PSYCHIATRIE & SOMATIK IM DIALOG Hauptsponsor: Co-Sponsoren: Psychiatrie und Somatik im Dialog Jugendliche in der Praxis Eine Herausforderung Dr. med. Niklas Brons Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich ZADZ www.zadz.ch Alternativtitel Was sollten wir im Hinterkopf haben, wenn wir Jugendliche in der Praxis betreuen? Herausforderung Jugendalter Entwicklungsaufgaben Körperliche Entwicklung Kognitive Entwicklung Identitätsfindung «Normale Adoleszenz» versus Adoleszentenkrise Häufige psychische Störungen im Jugendalter Beziehungs- und Motivationsaufbau für Therapie Entwicklungsaufgaben Partnerschaft und Familie Beruf Peer Rolle Beziehungen Körper Selbst Zukunft Werte Ablösung Dreher und Dreher 1996 Körperliche Entwicklung Die körperliche Entwicklung sagt nichts über die kognitive, emotionale oder soziale Entwicklung aus Alle drei weiblichen Jugendlichen sind 12 ¾ Jahr alt! Alle drei männlichen Jugendlichen sind 14 ¾ Jahr alt. Nach Tanner, 1980; Oerter&Dreher 2008 Kognitive Entwicklung Formales Denken Relativistisches Denken Kritisches Denken Wandel zwischen der Bedeutung von Wirklichkeit und Möglichem (Piaget 1977) Erkenntnis der Universalität von Subjektivität (Piaget 1971) Fähigkeit eigenes Handeln rational zu begründen Oerter & Dreher 2008 Informationsverarbeitung Entwicklung der Metakognition Identität Einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere von ihr haben Realbild Berufliche Identität Identität in der Partnerschaft Kulturelle Identität Religiöse Identität Wer bin ich? Politische Identität Gruppenidentität Soziale Identität Sexuelle Identität Idealbild Identitätsformen nach Marcia Suche Findung JA NEIN JA Erarbeitete Identität Übernommene Identität NEIN Moratorium Krise Diffuse Identität Marcia 1966 Risikofaktoren und Schutzfaktoren Risikofaktoren Schutzfaktoren • • • • • • • • • • Früh einsetzende Pubertät Massive Eltern - Kind - Konflikte belastende Lebensereignisse Selbstregulationsprobleme psychische Störung im Kindesalter • mangelnde soziale Unterstützung • unzureichende Fähigkeit, soziale Unterstützung zu aktivieren • • • • erfahrene Selbstwirksamkeit emotionale Kompetenz soziale Kompetenz Zufriedenheit in und mit der Familie unterstützende Beziehung zu Gleichaltrigen vielfältige, positive Vorbilder positives Erleben der eigenen Familie klare positive Verhaltensziele soziale und moralische Werteorientierung «Normale Adoleszenz» versus Adoleszentenkrise Normales Verhalten Gelegentliche Experimente mit Drogen in Verbindung mit gleichaltrigen Aktivitäten Schüchternheit und Unsicherheit im Umgang mit Anderen Krisenhaftes Verhalten Zeitweilige Gebrauch bzw. Missbrauch von Drogen oder Alkohol als primärer Organisator von Identität und zentraler Regulator von Wohlbefinden und Selbstbetrachtung Mangelnde Beziehungen zu Gleichaltrigen Sexuelle Experimente mit gleichaltrigen Jungen Promiskuitive sexuelle Beziehungen oder Mädchen Geringe Fluktuation der Interessen Verlust von Interesse an schulischen oder außerschulischen Aktivitäten Unzufriedenheit, Langeweile Unfähigkeit, das Leben zu genießen, lähmende depressive und ängstliche Zustände Streeck-Fischer, 2009 Häufigkeit von psychischen Störungen Lebenszeit-Prävalenz USA: 10123 Jugendliche zwischen 13–18 Jahren Affektive Störungen: 14.3% Angststörungen: 31.9% Verhaltensstörungen: 19.6% J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 2010 October; 49(10): 980–989 16.8% der depressiven Jugendlichen leiden zusätzlich an einer somatoformen Störung Hofmann, Petermann, Glaeske, 2012 Erfahrungen aus der Praxis Oft wird die psychische Symptomatik durch körperliche oder Verhaltenssymptome verdeckt! Bei chronischen Schmerzen immer auch an eine Depression und/oder an eine Angststörung denken! Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen Viele Jugendliche nehmen ihre Erkrankung nicht wahr und wollen keinen Kontakt zu den medizinischen Diensten! Beziehungs- und Motivationsaufbau Wie geht es dir? Bö Beziehungs- und Motivationsaufbau Was tun, wenn die Jugendlichen keine Therapie möchten? Gesprächsführung nach Rogers Offene Fragen Reflektierend zuhören: wiederholen, umformulieren, erklärend umschreiben, Gefühle reflektieren Bestätigen Zusammenfassen Echtheit (Kongruenz) Empathie, ohne Urteil oder Kritik Bedingungslose Wertschätzung Beziehungsaufbau Diskrepanz zwischen Autonomiebestreben und Abhängigkeit Arzt/Psychologe steht für die Elterngeneration Autonomie wahren Auftrag klären Angst vor einer Therapie ansprechen «Bin ich jetzt ein Psycho?» Freude und Interesse zeigen Förderung der Therapiemotivation Freiwilligkeit Maximierung des Ausmasses an persönlicher Kontrolle auf die Therapie Selbstgesetzte Ziele Steigerung der «Selbstwirksamkeit», Selbststeuerung und Selbstmotivation Maximale Transparenz in der Therapie Förderung von Hoffnung, Eigenkompetenz und Vertrauen in die Zukunft Kanfer, 2006 Förderung der Therapiemotivation Analyse von früheren Misserfolgen Neu- und Umattribuierung von Misserfolgsursachen Vereinbarung einer Probezeit (z.B. 5 Stunden) Bedenkzeit Ansprüche herunterschrauben Kleine, überschaubare Kurzzeit-Ziele Kanfer, 2006 Motivationshindernisse Angst vor Veränderung Verhaltensträgheit («alte Gewohnheiten») «gelernte Inkompetenz» Sekundäre Gewinne aus Problemverhalten Fähigkeitsdefizite Fehlende Information über Therapie Widerstand gegen den Therapeuten Kanfer, 2006 Förderung der Therapiemotivation Motivationale Gesprächsführung (Miller & Rollnick) 1. Empathie ausdrücken 2. Diskrepanzen entwickeln: Aktuelle Verhaltensweisen gegenüber Wertvorstellungen und Zielen im Leben setzen 3. Widerstand umlenken 4. Selbstwirksamkeit fördern Vorteile des Status quo Nachteile des Status quo Vorteile einer Veränderung Nachteile einer Veränderung Herausforderung Therapie Zusammenfassung Jugendalter ist eine grosse Herausforderung für den Jugendlichen Autonomiebestreben und Identitätssuche stehen im Mittelpunkt Vulnerable Phase für Entwicklung von psychischen Erkrankungen Beziehungsaufnahme zu den Jugendlichen gehört zu den grössten Herausforderungen als Arzt/Psychologe Therapiemotivation steht häufig zunächst im Vordergrund