Integrative Gestalttherapie und Krisenintervention

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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
Gestalttherapie und
Psychotherapeutische Krisenintervention
09.11.12
Wurzeln der Gestalttherapie

Basiscurriculum Psychotherapeutische Medizin
Thomas Kapitany
Kriseninterventionszentrum,Wien
Begründung durch Fritz und Laura Perls nach dem Ende des 2.
Weltkriegs,
◦ beide zunächst Psychoanalyse
◦ beeinflusst von der Gestaltpsychologie
◦ von Feld und Systemtheorie (Kurt Levins u.a., Phänomenologie (Husserl,
Merleau-Ponty),

Distanzierung von der Psychoanalyse
◦ in der Betonung von Aggression
 wertfrei als lebensnotwendiger vitaler Energie (Triebfeder) zur Auseinandersetzung
mit der Umwelt, zur Aufnahme und Verarbeitung von Neuem und somit zum
Wachstum und zur Entwicklung.
◦ (Ego, Hunger, and Aggression. Perls FS 1942)

Non-verbale Erlebnis- und Ausdrucksformen
◦ Prägung der therapeutischen Methodik der GT durch
lebensgeschichtliche und therapeutische Erfahrungen der Perls
(Schauspielausbildung, körpertherapeutische Konzepte (Wilhelm Reich,
Elsa Gindler, ….)
Gestalttherapie
Gestalttherapie – Menschenbild
Gestalttherapie begründet mit anderen
gemeinsam die Gruppe der
Humanistischen Therapieformen.
 Heute wird die GT gemeinsam mit der
Gesprächstherapie (C. Rogers), der
Emotion-Focused-Therapy (L.S.
Greenberg), und der Existentiellen
Psychotherapie (I.D.Yalom) auch zu den
Experientiellen (erfahrungsorientierten)
Therapieformen gezählt. (Watson 1998)

Gestalttherapie – Menschenbild
Gestalttherapie – Krankheitsverständnis

Selbstregulation wird als die Fähigkeit
verstanden, Gestaltbildungsprozesse so zu
organisieren, dass Bedürfnisse und
Bedingungen des Feldes angemessen
verwirklicht werden.
 Das Gewahrsein (Awareness) dieser
Prozesse ermöglicht es entscheidende
Veränderungen in Gang zu setzen.
 Die Erhöhung von Bewusstheit/Gewahrsein
ist ein zentraler Ansatz in der GT

Thomas Kapitany
Gestalttherapie sieht den Menschen als
◦ ein zur Verantwortung fähiges,
◦ auf soziale Begegnung und Beziehung
ausgerichtetes Wesen,
◦ das in einem lebenslangen Wachstums‐ und
Integrationsprozess seine Potentiale
verwirklichen kann.
(FS Integravite Gestalttherapie, ÖAGG)

Ungünstige Entwicklungsbedingungen können die
◦ Selbst‐ und Fremdwahrnehmungsfähigkeit sowie
◦ Handlungs‐ und Kontaktfähigkeit nachhaltig
stören,
◦ wodurch die Persönlichkeitsstruktur mangelhaft
entwickelt und
◦ das gesamte Erleben der Person konflikthaft
eingeschränkt werden kann,
◦ was sich z.B. in psychosomatischen
Problematiken, psychischen Symptomen oder
nicht zufrieden stellenden sozialen Beziehungen
äußern kann.
(FS Integravite Gestalttherapie, ÖAGG)
1
Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
Gestalttherapie - Grundkonzepte

09.11.12
Welche Figur tritt in den Vordergrund?
Gestaltpsychologie
◦ Beobachtung und Erforschung von Wahrnehmung
◦ Der Mensch kann nicht gleichzeitig auf mehrere
voneinander unabhängige Inhalte des Erlebens
fokussieren.
◦ Ein Inhalt/Gegenstand/Thema wird (mehr o.
weniger o. gar nicht bewusst) ausgewählt und in
den Vordergrund gestellt/fokussiert.
◦ Diese Zuwendung wird als das Prinzip des
Kontaktgeschehens als Muster zur Beschreibung
verschiedenster psychischer Vorgänge
beschrieben.
(F. Perls, R.F. Hefferline, P. Goodman)
Gestalttherapie - Grundkonzepte

Tendenz zur Gestaltbildung
Der ausgewählte Inhalt wird zur Figur vor
dem Hintergrund aller anderen Inhalte und
Strukturen.
◦ Die dabei ablaufenden Wahrnehmungs- und
Erlebnisprozesse folgen analog den Prinzipien, die
die Gestaltpsychologie zunächst für die visuelle
Wahrnehmung beschrieben hat.
◦ Tendenz zur Erledigung von
unabgeschlossenen/offenen Gestalten
◦ Tendenz zur guten Gestalt
◦ Tendenz zu Wachstum und Prägnanz
◦ …..
Tendenz zur Gestaltbildung
Thomas Kapitany
Die Beziehung „Objekt“-Feld
beeinflusst den Eindruck
2
Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Gestalttherapie - Grundkonzepte
Kontaktzyklus
Feld- und Systemtheorie


Der Mensch in seinem Organismus-Umwelt-Feld gestaltet seine
subjektive Realität durch die Art und die Struktur seiner
Wahrnehmung, die sein Erleben und Handeln in der Welt bestimmt.
Kontaktprozesse
◦ Im Erleben, der Entwicklung und Wachstum im Organismus-UmweltFeld laufen ständig Figur-Grundbildungszyklen (Kontaktprozesse) ab.
◦ Individuell typische Muster organisieren diese Prozesse sowohl im
Vordergrund des aktuellen Kontaktgeschehens als auch im Hintergrund
der überdauernden Strukturbildungen.
◦ Im Falle des guten Gelingens werden die Inhalte, mit denen die Person
in Kontakt gekommen ist, entweder
Vorkontakt
 Kontaktanbahnung
 Kontaktvollzug/Aggression
 Kontaktvollzug/Assimilation
 Nachkontakt
 aufgenommen und in den Organismus assimiliert bzw. integriert
oder aber
 abgelehnt und zur Gänze wieder aus- bzw. abgestoßen.
Prozesstheorie - Kontaktzyklus


Kontakt und Störung
Störungen des Kontaktprozesses bzw. der
Verarbeitung nach innen

Gestalt-Auflösung als Quelle der Angst
◦ Introjektion
◦ Projektion
◦ Retroflexion

Kontaktunterbrechung als Schutz bei
Traumatisierung
Störungen des Kontaktprozesses bzw. der
Verarbeitung nach außen

◦ (Sicherheit,Verlässlichkeit von Strukturen)
◦ Krisenhafte Überforderung der
Erlebnisverarbeitung
◦ Blockierung der Veränderung eines
Bezugssystems im Laufe der persönlichen
Entwicklung (z.B. durch Überbehütung)
◦ Konfluenz
◦ Deflektion/Ego(t)ismus
Gestalttherapie - Therapietheorie


Paradoxe Theorie der Veränderung

Die therapeutische Beziehung in der
Gestalttherapie
◦ Wir fangen an uns zu verändern, wenn wir
erkennen und akzeptieren, wie wir sind.
(Kontakt/Beziehung zu sich selbst)

Fokus auf das „Hier und Jetzt“

◦ Lebensgeschichtliches wird rezipiert, sodass es in
seiner Bedeutung für die Gegenwart prägnant
wird.
Allgemeine Ziele in der GT
◦ Selbstgewahrsein erhöhen
◦ Selbstausdruck unterstützen
◦ Handlungsmöglichkeiten erweitern
Thomas Kapitany
Wachstumsbehinderung durch fixierte
Bezugssysteme
In der „Gründerzeit“
◦ die therapeutische Beziehung wurde von Gründern zunächst nicht explizit behandelt.
◦ Authentizität war vorrangig
Seit den 80er Jahren (Yontef, Hartmann-Kottek, Staemmler, u.a.)
◦ Kritik an der praktischen Umsetzung der GT durch F. Perls
◦ Zunehmende Fokussierung auf die Qualität der therapeutischen Beziehung

Die Entwicklung zur Relationalen Gestalttherapie
Anforderungen an die Therapeuten
◦ Die Fähigkeit zu persönlichem Kontakt und persönlicher Begegnung

Ermöglichung korrigierender Beziehungserfahrungen im therapeutischen Prozess
◦ Professionelle Kompetenz



Die Wiederherstellung der Dialog/Begegnungsfähigkeit der Patienten
Hand in Hand mit der psychologischen Bemühung Abwehrmechanismen zu bearbeiten
Der professionelle Umgang mit Vulnerabilität und struktureller Beschädigung bei den Patienten
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Gestalttherapie - Grundkonzepte
Gestalttherapie - Grundkonzepte
Das Primat der Beziehung
Der persönliche Kontakt (-ablauf):
„…… ein zur Verantwortung fähiges, auf soziale Begegnung und Beziehung ausgerichtetes
Wesen, …..“


◦ ICH-DU Beziehungen gegenüber ICH-ES Beziehungen (Martin Buber)
Prozess der aufeinander bezogenen Bewusstheit zweier
Menschen
ICH-ES Kontakt/Beziehung
◦ Wahrnehmen was und wie der Andere …
Beziehungsqualitäten

◦ Ein sachliches/unpersönliches Thema/Gegenstand zum Inhalt (im Vordergrund).

◦ Wahrnehmen der eigenen Resonanz – Eindruck – Gefühle
Der zwischenmenschliche Aspekt ist diesem Thema untergeordnet. Der Kontakt/ die Beziehung
findet ein Ende, wenn die Bedingungen/Bedürfnisse des Themas erfüllt sind. (Bsp. Im Beruf, eine
erotische Begegnung, …)
◦ Wahrnehmen der eigenen Resonanz – Reaktion,
Handlungsimpulse
◦ Vertikale Beziehungen


Z.B. Autoritätsverhältnisse mit dem Machtaspekt im Vordergrund. Mutualität (Gegenseitigkeit)
wird nicht gepflegt bzw. zugelassen
ICH-DU Kontakt/Beziehung
◦ Eine persönliche Beziehung (ICH-DU) setzt Mutualität (Gegenseitigkeit) voraus und
folgt dem dialogischen Prinzip. (Yontef)
◦ Der Andere wird als ganze Person wahrgenommen und angesprochen. (Bsp. eine
Freundschaft, eine Paarbeziehung, wie wir sie uns ideal vorstellen)
Fünf Ebenen der gestalttherapeutischen Beziehung
(Hartmann-Kottek 2012)

Basisakzeptanz der ICH-DU-Ebene

Realbeziehungsebene

Übertragungs- und Gegenübertragungsebene

Expertenebene

Arbeitsbündnis


Ihre Realphantasien voneinander ……
…… und das gegenseitige Mitteilen und Beantworten
der entsprechenden Bewusstheits- und
Bewusstseinsinhalte
Therapeutische Techniken

Ein-Stuhl-Technik (empty chair)
◦ Verdoppelte Einstuhl-Technik
◦ 2-Stuhl-Technik

Imagination
◦ Kontakt mit therapeutisch induzierten
Projektionen
◦ Geführte Imaginationen
◦ Tagtraum-Imagination als letzte Traumszene

Traumarbeit
Literatur
Hartmann-Kottek L (2012)
Gestalttherapie. Springer
 Staemmler FM (1993) Therapeutische
Beziehung und Diagnose. Pfeiffer
 Hochgerner M, Hoffmann-Widhalm H,
Nausner L, Wildberger E (2004)
Gestaltherapie. Facultas
 Perls F, Hefferline R, Goodmann P (1951)
Gestalttherapie – Grundlagen. Klett-Cotta

Thomas Kapitany
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Wurzeln der Krisenintervention
Psychotherapeutische
Krisenintervention

Professionelle Intervention nach
Großkatastrophen

Individuelle psychosoziale Krisen

Suizidologie
(Lindemann 1944)
(Kaplan 1964, Cullberg 1978)
◦ Beginn des 20. Jahrhunderts
Thomas Kapitany
Kriseninterventionszentrum Wien




Heilsarmee London 1906
Psychoanalytische Gesellschaft 1910
Fürsorgeamt der Wiener Polizeidirektion 1927
Lebensmüdenstelle der „Ethischen Gemeinde“ 1928
 (W. Börner, A. Aichhorn, Ch. Bühler,V.E. Frankl u.a.)
T. Kapitany
Wurzeln der Krisenintervention II

Konzepte psychosozialer Krisen
Suizidologie
◦ nach 1945





Lebensmüdenfürsorge der Caritas (E. Ringel) 1948
Psychiatrische Univ.Klinik (H. Hoff) ab 1950
1. Internationale Konferenz für Suizidprophylaxe, Wien 1960
International Association for Suicide Prevention (IASP) 1960
Prävention durch Krisenintervention, ab 1970
 Kriseninterventionszentrum Wien, 1977
T. Kapitany
Anpassungsstörungen
Krisendefinition
Unter psychosozialer Krise verstehen wir “den
Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein
Mensch verspürt, wenn er mit Ereignissen und
Lebensumständen konfrontiert wird, die er im
Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von der
Art und vom Ausmaß her seine durch frühere
Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und
erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger
Lebensziele oder zur Bewältigung seiner
Lebenssituation überfordern”.
(Sonneck 2000)
Definition (ICD 10: F43.2)

.... Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler
Beeinträchtigung, die ....... soziale Funktionen und Leistungen
behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden
Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die
Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei
einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer
Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie
kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen
(wie Schulbesuch, Elternschaft, Mißerfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und
Ruhestand). ....
Entstehung:

Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt ...... eine bedeutsame
Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die
Belastung nicht entstanden wäre.
Ätiologisch definiert
T. Kapitany
Thomas Kapitany
T. Kapitany
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Krisenentstehung
Anpassungsstörungen
Psychosoziales Modell (Sonneck 2000, Frommberger
Symptomatik (ICD-10):
1998)
... unterschiedlich und umfasst depressive Stimmung,Angst oder Sorge (oder
eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den
alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, ....... Störungen des
Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches
Symptom sein.
◦ Qualitative und quantitative Aspekte des Ereignisses/der Belastungen
der Anlass
◦ Subjektive Bedeutung des Ereignisses
◦ Reaktion der Umwelt
◦ persönliche Vulnerabilität/Krisenanfälligkeit
Häufigstes Symptombild:
Persönlichkeitsstruktur, vorbestehende psych. Erkrankungen - vorbestehende
Krisenerfahrungen, chronische Belastungsfaktoren
Depressive Reaktion
◦ Bewältigungsstile und persönliche Ressourcen
Weitere Zustandsbilder:
Psychodynamisches Modell (Diebel-Braune 2004)
Angst
Angst und Depression gemischt
andere Gefühle (v.a. Besorgnis, Anspannung, Ärger)
Störung des Sozialverhaltens
◦ Soziale, somatische, materielle Realität
◦ Intrapsychische Struktur
 Niveau der Ich-Funktionen und der Objektbeziehungen
◦ Intrapsychische Konflikte
(v.a. Kinder, Jugendliche)
T. Kapitany
Krisenmodelle


T. Kapitany
Krisenverlauf

Traumatische Krise (Cullberg 1978)
Schockphase
Psychosoziale Krisen

◦ Traumatische Krisen,Verlustkrisen (Cullberg
1978)
◦ Lebensveränderungskrisen (Caplan 1964)
◦ Akute Traumatisierung
◦ Burnout-Entwicklung
 Reaktionsphase
Psychiatrische Krisen
(Reizüberflutung, Betäubung, ziellose Aktivitäten)
(behutsame Konfrontation/Abwehr, wechselnde Gefühle)
 Bearbeitung (Reflexion, Integration)
Neuorientierung


Veränderungskrisen (Caplan 1964)

Überforderung nimmt meist langsam zu (auch grundsätzlich positive
Ereignisse oder Veränderungen) bis
 Vollbild der Krise/Reaktionsphase
 Bearbeitungsphase

 Gefahr der
Dekompensation
Neuorientierung

Notfall
 Gefahr der
Dekompensation
T. Kapitany
Anpassungsstörungen
Anpassungsstörung/Krise
Prävalenz:

bisher keine epidemiologischen Untersuchungen

Prävalenzraten abhängig von untersuchter Population:
Gefahr der Dekompensation (nach Till 2007)
◦ ambulante und stationäre psychiatrische Patienten: 10%
◦ psychiatrische Notfallambulanz:

Art der Gefährdung
13%
 Gefahr des Beginns einer (chronifizierten) psychischen Erkrankung
Schätzung:
5 - 20% von Patienten in ambulanter psychiatrischer oder
psychotherapeutischer Behandlung (Newcorn and Strain 1995)
Zeitlicher Verlauf:
 Gefahr des Beginns einer körperlichen Erkrankung
 Gefahr des Verlustes sozialer Sicherheiten (Arbeitsplatz,Wohnung, ...)
 Gefahr des Verlustes von Beziehungen

Beginn: Auftreten innerhalb von 1 Monat (ICD-10) bzw. 3 Monaten
(DSM-IV) nach Beginn der Belastung

Dauer: Andauern der Symptomatik nach Belastungsende oder deren
Folgen:
 Gefahr der Selbstgefährdung (körperliche Schädigung bis Suizid)
 Gefahr der Fremdgefährdung (seelische Schädigung bis Mord und Tötung)
◦ bei akutem Verlauf nicht länger als sechs Monate
◦ bei chronischem Verlauf länger als sechs Monate (ICD-10: Obergrenze von 2
Jahren in Form von längerer depressiver Reaktion F43.21)
T. Kapitany
Thomas Kapitany
T. Kapitany
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Anpassungsstörung und Suizidalität
Suizidalität als Symptom einer psychiatrischen Erkrankung?

Anpassungsstörungen im Vergleich mit anderen psychiatrischen Diagnosen im
stationären Setting (Greenberg et al. 1995)
◦ Aufenthaltsdauer
deutlich geringer
◦ Wiederaufnahmen
deutlich geringer
◦ aktueller Substanzmissbrauch
deutlich erhöht
◦ Suizidalität
deutlich erhöht

„Die Reduktion der Suizidalität auf ein Symptom einer biologisch determinierten
psychiatrischen Erkrankung negiert, dass Suizidalität im Rahmen eines überwiegend
unbewussten Kampfes in und um menschliche Beziehungen verstanden werden kann.“
(Fiedler 2007)
Konzepte der Krisenintervention
Suizidalität stellt eine Zuspitzung einer seelischen Entwicklung dar mit starker Angst
vor Verlust (von wichtigen Beziehungen, Kontrolle, Einfluss).
Beschämung,Versagensgefühle, Erleben von Schwäche hindern an der
Kommunikation der Suizidalität. => Häufig Arztbesuch vor einem Suizid –
unspezifische Beschwerden werden angegeben, Suizidalität nicht kommuniziert.
Ambivalenz:Weiterleben, aber nicht so
T. Kapitany
Krisenintervention
Krisenintervention
Rahmenbedingungen
◦ Dringlichkeit
4 zentrale Ebenen der Intervention
 Rascher Beginn, niederschwelliger Zugang
◦ Verfügbarkeit der TherapeutIn
◦ Arbeit an der Beziehung
 inkl. Stellvertreter und Notfallsarrangement
◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation
◦ Methodenflexibilität





◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation
psychotherapeutische,
soziale,
medizinische Interventionen
bei Bedarf multiprofessionelle und -institutionelle Zusammenarbeit
ambulante und stationäre Möglichkeiten
◦ Einbeziehung der Umwelt
◦ Klare Begrenzung
 Dauer
 eigene Möglichkeiten klarlegen (kein Omnipotenzgebaren)
T. Kapitany
T. Kapitany
Krisenintervention
Krisenintervention
Beziehungsfördernde Haltung
(„Beziehung gibt Halt“)
4 zentrale Ebenen der Intervention

Aktiv Kontakt aufnehmen, Beziehung herstellen

Stützend, Halt gebend, zugewandt
flexibler Kommunikationsstil
◦ Arbeit an der Beziehung
◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation
Holding Function (D. Winnicot)
◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation
Offen empathisch statt objektivierend distanziert
◦ Einbeziehung der Umwelt
Containing (W. Bion)
Schwierige, traumatische Inhalte des Patienten aushalten
auf argumentierendes Diskutieren verzichten

T. Kapitany
Thomas Kapitany
Stellvertretende Zuversicht (J. Cullberg)
T. Kapitany
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Interventionsziele bei
Suizidgefährdung

Krisenintervention
4 zentrale Ebenen der Intervention
◦ Arbeit an der Beziehung
akut
◦ Verbindliches Beziehungsangebot
◦ Emotionale Entlastung
◦ Aufbrechen bzw. Reduktion der (affektiven und
suizidalen) Einengung
◦ Linderung von leidvollen Zuständen
◦ Tragfähige Behandlungsvereinbarung (situations- und
zustandsadäquat) inkl. Notfall
◦ Machbares Alltagsmanagement
◦ Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes
◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation
◦ Einbeziehung der Umwelt
T. Kapitany
Kriseninterventionszentrum Wien; T. Kapitany
Krisenintervention
Bearbeitung der emotionalen Situation und des Zustandes
◦ Kathartische Wirkung der Situations- und Symptomschilderung
Krisenintervention
Bearbeitung der emotionalen Situation und des
Zustandes
◦ Gefühle, Gedanken, Symptome
Aussprechen fördern
Ansprechen,Nachfragen
Affektabfuhr und Beziehungsfestigung
aktives Interesse
Distanzierendes Ordnen und Reflektieren
Sprache fördern (Intellektualisierung als Abwehr)
empathisches Nachfragen
diagnostische Abklärung
Krisenanerkennung und Psychoedukation
Festigung der therapeutischen Beziehung
T. Kapitany
T. Kapitany
Krisenintervention
Anpassungsstörung/Krise
Bearbeitung der emotionalen Situation und des
Zustandes
Warnsignale für Gefährdung der psychischen Integrität
und für gefährliche Handlungen
◦ Suizidalität
◦ starke Instabilität der Affekte
◦ Kontrollverlust und Impulsivität
AnSPRECHEN
◦ stark reduzierter Realitätsbezug
Gefühl der Beschämung reduzieren
◦ fehlende Distanzierungsmöglichkeiten
konkrete Gedanken und Vorstellungen erfragen
◦ fortgesetztes Vermeidungsverhalten (fehlende
Auseinandersetzung)
◦ gefährliche Handlungsankündigungen
akzeptierend / nicht moralisierend
◦ mangelnde Kooperations- und Vertragsfähigkeit/-bereitschaft
nicht überreden oder die Gedanken ausreden
◦ starke negative Gegenübertragungsgefühle
◦ Unmöglichkeit Kontakt herzustellen oder aufrecht zu erhalten
T. Kapitany
Thomas Kapitany
T. Kapitany
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Basiscurriculum Medizinische
Psychotherapie
09.11.12
Krisenintervention
Krisenintervention
Patientenkooperation

Wiederbestelltermin

Vorkehrungen für die Zeit bis zum nächsten Termin

4 zentrale Ebenen der Intervention
◦ Arbeit an der Beziehung
◦ in Kontakt mit wem
 permanent
◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation
 regelmäßig
◦ Tagesstruktur
◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation (Till 2004, Schnyder
1993)
Akutmanagement
◦ Einbeziehung der Umwelt
◦ Bedarfsmedikation
◦ Notfallsadressen

Zusammenarbeit Institution
T. Kapitany
T. Kapitany
Krisenintervention
Krisenintervention
Fokus auf Anlass und aktuelle Situation (Till 2004, Schnyder
1993)
◦ Problemanalyse
4 zentrale Ebenen der Intervention
◦ Arbeit an der Beziehung
 Was ist der Fokus
 Ereignisse - Bedeutung - Auswirkungen - Anfälligkeit
 Ressourcen- und Copinganalyse
◦ Auseinandersetzung mit der emotionalen Situation
◦ Fokus auf Anlass und aktuelle Situation
◦ Problemdefinition und Situationsbeurteilung
◦ Einbeziehung der Umwelt
 Komplexität, Generalisierungen reduzieren
 (realistische) Ziele definieren
 Soziales Netz nützen
 durch Schamgefühle oder Angst vor Abhängigkeit ev. blockiert
◦ Problembearbeitung (inkl. spezifische Gefahren)
 „verdünnt“ Übertragung und Pathologie in zentralen Beziehungen
 Lösungsmöglichkeiten
 Realitätsbezug
 Erweiterung d. Copingstrategien
T. Kapitany
Thomas Kapitany
T. Kapitany
9
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