Ärzteinformation Nr. 16 / 2013 Colitis ulcerosa Konservative und chirurgische Therapie Einleitung Die Colitis ulcerosa (CU) ist eine chronisch entzündliche Darmkrankheit mit wiederkehrender, unkontrollierter Entzündung der Mukosa. Das Rektum ist praktisch immer befallen, je nach Ausdehnung handelt es sich um eine Proktitis, eine linksseitige Kolitis oder um eine Pankolitis. Das terminale Ileum ist sehr selten befallen im Sinne einer «Backwash-Ileitis». Der Krankheitsverlauf und die Ausdehnung variieren stark und verlangen eine individuelle Diagnostik und Therapie. In der Schweiz rechnen wir mit rund 6000 Betroffenen. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen 15 und 30 Jahren, mit einem zweiten Peak zwischen 60 und 80 Jahren. Diagnostik Leitsymptom ist die protrahierte blutige Diarrhö eventuell assoziiert mit extraintestinalen Manifestationen wie Arthritis, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Augenentzündung oder primär sklerosierender Cholangitis. Goldstandard in der Diagnostik bleibt die Koloskopie mit Entnahme multipler Biopsien zur histologischen Untersuchung. Als nicht invasiver, einfacher und günstiger Stuhltest hat sich Calprotectin etabliert. Als Marker der luminalen Entzündung hilft Calprotectin im Stuhl vor allem in der Unterscheidung zwischen funktionellen Störungen (Reizdarm mit Diarrhö) und einer organischen Pathologie. Allerdings ist keine Differenzierung zwischen z.B. einer infektiösen Kolitis, einem Tumor oder einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit möglich. Gerade bei jungen Patienten selektioniert es hinsichtlich einer Koloskopie und dient auch als Verlaufsparameter. In der Schweiz braucht es im Durchschnitt immer noch 4 Monate von den ersten Symptomen bis zur Diagnose CU, was im internationalen Vergleich durchaus schnell ist. Konservative medikamentöse Therapie Primär gilt es, drei Therapieziele zu erreichen: 1.Induktion einer klinischen Remission mit wieder geformtem Stuhl ohne Blut und Drang, ohne nächtliche Symptome und Inkontinenz. 2.Erhaltung dieser Remission ohne Steroide. 3.Prävention von Komplikationen, therapie- oder krankheitsassoziiert. Akute Schübe sind meist ambulant behandelbar. Nur rund 15% der Patienten müssen mit schweren Schüben hospitalisiert werden. Vor 40 Jahren betrug die Mortalität bei einem schweren Schub bis 25%. Heute beträgt sie dank moderner Intensivmedizin, intensivierter Therapie, Früherkennung von Therapieversagern und optimierter, zeitlich abgestimmter chirurgischer Technik unter einem Prozent. Es ist wichtig, zwischen Schubtherapie und Remissionserhaltung zu differenzieren, und die Ausdehnung der CU (Proktitis, linksseitige Kolitis oder Pankolitis) beeinflusst die Therapie entscheidend. Bei distaler oder linksseitiger CU mit leichter bis mittlerer Aktivität sollten primär topische Aminosalizylate (5-ASAPräparate) in Form von Suppositorien, Klysmen oder Schaum eingesetzt werden. Suppositorien wirken auf den letzten 15 cm, Klysmen bei korrekter Applikation bis an die linke Flexur. Falls sich Krankheitsaktivität auch proximal der linken Flexur findet, soll zusätzlich ein orales 5-ASA-Präparat gegeben werden. Bei Therapieversagen oder bei einem schweren Schub kommen systemische Steroide zum Einsatz, initial 40 bis 60 mg Prednisolon. Remissionserhaltend werden primär 5-ASA-Präparate eingesetzt, topisch oder peroral. Zentral bei dieser langfristigen Therapie ist die Compliance, welche durch geeignete Darreichungsformen und evtl. nur einmal tägliche Dosierung erhöht werden kann. Bei der komplizierten CU haben sich Azathioprin oder auch TNF-Antikörper wie Infliximab und seit Neustem Adalimumab etabliert. In der therapierefraktären Situation muss primär eine zusätzliche Infektion oder eine komplizierende Neoplasie mit Stuhluntersuchung und einer flexiblen Endoskopie ausgeschlossen werden. Beim fulminanten Schub werden Steroide hoch dosiert intravenös appliziert. Bei ungenügendem Ansprechen kann entweder ein Calcineurin-Inhibitor (Cyclosporin i.v. oder Tacrolimus) oder ein TNF-Antikörper wie Infliximab versucht werden. Die stationäre Therapie schwerkranker Patienten mit CU wird immer interdisziplinär zwischen Gastroenterologen und Chirurgen abgesprochen, um den Zeitpunkt für eine Kolektomie nicht zu verpassen resp. optimal zu wählen. Chirurgische Therapie Nach wie vor beträgt das Risiko für die Notwendigkeit einer Operation im Verlaufe der Erkrankung zwischen 10 und 35% (Versagen der konservativen Therapie, Dysplasien oder Karzinome, Blutungen, toxisches Megakolon oder Perforation). Chirurgischer Standard ist die Proktokolektomie mit IleumPouch-analer Anastomose. Bei der schweren Kolitis wird heute meistens dreizeitig operiert: Primär erfolgt die totale Kolektomie mit blind verschlossenem Rektumstumpf und Anlage einer terminalen Ileostomie. Es folgt die Proktektomie mit Ileum-Pouch, der am Anus anas­ tomosiert wird mit protektiver Ileostomie. Zuletzt wird die Ileostomie zurückverlegt. Status nach Proktokolektomie und Anlage eines protektiven Ileostomas Als Frühkomplikationen sind Abszesse im kleinen Becken (bei 8% der Patienten) mit konsekutivem Verlust des Pouches in 25% der Fälle zu verzeichnen. Gerade um diese Zahl so klein wie möglich zu halten, sollte nur bei speziell selektionierten Patienten ein zweizeitiges Verfahren gewählt werden (Proktokolektomie mit Pouch und protektivem Stoma in einer Operation). Als Spätkomplikationen sind bekannt: • Bei Männern: retrograde Ejakulation und Impotenz in bis zu 3% der Patienten. • Bei Frauen: Dyspareunie bei 10% der Patientinnen und 3 Mal öfter Sterilität verglichen mit der Normalbevölkerung. • Die Pouchitis betrifft bereits 18% der Patienten im ersten Jahr und bis zu 48% nach 10 Jahren. Im weiteren Verlauf kann sie sogar zu einem Pouchverlust von 5 bis 9% nach 10 Jahren führen. • Auch möglich ist eine komplette Stuhlinkontinenz bei 2% der Patienten, eventuell progredient über die Zeit. Ileum-Pouch-anale Anastomose Kontakt Anmeldung Bauchzentrum: T +41 61 685 86 00 Telefonzeiten: Montag bis Freitag: 7.30 – 17.00 Uhr [email protected] Dr. Michael Manz Leitender Arzt Gastroenterologie T +41 61 685 84 64 F +41 61 685 84 58 Prof. Dr. med. Markus von Flüe Chefarzt Viszeralchirurgie T +41 61 685 84 80 F +41 61 685 83 37 Dr. med. Marc-Olivier Guenin Leitender Oberarzt Viszeralchirurgie T +41 61 685 84 31 F +41 61 685 87 64 St. Claraspital, Kleinriehenstrasse 30, Postfach, CH-4016 Basel T +41 61 685 85 85, F +41 61 691 95 18, [email protected] www.claraspital.ch