Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie Gestalttherapie und Psychotherapeutische Krisenintervention 09.11.12 Wurzeln der Gestalttherapie Basiscurriculum Psychotherapeutische Medizin Thomas Kapitany Kriseninterventionszentrum,Wien Begründung durch Fritz und Laura Perls nach dem Ende des 2. Weltkriegs, ◦ beide zunächst Psychoanalyse ◦ beeinflusst von der Gestaltpsychologie ◦ von Feld und Systemtheorie (Kurt Levins u.a., Phänomenologie (Husserl, Merleau-Ponty), Distanzierung von der Psychoanalyse ◦ in der Betonung von Aggression wertfrei als lebensnotwendiger vitaler Energie (Triebfeder) zur Auseinandersetzung mit der Umwelt, zur Aufnahme und Verarbeitung von Neuem und somit zum Wachstum und zur Entwicklung. ◦ (Ego, Hunger, and Aggression. Perls FS 1942) Non-verbale Erlebnis- und Ausdrucksformen ◦ Prägung der therapeutischen Methodik der GT durch lebensgeschichtliche und therapeutische Erfahrungen der Perls (Schauspielausbildung, körpertherapeutische Konzepte (Wilhelm Reich, Elsa Gindler, ….) Gestalttherapie Gestalttherapie – Menschenbild Gestalttherapie begründet mit anderen gemeinsam die Gruppe der Humanistischen Therapieformen. Heute wird die GT gemeinsam mit der Gesprächstherapie (C. Rogers), der Emotion-Focused-Therapy (L.S. Greenberg), und der Existentiellen Psychotherapie (I.D.Yalom) auch zu den Experientiellen (erfahrungsorientierten) Therapieformen gezählt. (Watson 1998) Gestalttherapie – Menschenbild Gestalttherapie – Krankheitsverständnis Selbstregulation wird als die Fähigkeit verstanden, Gestaltbildungsprozesse so zu organisieren, dass Bedürfnisse und Bedingungen des Feldes angemessen verwirklicht werden. Das Gewahrsein (Awareness) dieser Prozesse ermöglicht es entscheidende Veränderungen in Gang zu setzen. Die Erhöhung von Bewusstheit/Gewahrsein ist ein zentraler Ansatz in der GT Thomas Kapitany Gestalttherapie sieht den Menschen als ◦ ein zur Verantwortung fähiges, ◦ auf soziale Begegnung und Beziehung ausgerichtetes Wesen, ◦ das in einem lebenslangen Wachstums‐ und Integrationsprozess seine Potentiale verwirklichen kann. (FS Integravite Gestalttherapie, ÖAGG) Ungünstige Entwicklungsbedingungen können die ◦ Selbst‐ und Fremdwahrnehmungsfähigkeit sowie ◦ Handlungs‐ und Kontaktfähigkeit nachhaltig stören, ◦ wodurch die Persönlichkeitsstruktur mangelhaft entwickelt und ◦ das gesamte Erleben der Person konflikthaft eingeschränkt werden kann, ◦ was sich z.B. in psychosomatischen Problematiken, psychischen Symptomen oder nicht zufrieden stellenden sozialen Beziehungen äußern kann. (FS Integravite Gestalttherapie, ÖAGG) 1 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie Gestalttherapie - Grundkonzepte 09.11.12 Welche Figur tritt in den Vordergrund? Gestaltpsychologie ◦ Beobachtung und Erforschung von Wahrnehmung ◦ Der Mensch kann nicht gleichzeitig auf mehrere voneinander unabhängige Inhalte des Erlebens fokussieren. ◦ Ein Inhalt/Gegenstand/Thema wird (mehr o. weniger o. gar nicht bewusst) ausgewählt und in den Vordergrund gestellt/fokussiert. ◦ Diese Zuwendung wird als das Prinzip des Kontaktgeschehens als Muster zur Beschreibung verschiedenster psychischer Vorgänge beschrieben. (F. Perls, R.F. Hefferline, P. Goodman) Gestalttherapie - Grundkonzepte Tendenz zur Gestaltbildung Der ausgewählte Inhalt wird zur Figur vor dem Hintergrund aller anderen Inhalte und Strukturen. ◦ Die dabei ablaufenden Wahrnehmungs- und Erlebnisprozesse folgen analog den Prinzipien, die die Gestaltpsychologie zunächst für die visuelle Wahrnehmung beschrieben hat. ◦ Tendenz zur Erledigung von unabgeschlossenen/offenen Gestalten ◦ Tendenz zur guten Gestalt ◦ Tendenz zu Wachstum und Prägnanz ◦ ….. Tendenz zur Gestaltbildung Thomas Kapitany Die Beziehung „Objekt“-Feld beeinflusst den Eindruck 2 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Gestalttherapie - Grundkonzepte Kontaktzyklus Feld- und Systemtheorie Der Mensch in seinem Organismus-Umwelt-Feld gestaltet seine subjektive Realität durch die Art und die Struktur seiner Wahrnehmung, die sein Erleben und Handeln in der Welt bestimmt. Kontaktprozesse ◦ Im Erleben, der Entwicklung und Wachstum im Organismus-UmweltFeld laufen ständig Figur-Grundbildungszyklen (Kontaktprozesse) ab. ◦ Individuell typische Muster organisieren diese Prozesse sowohl im Vordergrund des aktuellen Kontaktgeschehens als auch im Hintergrund der überdauernden Strukturbildungen. ◦ Im Falle des guten Gelingens werden die Inhalte, mit denen die Person in Kontakt gekommen ist, entweder Vorkontakt Kontaktanbahnung Kontaktvollzug/Aggression Kontaktvollzug/Assimilation Nachkontakt aufgenommen und in den Organismus assimiliert bzw. integriert oder aber abgelehnt und zur Gänze wieder aus- bzw. abgestoßen. Prozesstheorie - Kontaktzyklus Kontakt und Störung Störungen des Kontaktprozesses bzw. der Verarbeitung nach innen Gestalt-Auflösung als Quelle der Angst ◦ Introjektion ◦ Projektion ◦ Retroflexion Kontaktunterbrechung als Schutz bei Traumatisierung Störungen des Kontaktprozesses bzw. der Verarbeitung nach außen ◦ (Sicherheit,Verlässlichkeit von Strukturen) ◦ Krisenhafte Überforderung der Erlebnisverarbeitung ◦ Blockierung der Veränderung eines Bezugssystems im Laufe der persönlichen Entwicklung (z.B. durch Überbehütung) ◦ Konfluenz ◦ Deflektion/Ego(t)ismus Gestalttherapie - Therapietheorie Paradoxe Theorie der Veränderung Die therapeutische Beziehung in der Gestalttherapie ◦ Wir fangen an uns zu verändern, wenn wir erkennen und akzeptieren, wie wir sind. (Kontakt/Beziehung zu sich selbst) Fokus auf das „Hier und Jetzt“ ◦ Lebensgeschichtliches wird rezipiert, sodass es in seiner Bedeutung für die Gegenwart prägnant wird. Allgemeine Ziele in der GT ◦ Selbstgewahrsein erhöhen ◦ Selbstausdruck unterstützen ◦ Handlungsmöglichkeiten erweitern Thomas Kapitany Wachstumsbehinderung durch fixierte Bezugssysteme In der „Gründerzeit“ ◦ die therapeutische Beziehung wurde von Gründern zunächst nicht explizit behandelt. ◦ Authentizität war vorrangig Seit den 80er Jahren (Yontef, Hartmann-Kottek, Staemmler, u.a.) ◦ Kritik an der praktischen Umsetzung der GT durch F. Perls ◦ Zunehmende Fokussierung auf die Qualität der therapeutischen Beziehung Die Entwicklung zur Relationalen Gestalttherapie Anforderungen an die Therapeuten ◦ Die Fähigkeit zu persönlichem Kontakt und persönlicher Begegnung Ermöglichung korrigierender Beziehungserfahrungen im therapeutischen Prozess ◦ Professionelle Kompetenz Die Wiederherstellung der Dialog/Begegnungsfähigkeit der Patienten Hand in Hand mit der psychologischen Bemühung Abwehrmechanismen zu bearbeiten Der professionelle Umgang mit Vulnerabilität und struktureller Beschädigung bei den Patienten 3 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Gestalttherapie - Grundkonzepte Gestalttherapie - Grundkonzepte Das Primat der Beziehung Der persönliche Kontakt (-ablauf): „…… ein zur Verantwortung fähiges, auf soziale Begegnung und Beziehung ausgerichtetes Wesen, …..“ ◦ ICH-DU Beziehungen gegenüber ICH-ES Beziehungen (Martin Buber) Prozess der aufeinander bezogenen Bewusstheit zweier Menschen ICH-ES Kontakt/Beziehung ◦ Wahrnehmen was und wie der Andere … Beziehungsqualitäten ◦ Ein sachliches/unpersönliches Thema/Gegenstand zum Inhalt (im Vordergrund). ◦ Wahrnehmen der eigenen Resonanz – Eindruck – Gefühle Der zwischenmenschliche Aspekt ist diesem Thema untergeordnet. Der Kontakt/ die Beziehung findet ein Ende, wenn die Bedingungen/Bedürfnisse des Themas erfüllt sind. (Bsp. Im Beruf, eine erotische Begegnung, …) ◦ Wahrnehmen der eigenen Resonanz – Reaktion, Handlungsimpulse ◦ Vertikale Beziehungen Z.B. Autoritätsverhältnisse mit dem Machtaspekt im Vordergrund. Mutualität (Gegenseitigkeit) wird nicht gepflegt bzw. zugelassen ICH-DU Kontakt/Beziehung ◦ Eine persönliche Beziehung (ICH-DU) setzt Mutualität (Gegenseitigkeit) voraus und folgt dem dialogischen Prinzip. (Yontef) ◦ Der Andere wird als ganze Person wahrgenommen und angesprochen. (Bsp. eine Freundschaft, eine Paarbeziehung, wie wir sie uns ideal vorstellen) Fünf Ebenen der gestalttherapeutischen Beziehung (Hartmann-Kottek 2012) Basisakzeptanz der ICH-DU-Ebene Realbeziehungsebene Übertragungs- und Gegenübertragungsebene Expertenebene Arbeitsbündnis Ihre Realphantasien voneinander …… …… und das gegenseitige Mitteilen und Beantworten der entsprechenden Bewusstheits- und Bewusstseinsinhalte Therapeutische Techniken Ein-Stuhl-Technik (empty chair) ◦ Verdoppelte Einstuhl-Technik ◦ 2-Stuhl-Technik Imagination ◦ Kontakt mit therapeutisch induzierten Projektionen ◦ Geführte Imaginationen ◦ Tagtraum-Imagination als letzte Traumszene Traumarbeit Literatur Hartmann-Kottek L (2012) Gestalttherapie. Springer Staemmler FM (1993) Therapeutische Beziehung und Diagnose. Pfeiffer Hochgerner M, Hoffmann-Widhalm H, Nausner L, Wildberger E (2004) Gestaltherapie. Facultas Perls F, Hefferline R, Goodmann P (1951) Gestalttherapie – Grundlagen. Klett-Cotta Thomas Kapitany 4 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Wurzeln der Krisenintervention Psychotherapeutische Krisenintervention Professionelle Intervention nach Großkatastrophen Individuelle psychosoziale Krisen Suizidologie (Lindemann 1944) (Kaplan 1964, Cullberg 1978) ◦ Beginn des 20. Jahrhunderts Thomas Kapitany Kriseninterventionszentrum Wien Heilsarmee London 1906 Psychoanalytische Gesellschaft 1910 Fürsorgeamt der Wiener Polizeidirektion 1927 Lebensmüdenstelle der „Ethischen Gemeinde“ 1928 (W. Börner, A. Aichhorn, Ch. Bühler,V.E. Frankl u.a.) T. Kapitany Wurzeln der Krisenintervention II Konzepte psychosozialer Krisen Suizidologie ◦ nach 1945 Lebensmüdenfürsorge der Caritas (E. Ringel) 1948 Psychiatrische Univ.Klinik (H. Hoff) ab 1950 1. Internationale Konferenz für Suizidprophylaxe, Wien 1960 International Association for Suicide Prevention (IASP) 1960 Prävention durch Krisenintervention, ab 1970 Kriseninterventionszentrum Wien, 1977 T. Kapitany Anpassungsstörungen Krisendefinition Unter psychosozialer Krise verstehen wir “den Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein Mensch verspürt, wenn er mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von der Art und vom Ausmaß her seine durch frühere Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder zur Bewältigung seiner Lebenssituation überfordern”. (Sonneck 2000) Definition (ICD 10: F43.2) .... Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die ....... soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Mißerfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). .... Entstehung: Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt ...... eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Ätiologisch definiert T. Kapitany Thomas Kapitany T. Kapitany 5 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Krisenentstehung Anpassungsstörungen Psychosoziales Modell (Sonneck 2000, Frommberger Symptomatik (ICD-10): 1998) ... unterschiedlich und umfasst depressive Stimmung,Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, ....... Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. ◦ Qualitative und quantitative Aspekte des Ereignisses/der Belastungen der Anlass ◦ Subjektive Bedeutung des Ereignisses ◦ Reaktion der Umwelt ◦ persönliche Vulnerabilität/Krisenanfälligkeit Häufigstes Symptombild: Persönlichkeitsstruktur, vorbestehende psych. Erkrankungen - vorbestehende Krisenerfahrungen, chronische Belastungsfaktoren Depressive Reaktion ◦ Bewältigungsstile und persönliche Ressourcen Weitere Zustandsbilder: Psychodynamisches Modell (Diebel-Braune 2004) Angst Angst und Depression gemischt andere Gefühle (v.a. Besorgnis, Anspannung, Ärger) Störung des Sozialverhaltens ◦ Soziale, somatische, materielle Realität ◦ Intrapsychische Struktur Niveau der Ich-Funktionen und der Objektbeziehungen ◦ Intrapsychische Konflikte (v.a. Kinder, Jugendliche) T. Kapitany Krisenmodelle T. Kapitany Krisenverlauf Traumatische Krise (Cullberg 1978) Schockphase Psychosoziale Krisen ◦ Traumatische Krisen,Verlustkrisen (Cullberg 1978) ◦ Lebensveränderungskrisen (Caplan 1964) ◦ Akute Traumatisierung ◦ Burnout-Entwicklung Reaktionsphase Psychiatrische Krisen (Reizüberflutung, Betäubung, ziellose Aktivitäten) (behutsame Konfrontation/Abwehr, wechselnde Gefühle) Bearbeitung (Reflexion, Integration) Neuorientierung Veränderungskrisen (Caplan 1964) Überforderung nimmt meist langsam zu (auch grundsätzlich positive Ereignisse oder Veränderungen) bis Vollbild der Krise/Reaktionsphase Bearbeitungsphase Gefahr der Dekompensation Neuorientierung Notfall Gefahr der Dekompensation T. Kapitany Anpassungsstörungen Anpassungsstörung/Krise Prävalenz: bisher keine epidemiologischen Untersuchungen Prävalenzraten abhängig von untersuchter Population: Gefahr der Dekompensation (nach Till 2007) ◦ ambulante und stationäre psychiatrische Patienten: 10% ◦ psychiatrische Notfallambulanz: Art der Gefährdung 13% Gefahr des Beginns einer (chronifizierten) psychischen Erkrankung Schätzung: 5 - 20% von Patienten in ambulanter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung (Newcorn and Strain 1995) Zeitlicher Verlauf: Gefahr des Beginns einer körperlichen Erkrankung Gefahr des Verlustes sozialer Sicherheiten (Arbeitsplatz,Wohnung, ...) Gefahr des Verlustes von Beziehungen Beginn: Auftreten innerhalb von 1 Monat (ICD-10) bzw. 3 Monaten (DSM-IV) nach Beginn der Belastung Dauer: Andauern der Symptomatik nach Belastungsende oder deren Folgen: Gefahr der Selbstgefährdung (körperliche Schädigung bis Suizid) Gefahr der Fremdgefährdung (seelische Schädigung bis Mord und Tötung) ◦ bei akutem Verlauf nicht länger als sechs Monate ◦ bei chronischem Verlauf länger als sechs Monate (ICD-10: Obergrenze von 2 Jahren in Form von längerer depressiver Reaktion F43.21) T. Kapitany Thomas Kapitany T. Kapitany 6 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Anpassungsstörung und Suizidalität Suizidalität als Symptom einer psychiatrischen Erkrankung? Anpassungsstörungen im Vergleich mit anderen psychiatrischen Diagnosen im stationären Setting (Greenberg et al. 1995) ◦ Aufenthaltsdauer deutlich geringer ◦ Wiederaufnahmen deutlich geringer ◦ aktueller Substanzmissbrauch deutlich erhöht ◦ Suizidalität deutlich erhöht „Die Reduktion der Suizidalität auf ein Symptom einer biologisch determinierten psychiatrischen Erkrankung negiert, dass Suizidalität im Rahmen eines überwiegend unbewussten Kampfes in und um menschliche Beziehungen verstanden werden kann.“ (Fiedler 2007) Konzepte der Krisenintervention Suizidalität stellt eine Zuspitzung einer seelischen Entwicklung dar mit starker Angst vor Verlust (von wichtigen Beziehungen, Kontrolle, Einfluss). Beschämung,Versagensgefühle, Erleben von Schwäche hindern an der Kommunikation der Suizidalität. => Häufig Arztbesuch vor einem Suizid – unspezifische Beschwerden werden angegeben, Suizidalität nicht kommuniziert. Ambivalenz:Weiterleben, aber nicht so T. Kapitany Krisenintervention Krisenintervention Rahmenbedingungen ◦ Dringlichkeit 4 zentrale Ebenen der Intervention Rascher Beginn, niederschwelliger Zugang ◦ Verfügbarkeit der TherapeutIn ◦ Arbeit an der Beziehung inkl. Stellvertreter und Notfallsarrangement ◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation ◦ Methodenflexibilität ◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation psychotherapeutische, soziale, medizinische Interventionen bei Bedarf multiprofessionelle und -institutionelle Zusammenarbeit ambulante und stationäre Möglichkeiten ◦ Einbeziehung der Umwelt ◦ Klare Begrenzung Dauer eigene Möglichkeiten klarlegen (kein Omnipotenzgebaren) T. Kapitany T. Kapitany Krisenintervention Krisenintervention Beziehungsfördernde Haltung („Beziehung gibt Halt“) 4 zentrale Ebenen der Intervention Aktiv Kontakt aufnehmen, Beziehung herstellen Stützend, Halt gebend, zugewandt flexibler Kommunikationsstil ◦ Arbeit an der Beziehung ◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation Holding Function (D. Winnicot) ◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation Offen empathisch statt objektivierend distanziert ◦ Einbeziehung der Umwelt Containing (W. Bion) Schwierige, traumatische Inhalte des Patienten aushalten auf argumentierendes Diskutieren verzichten T. Kapitany Thomas Kapitany Stellvertretende Zuversicht (J. Cullberg) T. Kapitany 7 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Interventionsziele bei Suizidgefährdung Krisenintervention 4 zentrale Ebenen der Intervention ◦ Arbeit an der Beziehung akut ◦ Verbindliches Beziehungsangebot ◦ Emotionale Entlastung ◦ Aufbrechen bzw. Reduktion der (affektiven und suizidalen) Einengung ◦ Linderung von leidvollen Zuständen ◦ Tragfähige Behandlungsvereinbarung (situations- und zustandsadäquat) inkl. Notfall ◦ Machbares Alltagsmanagement ◦ Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes ◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation ◦ Einbeziehung der Umwelt T. Kapitany Kriseninterventionszentrum Wien; T. Kapitany Krisenintervention Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes ◦ Kathartische Wirkung der Situations- und Symptomschilderung Krisenintervention Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes ◦ Gefühle, Gedanken, Symptome Aussprechen fördern Ansprechen,Nachfragen Affektabfuhr und Beziehungsfestigung aktives Interesse Distanzierendes Ordnen und Reflektieren Sprache fördern (Intellektualisierung als Abwehr) empathisches Nachfragen diagnostische Abklärung Krisenanerkennung und Psychoedukation Festigung der therapeutischen Beziehung T. Kapitany T. Kapitany Krisenintervention Anpassungsstörung/Krise Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes Warnsignale für Gefährdung der psychischen Integrität und für gefährliche Handlungen ◦ Suizidalität ◦ starke Instabilität der Affekte ◦ Kontrollverlust und Impulsivität AnSPRECHEN ◦ stark reduzierter Realitätsbezug Gefühl der Beschämung reduzieren ◦ fehlende Distanzierungsmöglichkeiten konkrete Gedanken und Vorstellungen erfragen ◦ fortgesetztes Vermeidungsverhalten (fehlende Auseinandersetzung) ◦ gefährliche Handlungsankündigungen akzeptierend / nicht moralisierend ◦ mangelnde Kooperations- und Vertragsfähigkeit/-bereitschaft nicht überreden oder die Gedanken ausreden ◦ starke negative Gegenübertragungsgefühle ◦ Unmöglichkeit Kontakt herzustellen oder aufrecht zu erhalten T. Kapitany Thomas Kapitany T. Kapitany 8 Basiscurriculum Medizinische Psychotherapie 09.11.12 Krisenintervention Krisenintervention Patientenkooperation Wiederbestelltermin Vorkehrungen für die Zeit bis zum nächsten Termin 4 zentrale Ebenen der Intervention ◦ Arbeit an der Beziehung ◦ in Kontakt mit wem permanent ◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation regelmäßig ◦ Tagesstruktur ◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation (Till 2004, Schnyder 1993) Akutmanagement ◦ Einbeziehung der Umwelt ◦ Bedarfsmedikation ◦ Notfallsadressen Zusammenarbeit Institution T. Kapitany T. Kapitany Krisenintervention Krisenintervention Fokus auf Anlass und aktuelle Situation (Till 2004, Schnyder 1993) ◦ Problemanalyse 4 zentrale Ebenen der Intervention ◦ Arbeit an der Beziehung Was ist der Fokus Ereignisse - Bedeutung - Auswirkungen - Anfälligkeit Ressourcen- und Copinganalyse ◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation ◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation ◦ Problemdefinition und Situationsbeurteilung ◦ Einbeziehung der Umwelt Komplexität, Generalisierungen reduzieren (realistische) Ziele definieren Soziales Netz nützen durch Schamgefühle oder Angst vor Abhängigkeit ev. blockiert ◦ Problembearbeitung (inkl. spezifische Gefahren) „verdünnt“ Übertragung und Pathologie in zentralen Beziehungen Lösungsmöglichkeiten Realitätsbezug Erweiterung d. Copingstrategien T. Kapitany Thomas Kapitany T. Kapitany 9