Stellungnahme:extraktives Wachstumshormon und Alzheimer

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Stellungnahme der Deuschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Gesellschaft für
Kinderendokrinologie und -diabetologie
Möglicher Zusammenhang zwischen Gaben von aus Hirnanhangdrüsen gewonnenem
menschlichem Wachstumshormon (pit-hGH) und der Alzheimer Erkrankung
Hintergrund
Ab 1958 bis in die Mitte der 1980iger Jahre wurden Patienten (in der Regel Kinder), die an
Wachstumshormonmangel litten, mit Wachstumshormon (growth hormone [GH]) behandelt,
welches aus den Hirnanhangdrüsen (Hypophysen) von Verstorbenen gewonnen wurde (pit-hGH).
Wachstumshormon ist ein Eiweißhormon und muss injiziert werden. 1985 wurde erstmals
beobachtet, dass einige dieser Patienten im jungen Erwachsenenalter von einer extrem seltenen
(Häufigkeit etwa 1: 1.000 000) neurologischen Erkrankung, der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)
befallen waren. CJD ist eine nicht behandelbare, tödlich verlaufende Erkrankung des Gehirns. In der
Folgezeit wurde nachgewiesen, dass CJD durch eine besondere Form von veränderten Eiweißteilchen
(Prionen) ausgelöst wird. Wenn diese krankhaften Prionen in das Nervengewebe gelangen, werden
gesunde Prion Proteine in einer Art Kettenreaktion in Prionen umgewandelt, die CJD verursachen.
Es ist davon auszugehen, dass bei einzelnen Produktionen zufällig Hirnanhangdrüsen von an CJD
Erkrankten in den Herstellungsprozess von pit-hGH gelangten und die CJD Prionen dabei nicht
beseitigt worden waren. In einigen Ländern (insbesondere England, USA, Frankreich) gab es nach
1985 Epidemien von CJD. Insgesamt sind etwa 300-500 Patienten, die mit pit-hGH behandelt wurden,
betroffen. In den vergangenen Jahren sind jedoch kaum mehr neue Fälle aufgetreten. In Deutschland
ist kein solcher Fall bekannt. Die Inkubationszeit (Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der
Erkrankung) kann bis zu 40 Jahren betragen.
In einem in dieser Woche in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Artikel wird nun die
Vermutung geäußert, dass pit-hGH mit dem Eiweißstoff Amyloid–ß (Aß) verunreinigt sein könnte.
Amyloid–ß (Aß) spielt eine Rolle in der Entstehung der Alzheimer Krankheit (AD), einer häufigen
Form der Demenz. Die Ursache von AD wird ähnlich wie bei CJD in einer Fehlfaltung von
Gehirneiweiß gesehen, welche schließlich zu einer Störung der Hirnfunktion führt. AD tritt üblicher
Weise beim älteren Menschen auf. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass die Gabe von fehlgefaltetem
(atypisch verändertem) Aß - ähnlich wie dies durch Prionen bei CJD der Fall ist – zu
Gewebsveränderungen (so genannte Plaques) im Gehirn führt, wie sie für AD typisch sind. Es
erscheint also möglich, dass eine Erkrankungsübertragung (Infektion) von AD mittels Aß auch beim
Menschen erfolgen könnte.
In der jetzt erschienenen Publikation hatten Wissenschaftler in 6 von 8 untersuchten Gehirnen von
an CJD Verstorbenen, die mit mit pit-hGH behandelt worden waren, im Gehirngewebe auch die für
AD typischen Plaques gefunden. Die Patienten waren mit 36 bis 51 Jahren für AD relativ jung und
hatten für diese Krankheit kein erhöhtes genetisches Risiko. In diesem Alter sind derartige
Veränderungen ausgesprochen ungewöhnlich. Zudem wurden in Gehirnen einer Kontrollgruppe von
an CJD Verstorbenen, jedoch nicht mit pit-hGH Behandelten, keine derartigen AD-typischen Plaques
beobachtet. Diese Untersuchung legt also die Vermutung nahe, dass atypisch verändertes Aß, sofern
es in pit-hGH Präparaten vorhanden ist, auch beim Menschen zu einer „Infektion“ und so zu einer
evtl. frühzeitigen Erkrankung an AD führen könnte.
Beurteilung
1. Auch wenn in der vorliegenden Arbeit wichtige Fragen zu einer möglichen Übertragbarkeit
der für die Alzheimererkankung typischen Proteinveränderungen durch möglicherweise
verunreinigte Präparate von aus Leichenhypophysen extrahiertem Wachstumshormon
aufgeworfen werden, liegen bisher keine Beweise für eine Mensch zu Mensch Übertragung
der Alzheimer Erkrankung vor. Die DGE und DGKED sehen daher keinen Anlass, aus dieser
wissenschaftlich sehr interessanten Untersuchung weitreichende Schlüsse zu ziehen.
2. Es gibt bis jetzt keine Hinweise dafür, dass bei Patienten, die mit pit-hGH behandelt wurden,
gehäuft AD aufgetreten ist.
3. In Deutschland sind keine durch pit-hGH verursachten CJD Fälle bekannt. Daher scheint das
Risiko für eine Verunreinigung mit CJD Prionen und möglichen anderen infektiösen Proteinen
in den in Deutschland zur Verwendung gekommenen pit-hGH sehr gering zu sein.
4. Seit der Verfügbarkeit von rekombinant hergestelltem Wachstumshormon, welches weltweit
seit 30 Jahren ausschließlich eingesetzt wird, kann eine Übertragung infektiöser
Erkrankungen durch eine GH-Behandlung mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
5. Für alle Patienten, die vor 1985 möglicherweise mit aus Leichenhypophysen gewonnenem
pit-GH behandelt wurden, stehen als Ansprechpartner für weitere Informationen die auf die
Behandlung von Hormonerkrankungen spezialisierten Zentren und Experten der
Fachgesellschaften für Endokrinologie zur Verfügung.
Gerhard Binder, Professor, Sprecher der AG Hypophyse und Wachstum der Deutschen Gesellschaft
für Kinderendokrinologie und -diabetologie e.V. (DGKED), Sektion Pädiatrische Endokrinologie,
Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin, D-72076 Tübingen
Berthold Hauffa, Professor, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und diabetologie e.V. (DGKED), Chausseestr. 128/129, 10115 Berlin
Michael B. Ranke, Prof. emeritus, Sektion Pädiatrische Endokrinologie, Universitätsklinik für Kinder
und Jugendmedizin, D-72076 Tübingen
Martin Reincke, Professor, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Direktor der
Medizinischen Klinik und Poliklinik IV; Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München;
Ziemssenstraße 1, 80336 München
Helmut Schatz, Professor, Vorstandsmitglied (assoz.) der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie,
Direktor a.D. der Med. Univ.-Klinik Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum, Buerkle-de-laCamp-Platz 1, 44789 Bochum
Matthias Schott, Professor, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
Funktionsbereich Spezielle Endokrinologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, D-40225 Düsseldorf
Matthias M. Weber, Professor, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie,
Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen der 1. Medizinischen Klinik,
UNIVBERSITÄTSMEDIZIN Mainz, 55131 Mainz
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