3.4 Was gibt es Neues zum Kunstherz ?

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Was gibt es Neues zum Kunstherz? 3.4
3.4 Was gibt es Neues zum Kunstherz?
1 Einleitung
Die terminale Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern
[30]. Über 30 Millionen Menschen leiden weltweit
an einer Herzinsuffizienz mit ischämischer, idiopathischer oder dilatativer Ätiologie [4]. Prognosen
zeigen, dass im Jahr 2020 weltweit voraussichtlich
70 Millionen Menschen unter einer terminalen
Herzinsuffizienz leiden [23].
Die Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz
erfolgt in mehreren Schritten: Der erste ist in der
Regel eine konservative, medikamentöse Behandlung, gefolgt von der Implantation eines Defibrillators bzw. einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT). Bei vielen Patienten im Endstadium
der terminalen Herzinsuffizienz ist aber eine chirurgische Intervention mit Transplantation bzw.
Implantation eines Herzunterstützungssystems
(Ventricular Assist Device (VAD)) indiziert. Vor
allem der große Mangel an Spenderorganen
macht die Implantation eines Herzunterstützungssystems bei Patienten mit langer Wartezeit
notwendig.
Aber auch ein Einsatz bei Patienten mit einer oder
multiplen Kontraindikationen für eine Herztransplantation können im Rahmen einer „Destination
Therapy“ erfolgreich mit einem dauerhaften Herzunterstützungssystem versorgt werden. Vor allem
der erfolgreiche Langzeiteinsatz von linksventrikulären Herzunterstützungssystemen (Left Ventricular Assist Device, LVAD) hat die Behandlung der
terminalen Herzinsuffizienz revolutioniert.
Die kontinuierliche technische Weiterentwicklung
der mechanischen Herzunterstützungs- und der
kompletten Kunstherzsysteme (Total Artificial
Heart (TAH)) führt zu einem immer sichereren Einsatz dieser Therapieverfahren. Außerdem sorgen
ein optimiertes Patientenmanagement sowie
minimalinvasive Implantationstechniken für eine
geringere Letalität und Morbidität bei guter
Lebensqualität [28] [35].
1.1 Einteilung Herzunterstützungssysteme
1.1.1 Kurzzeitsysteme
Die permanente Weiterentwicklung und Minimierung der Herz-Lungen-Maschine (HLM)
ermöglicht eine schnelle Verfügbarkeit der Extrakorporalen Zirkulation (EKZ) auch außerhalb des
Operationssaals. Diese mobilen Herz- und Kreislaufunterstützungs-Systeme werden auch „Extrakorporale Life Support Systeme“ (Extracorporeal
Life Support (ECLS)) genannt. Sie erlauben, Patienten mit fortgeschrittener Herz-Kreislauf-Insuffizienz und protrahierten Schockzuständen
mechanisch zu unterstützen und ermöglichen
einen sicheren Transport kreislaufinstabiler Patienten über weite Strecken zu einem geeigneten
Zentrum mit herzchirurgischer Versorgung.
Diese temporären Herzunterstützungssysteme
sorgen für stabile Kreislaufverhältnisse, die
weder durch konventionelle medikamentöse
Therapien, noch durch Implantation einer intraaortalen Ballonpumpe (IABP) erreichbar wären.
Die negativen Auswirkungen der EKZ auf Organsysteme wie Niere, Lunge und Hirn konnten in
den letzten Jahren auf ein Minimum reduziert
werden. Technische Komplikationen sind heute
durch modernste Pumpentechnologien und
zuverlässige Einmalkomponenten, ein modernes
Monitoring und spezielle Kanülierungstechniken
selten. Dieser hohe Standard bei der Durchführung der EKZ wird durch speziell qualifiziertes
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3 Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie
C. B ENK, F. B EYERSDORF
3 Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie
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Abb. 1: Vereinfachtes Schema des ECLS – Verfahrens mit femoral angeschlossener Zentrifugalpumpe- und Oxygenator,
Steuerkonsole und Gasversorgung (A). Stationäres ECLS – System auf der Intensivstation (B), Transport im Helikopter (C).
Personal und durch modernste Technik für alle
Komponenten einer HLM garantiert [3] [47].
Mobile, mechanische Herz- und Kreislaufunterstützungs-Systeme (ECLS) mit einer veno-arteriellen Kanülierung können heute in folgenden Situationen zum Einsatz kommen [7] [16] [21]:
•
•
•
•
•
Kardiogener Schock
Kardiopulmonale Reanimation
Fulminante Lungenembolie
Standby im Herzkatheterlabor
Standby bei kathetergestützten Aortenklappenimplantationen
• Unterkühlung
• Intoxikation
• Transport von hämodynamisch instabilen Patienten
1.1.2 Parakorporale Systeme/Verdrängerpumpen
Die in den letzten Jahrzehnten erfolgreich eingesetzten parakorporalen Systeme wurden sukzessive durch moderne implantierbare linksventrikuläre Herzunterstützungssysteme ersetzt. Durch
fehlende Alternativen ist eine Implantation vor
allem bei Neonaten, Säuglingen und Kindern
üblich. Die parakorporal liegenden Kunststoffventrikel erfordern große Durchtrittsstellen für die am
Herzen angeschlossenen Kanülen. Des Weiteren
152
erfolgt der Betrieb über eine voluminöse und
meist schwere und wenig mobile Antriebskonsole. Die Pumpenkammern werden nach dem Verdrängerprinzip pneumatisch gefüllt und geleert.
Die Blutstromrichtung erfolgt über zwei im Ventrikel verbaute mechanische Herzklappen. Ein Vorteil dieser Systeme besteht darin, dass sie sowohl
uni- als auch biventrikulär eingesetzt werden können. Heutzutage bietet das pulsatile Berlin Heart
VAD (Berlin Heart AG, Berlin Germany) für Säuglinge und Kleinkinder die sicherste Langzeitunterstützung bei schwerer Herzinsuffizienz [8] [12] [32]
[45].
1.1.3 Linksventrikuläre Herzunterstützungssysteme (Left Ventricular Assist Device
(LVAD))
Die implantierbaren Linksherzunterstützungssysteme sind mittlerweile sehr zuverlässig und
ermöglichen Herzunterstützungen über viele
Jahre. Die ersten Patienten mit diesen Systemen
sind über acht Jahre mechanisch unterstützt [49].
Man unterscheidet bei den LVADs technisch zwischen den verschiedenen Generationen:
• 1. Generation waren große pulsatil betriebene
Systeme mit Verdrängerpumpen, die eine
Implantation in kleinere Patienten nahezu
unmöglich machte und durch ihre Konstruk-
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100
90
80
INTERMACS Quarterly StaƟsƟcal
Report. 2013 1st Quarter
[Kirklin, 2013]
70
HeartMateII DesƟnaƟon Therapy
[Park, 2012]
50
HeartMateII DesƟnaƟon Therapy
[Slaughter, 2009]
40
HeartMate I XVE REMATCH
[Rose, 2001]
30
Medical Therapy REMATCH
[Rose, 2001]
20
10
0
0
6
12
Monate
18
24
Abb. 2: Überleben nach Assist Device Implantation in Destination Therapie Patienten versus Medikamentöser Therapie.
Übersicht der größten Studien bezüglich Überleben mit LVAD (Modifiziert nach Molina et al. [28]) [14] [33] [40] [44].
tion nicht für eine Unterstützung über einen
längeren Zeitraum ausgelegt waren.
erfolgreichen „Off Label Use“ eines LVADs als
Rechtsherzunterstützung berichten [19] [37].
• Die 2. Generation waren Axialpumpensysteme,
welche über eine mechanische Lagerung des
Pumpenrotors verfügten. Zu diesem System
zählt das weltweit am häufigsten eingesetzte
System: das HeartMate II (Thoratec Corporation, Pleasanton, Californien, USA). Bis zum
heutigen Zeitpunkt wurde das HeartMate II
über 15 000 mal implantiert [49].
Neben dem Überbrücken bis zur Transplantation
(Bridge to Transplant) [27] haben sich die modernen LVADs als permanente Lösung (Destination
Therapy) für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz etabliert mit überlegenen Ergebnissen verglichen mit einer medikamentösen Therapie wie
Abbildung 2 zeigt.
• Zur 3. Generation der LVADs zählen Radialpumpen mit hydrodynamisch oder magnetisch gelagerten Rotoren. Das HeartWare System (HeartWare Incorporated, Framingham,
Massachusetts, USA) arbeitet nach dem Pumpenprinzip einer Zentrifugalpumpe und hat
einen magnetisch gelagerten Rotor. Das HeartWare LVAD ist nach dem HeartMate II weltweit
am häufigsten implantiert [1] [36].
Mit der derzeitigen LVAD-Technologie ist es ausschließlich möglich das linke Herz zu unterstützen. Es gibt aber erste Arbeiten, die über den
1.1.4 Partielle Linksherzunterstützungssysteme
Seit Oktober 2012 ist ein linksventrikuläres Unterstützungssystem der Firma CircuLite (CircuLite Inc,
Teaneck, NJ, USA) verfügbar, welches eine partielle Unterstützung des linken Herzens ermöglicht.
Bei diesem weltweit kleinsten implantierbaren
LVAD mit dem Namen „Synergy“ wird mit Hilfe
einer langen Kanüle Blut aus dem linken Vorhof
angesaugt und in die rechte Arteria subclavia
gepumpt. Die Implantation der herzschrittmachergroßen Rotationspumpe erfolgt durch eine
kleine rechtsseitige Thorakotomie. Die Platzierung
153
3 Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie
Überleben [%]
60
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Gefäßchirurgie
der Synergy Pumpe erfolgt in einer Herzschrittmacher-ähnlichen, subkutanen Tasche. Die Leistungsgrenze dieser kleinen Rotationspumpe liegt
bei etwas mehr als 4 L/min und ist im Wesentlichen durch die Kanülierung des linken Vorhofs
begrenzt [25].
Die ersten erfolgreichen Einsätze dieser neuen
minimalinvasiv zu implantierenden Blutpumpe
bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
werden von Klotz et. al. beschrieben [17]. Vor
allem die aufgehaltene Progression der Herzinsuffizienz durch eine nur partielle Kreislaufunterstützung birgt Hoffnung für viele herzinsuffiziente
Patienten im NYHA Stadium IIIb. Bis heute wurden
knapp 100 dieser Blutpumpen implantiert [2] [26].
1.1.5 Implantierbare extraaortale
Gegenpulsationspumpe
Mit der C-Pulse Pumpe (C-Pulse; Sunshine Heart
Inc., Tustin, USA) wurde eine ganz neue Form der
Herzunterstützung entwickelt. Bei dieser Pumpe
handelt es sich um eine extraaortal angebrachte
Manschette, die EKG getriggert zum Zeitpunkt des
Aortenklappenschlusses aufgepumpt und in der
Systole entleert wird, und somit nach dem gleichen Wirkprinzip einer IABP funktioniert. Diese
neue Technologie ist für Patienten in NYHA Klasse
II-III gedacht und verspricht die klassischen Symptome der Herzinsuffizienz zu reduzieren. Die
Implantation kann minimalinvasiv über eine
Ministernotomie, laterale Thorakotomie oder eine
vollständige Sternotomie erfolgen. Dabei wird die
Druckmanschette um die Aorta ascendens gelegt
und fixiert. Durch eine getunnelte Pneumatiklinie
wird die Manschette mit der extrakorporalen
Antriebseinheit verbunden. Durch die pneumatische Steuereinheit kann die Druckmanschette
EKG synchronisiert aufgepumpt und entleert werden. Vorteilhaft bei diesem System ist die extraaortale Lage, was eine aufwändige Antikoagulation
des Patienten überflüssig macht [42]. Die erste
erfolgreiche Implantation erfolgte im Mai diesen
Jahres am Deutschen Herzzentrum in Berlin.
1.1.6 Kunstherz (Total Artificial Heart (TAH))
Beim totalen Kunstherz wird im Gegensatz zu den
Herzunterstützungssystemen das native Herz fast
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vollständig entfernt und die Implantation der
Pumpenkammern erfolgt orthotop. Derzeit gibt
es als einzig zugelassenes totales Kunstherz das
SynCardia (SynCardia Systems, Inc, Tucson
Arizona,USA) [5] [48]. Das SynCardia besteht aus
zwei Polyurethanventrikeln mit jeweils zwei
künstlichen Medtronic-Hall-Klappen. Der Antrieb
erfolgt über die vom Ventrikel führenden Pneumatikleitungen, welche an eine externe pneumatische Antriebseinheit angeschlossen werden [6].
Im folgenden Abschnitt 2 wird eine TAH-Implantation detailliert beschrieben. Die externen pneumatischen Antriebskonsolen des SynCardia-Systems wurden kontinuierlich weiterentwickelt und
die heutigen verfügbaren Companion und Freedom Driver erlauben eine Entlassung der Patienten nach Hause und eine deutlich bessere Mobilität, als noch mit der ersten Antriebseinheit „Big
Blue“ [10].
Die Firma Abiomed (Abiomed Inc, Danvers, MA,
USA), welche ein vollständig implantierbares TAH
AbioCor entwickelte, verfolgte erstmals ein neues
Antriebskonzept ohne Pneumatikleitungen. Das
Abb. 3: Notwendige Komponenten für eine TAHImplantation mit dem SynCardia System der Firma SynCardia. Im Vordergrund sind die Pneumatiklinien zum
Anschluss der beiden Pumpenkammern an die Antriebskonsole. Vor den beiden Pumpenkammern sind die Ausflussgrafts sowie die jeweiligen Vorhofcuffs positioniert.
Der Plexiglaszylinder mit aufgesteckter Perfusorspritze
dient zur Dichtigkeitskontrolle der Anastomosen von
Vorhof und Ausflussgraft.
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Die Limitationen der heutigen TAH-Technologie
sind zum einen die derzeit noch durch das Funktionsprinzip der pneumatisch betriebenen Pumpenkammern großen Antriebskonsolen und der
damit verbundene hohe Energiebedarf, außerdem die schwer einstellbare Antikoagulation
sowie die notwendigen anatomischen Verhältnisse zur erfolgreichen thorakalen Implantation
(Körperoberfläche > 1,5 m2) [22]. Ein weiteres Problem stellt die Haltbarkeit der Pumpen und der
mechanisch stark beanspruchten Pumpenmembranen bei einem Langzeiteinsatz dar [46].
3 Thorax-, Herz- und
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System besteht hauptsächlich aus Titan und Polyurethan und wiegt 900 Gramm. Der Antrieb
erfolgt über einen im Kunstherz liegenden Elektromotor, welcher durch Rotation zwischen 6 000
und 8 000 U/min einen hydraulischen Druck aufbaut, der eine darum liegende Membran komprimert, wodurch die eigentliche Pumpleistung entsteht. Das Besondere bei diesem System ist die
vollständige Implantation der Kontrolleinheit
sowie der Energieversorgung (Batterien), um eine
sonst notwendige Ausleitung der Driveline aus
dem Körper zu vermeiden. Die Energieübertragung von extern zur internen aufladbaren Batterie
erfolgt über ein transkutanes Energietransmissions System (TET-System). In einer initialen Studie
wurde das System bei sieben Patienten eingesetzt, drei davon verstarben. Insgesamt wurde das
System 14 Patienten implantiert. Aufgrund der
hohen Thromboembolierate wurde das System
aber wieder vom Markt genommen [9] [24] [43].
Abb. 4: Markierung für die folgende Herzexzision.
2 Implantation des totalen
Kunstherz SynCardia
3 Komplikationen
Trotz einer rasanten Weiterentwicklung der Herzunterstützungssysteme und Kunstherzen ist der
Einsatz noch immer mit einigen teils schwerwiegenden Komplikationen verbunden. Die häufigsten früh auftretenden Komplikationen sind post-
Abb. 5: Nach Exzision des Herzens und Stabilisierung des
Vorhofsaums mit Filzstreifen werden die Vorhofcuffs mit
einer Klemme aufgedehnt, um einen späteren Anschluss
des Ventrikels zu erleichtern.
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3 Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie
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Abb. 6: Nach Abmessung erfolgt das Zuschneiden der
Vorhofcuffs.
Abb. 8: Eingenähte Vorhof und Ausflussprothesen vor
Anschluss an den linken und rechten Ventrikel.
Abb. 7: Versiegelung der Vorhofanastomosen mit
einem Gewebekleber BioGlue (Surgical Adhesive CryoLife, Kennesaw, USA)
Abb. 9: Konnektion der linken Pumpenkammer
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