Rechtspopulismus und neuer Nationalismus

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Nachrichten und Stellungnahmen der Katholischen Sozialakademie Österreichs
B/2016
RECHTSPOPU LISMUS
RECHTSPOPU LISMUS
Rechtspopulismus und
neuer Nationalismus
Rechtspopulismus und
neuer Nationalismus
Die Profile des neuen
Nationalismus
SOZIALPOLITIK
Rechtspopulismus und
Sozialpolitik
Die,, natürliche " Leerstelle?
ERNAH RU NGSSOUVERAN ITAT
Ernähru ngssouverän
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Rumänien
Das Nyeldni Forum 2015
IG'o,*
Verhandlungen
Mindestsicherung
Wichtige lnformation für
Abonnentlnnen
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PUNKr .EBRA.HT
Christlich geht andersl
Solidarische Antworten auf die
soziale Frage
-
in höchstem Maße beunruhigende - europaweite Anziehungskraft des Rechtspopulismus bzw. eines neuen populistischen Nationalismus hat eine Reihe von Gründen, die trotz vielfältiger Parallelen
in den einzelnen europäischen Ländern in unterschiedlichen
,, Mischu ngsverhältn issen " und mit u ntersch iedl ichen Schwerpu nkten
auftreten. Die folgenden Ausführungen sind als eine Art Raster für
diese Profile des neuen Nationalismus in Europa (und darüber hinaus) konzipiert, um das Phänomen besser zu verstehen.l
Die
Soziale und politische
Agenden des Rechtspopulismus
Die rechtspopulistischen Bewegungen
verbinden soziale (sozialistische) mit
nationalen (nationalistischen) Agenden. Wäre der Begriff nicht so vorbelastet, würde man sie als nationalsozialistisch bezeichnen. Doch dieser
Rückverweis zeigt auch, wie brandgefährlich diese Mischung ist. Dass sie
sich als soziale Partei der ,,Zu-KurzCekommenen " (Modernisierungsverllerer) profilieren, macht sie für viele
Wählerlnnen attraktiv, wobei sie zugleich Sympathien für extrem liberalistische Wirtschaftstheorie an den Tag
lege n.
. ln allen europäischen Staaten haben
soziale Ungleichgewichte in den vergangenen Jahren zugenommen
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(prekäre Arbeitsverhältnisse, meist
steigende Arbeitslosigkeit; Red ul<tion
der Ersparnisse durch Zinsen, die die
lnflation nicht abdecken u.A.m.).
Statistisch gesehen fürchten Bürgerlnnen vor allem um den Verlust sozialer
Sicherheiten und finanzieller Stabilität.
Eine Angst, die angesichts der nicht
behobenen Problemlagen im Finanzsystem nicht irrational ist. Banl<en-bailouts, die national über Steuern beglichen werden, stark steigende Einkommen des obersten Einkommenszehntel, sowie geringe Steuerleistungen internationaier Konzerne schaffen
ein sich verdlchtendes Cefühl von
Ungerechtigkeit. Die staatliche Unter-
stützung von Asylwerberlnnen kommt
nun als ein weiteres Moment hinzu.
. Die ,,neuen Nationalisten" antworten darauf mit einer ,, Klassenkampf -
LISMUS
Nr. B/2O16
rhetorik", die das ,,anständige Volk"
den korrupten Eliten, die miteinander
national, europäisch und global vernetzt sind, gegenüberstellt. So beendete der österreichische Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer das
TV-Duell mit Alexander Van der Bellen mit: ,, lch stehe für die Menschen
und Sie für die Schickeria".2 ln diesem
Protest gegen das Establishment liegt
auch der wesentliche Crund für die
stark anti-europäische Ausrichtu ng
sowie jene gegen die Clobalisierung
der Rechtspopulisten.
o Damit Hand in Hand gehen Attacken auf die von diesen Eliten geführ-
ten liberalen politischen lnstitutionen
(Wahlanfechtungen, Demontage des
national in unterschiedlichen
,,Mischungsverhältnissen" zu finden
sind:
o ,,Wir als Nation":
Die Betonung nationaler ldentitäten
(und lnteressen) richtet sich vor allem
gegen die EU als Einigungs- und Versöhnungsprojekt, die als neoliberales
Wirtschaftsprojekt der Eliten d iskreditiert wird. Der nationalistische Populismus dockt hier an den klassischen
Nationalismus an.3 ln mitteleuropäischen Ländern spielt die l<ommunistische Erfahrung (Brüssel als neues
Moskau) dafür eine beachtliche Rolle.
Die neue Ausrichtung an der Nation
geht einher mit der Aufwertung der
zunehmende kulturelle und religiöse
Durchmischung europäischer Cesellschaften gibt dafür Anknüpfungspunkte in konkreten Alltagserfahrungen (2.B. Abschaffung von Festen
in öffentlichen lnstitutionen - Niklausfest, Martinsfest). Säkularistische
Forderungen nach einer Verdrängung
christlicher Kultur aus dem öffentlichen Raum werden vielfach mit
Multireligiosität begründet. Dies
ebenso wie eine zunehmende geopoIitische Präsenz mehrheitlich islamischer Staaten, die ihre kuliurellreligiösen lnteressen und Weltbilder
vertreten, verbunden mit djihadistischen Terrorakten, die medial überdimensioniert präsent tief in das Bewusstsein eindringen, führen zu ei-
Verfassu ngsgerichts-
nem generellen
hofs etc.), sowie das
generelle Schüren von
,,:..,:'*.i,::',i.:,:
,.
" i,:r c ef ü h I k u ltu re e r
.t' , Verunsicherung.
Misstrauen gegen die
lnstitutionen des
. Moralischer Kon-
Rechtsstaats. Als
servativismus
Der Rechtspopulis-
Alternative wird eine
plebiszitäre Demokratie als ,,wahre Demokratie", die den
echten Volkswillen
repräsentiert, propagiert. (Stichwort:
direkte Demokratie).
. Cleichfalls
mus tritt (teils aus
demographischen
Cründen) überallfür
die klassische Familie
ein, wendet sich
gegen als liberalistisch eingestufte
Frauenemanzipation
(Stichwort CenderWahn) und gegen
Homosexualität.
Diese Agenda wird
vielfach als eine
den
Eliten werden die
Med ienvertreterln nen
zugerechnet, die - so
der Vorwurf - Realitä-
ten verschweigen
oder umdeuten (Stichwort:,, Lügenpresse " ).
National istisch-ku ltu ral istische
Agenden sowie,,christliche
Werte"
Alle nationalistisch -populistischen
Parteien betonen den Charakter der
Nation als Solidar- und ldentitätsgemeinschaft. Diese ideelle Seite des
Rechtspopulismus zeichnet sich durch
eine rückwärtsgewandte Nostalgie
nach nationaler Homogenität, sowie
durch die Betonung nationaler Besonderheiten aus. Es lassen sich drei
Dimensionen dieses ,,Wir als... "-Projekts unterscheiden, die wiederum
2
I I
Nr.8/2016
Kari katu r: Kostas Koufogi orgos,
Nationalgeschichten als identitätsstiftende Narrative. Dies ist auch deshalb
verlockend, weil es kaum andere
,,große Erzählungen" gibt, wie z.B. das
Narrativ einer gemeinsamen europäischen Ceschichte. ln jedem Fall sind
diese zu schwach, um das Sinnvakuum
zu füllen und jene Zugehörigkeiten
jenseits eigener Leistungen zu stiften,
die den Nationalgedanken ideell at-
traktiv machen.a
.
,,Wir als Kultur"
Kulturelle und je nach Land unterschiedlich starke christliche ldentitäten
werden durchgängig für rechtspopullstische Agenden vereinnahmt. Die
RECHTSPOPU LISMUS
www'koufogiorgos'de
,,christlicher Werte"
bezeichnet. Rechtspopulisten docken hier an - vielfach
auch international propagierte anti-liberale Agenden an (so tritt z.B.
Russland zusammen mit mehrheitlich
islamischen Staaten für tradiiionelle
Werte ein sowie gegen Religionsfreiheit, die durch das Verbot einer
,,defamation of religion" ersetzt werden soll).
Manipulativer Stil und
autoritäre Sympathien
Das vielleicht beunruhigendste Merkmal des Rechtspopulismus ist ein
Politikstil, der Fakten und Realitäten,
Wahrheit und Lüge, je nach Bedarf
benützt und es daher schwer macht,
seine Proponentlnnen aufgrund von
lnhalten dingfest zu machen. Sachauseinandersetzu ngen werden vielfach
vermieden und durch untergriffige
Personalisieru ngen ersetzt (,, post-faktuale" Politik). Dles ist demokratieschädigend, da die Folge eine Erosion
des Vertrauens sowohl in Personen wie
in lnstitutionen ist. Rechtspopulistische
Bewegungen vertreten zudem klare
,,Freund-Feindschemata" mit emotional aufgeladenen Feindbildern, wobei
vorrangige Feinde die politischen Cegner, die Eliten und Migrantlnnen sind.
Sie verbinden sich im Allgemeinen mit
einem unterschwelligen autoritären
Männlichkeitsideal. Daraus erklären
sich nicht zuletzl die hohen Sympathiewerte für Autokraten.
.
Kulturell/religiöse Agenda interreligiöser Dialog:
Die katholische und andere Kirchen
sind in multikulturellen und multireligiösen Cesellschaften, national wie
europäisch, als Orte der Vermittlung
und Versöhnung gefordert. lhr kulturelles und religiöses Wissen prädestiniert sie dafür, da säkularen
Akteurlnnen vielfach ein grundlegendes Verständnis für Religionen und
ih re Argumentationsweisen mangelt.
Die Kirche könnte so auch säkularisti-
schen Tendenzen entgegenwirken, die
alle Religionen aus dem öffentlichen
Raum verdrängen wollen. Dies verlangt einen starken Fokus auf den
interreligiösen Dialog, wie ihn viele
Bürgerlnnen von den Kirchen auch
erwarten. Das Dialogmodell von Papst
Franziskus könnte hier ein wichiiger
Diese drei kurz skizzierten Cluster von
Positionen finden sich in allen rechtspopulistischen Parteien. Sie bestimmen
lmpulsgeber sein.
ihr europafeindliches Profil. Die
Versöhnungsi nitiativen :
Das Wiedererstarken europäischer
Nationalismen zeigt, dass die Vergangenheit nie ein für allemal aufgearbeitet ist. Die Kirchen sollten hier sowohl
,,bilateral" auf nationaler, wie auf
europäischer Ebene (COMECE,
Der folgende Text stellt ein
überarbeitete Thesenpapier f ür eine
Sitzung von lustitia et pax Deutschland
vom7.1O. d. ). dar, bei der Prof.
Lob-Hüdepohl (Berlin) zum Thema
lustitia et Pax Europa) die bereits
bestehenden lnitiativen stärken und
Einstellungen rechtspopulistischer
Parteien werden daher nicht
EU
wird als Projekt von Eliten, als Feind
nationaler Kulturen, als säkularistisch
und religlonsfeindlich diskreditiert.
Welches Argument hier stärker zieht,
hängt von der jeweiligen nationalen
Kultur ab.
Was soll und kann die
katholische Kirche tun?
.
Weiterführung nationaler
weiterf
üh
ren.
thematisiert.
Das für die Strategien des
. Aufklärung
Wenn die obige Analyse stimmt, ergibt
sich für die katholische Kirche eine
Reihe von Aufgaben und Möglichkeiten, um rechtspopulistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Diese in Angriff
zu nehmen, erscheint umso wichtiger
als - wie einige Punkte zeigen - es
leicht zu Annäherungen von Teilen des
Kirchenvolkes zu rechtspopulistischen
Parteien kommen kann, die zudem
kirchliche Cruppen aktiv umwerben.
über das moralische
Fundament von Gesellschaften:
Das gegenwärtige Unbehagen in
weiten Teilen der Cesellschaft hat
nicht zuletzt eine ethische Tiefendimension. Moralische Einstellungen
und Tugenden (heute meist als Werte
thematisiert) sind für das soziale Zusammenleben wie für das Funktionieren politischer und wirtschafilicher
lnstitutionen unabdingbar. Sie bilden
den Sockel, auf dem das gesamte
.
gesellschaftliche Leben auf ruht.
Rechtspopulistische Tabu brüche sowie
die Destruktion von Moral insgesamt
durch Lüge, Betrug, Häme etc. lassen
dieses Fundament erodieren.
Hier moralisch aufzuklären, ethische
Leitlinien einzumahnen und moralische
Crenzen aufzuzeigen, kann ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen Sta-
Soziale Agenda; Die soziale Agenda
des Rechtspopulismus ruft nach einer
verstärkten Thematisierung von Cerechtigkeits- und Cemeinwohlf ragen
und sollte zu Solidaritätsdiskursen auf
breiter Basis herausfordern. Eine verstärkte Koordination von kirchlichen
lnitiativen auf europäischer Ebene wäre
höchst notwendig. Das gegenwärtige
Pontifikat stelli dafür nachgerade einen
kairos dar.
Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit referierte. Die xenophoben
bilität und zur Zurückdrängung des
Rechtspopulismus sein.
RECHTSPOPU
Rechtspopu lism us paradigmatische
ATV Duell ist auf www. atv.atlatvmeine-wah l/gaeste-norbert- hoferalexander-van -der- bel len/d1 228604
/
abrufbar.
lch unterscheide zwischen klassischem,
separatistischem (2.8. Schottland) und
populistischem Nationalismus als
ldealtypen.
Ralf Dahrendorf hat die Iiberalen
Institutionen einmal als ,,kalte, ja
eisige Projekte" bezeichnet, die eben
jenes Cefühl der Zugehörigkeit nicht
vermitteln können.
Autorin:
lngeborg Gabriel
Lehrstuhlinhaberin des Fachs
Sozialethik an der KatholischTheologischen Fakultät und
Vizeprä-sidentin der Vereinigung der
lustiiia et pax Kommissionen in
Europa
LISMUS
N
r. 8/201 6
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