Die politische Dimension Sozialer Arbeit fokussieren (Verabschiedung 3. 2. 2010) Dass ich hier heute stehe, hat u.A. etwas damit zu tun, dass ich mich geärgert habe – in einem früheren Beruf, weil ich damals fand, dass viele der SozialpädagigInnen, mit denen ich dort zu tun hatte, wenig Zugang und Wissen mitbrachten für die realen Politikfelder, die für ihre Arbeit wichtig waren. Als wir dann als Familie in Aachen mit seiner KatHO landeten, lag es nahe, doch mal zu versuchen, etwas für die politische Analyse und Handlungsfähigkeit von zukünftigen Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen zu tun. Ich bekam die Gelegenheit, dies hier nun einige Jahre mit Studierenden und Lehrenden auszuprobieren – immer in der Spannung zwischen den vielen interessanten Fragestellungen, die man alle beackern könnte, und der Notwendigkeit, die wenige zur Verfügung stehende Zeit im Blick auf den zukünftigen Beruf möglichst zielführend zu nutzen. Am Ende meiner Lehrtätigkeit hier möchte ich mit ein paar Stichworten versuchen, meinen heutigen Stand der Überlegungen zu einer politikwissenschaftlichen Perspektive für das Studium Sozialer Arbeit zu skizzieren. Nach ein paar Worten zu Ausgangssituation will ich 6 Elemente kurz in den Blick rücken. Anrede Lebenswelt- und Alltagsorientierung sind zentrale Begriffe in Theorien und Konzepten Sozialer Arbeit – gewissermaßen eine professionelle Selbstverständlichkeit. Was heißt das aber für die politische Dimension Sozialer Arbeit – und noch zugespitzter an diesem Ort der Aus-Bildung – für die Vorbereitung auf dieses Berufsfeld? Für ganz wenige der Studierenden, die hier anfangen, ist „Politik“ mit ihrer Lebenswelt und ihrem Alltag verbunden. Gut, da gibt es hie und da Studierende, die Jugendverbandserfahrung bis hin zu Leitungsebenen haben, oder die JugendvertreterInnen im Betriebsrat waren oder die in Bürgerinitiativen oder Parteien mitgemischt haben – für die meisten aber ist „Politik“ ein Schulfach, das mit als weit entfernt erlebten Themen (z.B. Wahlverfahren und Aufgaben des Parlaments) und Menschen zu tun hatte. Mit ihrem Alltag, mit Entscheidungen, die ihre Lebenswelt betrafen, und möglichen Einflüssen auf solche Entscheidungen z.B. über die SchülerInnenvertretung – politikwissenschaftlich spräche man von Willensbildungsprozessen im Kosmos Schule – wurde dieses Fach nicht in Verbindung gebracht. Auch andere für sie unmittelbar relevante 1 Entscheidungsprozesse, solche auf der kommunalen Ebene – wie Fahrradwege oder die Einrichtung von Nachtbussen – hatten keinen Bezug dazu; Kommunalpolitik kommt in den schulischen Lehrplänen i.A. nicht vor. Damit bringen Studierende meistens ein Verständnis von Politik mit, das Lebensweltbezüge und Alltagsrelevanz gerade nicht fokussiert – sie studieren aber auf ein Berufsfeld hin, bei dem die politische Dimension immer eine Rolle spielt – um es mit Albert Mühlum1 zu sagen : Soziale Arbeit kann gar nicht nicht-politisch sein. Dem gegenüber wird häufig aus einem unmittelbaren Helfenwollen die berufliche Rolle im Verständnis der Studierenden, besonders junger Studierender, auf die Beziehung zwischen dem oder der Professionellen der Sozialen Arbeit und dem oder der KlientIn reduziert. Was bedeutet das nun für den Beitrag, der aus der Perspektive der Politikwissenschaft für die Ausbildung zur Sozialen Arbeit beigebracht wird? Was ist nötig, um unter den angedeuteten Voraussetzungen die politische Dimension Sozialer Arbeit im Studienprozess zu fokussieren? Ich möchte dies an 6 Elementen festmachen: zum ersten am Politikverständnis, zum zweiten an der interdiszipliären Verankerung von Politik im Studium, zum dritten am Zusammenhang von Politik und Sozialer Arbeit, zum vierten an der Bedeutung öffentlicher Präsenz, zum fünften an Kommunalpolitik als Thema und schließlich zum sechsten an der sozialpolitischen Auseinandersetzung. 1. Politikverständnis Häufig ist der Politikbegriff verengt auf staatliches Handeln und bezieht z.B. Entscheidungsprozesse in Verbänden, in der Hochschule oder anderen gesellschaftlichen Gruppen nicht mit ein. Außerdem herrscht ein Politikverständnis vor, das über Wahlen hinaus die eigenen Einflussmöglichkeiten kaum im Blick hat, sondern Politik auf einer sehr weit entfernten Ebene verortet. Dazu gibt es verbreitet eine relativ unreflektierte Ablehnung des Machtphänomens; Macht wird als etwas verstanden, was „die anderen“ haben, und man selber definiert sich - ebenso wie die Personen, die man in der Sozialen Arbeit trifft - als machtlos. Allerdings bejaht heute eine stärkere Minderheit als 1 (FHS Heidelberg) s. Lallinger, Manfred, Rieger, Günter (Hg.): Repolitisierung Sozialer Arbeit: engagiert und professionell, Stuttgart 2007 2 in den ersten Jahren hier die Frage, ob sie Macht haben wollen, und steigt unmittelbar auf die Art der Machtausübung und Machtkontrolle ein. Dass es notwendig ist, angesichts divergierender Ideen und häufig konfliktiver Interessen für eine jeweils umschreibbare Öffentlichkeit (den Verband, die Studierendenschaft, die Pfarrgemeinde, die Hochschule...) zu allgemein verbindlichen Entscheidungen zu kommen, ist zwar im Allgemeinen einsichtig, aber wie so etwas funktioniert, ist für viele nicht mit eigener Erfahrung verbunden. Deshalb gilt es in einem ersten Schritt häufig, die Erfahrungen sowohl aus ihren Herkunftswelten als auch aus den bereits in der Sozialen Arbeit geleisteten Praktika daraufhin abzuklopfen, wo und wie es zu solchen allgemein verbindlichen Entscheidungen kommt. Damit wird Politik über den staatlichen Sektor hinaus definitorisch geöffnet und bezieht auch z. B. die Politik mit ein, die ein Verband nach außen, aber auch innerhalb betreibt. Es gilt also, Politik als eine Dimension gesellschaftlichen und individuellen Verhaltens und Handelns zu begreifen, das auf allgemein verbindliche Entscheidungen im jeweiligen Handlungszusammenhang abzielt. Solche umfassenden Politikdefinitionen bieten z.B. Sutor2 und Patzelt3. Politik ist ein Modus des sozialen Handelns, der als gemeinsame Regelung gemeinsamer Probleme in allen Sozialbereichen vorkommt, der sich aber in Bezug auf die Gesamtgesellschaft zur allgemeinen Regelung der die Gesamtheit betreffenden Fragen verdichtet und deshalb auf gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen zielt.(B. Sutor, in: Gutjahr-Löser: Politisch-pädagogisches Handwörterbuch, München 1980) Politik ist jenes menschliche Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen (d.h. von „allgemeiner Verbindlichkeit“) in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt. (Patzelt : Einführung in die Pol.wiss., Passau 2001) Auf dieser Basis kommt die ‚Ubiqität’ von Politik in den Blick – ihre Grundformen sind vielerorts zu entdecken. Oder, wie das Alfred Grosser einmal formulierte : „Das Politische ist nicht alles, aber es ist in allem.“ 4 Deshalb kann politische Bildung in 2 Sutor, Bernhard in: Gutjahr-Löser: Politisch-pädagogisches Handwörterbuch, München 1980) Patzelt, Werner: Einführung in die Politikwissenschaft, Passau 2001, S. 23 4 Grosser, Alfred : Geleitwort, in: Noack, Paul: Was ist Politik? Eine Einführung in ihre Wissenschaft, München 1973, S. 8 3 3 der Sozialen Arbeit nicht nur Angebote nonformaler Bildung bedeuten – also didaktisch geplanter Veranstaltungen im außerschulischen Bildungssektor-, sondern muss die vielen Ansätze im Alltag, wo es um Partizipation an Entscheidungen gehen kann, als Chance von Empowerment in der Lebenswelt der Zielgruppen begreifen und nutzen. Ich denke, handlungsorientierte, in der jeweiligen Lebenswelt verortete politische Bildung ist ein Markenzeichen Sozialer Arbeit. 2. Politikdimensionen und der interdisziplinäre Blick Politik als der gesellschaftlichen Teilbereich, wo allgemein verbindliche Entscheidungen getroffen werden, realisiert sich in drei Dimensionen: Ziele, Inhalte, Interessen (policy) zum einen, Rahmenbedingungen wie Institutionen, Gesetze usw. (polity) zum zweiten und Willensbildungsprozesse (politics) zum dritten. Policy umfasst die inhaltliche Dimension von Politik, die sich z.B. in Parteiprogrammen, Stellungnahmen von Wohlfahrtsverbänden zu Gesetzentwürfen u.v.a.m. findet. Über die Inhalte wird im Rahmen der Vorgaben durch die Polity (z.B. Recht auf freie Meinungsäußerung, Gesetzgebungsverfahren) häufig gestritten, wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen und eine Mehrheits- und/oder Verhandlungslösung gefunden werden muss (Politics). Wenn wir uns diese Dimensionen anschauen, wird schnell deutlich, dass natürlich viele Elemente davon auch durch andere Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit gelehrt werden und ein interdisziplinäres Zusammenwirken nötig ist. So wird Wissen in der polity - Dimension von Politik weitgehend durch die Rechtsfächer vermittelt, das Nachdenken über Ideen und Ziele gesellschaftlichen Zusammenlebens, also policy - Aspekte, prägt auch die Fächer Theologie und Philosophie, gesellschaftliche Phänomene werden in Soziologie behandelt, Beweggründe und Weisen menschlichen Handelns in Psychologie beleuchtet, um nur einige Herangehensweisen zu erwähnen.. Die Politikwissenschaft im Kontext Sozialer Arbeit verknüpft diese Inhalte mit der Realität der Entscheidungsprozesse im Streit der Interessen und Meinungen. 3. Politik und Soziale Arbeit Diese Frage nach dem Verhältnis von Politik und Sozialer Arbeit wurde immer wieder diskutiert. Ich nenne nur einige Stichworte, die in bestimmten Phasen im Vordergrund 4 standen oder stehen: Parteilichkeit, Anwaltschaft oder im letzten Jahrzehnt wieder verstärkt die Debatte um ein politisches Mandat. Über ein paar Jahre hinweg machte sich die Auseinandersetzung vor allem am Mandatsbegriff fest: Während die einen von einer Selbstmandatierung aus dem ethischen Anspruch der Profession ausgehen bzw. eine grundsätzlich erteilte gesellschaftliche Mandatierung aufgrund der Sozialgesetzgebung zugrundelegen, unterstreichen andere, dass der Begriff des Mandats an eine explizite Vertretungslegitimation gebunden ist , d. h., dass ein Mandat ausdrücklich erteilt werden muss: Ob es sich nun um ein anwaltschaftliches Mandat wie im Rechtswesen oder – das wäre die politikwissenschaftliche Perspektive - ein durch Wahl erteiltes Mandat im Kontext politischer Repräsentation handelt. So spricht dann z. B. Merten5 nicht von einem politischen, sondern einem professionellen Mandat, wenn er darstellt, dass Professionelle der Sozialen Arbeit ihre Erfahrungen und Erkenntnisse in die politischen Entscheidungsprozesse einbringen sollen. Inzwischen geht es in der fachwissenschaftlichen Debatte eher um die Frage nach dem „Wie“ politischer Einmischung - als einer Handlungsform der Profession, die ebenso wie Beraten, Betreuen usw. professionellen Standards genügen muss und genauso wie alle Handlungsformen auf Wissen und ethische Orientierung angewiesen ist. 4. Öffentliche Präsens als Voraussetzung politischer Wirksamkeit Inzwischen bringen viele Studierende aus ihren Praxisphasen die Erfahrung mit, wie schwierig es ist, sich angesichts der Verteilung öffentlicher Ressourcen so zu präsentieren, dass man wahrgenommen und als relevanter Gesprächspartner oder als eine für die Integration von Gesellschaft relevante Organisationen gesehen wird. Die Bedeutung öffentlicher Präsenz für die je eigenen Handlungsmöglichkeiten ist zwar für die Studierenden durchaus nachvollziehbar, häufig fehlt es aber an Techniken und an Standards, wie dies im alltäglichen Geschäft eingebaut werden kann. Die öffentliche Begründung der Notwendigkeit sozialer Arbeit setzt voraus, dass die erfahrenen Situationen und Notlagen und Probleme öffentlich gemacht werden. Dass dies häufig untergeht, daran leidet auch die Akzeptanz Sozialer Arbeit und ihrer Organisationen. 5 Merten, Roland (Hg.): Hat soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen Thema, Opladen 2001 5 Professionelle der Sozialen Arbeit überschreiten in ihren Aufgabenfeldern die Grenzen zwischen unterschiedlichen Lebenswelten, Milieus, Kulturen in unserer Gesellschaft, zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten, zwischen dem sich als Mitte verstehenden Teil der Gesellschaft und ausgegrenzten, vergessenen, verdrängten Gruppen, zwischen Generationen. Sie sind Grenzgänger und zu ihren professionellen Aufgaben gehört es, Informationen und Botschaften über die Wahrnehmungsgrenzen derer, die aktuell Entscheidungsmacht haben, hinüber zu transportieren und hörbar, öffentlich zu machen. Dieses Öffentlichmachen mit dem Ziel von Inklusion bedeutet vorrangig, Menschen dabei zu unterstützen, selbst ihre Sichtweisen und Interessen ins Spiel zu bringen, wobei aber häufig Einiges an „Grenzgängerberichten“ vorab nötig ist, damit für diese Sichtweisen und Interessen überhaupt Raum und Gehör entsteht. Wenn es so ist, dass eine demokratische Gesellschaft immer neu an ihrer Integration arbeiten muss und deshalb für ihren Zusammenhalt angesichts der innergesellschaftlichen Segmentierung solche Grenzgänger benötigt, dann stellt sich die Frage, wie die in diesem Überschreiten von Grenzen gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse in der Weiterentwicklung dieser Gesellschaft wirksam werden. Wenn wir in die Realität der Profession schauen, stellen wir fest, dass dort diese Aufgabe vielfach liegen gelassen wird. Die Nachfrage, die Studierende im 2. Semester bei Praxisstellen dazu durchführten, wurde sehr häufig mit dem Verweis auf die Arbeitsbelastung beantwortet, die den Blick über die unmittelbaren Erfordernisse der alltäglichen Arbeit hinaus verstellt. Sehr viel seltener brachten die Studierenden Aussagen mit, die ein Öffentlichmachen von Problemen im jeweiligen Arbeitskontext und eine Interessenvertretung Sozialer Arbeit im Sinne von Problemlösungsangeboten und Expertise beinhalteten. Diese Handlungsform der Profession braucht Bewusstsein, Standards und Techniken – und leider kann man nicht sagen, dass Absolventen, die dies mitbringen, in der Praxis dafür immer offene Türen finden. 5. Kommunale Entscheidungszusammenhänge Die meisten unserer Absolventen werden auf der kommunalen Ebene arbeiten: bei kommunalen oder aber bei freien Trägern, die ihrerseits mit den kommunalen Ämtern und Entscheidungsgremien ständig zu tun haben. 6 Die kommunalen Entscheidungsabläufe mit ihren ganz spezifischen Bedingungen, den Netzwerken und den Entscheidungsfiltern sind aber im Allgemeinen für die Studierenden ein unbekanntes Gelände. Angesichts der Verflechtungen, der Bedeutung der örtlichen Vereinsszene und dergleichen erfolgt relativ schnell eine Abwertung (Vetternwirtschaft, Gemauschel). Dieses behindert aber den analytischen Blick und eine wirkungsvolle Einmischung gerade auf der Ebene, auf der die alltägliche Arbeit abläuft. Dass Studierende schon einmal an Ausschusssitzungen kommunaler Räte teilgenommen oder selbst versucht hätten, irgendeine kommunalpolitische Initiative voranzubringen, ist eine seltene Ausnahme. Umso wichtiger erscheint es, dass diese Systemkenntnisse während des Studiums in den Blick kommen. Deshalb muss Kommunalpolitik sowohl mit exemplarischen Entscheidungszusammenhängen als auch mit ihrer Stellung im politischen Gesamtsystem thematisiert werden. 6. Sozialpolitik und der Diskurs um ihre Entwicklung Bei Sozialpolitik geht es um eine Gestaltung sozialer Verhältnisse6, die materielle Freiheit und soziale Gerechtigkeit – und damit auch sozialen Frieden – immer neu befördern soll. Das umfasst viele Politikfelder, besonders die soziale Sicherung, aber auch z.B. Bildungspolitik , Familienpolitik und internationale Zusammenhänge. Natürlich müssen künftige Professionelle der Sozialen Arbeit die sozialen Sicherungssysteme, die damit zusammenhängenden Ansprüche, Rechte und Pflichten kennen. Sie müssen genug Kenntnisse haben, um die Menschen, die von ihnen beraten oder begleitet werden, mit den richtigen Akteuren in Verbindung zu bringen und sie darin zu unterstützen, dieses Instrumentarium für ein menschenwürdiges Leben nutzen zu können. Zunehmend aber erweist es sich darüber hinaus als wichtig, sich in die laufenden Debatten einmischen zu können und zu verstehen, was die Implikationen einzelner Regelungen sind. Ein kurzes Beispiel: Wenn Studierende bei der Darstellung von Hartz IV in aller Fraglosigkeit z. B. darstellen, wie hoch der Ernährungssatz für ein Kind pro Tag ist und die Frage, wie viel z. B. für Kinder in der Ganztagsgrundschule für ein Mittagessen kostet, für sie überhaupt keinen Vergleichspunkt darstellt, so wird daran sehr deutlich, wo im Blick auf die spätere Profession der Bedarf liegt: Die Studierenden sollten im Laufe ihres Studiums die Kompetenz entwickeln, sich auf dem Hintergrund der von ihnen wahrgenommenen Situationen und erfahrenen Probleme an der 6 vgl. Lampert, Heinz : Sozialpolitik , in : Staatslexikon Band 5, Freiburg 7.Aufl.1989, Sp. 41f 7 sozialpolitischen Debatte kompetent zu beteiligen. Auch dieses ist wieder ein Feld, wo Interdisziplinarität gefragt ist: Wenn der Inhalt der Sozialgesetzbücher in Verwaltungsrecht eine Rolle spielt und die Exklusions- und Armutsthematiken in Soziologie, dann müssen aus der Perspektive der Politikwissenschaft die Lösungsansätze und Positionen der sozialpolitischen Akteure und Parteien in den Blick gebracht werden. Besonders dringend erweisen sich in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit der Ökonomisierung der Sozialen Arbeit und mit den Mythen, die in einem neoliberalen mainstream gerade im Blick auf sozialpolitische Inhalte auch die Studierenden der Sozialen Arbeit stark beeinflusst haben. Die Begründung und Umschreibung der politischen Dimension Sozialer Arbeit führt nicht automatisch zu ihrer Realisierung. Auch für Soziale Arbeit gilt aber die Erkenntnis von Max Frisch: "Wer sich nicht mit Politik befasst, hat die politische Parteinahme, die er sich sparen möchte, bereits vollzogen: er dient der herrschenden Partei."7 Ich habe versucht, Elemente zu skizzieren, die im Studium den Zugang zu dieser Dimension öffnen können. Politikwissenschaft als Bezugswissenschaft im Studium der Sozialen Arbeit hat die Aufgabe, den Studierenden den Blick auf die politischen Implikationen, Erfordernisse, Möglichkeiten und Konsequenzen ihres beruflichen Handelns zu schärfen. Politische Einflussnahme ist eine Form der Hilfe in der Profession Soziale Arbeit – darauf bezogene ethische Leitbilder und professionelle Standards auszubilden gehört zum Aufgabenfeld, was uns hier zusammengebracht hat.. Mir selber sind in diesem Kontext drei für den Mainstream unserer Gesellschaft und Politik durchaus widerspenstige Grundpfeiler des christlichen Glaubens wichtig geworden : zum einen, dass wir wirklich endlich sind, dass unser Handeln nötig, aber begrenzt ist und der verabsolutierende Machbarkeitswahn von der Menschlichkeit wegführt; zum zweiten, dass wir alle als Geschöpfe auf der selben Ebene stehen, dass mein Gegenüber, sogar mein politischer Gegner so sehr wie ich selbst Kind Gottes ist; und zum dritten, dass wir zu einem Perspektivwechsel aufgefordert sind. Sie erinnern sich: nach der Geschichte mit dem auf dem Weg nach Jericho unter die Räuber Gefallenen und dem Samariter heißt die Frage Jesu nicht : wen definierst du als deinen Nächsten? , sondern: wer ist dem Opfer ein Mitmensch geworden? 7 Max Frisch: Tagebuch 1946 - 1949, Frankfurt am Main 1972, S. 329 8