8. Elemente der relativistischen Mechanik 8.1 Spezielle Relativitätstheorie 1905 (SRT) Voraussetzungen: • Konstanz der Lichtgeschwindigkeit • gleiche Physik in allen Inertialsystemen Folgerungen: Längenkontraktion Zeitdehnung relativistischer Masseneffekt E=mc2 Albert Einstein 14. März 1879 in Ulm † 18. April 1955 in Princeton, USA Für seine Erklärung des photoelektrischen Effekts (ebenfalls 1905 publiziert), wurde 149 ihm 1921 der Nobelpreis für Physik verliehen. Was Einstein noch nicht sehen konnte Visualisierung relativistischer Effekte v=0.95c Physik Journal 8/2002 - Online-Version mit Filmsequenzen http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/ 150 Drei Lichtstrahlen gehen von drei Ecken eines bewegten Würfels aus (a,b) und kommen gleichzeitig auf einem weit entfernten Bildfeld an (c). Dort entsteht ein Bild, das sich als gedrehter Würfel deuten lässt (d). Durchgezogene Linien markieren zurückgelegte Lichtwege, punktierte Linien noch zurückzulegende Lichtwege. 151 Lorentztransformation y y' ' x z x' z' v Gallilei: x = x' + vt, y = y', z = z', t = t' absolute Zeit, überall gleich Lichtgeschwindigkeit c' = c – v nicht gleich → Lorentztransformation bei ( t = t' = 0 ) jeweils ein Lichtsignal in Form einer Kugelwelle vom Ursprung ∑ nach Zeit t Radius R = ct , ∑' : R' = ct' x2 + y2 + z2 – c2t2 = 0 ≡ x'2 + y'2 + z'2 – c2t'2 = 0 152 Spezielle Lorentztransformation: x = x' vt' 2 v 1− 2 c , y = y' , z = z' , t = v x' t ' 2 c 2 v 1− 2 c bzw. x' = x − vt 2 v 1− 2 c t− , y' = y , z' = z , t' = v x' 2 c 2 v 1− 2 c 153 ' ' 2 x vt x = v2 1− 2 c 2 2 2 c t =c 2 2 x −c t = v2 1− 2 c 2 2 2 2 2 2 2 v x' 1 − 2 c 2 = ' 2 v x' x' 2v t ' x' v t ' − t ' c − 2t ' v x' − c 2 2 2 vx t 2 c ' v 1− 2 c 2 v 2 2 − c t' 1− 2 c 2 v 1− 2 c 2 2 = x' − c t' 2 t ≠ t': es existiert keine absolute Zeit mehr, ebenso gibt es keinen absoluten Raum --> Übergang zur relativistischen Physik da c = 3.108 m/s , sind diese Effekte typischerweise nicht sichtbar c v= , 10 2 v 1 1− 2 = 1− = 0,995 100 c 154 Einige Folgerungen: - im ∑ wird am Ort x1 eine Zeitdauer ∆t = t2 – t1 gemessen Beobachter in ∑' registriert (x1 = x2) t ' = t 2 ' − t 1 ' = t2 2 1− v 2 c − t1 2 1− v 2 c = t 2 1− v 2 c (gedehntes Zeitintervall) Dieser Effekt ist experimentell gut überprüft. Maryland-Versuch: Atomuhr auf Erde, Atomuhr im Flugzeug, Flughöhe 10 km, ca 15 h, Höhe + Geschwindigkeit wurden gemessen. Die Uhren wurden ständig mit Laserimpulsen synchronisiert und der Einfluss des Gravitationsfeldes eliminiert. Myonenzerfall: Entstehen durch kosmische Strahlung, mittlere Lebensdauer 2,2 μs, v = 0,9998 c, x = v t = 660 m, legen aber ca. 38 km zurück t ' = ' = 1−0,99982 ≈ 1,1⋅10−4 s x ' = ' c ≈ 33 km 155 Längenkontraktion: v2 l ' = l 1− 2 c l ' l Abmessungen von Körpern (Gestalt) sind also von der Relativbewegung abhängig: (in Bewegungsrichtung verkürzt) Relativistische Addition der Geschwindigkeiten vx = Masse m = vx' v vv ' 1 2x c m0 2 1− v Impuls p = m v 2 c vx' = c = v vx = cc =c 2 c 1 2 c m0: Ruhemasse, m = Impulsmasse (für Teilchenbeschleuniger wichtig) = d p F dt Kraftgesetz 156 Äquivalenz von Masse und Energie F die Masse m um die Strecke d s , wird Arbeit - verschiebt die Kraft dWk = F⋅d s verrichtet F⋅d s d W = F⋅d s = dt = F⋅v d t dt v⋅d F= v⋅ dt m0 v v2 1− 2 c [ = m0 v⋅ Damit erhalten wir 2 2 v d v 2 c dt v2 1− 2 c v = v t 3 2 d v v 1− 2 dt c 3 ] = d v m0 v⋅ dt dWk = d 2 v 1− 2 c m0 c v2 1− 2 c 3 2 d = dt 2 v2 1− 2 c Wk = m0 c 2 v2 1− 2 c = d 2 mc dt 2 2 1− m0 c v c2 −W0 Die Integrationskonstante W0 = m0c2 , da für v -> 0 auch W gegen Null gehen muss Wk = m0 c 2 v2 1− 2 c − m0 c 2 = m−m0 c 2 157 Für Geschwindigkeiten v << c sollten wir das bekannte klassische Ergebnis erhalten: Reihenentwicklung 1 v2 =1 2 . . . 2 2 c v 1− 2 c 1 Wk = m0 c 2 v2 1− 2 c − m0 c 2 = m−m0 c 2 1 v2 1 2 2 Wk = 1 − 1 m c = m v 0 2 c2 2 0 Äquivalenz von Masse und Energie Jeder Ruhemasse m0 entspricht die Energie W0 = m0 c2, auch ein ruhendes Teilchen besitzt Energie. Die Gesamtenergie des Systems lautet E = Wk + W0 E = mc 2 Bedeutung für Kernenergie, Paarvernichtung + Erzeugung Massendefekt der Sonne: pro s m = 4·1012kg mSonne ~ 2·1030kg entspricht 1013Jahre 158 8.2 Allgemeine Relativitätstheorie 1916 (ART) Äquivalenz von schwerer und träger Masse: Eine gleichmäßige Beschleunigung ist völlig äquivalent zu der Wirkung eines entsprechenden Gravitationsfeldes. Gravitation ist ein Effekt der Raum-Zeit-Krümmung durch Massen. Folgerungen der Einsteinschen Gravitationstheorie: • gravitative Rotverschiebung von Licht in einem Schwerefeld • relativistische Präzession von Himmelskörpern (Merkur) • Gravitationslinsen • Gravitationswellen Fotografie der verfinsterten Sonne am 29. Mai 1919 mit den umgebenden Sternen 159 F Die träge Masse mt ist die Masse im zweiten Newtonschen Axiom. Die ü Gravitationskräfte sind proportional zur schweren Masse m . s r Für die vertikale Bewegung in einem homogenen Schwerefeld ergibt sich d mt z̈ = −ms g . Die Lösung dieser Differenzialgleichung, i e 1 ms 2 z t = − 2 mt gt v ebeschreibt den freien Fall. Galileis Aussage „Alle Körper fallen gleich schnell“ rbedeutet, dass das Verhältnis m /m für alle Körper gleich ist. s t t iAnstelle des freien Falls kann man die Schwingungsperiode T eines Pendels k(Länge l) betrachten. Für kleine Auslenkungen gilt (T/2π)2 = (m /m )(l/g) . Newton t s a zeigt experimentell mit einer Genauigkeit von 10-3, dass verschiedene Körper die l gleiche Schwingungsdauer T ergeben. e Eötvös baute 1890 ein anderes Experiment (Torsionswaage) auf, mit dessen verbesserter Version 1922 schließlich Genauigkeiten von 5·10-9 erreicht wurden. B Neuere Experimente erreichen Genauigkeiten von bis zu 4·10-13. e 160 w e Die Gleichheit von träger und schwerer Masse ermöglicht ein Koordinatensystem (KS), in dem die Gravitationskräfte wegfallen. Im Bezugssystem „frei fallender Fahrstuhl“ spürt der Benutzer keine Schwerkraft. Einstein geht von einer Verallgemeinerung dieses Befundes aus: In einem frei fallenden KS laufen alle Vorgänge so ab, als ob kein Gravitationsfeld vorhanden sei. Damit wird zum einen die Aussage von mechanischen auf alle physikalischen Prozesse (zu allen Zeiten, an allen Orten) ausgedehnt. Außerdem werden inhomogene Gravitationsfelder zugelassen. Das so verallgemeinerte Äquivalenzprinzip nennt man Einsteinsches Äquivalenzprinzip oder auch starkes Äquivalenzprinzip. Die Gleichheit von träger und schwerer Masse wird dagegen schwaches Äquivalenzprinzip genannt. Das Äquivalenzprinzip erlaubt die Aufstellung von relativistischen Gesetzen mit Gravitation. SRT-Gesetz ohne Gravitation Koordinatentransformation Relativistisches Gesetz mit Gravitation In der Koordinatentransformation ist die relative Beschleunigung zwischen SL und KS enthalten, die dem Gravitationsfeld entspricht. 161 frei fallend 2 SL d s = d d Koordinatentransformation Erde 2 KS: d s = g x d x d x Der Beobachter in SL stellt fest, dass physikalische Vorgänge nach den SRTGesetzen ablaufen. Dabei treten keine Gravitationskräfte auf. Ein Beobachter auf der Erde sieht die Vorgänge im SL dagegen anders: Für ihn bewegt sich SL im Gravitationsfeld. Zusätzlich treten im SL Trägheitskräfte auf, weil das SL beschleunigt ist. Die Bewegung des SL (freier Fall) ist gerade so, dass sich die Trägheitskräfte und die Gravitationskräfte aufheben. 162 Einsteinsche Feldgleichung G g = 8 T Gµν : Einstein-Tensor Tµν : Impuls-Energie-Tensor gµν : metrischer Tensor λ : kosmologische Konstante 10 gekoppelte partielle Differentialgleichungen Einstein wandte diese Gleichung auf das gesamte Universum an, von dem er glaubte, dass es statisch sei. Voraussetzung für die Lösung war das Kosmologische Prinzip, Isotropie und Homogenität des Weltalls auf großen Skalen. 163 Karl Schwarzschild (1873-1916) 1916 Lösung mit Einsteins Gravitationstheorie Schwarzschildradius RS = Ereignishorizont 2G M RS = 2 c 2G M v= RS Sonne: M= 2*1030 kg Erde : M= Msonne/330000 Weißer Zwerg: M= 0.8 Msonne Neutronenstern: M= 2 Msonne RS= 3 km RS= 1 cm RS= 2.4 km RS= 6 km 164 Uhren im Gravitationsfeld Wenn man die Schwarzschildlösung für die Einsteinschen Gravitationsgleichungen nimmt (rS=Schwarzschildradius), dann erhält man für Uhren im Gravitationsfeld B = A g 00 r B g 00 r A rS g 00 r = 1− r Siehe N. Dragon: Geometrie der Raumzeit, http://www.itp.uni-hannover.de/~dragon/ Für GPS-Satelliten rA=6360km, rB=20200km, rS=1cm ergibt 46 Mikrosekunden t = t tag g 00 r B 1− = 0.000046 s g 00 r A 165 Korrekturen für GPS-Satelliten durch Relativitätstheorie Nach der allgemeine Relativitätstheorie vergeht die Zeit umso langsamer, je stärker das Gravitationsfeld ist. Die Satelliten bewegen sich auf Bahnen in 20200km Höhe in einem geringeren Gravitationsfeld im Vergleich zu einem Beobachter auf der Erdoberfläche. In Bezug auf diesen Beobachter gehen deswegen die Satellitenuhren zu schnell. Dieser Effekt beträgt 46 Mikrosekunden und ist deutlich größer als die durch die Geschwindigkeit hervorgerufene Zeitdilatation von -7 Mikrosekunden. In der Summe gesehen scheinen die Uhren der Satelliten also insgesamt etwas zu schnell zu laufen. Die Zeitverschiebung zum Beobachter auf der Erde wäre etwa 39 Mikrosekunden pro Tag und würde einen Gesamtfehler von etwa 11.7 km pro Tag ergeben. 166