) und dem Regler "Cal." an der Digitalanzeige einstellen.
¾Temperaturkoeffizient am Regler "%/oC" einstellen (Rechnerisch ermittelter Wert = 2
"%/oC").
¾Messzelle und Temperaturfühler so weit in das Messgut eintauchen, dass beide
Elektrodenflächen bedeckt sind.
¾Funktionsschalter auf "χ" drehen. Der "χ"-Messbereich ist durch 4 Schalterstellungen
unterteilt, der Umfang der Teilbereiche nimmt von links nach rechts ab. Es ist die
Einstellung zu wählen, bei der der größtmögliche Zahlenwert an der Digitalanzeige
erscheint. Wurde der Teilbereich zu niedrig gewählt, so erscheint Überlaufanzeige
(Anzeige 1 und Komma). An der Digitalanzeige erscheint rechts neben dem Messwert
ein Anzeigebalken, der die zugehörige Dimension (mS/cm oder µS/cm) angibt.
¾Messwert ablesen, die Anzeige entspricht der Leitfähigkeit bei Referenztemperatur
(bei Auslieferung des Gerätes 25oC).
¾Der Regler "oC" ist bei angeschlossenem Temperaturfühler unwirksam.
3
Einführung in die Theorie
Während Metalle den elektrischen Strom aufgrund ihrer freien Elektronen leiten, erfolgt bei
Elektrolyten der Ladungstransport durch Ionen. Chemisch gesehen sind Elektrolyte Salze,
Säuren oder Basen, deren wässrige Lösungen bzw. Schmelzen elektrischen Strom leiten.
Man unterscheidet zwei verschiedene Klassen von Elektrolyten: Bei starken Elektrolyten liegt
die Ausgangssubstanz in wässeriger Lösung vollständig in Ionen dissoziiert vor, bei
schwachen Elektrolyten ist die Dissoziation unvollständig. Das Ausmaß der Dissoziation wird
durch den Dissoziationsgrad α beschrieben:
AB → A+ + B-
THERMISCHE GLEICHGEWICHTSKONSTANTE KTH
α=
c ABDis
c AB0
=
c A+
c AB0
=
67
cB −
c ΑΒ 0 = Konzentration gelöster Substanz vor der
c AB0
Dissoziation
(1)
Um die Struktur eines Salzkristalls beim Lösen in Wasser zu zerstören, muss eine Energie
aufgebracht werden, die größer ist als die Wechselwirkungsenergie (WWE) der Ionen. Diese
WWE wird durch das Coulombpotential VCoul bestimmt:
VCoul ∝
q2
,
r
q = Ladung, r = Entfernung
Das Potential VD eines Wassermoleküls mit permanentem Dipolmoment im elektrischen Feld
eines Ions ist:
VD = µ ⋅ E ∝
µ
r2
mit µ = Dipolmoment, E = Feldstärke.
Können sich die Lösungsmittelmoleküle nahe genug an die Ionen des Festkörpers anlagern,
so kann die Ion-Dipol WWE etwa gleich groß werden wie die Ion-Ion WWE, und die
Kristallstruktur löst sich auf.
3.1
Stromleitung in Elektrolyten
Tauchen zwei hinreichend große Elektroden (Fläche A) im Abstand d voneinander in einen
Elektrolyten, und wird an ihnen die Spannung U angelegt, so herrscht zwischen ihnen ein
homogenes elektrisches Feld E mit
E = U/d.
Auf das Ion mit der Ladung ze0 wirkt eine beschleunigende Kraft FE
FE = q · E = z ·e0 · E
e0 = Elementarladung
Gleichzeitig wird das Ion durch die Stokes'sche Reibungskraft FR gebremst:
(2)
68
VERSUCH TH2
FR = -6 ·π ·η ·r · v
mit η = Viskosität, r = Radius der Kugel
(3)
Sind die Beträge der beiden Kräfte gleich groß, d.h.: FE + FR = 0 , so bewegt sich das Ion
schließlich mit konstanter Wanderungsgeschwindigkeit v . Man kann also den Radius der
wandernden Kugel bestimmen, wenn v gemessen wird.
Betrachtet man einen Elektrolyten beliebiger Zusammensetzung, der in γ+ Kationen der
Ladungszahl z+ und γ- Anionen der Ladungszahl z- dissoziiert, so ergibt sich die
Konzentration der Kationen c+ bzw. der Anionen c- aus:
c+ = γ + bzw.
c− = γ − ⋅ c
Da die Lösung nach außen stets neutral ist, gilt:
z +γ + =| z − | γ − = z e
mit ze = elektrische Wertigkeit.
Die elektrische Stromstärke ist der Quotient aus bewegter Ladung und der Zeit.
I = I+ + I− =
Q+ Q−
+
t
t
= NA ·e0 ·c+A ·v++NA ·z- ·e0 ·c- ·A ·v= NA ·e0 ·A (z+ ·c+ ·v++ z- ·c- ·v-)
= F ·A (z+ ·γ+c ·v++ z- ·γ- ·c ·v-)
= F ·A ·c ·ze ·(v+ + v-)
(4)
mit F = Faradaykonstante.
Für die Stromleitung gilt das Ohmsche Gesetz:
R=
U
d
=ρ
I
A
ρ = spezifischer Widerstand, d = Abstand der Elektroden, A = Fläche der Elektroden
Die spezifische Leitfähigkeit κ ist das Reziproke des spezifischen Widerstandes ρ:
(5)
THERMISCHE GLEICHGEWICHTSKONSTANTE KTH
69
κ= 1/ρ
(6)
Mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes und U = Ed folgt κ = I/(AE). Damit ergibt sich für die
spezifische Leitfähigkeit aus Gleichung (4):
v 
v
κ = F ⋅ c ⋅ ze  + + − 
E E
(7)
Definieren wir nun die Beweglichkeit u = |v|/|E|, so ergibt sich:
κ = F ⋅ c ⋅ z e (u + + u − )
(8a)
Bei unvollständiger Dissoziation gilt:
κ = F ⋅ c ⋅ z e ⋅ α ⋅ (u + + u − )
(8b)
Die spezifische Leitfähigkeit ist von der Konzentration, d.h. der Anzahl der Ladungsträger in
der Lösung abhängig. Deshalb definiert man die Äquivalentleitfähigkeit:
Λ=
κ ⋅ 1000  cm 2 
Z e ⋅ c  Ω ⋅ Äqui 
(9)
Damit folgt aus Gleichung (8):
Λ = F (u+ + u-) = Λ++Λ-
(10)
Λ = F α (u+ + u-) = Λ++Λfür unendliche Verdünnung (α = 1)
Empirisch fand man jedoch, dass die Äquivalentleitfähigkeit noch eine Funktion der
Konzentration ist. Für starke Elektrolyte gilt das Kohlrausch'sche Quadratwurzelgesetz:
Quadratwurzelgesetz
Λc = Λ( c ) = Λ0 − konst ⋅ c
(11)
Λ0 ist der Grenzwert der Äquivalentleitfähigkeit für c→0. Die Abnahme von Λ0 mit
steigender Konzentration wird durch die interionischen Wechselwirkungen verursacht. Im
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VERSUCH TH2
idealen Fall unendlicher Verdünnung sind diese Wechselwirkungen Null und es gilt das
Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung:
Λ0 = Λ0+ + Λ0−
(12)
(Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung, Kohlrausch)
Die Äquivalentleitfähigkeit setzt sich additiv aus den Leitfähigkeiten der einzelnen Ionen
Das Verhalten Schwacher Elektrolyte wird durch das
zusammen (vgl. Gl.(10)).
Ostwaldsche Verdünnungsgesetz wiedergegeben.
Der in Gleichung (1) definierte Dissoziationsgrad α kann näherungsweise wie folgt bestimmt
werden:
α=
Λc
Λ0
(13)
Die Gleichgewichtskonstante Kc für die Reaktion
AB → A+ + B-
ist durch das
Massenwirkungsgesetz gegeben: Sei c die Konzentration von AB vor der Dissoziation, so ist
α·c die Menge der dissoziierten Substanz und c - α·c = (1 - α)c die Menge an undissoziierter
Substanz. Dann folgt:
Kc =
=
[A ]⋅ [B ] = α ⋅ c ⋅α ⋅ c
+
[AB]
−
(1 − α )⋅ c
α 2 ⋅c
1 −α
(14)
und mit Gleichung (13) ergibt sich das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz:
Kc =
c ⋅ Λ2c
(Λ0 − Λc )⋅ Λ0
(15)
Anhand von Leitfähigkeitsmessungen lassen sich nur die Summen von Äquivalentleitfähigkeiten bzw. Beweglichkeiten bestimmen, jedoch nicht die Äquivalentleitfähigkeiten
und Beweglichkeiten der einzelnen Ionen. Bei gefärbten Ionen lässt sich durch Messung ihrer
Wanderungsgeschwindigkeit ihre Beweglichkeit und somit Äquivalentleitfähigkeit berechnen
(siehe Versuch E1).
THERMISCHE GLEICHGEWICHTSKONSTANTE KTH
71
Mit Hilfe der Hittorfschen Überführungszahlen lassen sich jedoch unter Verwendung von
Gleichung (10) Einzeläquivalentleitfähigkeiten berechnen.
Im Elektrolyten setzt sich der gesamte Strom IG aus zwei Anteilen zusammen:
IG = I+ + IDas Verhältnis
bzw.
t+ =
I+
v+
= +
IG v + v−
(16a)
t− =
I−
v−
= +
IG v + v−
(16b)
nennt man Hittdorfsche Überführungszahl.
Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Hittorfschen Überführungszahlen erfolgt mit Hilfe
einer in Anodenraum, Kathodenraum und mittleren Raum unterteilten Elektrolysezelle. Da
der Ladungstransport mit einem Stofftransport verbunden ist, können zusammen mit den
Elektrodenreaktionen über Konzentrationsänderungen die Überführungszahlen bestimmt
werden. Es muss unterschieden werden zwischen den Abläufen an den Elektroden und der
Wanderung. Beide Vorgänge erfolgen bei nicht zu langer Elektrolysedauer unabhängig
voneinander. Die entscheidende Bedingung ist die Ladungsneutralität in allen drei Räumen
nach außen.
Beim Durchgang von 1 Faraday wird 1 Mol A+ an der Kathode entladen, t+ Mol A+ wandern
zu, t- Mol B- ab. Wir haben:
(-1 + t+) = -t- Mol
Änderung Ladung an der Kathode. Die Summe der Ladungsänderungen ist Null. Ähnlich
erfolgt an der Anode eine Änderung der Ionenkonzentration von -t+ Mol. Für die
Konzentrationsänderungen gilt beim Durchgang von Q/F Ladungen:
∆nKathode = t − ⋅
Q
,
F
∆n Anode = t + ⋅
Q
F
(17)
72
3.2
VERSUCH TH2
Interionische Wechselwirkung im 1,1-Elektrolyten
Das Ostwald'sche Verdünnungsgesetz (15) gilt nicht exakt. Das liegt am Ansatz, Gleichung
(13), denn offensichtlich ist für c - 0, α - 1 auch für starke Elektrolyte.
Das bedeutet, dass der Quotient ΛC / Λ0 nur näherungsweise als Dissoziationsgrad
aufzufassen ist, da die nicht zu vernachlässigenden interionischen Wechselwirkungen noch
berücksichtigt werden müssen. Bei der Dissoziationskonstanten geschieht dies durch
Benutzung der Aktivitäten, statt der Konzentrationen, beim Dissoziationsgrad α wird ein
Korrekturfaktor, der Leitfähigkeitskoeffizient fλ, eingeführt (Bjerrum):
Λc
= α ⋅ fλ
Λ0
(18)
Aus der Theorie von Debye, Hückel und Onsager, die die Wechselwirkung zwischen Ionen
berücksichtigt, folgt für Λc:
(
Λc = α ⋅ Λ0 − G ⋅ α ⋅ c
)
(19)
und damit für fλ:
Λ0 − G ⋅ α ⋅ c
Λ0
(20)
G = 60,64 + 0,2301 . Λ0
(21)
fλ =
Mit der Konstanten G:
wobei Λ0 in [cm2/Ω Äqui] eingesetzt wird!
Den wahren Dissoziationsgrad α erhält man für eine bestimmte Konzentration durch
folgendes Näherungsverfahren:
1. Man setzt fλ = 1 und berechnet aus (18) ein α1.
2. Mit α1 folgt aus (20) und (21) ein fλ1.
THERMISCHE GLEICHGEWICHTSKONSTANTE KTH
73
3. und daraus ein α2, usw., bis ein innerhalb der Messgenauigkeit konstanter Wert
erreicht wird (3-4 Näherungen).
Über die Gleichungen (13) und (14) lässt sich ein Kc bestimmen, das allerdings noch
konzentrationsabhängig ist. Die Wechselwirkungen zwischen den Ionen müssen noch durch
Einführen der Aktivitätskoeffizienten f berücksichtigt werden. Es gilt für die wahre
Gleichgewichtskonstante Kth:
AB → A+ + BK th =
c A+ ⋅ c B − ⋅ f A+ ⋅ f B −
c AB ⋅ f AB
= Kc
f A+ ⋅ f B −
f AB
(22)
Für Konzentrationen c < 10-2 mol/l kann fAB = 1 gesetzt werden und man erhält:
lg K th = lg K c + lg ( f A+ ⋅ f B − )
(23)
Da fA und fB nicht gemessen werden können, wird fm, der mittlere Aktivitätskoeffizient,
eingeführt:
fm =
f A+ ⋅ f B −
(24)
Für fm gilt nach der Debye-Hückel-Onsager-Theorie:
lg f m = −0 ,5091 ⋅ z + | z − | I
(25)
mit I = Ionenstärke,
I=
( )
1
2
ci z i
∑
2 i
(26)
c = Konzentration der i'-ten Ionensorte
zi = Ladungszahl der i'-ten Ionensorte
Im Fall der Essigsäure gilt:
lg f m = −konst ⋅ α ⋅ c ,
(konst = 0,5091)
(27)
74
VERSUCH TH2
und für Kth:
lg K c = lg k th + 2 ⋅ konst ⋅ α ⋅ c
(28)
Trägt man lg Kc gegen (α c)1/2 auf, so ergibt sich für Konzentrationen
c < 10-2 Mol/l eine Gerade, aus deren Ordinatenabschnitt Kth bestimmt wird.
4
Literatur :
P.W. Atkins, Physikalische Chemie, VCH-Verlag, Kapitel 27.1, 11.1a, b 11.2
G.M. Barrow: Physikalische Chemie, 6. Auflage, Bohmann Vieweg, Teil II,
18.2, 18.3, 18.4
Kapitel 18.1,
G. Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 3. Auflage, VCH-Verlag, Kapitel 1.6.2;
1.6.3; 1.6.4; 1.6.5, 1.6.6; 1.6.7; 1.6.8; 1.6.9; 1.6.10
5
Stichworte:
¾Hydratation, Dissoziation, Dissotiationsgrad
¾Stromleitung, Leitfähigkeitsgrößen, empirische Leitfähigkeitsgesetze: Kohlrausch
(Quadratwurzelgesetz,
Gesetz
der
unabhängigen
Ionenwanderung),
Ostwald
(Verdünnungsgesetz)
¾Wanderungsgeschwindigkeit (Kräfte, Temperaturabhängigkeit)
¾-Hittorfsche Überführungszahlen
¾Ionen-Wechselwirkung
:
Debye-Hückel-Theorie,
Debye-Hückel
Grenzgesetz,
Relaxationseffekt, Elektrophoretischer Effekt, Assoziation, Aktivitätskoeffizienten.
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