Ergänzende Materialien zur Vorlesung Theoretische Mechanik, WS 2005/06 Dörte Hansen Seminar 11 1 Hamiltonsche Mechanik, kanonische Transformationen und Hamilton-Jacobi-Theorie Wie die Lagrangesche Mechanik so basiert auch die Hamiltonsche Mechanik auf der Einführung sogenannter generalisierter Koordinaten, die die physikalischen Freiheitsgrade des Systems reflektieren. Ausgehend von der Lagrangefunktion L(q i , q̇i , t) erhält man die zugehörige Hamiltonfunktion H(qi , pi , t) durch eine Legendretransformation H(q, p, t) = f X pi q̇i − L(q, q̇, t), (1) i=1 bei der die generalisierten Geschwindigkeiten durch die zugehörigen kanonisch konjugierten Impulse ersetzt werden. Die Koordinaten (q 1 , . . . , qf , p1 , . . . pf ) sind Koordinaten des 2f -dimensionalen Phasenraums. Natürlich beschreibt die Hamiltonsche Mechanik keine neue“ Physik. Sie bietet aber ” eine Alternative zur Lagrangeschen Mechanik und hat gegenüber dieser mehrere Vorteile: • Sie biete einen intuitiven Zugang zur Quantenmechanik. Die Bewegungsgleichungen der Hamiltonschen Mechanik lassen sich 1:1 in die Quantenmechanik übersetzen. • Die Bewegungsgleichungen der Hamiltonschen Mechanik sind Differentialgleichungen 1. Ordnung und somit für numerische Untersuchungen besser geeeignet als die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen. • Die Bedingungen für die Integrierbarkeit von Systemen oder Untersuchungen zum chaotischen Verhalten eines mechanischen Systems lassen sich im Rahmen der Hamiltonschen Mechanik gut diskutieren. 1 1.1 Hamiltonsche Bewegungsleichungen Der Übergang vom Lagrangeschen Formalismus zum Hamiltonschen Formalismus wird durch die Legendretransformation (1) vermittelt, wobei die generalisierten Geschwindigkeiten in Abhängigkeit der generalisierten Koordinaten und Impulse ausgedrückt werden müssen. Letztere sind bekanntlich als pi := ∂L ∂ q̇i (2) definiert. Die Transformation q̇i = q̇i (q, p, t) ist (lokal) dann möglich, wenn 2 ∂ L 6= 0 det ∂ q̇i ∂ q̇j ist. In den im Rahmen der Vorlesung betrachteten Fällen ist diese Bedingung immer erfüllt. Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen lassen sich aus Gl. (1) leicht herleiten. Bilden wir auf beiden Seiten der Gleichung das totale Differential, so ist dH(q, p, t) = ∂H ∂H ∂L ∂L ∂L ∂H dqi + dpi + dt = dpi q̇i + pi dq̇i − dqi − dt. dq̇i − ∂qi ∂pi ∂t ∂qi ∂ q̇i ∂t |{z} pi Verwenden wir ∂L d ∂L =− = −ṗi , ∂qi dt ∂ q̇i ergibt sich durch Koeffizientenvergleich sofort q̇i = ∂H , ∂pi ṗi = − ∂H , ∂qi ∂H ∂L =− . ∂t ∂t (3) 1.2 Poisson-Klammern Häufig interessiert man sich nicht nur für die durch das Differentialgleichungssystem (3) beschriebene Dynamik des Systems, sondern möchte die zeitliche Entwicklung bestimmter Observablen – beispielsweise des Drehimpulses oder der Energie – verfolgen. Im Rahmen der Hamiltonschen Mechanik hängen all diese Observablen F von den generalisierten Koordinaten und Impulsen ab. Ihre zeitliche Änderung ist mithin durch die totale Zeitableitung ∂F ∂F dF ∂F q̇i + ṗi + = dt ∂qi ∂pi ∂t gegeben. Ersetzen wir q̇i und ṗi durch die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen, so ergibt sich ∂F ∂H ∂F dF ∂F ∂H ∂F − + = =: {F, H} + . dt ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi ∂t ∂t 2 (4) Allgemein bezeichnet man {F, G} = ∂F ∂G ∂F ∂G − ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi (5) (F und G seien beliebige Observablen) als Poisson-Klammer der Observablen F und G. Falls die Observable F nicht explizit von der Zeit abhängt, (∂t F = 0), und die PoissonKlammer von F mit H verschwindet, so ist die Observable F zeitlich konstant, d.h. F ist ein Integral der Bewegung. Insbesondere gilt aufgrund der linearen Unabhängigkeit der generalisierten Koordinaten und Impulse dpi ∂pi ∂H ∂pi ∂H ∂H = {pi , H} = − , (6) =− dt ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂qi dqi ∂H = {qi , H} = , (7) dt ∂pi d.h. in diesem speziellen Fall reduzieren sich die Poisson-Klammern auf die bekannten Hamiltonschen kanonischen Gleichungen. Da die Poisson-Klammern uns in ihren quantenmechanischen Entsprechungen den Kommputatorklammern) wiederbegegnen werden, wollen wir uns einige ihrer Eigenschaften ansehen: • Antisymmetrie: Aus der Definition der Poisson-Klammern (5) ist sofort ersichtlich, dass {F, G} = −{G, F }. • Bilinearität: Auch diese Eigenschaft ist sofort aus der Definition der Poisson-Klammern einsehbar: {F, G + H} = {F, G} + {F, H}. • Produktregel: Man kann sich leicht überzeugen, dass (Reihenfolge beachten!) {F, G · H} = G{F, H} + {F, G}H. • Jacobi-Identität: {F, {G, H}} + {G, {H, F }} + {H, {F, G}} = 0. Um diese Identität zu beweisen, führen wir die symplektische Matrix f J= − f 3 ein, wobei f die f -dimensionale Einheitsmatrix bezeichnet. Fassen wir die generalisierten Koordinaten und Impulse zu einem Vektor im 2f -dimensionalen Phasenraum zusammen, q1 .. . qf (xµ ) = p1 .. . pf zusammen, so läßt sich die Poisson-Klammer von F und G auch in der folgenden Form schreiben: {F, G} = ∂G ∂F Jµν ∂xµ ∂xν Damit nun läßt sich die Jacobi-Identität leicht beweisen. Betrachten wir zunächst eine der Doppelklammern, so ist z.B. {F, {G, H}} = ∂µ F Jµν ∂ν {G, H} = ∂µ F Jµν ∂ν (∂α GJαβ ∂β H) = ∂µ F Jµν ∂ν ∂α GJαβ ∂β H + ∂µ F Jµν ∂α GJαβ ∂ν ∂β H. Insgesamt ergibt sich somit {F, {G, H}} + {G, {H, F }} + {H, {F, G}} = ∂µ F Jµν ∂ν ∂α GJαβ ∂β H + ∂µ F Jµν ∂α GJαβ ∂ν ∂β H + ∂µ GJµν ∂ν ∂α HJαβ ∂β F + ∂µ GJµν ∂α HJαβ ∂ν ∂β F + ∂µ HJµν ∂ν ∂α F Jαβ ∂β G + ∂µ HJµν ∂α F Jαβ ∂ν ∂β G. Auf den ersten Blick scheint dies keine große Vereinfachung darzustellen, doch betrachten wir z.B. nur die beiden Terme, in denen zweite Ableitungen von F auftreten, so ist ∂µ GJµν ∂α HJαβ ∂ν ∂β F + ∂µ HJµν ∂ν ∂α F Jαβ ∂β G = ∂µ GJµν ∂α HJαβ ∂ν ∂β F + ∂α HJαβ ∂β ∂ν F Jνµ ∂µ G = 0, wobei verwendet wurde, dass J schiefsymmetrisch ist, d.h. J µν = −Jνµ . Analog verfährt man mit den anderen vier Termen, so dass am Ende tatsächlich die Jacobi-Identität bewiesen ist. • Poisson-Klammern für die generalisierten Koordinaten und Impulse: {pi , pj } = {qi , qj } = 0, 4 {qi , pj } = δij (8) Poisson-Klammern spielen in vielen Bereichen der Hamiltonschen Mechanik eine Rolle; so kann man beispielsweise mit ihrer Hilfe kanonische Transformationen behandeln, vor allem aber Aussagen über die zeitliche Variabilität bestimmter Observabler treffen. Noch wichtiger aber ist ihre Bedeutung für das Verständnis des Überganges zur Quantenmechanik. Alle hier genannten Eigenschaften der Poisson-Klammern behalten auch in der Quantenmechanik ihre Gültigkeit, wenn man die Poisson-Klammern durch ihr entsprechendes quantenmechanisches Pendant ersetzt. Vor diesem Hintergrund soll als Beispiel für den Umgang mit Poisson-Klammern die Drehimpulsalgebra hergeleitet werden. Wir betrachten dazu die Poisson-Klammer zweier Komponenten des Drehimpulses {Li , Lj }. Unter Beachtung der Definition Li = εijk xj pk erhalten wir {Li , Lj } = εikl εjmn {xk pl , xm pn } i h = εikl εjmn xm {xk pl , pn } + {xk pl , xm }pn i h = εikl εjmn −xm {pn , xk pl } − {xm , xk pl }pn i h = −εikl εjmn xm xk {pn , pl } +xm {pn , xk } +xk {xm , pl } pn + {xm , xk } pl pn | {z } | {z } | {z } | {z } 0 −δnk δml 0 = εinl εjmn xm pl − εikm εjmn xk pn = εlin εjmn xm pl − εikm εnjm xk pn = (δjl δim − δlm δij )xm pl − (δin δkj − δij δkn )xk pn = xi pj − δij xm pm − xj pi + δij xn pn = x i pj − x j pi . So ist z.B. {L1 , L2 } = x1 p2 − x2 p1 = L3 Die Poisson-Klammer zweier Komponenten des Drehimpulses ergibt also immer (bis auf ein Vorzeichen) die übriggebliebene Drehimpulskomponente. Damit können wir die berühmte Drehimpulsalgebra formulieren, {Li , Lj } = εijk Lk . Sie wird uns später in der Quantenmechanik wiederbegegnen. 1.3 Kanonische Transformationen 1.3.1 Motivation Bei der Behandlung der Lagrangeschen Mechanik haben wir den Begriff der zyklischen Koordinate kennengelernt. Eine generalisierte Koordinate q i heißt zyklisch, wenn die Lagrangefunktion von dieser Koordinate gar nicht explizit abhängt. Der zugehörige kanonische konjugierte Impuls einer zyklischen Koordinate ist dann eine Erhaltungsgröße. Mit anderen Worten: pro zyklischer Variable spart“ man eine Integration. Nun ” 5 wissen wir, dass es für ein gegebenes System möglich ist, ganz verschiedene generalisierte Koordinaten einzuführen. Betrachten wir als Beispiel das Keplerproblem. Wählt man als generalisierte Koordinaten die kartesischen Koordinaten, so ist keine der Koordinaten (x, y, z) zyklisch, im Hamiltonschen Formalismus sind also 6 Differentialgleichungen erster Ordnung für die generalisierten Koordinaten und Impulse zu lösen. Wählt man jedoch Polarkoordinaten, so zeigt sich, dass ϕ eine zyklische Variable ist. Der zugehörige kanonisch konjugierte Impuls pϕ ist erhalten, er entspricht gerade der z-Komponente des Drehimpulses. Im allgemeinen wird man bestrebt sein, durch Einführung neuer generalisierter Koordinaten und Impulse so viele zyklische Koordinaten wie möglich einzuführen. Dabei sind jedoch nicht beliebige Koordinatentransformationen möglich, da wir vernünftigerweise fordern wollen, dass die Hamiltonschen kanonischen Gleichungen (3) forminvariant bleiben. Jene Transformationen, die diese Bedingung erfüllen, werden als kanonische Transformationen bezeichnet. 1.3.2 Kanonische Transformationen Eine Transformation qi → Qi (q, p, t), pi → Pi (q, p, t) heißt kanonisch, falls es eine transformierte Hamiltonfunktion H 0 (Q, P, t) gibt, so dass die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen forminvariant bleiben, Q̇i = ∂H 0 , ∂Pi Ṗi = − ∂H 0 . ∂Qi Die Frage ist nur: Wie findet man eine entsprechende kanonische Transformation? Häufig werden dazu sogenannte Erzeugende Funktionen verwendet, aus denen eine kanonische Transformation ableitbar ist. Da laut Definition sowohl (q, p) als auch (Q, P ) die Hamiltongleichungen (3) erfüllen sollen, müssen die Funktionale " f # " f # Z Z X X und dt Pi q̇i − H 0 (Q, P, t) dt pu q̇i − H(q, p, t) | 1 {z L(q,q̇,t) } | 1 {z L0 (Q,Q̇,t) } dieselben Extremalpunkte haben. Beim Variationsprinzip sind aber die Anfangs -und Endpunkte aller Wege fixiert. Obige Forderung bedeutet daher, dass sich die Integranden der Funktionale nur um eine totale Zeitableitung voneinander unterscheiden d ürfen, oder, X X pi q̇i − H(q, p, t) = X Pi Q̇i − H 0 (Q, P, t) + d F (q, p, Q, P, t), dt (pi dqi − Pi dQi ) + (H 0 (Q, P, t) − H(q, p, t))dt = dF (q, p, Q, P, t). (9) F ist in diesem Ansatz zunächst eine beliebige (stetig differenzierbare) Funktion von 4f + 1 Variablen, von denen allerdings nur 2f + 1 Variablen linear unabhängig sind 6 (je f generalisierte Koordinaten und Impulse sowie die Zeit). Das aber bedeutet, es existieren nur 6 unterschiedliche Typen Erzeugender Funktionen, die von je 2f + 1 linear unabhängigen Variablen abhängen: F1 (q, Q, t), F2 (q, P, t), F3 (p, Q, t), F4 (p, P, t), F5 (q, p, t), F6 (Q, P, t). (10) Beispiel: Die Erzeugende F1 (q, Q, t) Aus Gl. (9) erkennen wir X (pi dqi − Pi dQi ) + (H 0 − H)dt = dF1 (q, Q, t) = f X ∂F1 i=1 i ∂qi dqi + ∂F1 dQi ∂Qi + ∂F1 dt, ∂t und hieraus folgt durch Vergleich sofort pi = ∂F1 , ∂qi Pi = − ∂F1 , ∂Qi H0 = H + ∂F1 ∂t (11) Betrachten wir als Beispiel die durch F 1 = −Q/q vermittelte kanonische Transformation. Aus Gl. (11) erhalten wir p= ∂F1 Q = 2, ∂q q P = ∂F1 1 = . ∂Q q Die neue generalisierte Koordinate Q ist also Q = pq 2 . Die Erzeugende F2 (q, P, t) Gegeben sei eine Erzeugende F20 (q, P, t) und wir starten wieder von Gl. (9), X X ∂F 0 ∂F20 ∂F20 0 2 dqi + dPi + . (pi dqi − Pi dQi ) + (H − H)dt = ∂qi ∂Pi ∂t Diesmal können wir nicht sofort den Koeffizientenvergleich durchführen, denn auf der linken Seite der Gleichung tauchen statt der gewünschten dPi die dQi auf. Wir müssen also zunächst dQi in Abhängigkeit von qj und Pj ausdrücken: X ∂Qi ∂Qi ∂Qi dQi = dqj + dPj + dt. ∂qj ∂Pj ∂t j Setzen wir das ein, so ist " # X X X ∂Qj ∂Qj ∂Qj pi dqi − Pj dqi + Pj dPi + Pj dt + (H 0 − H)dt ∂qi ∂Pi ∂t i j i X ∂F 0 ∂F20 ∂F20 2 dqi + dPi + = dt. ∂qi ∂Pi ∂t i 7 Definieren wir nun F2 (q, P, t) := F20 (q, P, t) + ergibt sich als Transformationsvorschrift pi = ∂F2 , ∂qi Qi = ∂F2 , ∂Pi X Pj Qj , H0 = H + ∂F2 , ∂t (12) wobei wir hier mehrfach die Unabhängigkeit der Variablen (q, p, t) verwendet haben. Betrachten wir zum Beispiel eine kanonische Transformation, die durch Q = ln p, P = −qp gegeben ist. Diesmal suchen wir die zugehörige Erzeugende F2 . Aus Gl. (12) erhalten wir p= P ∂F2 =− , ∂q q d.h. F2 (q, P, t) = − Z P dq + f (P ) = −P ln q + f (P ). q Andererseits ist df ! ∂F2 = ln p. = − ln q + ∂P dP Q= Damit ist df = ln(qp) = ln(−P ), dP und die Integration ergibt f (P ) = Z ln(−P )dP = P ln(−P ) − P. Somit ist die gesuchte Erzeugende F2 (q, P, t) = P [ln(−P/q) − 1] . 1.4 Hamilton-Jacobi-Theorie Zu einer beliebigen Zeit t ist ein Zustand im Phasenraum durch die Angabe von x(t) ≡ (q(t), p(t)) vollständig charakterisiert. Ist x(t0 ) bekannt, so existiert eine eindeutige Lösung der Bewegungsgleichungen für alle Zeiten. 8 Im vorigen Abschnitt haben wir die Grundlagen kanonischer Transformationen kennengelernt. Es ist leicht einsehbar, dass der Zusammenhang zwischen x(t) und x(t 0 ) als eine spezielle, explizit zeitabhängige Transformation q(t) → Q(q(t), p(t), t) = Q, p(t) → P (q(t), p(t), t) = P aufgefaßt werden kann. Aus der allgemeinen Beziehung ∂F ∂t sehen wir, dass mit Hilfe einer geeigneten, explizit zeitabhängigen Erzeugenden sogar H 0 = 0 erreicht werden kann. Unser Ziel soll nun darin bestehen, eine geeignete Erzeugende einer kanonischen Transformation zu finden, die die zeitlich veränderlichen x(t) = (q1 (t), . . . qf (t), p1 (t), . . . pf (t)) auf die Anfangswerte x(0) zurückführt, wobei die qi (t) durch Q, P und t ausgedrückt werden. Traditionell wird hierzu eine Erzeugende vom Typ F2 (q, P, t) verwendet. In Gl. (12) ist der Zusammenhang zwischen F 2 (q, P, t) und den pi und Qi angegeben. Wir setzen diese Beziehungen nun in den Ausdruck für H 0 (Q, P, t) ein und fordern, dass die transformierte Hamiltonfunktion H 0 verschwinden soll, ∂F2 ∂F2 ∂F2 (q, P, t) 0 = H q, ,t + = 0. H (Q, P, t) = H(q, p, t) + ∂t ∂q ∂t H0 = H + Die auf diese Weise erhaltene nichtlineare, partielle Differentialgleichung ∂F2 ∂F2 ∂F2 ,..., ;t + =0 H q1 , . . . , q f , ∂q1 ∂qf ∂t für F2 wird als Hamilton-Jacobi-Gleichung bezeichnet. Die Lösungen hängen von den f + 1 Variablen t, q1 , . . . , qf und von f + 1 frei wählbaren Integrationskonstanten α1 , . . . , αf +1 ab. Eine dieser Integrationskonstanten ist rein additiv und kann daher o.B.d.A. Null gesetzt werden, so dass noch f Integrationskonstanten übrig bleiben. Im allgemeinen wählt man die Darstellung der Lösung so, dass die Konstanten αi gerade die neuen kanonisch konjugierten Impulse P i sind. In diesem Fall nennt man F2 Prinzipalfunktion oder Hamiltonsche Wirkungsfunktion S, F2 =: S(t, q1 , . . . , qf , α1 , . . . , αf ), und die Hamilton-Jacobi-Gleichung nimmt dann die folgende Form an: ∂S ∂S ∂S H q1 , . . . , q f , ,..., = 0. + ∂q1 ∂qf ∂t (13) (14) Die Hamiltonsche Wirtkungsfunktion S soll also so bestimmt werden, dass die transformierte Hamiltonfunktion H 0 (Q, P, t) verschwindet und die neuen generalisierten Koordinaten und Impulse zeitunabhängig werden. Theoretisch müsste man somit nur“ die ” Hamilton-Jacbi-Gleichung lösen und anschließend die Beziehungen Qi = 9 ∂S ∂Pi (15) nach den alten generalisierten Variablen q i (t) auflösen, um so qi (t) als Funktion der neuen generalisierten Variablen und Impulse zu erhalten. Die p i (t) ergeben sich dann aus der Relation (12) pi (t) = ∂S . ∂qi (16) Die Bezeichnung von S als Hamiltonsche Wirkungsfunktion ist leicht einsehbar, wenn man die totale Zeitableitung von S betrachtet. Dann ist nämlich ∂S (12) X X dS ∂S ∂S = pi q̇i − H = L. = + Ṗi + ∂qi ∂Pi |{z} ∂t dt i i |{z} 0 pi Das aber bedeutet, dass S bis auf eine additive Konstante gerade die Wirkung entlang einer Bahnkurve ist. Scheinbar ist also die Hamilton-Jacobi-Gleichung das ultimative Werkzeug für die Berechnung der Dynamik im Rahmen der Hamiltonschen Mechanik. Die mit Hilfe der Hamilton-Jacobi-Gleichung bestimmte Erzeugende S erlaubt die Einführung neuer, zeitunabhängiger generalisierter Koordinaten und Impulse. Der Preis dafür ist allerdings hoch, und in den meisten Fällen sogar zu hoch, hat man doch mit der Hamilton-JacobiGleichung eine partielle, nichtlineare Differentialgleichung zu lösen. Das aber erweist sich häufig als nicht bzw. nur sehr schwer möglich. In wichtigen Spezialfällen, dann nämlich, wenn es sich um ein abgeschlossenes System handelt, ist eine Lösung der Hamilton-Jacobi-Gleichung den Separationsansatz S(q, P, t) = W (q, P ) − Et (17) möglich. E = H(q, p) ist hierbei die erhaltene Gesamtenergie des Systems, W (q, P ) wird als charakteristische Funktion bezeichnet. Dieser Ansatz wird durch die HamiltonJacobi-Gleichung H(q, p) = H(q, ∂S ∂S )=− ∂q ∂t motiviert. Betrachten wir als einfaches Beispiel die Hamiltonfunktion H= p2 + U (q), 2m wobei U (q) ein beliebiges, eindimensionales Potential ist. Die allgemeine HamiltonJacobi-Gleichung H(q, ∂S ∂S , t) + =0 ∂q ∂t 10 reduziert sich auf H(q, ∂S ∂S )=− . ∂q ∂t Da H nicht explizit zeitabhängig ist, können wir einen Separationsansatz für S wählen, S(q, P ) = W (q, P ) − E t. Der neue generalisierte Impuls P soll gerade die erhaltene Gesamtenergie E des Systems sein. Ersetzen wir nun p= ∂W , ∂q so ist 1 H =E= 2m ∂W ∂q 2 + U (q). Diese Differentialgleichung läßt sich formal leicht nach W auflösen, p ∂W = 2m(P − U (q)), ∂q d.h. die Hamiltonsche Wirkungsfunktion ist Z p S= 2m(P − U (q))dq − P t, wobei P ≡ E ist. es läßt sich nun leicht ableiten, dass Z ∂S m dq Q= , = −t + p ∂P 2m(P − U (q)) und p= p ∂S = 2m(P − U (q). ∂q 11