Vortragende: Friederike Bachor Betreuer: Marco Dehn Seminarleiter: Dr. P. Achenbach gehalten am 24. Oktober 2011 Johannes Gutenberg-Universität Mainz Ausarbeitung zum Vortrag Teilchenbeschleuniger A. Einleitung 1. Motivation Schon seit Jahrhunderten stellt man sich die Frage, aus was Materie besteht oder "was die Welt zusammenhält". Mit diesen Grundfragen beschäftigt sich die Beschleunigerphysik, wobei die Dimensionen schon kleiner als 10-15 m sind. Hauptwerkzeug für die Erforschung der Materie sind hochenergetische Photonen- und Teilchenstrahlen, wobei hier die Wellenlänge nicht größer sein darf, als die Dimension, die man untersucht. Es werden also bei Teilchenstrahlen bei Dimensionen von λ = 10-15 m Energien nötig von ungefähr E = 1,2 GeV (nach der de Broglie-Gleichung: λB = hc/E). Ein weiterer großer Teilbereich der Beschleunigerphysik ist die Erzeugung neuer Teilchen. Hierbei ist die erforderliche Energie E = m c 2, wobei meist Teilchen-Antiteilchen-Paare erzeugt werden und somit die Energie entsprechend ansteigt. Für das Higgs-Boson beispielsweise, was man ja immer noch nicht nachweisen konnte, sind Energien von bis zu 1.000 GeV nötig. 2. Anwendungsbereiche ◦ In der Industrie werden oftmals Geräte eingesetzt, die mit ionisierender Strahlung arbeiten, welche wiederum durch Teilchenbeschleuniger erzeugt wird. Diese finden in den verschiedensten Bereichen Anwendung, wie zum Beispiel die Herstellung und Trennung von Isotopen, Nahrungsmittelsterilisation, Materialforschung und andere. ◦ Auch in der Medizin finden Teilchenbeschleuniger Anwendung, hier meist Zirkularbeschleuniger, wegen ihrer Kompaktheit. Zum Beispiel beim Aufspüren und Behandeln von Tumoren sind sie von großer Bedeutung geworden. ◦ Synchrotronstrahlung entsteht durch das Ablenken oder Abbremsen geladener Teilchen. Dies war zunächst eine ärgerliche Energieverschwendung bis man die besonderen Eigenschaften von Synchrotronstrahlung fand. Sie hat ein sehr breites Spektrum, sowie extrem hohe Lichtintensität. Mittlerweile forscht man in den Bereichen Medizin, Biologie, Chemie und Festkörperphysik mit Synchrotronstrahlung. 3. Beschleunigung von Teilchen Zur Beschleunigung und Ablenkung von Teilchen wird der Elektromagnetismus verwendet. Wenn ein Teilchen durch einen Raum fliegt, indem E- und B-Felder herrschen, so wirkt die Lorentzkraft auf dieses ( ). Wenn dieses Teilchen nun vom Ort r1 zum Ort r2 fliegt, so erfährt es eine Energieänderung vom Betrag wobei . Das heißt das Magnetfeld bewirkt nichts zur Beschleunigung, jedoch kann man dieses sehr gut zur Ablenkung von Teilchen benutzen, insbesondere wegen dem Faktor der Geschwindigkeit, da man es bei Teilchenbeschleunigern eben mit sehr hohen Geschwindigkeiten zu tun hat. Das heißt also, das elektrische Feld wird benutzt, um die Teilchen zu beschleunigen und das Magnetfeld, um sie abzulenken. B. Beschleunigerarten 1. Gleichspannungsbeschleuniger Beim Gleichspannungsbeschleuniger wird ein statisches elektrisches Feld zwischen zwei Elektroden aufgebaut. Der Teilchenstrahl wird so in dem Vakuumrohr beschleunigt, gerät dann in eine feldfreie Driftstrecke, bis er auf das Target trifft. Hierbei sind zu erreichende Energien einige MeV pro Ladungseinheit. Es muss angemerkt werden, dass die maximal erreichbare Energie direkt proportional zur maximalen Spannung ist, wobei wir schon zu den Grenzen des Gleichspannungsbeschleunigers kommen. ◦ Grenzen der Spannung Wie in der Grafik zu sehen teilt sich der Strom in drei Komponenten auf. Zum einen ist das der Ohm'sche Widerstand, der nie ganz verschwindet, da man die Leitfähigkeit der Isolatoren nie ganz verschwinden lassen kann. Zum anderen ist das der Ionenstrom, der durch Ionen im Restgas zustande kommt. Dieser erreicht eine Sättigung, wenn die Spannung so hoch ist, dass alle Ionen abgesaugt werden. Die dritte Komponente ist die eigentliche Begrenzung, die Koronabildung. Hierbei ist die Spannung so hoch, dass die Teilchen so stark beschleunigt werden, dass sie Ionisationslawinen auslösen können. Es kommt also zu einem Zusammenbruch der Spannung. ◦ Van de Graaff-Beschleuniger Der Van de Graaff- Beschleuniger besteht aus dem Van de Graaff-Generator (links) und aus dem eigentlichen Beschleuniger (rechts). Hierbei befindet sich der Bandgenerator in einem mit Gas (z.B. SF 6) gefüllten Druckbehälter, um dessen Durchschlagsfähigkeit deutlich zu erhöhen. So ist es möglich bis zu 10MV Ladung auf die Hohlkugel zu übertragen. Diese wird dann auf den Beschleuniger übertragen. Die Durchschlagsfähigkeit dessen ist ebenfalls opitimiert durch die Hintereinander-Anordnung der Ringelektroden, die durch hochohmige Widerstände abgetrennt sind und gleichzeitig fokussierend wirken. Beim Van de Graaff-Beschleuniger werden Energien bis zu 10 MeV pro Ladungseinheit erreicht. 2. Linearbeschleuniger Der Linearbeschleuniger (Linac – engl. Linear accelerator) bildet eine neue Idee, Teilchen zu beschleunigen, ohne die Grenze der Spannung berücksichtigen zu müssen. Dieser besteht aus einer Hintereinanderreihung von Driftröhren, die abwechselnd mit einem Hochfrequenz-Sender verbunden sind. Dieser liefert die hochfrequente Wechselspannung U(t) = U 0 sin (ωt). Aus der Ionenquelle treten Ionen, bzw. Ionenpäckchen heraus und werden zur ersten Driftröhre beschleunigt. Hierin wirkt die Driftröhre wie ein Faraday'scher Käfig, die Polung wird gewechselt und sobald sie wieder heraustreten werden sie zur zweiten Driftröhre hin beschleunigt. Dies wiederholt sich bis sie nach der i-ten Röhre die Energie E i = iqU0 sin ψs erreicht haben. Hierbei ist ψs gerade die mittlere Phase, die die Teilchen beim Passieren der Spalte sehen. Es können theoretisch beliebig hohe Teilchenenergien mit Linacs erreicht werden, jedoch würden diese dann entsprechend lang mit folgendem Grund. Die Geschwindigkeit der Teilchen steigt stetig an und die Hochfrequenz bleibt konstant. Das heißt die Driftröhren müssen immer länger werden. Die Driftröhrenlänge steht in folgendem Zusammenhang mit dessen Anzahl: Hierbei ist υHF die Hochfrequenz. Man kann also mit hohen Frequenzen oder großen Teilchenmassen die Driftröhrenlänge verkleinern. Lösungen für dieses Längenproblem ergeben auch sog. Hohlleiterresonatoren. Diese können extrem hohe Frequenzen sehr verlustarm transportieren. Ein Problem besteht allerdings noch bei nicht-relativistischen Geschwindigkeiten. Dadurch, dass in den Ionenpäckchen die Teilchen verschiedene Koordinaten haben, kann es zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten kommen. Hierdurch entsteht der Phasenschlupf. Wenn man mit der maximalen Spannung U0 beschleunigt, dann wird zwar ein Teilchen, was zu schnell ist, eine kleinere Spannung sehen, das heißt weniger stark beschleunigt, jedoch ein Teilchen, was zu langsam ist ebenfalls (siehe Bild links). Um dies zu umgehen wählt man eine geringere Phase und somit nicht die Spitzenspannung, sondern US < U0 (siehe Bild rechts). Somit sieht das Teilchen, welches ( hier ) zu schnell ist, die Phase ψ = ψS – Δψ und wird mit der dementsprechend geringeren Spannung beschleunigt, bis es wieder in die Sollphase kommt. Bei relativistischen Geschwindigkeiten fällt das Problem des Phasenschlupfes weg, jedoch nicht das Längenproblem. Eben genannte Hohlleiterstrukturen werden zum Beispiel in dem bisher größten Linac der Welt, dem SLAC in Stanford, Kalifornien, verwendet. Dies ist ein 3,2 km langer Positronen- und Elektronenbeschleuniger, der diese bis auf 50 GeV beschleunigen kann. 3. Zirkularbeschleuniger Da man meist nicht den Platz hat kilometerlange Linacs zu bauen, kam man auf die Idee solche Linearbeschleuniger einfach „aufzurollen“. Dieser Idee entspringen die Zirkularbeschleuniger. Ein Beispiel dieser ist das Zyklotron, wobei hier der Teilchenstrahl auf einer Kreisbahn gelenkt wird. ◦ Zyklotron Das Prinzip zeigt dieses Bild. Das Zyklotron besteht aus einem H-Magneten, der mit zwei Polschuhen ein homogenes Magnetfeld erzeugt. Dazwischen ist eine Vakuumkammer, in der sich (rechts zu sehen) zwei D-förmige Elektroden und die Teilchenquelle befinden. Der Teilchenstrahl wird also durch das homogene Magnetfeld stetig abgelenkt und durch die Elektroden, die an eine Hochfrequenz angeschlossen sind, konstant in die jeweilig andere Richtung beschleunigt. Über die Bewegungsgleichung des Strahls kommt man auf die Umlaufsfrequenz, die sog. Zyklotronfrequenz, der Teilchen: Es fällt auf, dass diese nicht von der Geschwindigkeit der Teilchen abhängt. Das liegt daran, dass die Geschwindigkeit proportional zum Bahnradius und somit zum Umfang anwächst. Die Hochfrequenz mit der die Elektroden betrieben werden ist so eingestellt, dass sie identisch zur Zyklotronfrequenz ist. Typischerweise werden mit dem Zyklotron Protonen, α-Teilchen oder Deuteronen bis auf 22 MeV beschleunigt. Dies entspricht in etwa dem 0,15-fachen der Lichtgeschwindigkeit. Wenn wir nun Elektronen beschleunigen wollen, so erreichen diese aufgrund ihrer geringen Ruheenergie sehr schnell nahe Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet ihre Masse wächst proportional mit ihrer Energie an und dementsprechend sinkt die Zyklotronfrequenz umgekehrt proportional ab. Dies ist nicht aufzufangen mit der Gestaltung des Magnetfeldes beispielsweise. Somit ist das Zyklotron, das auf dem Prinzip der Konstanz der Zyklotronfrequenz beruht, nicht geeignet für Elektronen. Nun ist es aber so, dass es nicht wichtig ist, dass die Frequenz konstant bleibt, sondern, dass die Teilchen bei jedem Umlauf die gleiche Phase sehen. Dies ist aber auch realisierbar durch sehr hohe Frequenzen und dementsprechend kurze Wellenlängen zur Beschleunigung. Der Energiegewinn pro Umlauf muss so dimensioniert werden, dass der Umfang der Bahn immer gerade um ein ganzzahliges Vielfaches der Hochfrequenz-Wellenlänge zunimmt. Dieses Prinzip nutzt das Mikrotron, ein Zirkularbeschleuniger für Elektronen. Eine Art von Mikrotrons ist das sogenannte RacetrackMikrotron. ◦ Racetrack-Mikrotron Die Elektronengun (Gleichspannungsbeschleuniger) erzeugt den Elektronenstrahl, welcher durch den Injektionsmagneten auf die Bahn und zum ersten Mal durch die Beschleunigungsstrecke geführt wird. Die Fokussierungsmagnete sorgen für die Fokussierung des Strahls (bestehend aus zwei Quadrupolmagneten) und die zwei Ablenkmagnete (Dipolmagnete mit homogenem Magnetfeld) sorgen für eine zweifache 180°-Ablenkung, sodass der Strahl immer wieder durch die Beschleunigungsstrecke (Linearbeschleuniger) geführt wird. Bis schließlich der Ejektionsmagnet den Strahl zum Experiment leitet. Der Energewinn pro Umlauf lässt sich aus der Geometrie herleiten: k ist hierbei ein ganzzahliges Vielfaches. Das größte Racetrack-Mikrotron (RTM) der Welt steht in Mainz in der MaMi (Mainzer Mikrotron) Anlage der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. C. Mami – Mainzer Mikrotron 1. RTMs (Racetrack Mikrotons) Hier sind drei RTMs hintereinander aufgebaut, wie man im Bild sieht. Die Elektronengun (gelb) wird mit 100kV betrieben, welche den Strahl in den ersten Linac schickt, indem er auf 3,5 MeV beschleunigt wird. Im ersten RTM (B = 0,1 T) wird der Strahl in 18 Umläufen auf 15 MeV beschleunigt, im RTM 2 (B = 0,55 T) in 51 Umläufen auf 180 MeV und im RTM 3 (B = 1,28 T) wird dieser dann in 90 Umläufen auf 855 MeV beschleunigt. Dieses dritte Racetrack-Mikrotron besteht aus zwei jeweils 5 m breiten und 450t schweren Ablenkmagneten. Dieser 855 MeV-Strahl ist sehr genau und somit sehr gut geeignet für Präzisionsuntersuchungen der Materie im subatomaren Bereich. Jedoch wurde mit der Zeit für verschiedene Experimente ein Elektronenstrahl von 1,5 GeV erforderlich. Hätte man nun ein weiteres RTM gebaut, so hätte man Ablenkmagnete von jeweils über 2000t Gewicht gebraucht. Dies überstieg die Kapazitäten des Mami. So kam man auf die Idee ein Doppelseitiges Mikrotron (DSM) zu bauen, indem es vier 90°-, anstatt zwei 180°-Ablenkmagnete gibt. Dies verringert natürlich deren Gewicht. 2. HDSM (Harmonisches Doppelseitiges Mikrotron) Diese vier Magnete sind jeweils 250t schwer und es ist Platz für zwei Linearbeschleuniger. Um wieder einen Energiegewinn von einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlänge zu bekommen, berechnete man, dass das Minimum zwei ganze Wellenlängen sei. Dies machte einen Energiegewinn pro Umlauf von mehr als 40 MeV und somit zwei Linacs, betrieben in der typischen MamiFrequenz von 2,45 GHz, von jeweils mehr als 20 m erforderlich, wozu der Platz nicht reichte. So beschloss man Linacs mit der doppelten Mami-Frequenz zu bauen, also 4,9 GHz, was noch nie zuvor in der Welt realisiert wurde. Nun fand man durch Computersimulationen heraus, dass die Parameter des Strahls stark verbessert werden könnten, wenn man einen Linac mit 2,45 GHz und einen mit 4,9 GHz einbaute. Diese beiden Linacs stehen in einem ganzzahlig harmonischen Verhältnis zueinander, woraus der Name „Harmonisches“ DSM resultiert. Dieses Harmonische Doppelseitige Mikrotron ist einzigartig in der Welt und produziert einen hochpräzisen Dauerstrahl an Elektronen. Quellen – Hauptquelle: K. Wille: Physik der Teilchenbeschleuniger und Synchrotronstrahlungsquellen, B. G. Teubner Stuttgart, 2. Aufl., 1996 – MAMI: http://www.kph.uni-mainz.de/ – Beschleunigerarten: web.physik.rwth-aachen.de/ – Beschleunigerarten: http://wwwa1.kph.uni-mainz.de