Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Rotation und Satz von Stokes Das Linienintegral eines Vektorfelds entlang eines geschlossenen Wegs = Integral der "Rotation" des Vektorfelds über die eingeschlossene Fläche. Die Rotation sagt etwas darüber aus, ob das Vektorfeld einen "Wirbel" bildet (Wirbelstärke) E ds rot E dA S A / x E x rot E E / y E y / z E z Sir George Gabriel Stokes (1819-1903) Betrachte Rechteck mit den Seiten Dx und Dy Ex ( y ) Dx E y ( x Dx) Dy E x ( y Dy ) Dx E y ( x) Dy E y E x Dy Dx Dx Dy rot E z Dx Dy rot E z Az y x mit E y x Dx E y x E y x E z E y z y E E rot E x z E x Ez y Ex x y Dx Anwendung: Elektrisches Feld Geschlossener Weg in einem konservativen Feld: Gesamtarbeit ist null. E d s rot E dA 0 S rot E 0 A Das elektrische Feld ist (bei Abwesenheit zeitlich veränderlicher Magnetfelder) wirbelfrei. Dies ist eine zweite Maxwellsche Gleichung (allerdings noch unvollständig). 1 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.1.2 Das elektrostatische Potenzial, Spannung Benötigte Arbeit, um eine Ladung im E-Feld zu bewegen: P2 P2 W Kraft Weg F ds q E ds P1 P1 Für die Ladung q im Feld einer Punktladung Q P2 q Q W q E ds 4 0 P1 r2 1 q Q 1 q Q 1 1 dr r r 2 4 r 4 r2 0 0 r1 r 1 r2 Alessandro Guiseppe Antonio Anastasio Graf von Volta (1745-1827) 1 Da es sich um ein "konservatives" Kraftfeld handelt (wie im Fall der Gravitation), ist die Arbeit vom Weg unabhängig und man kann ein skalares Potenzial definieren. E grad P E ds 0 P P P grad ds z.B. dx x P x P x P P Das elektrostatische Potenzial ist die potenzielle Energie pro Ladung. Die Potenzialdifferenz zwischen zwei Punkten ist P2 U P1 P2 E ds E ds E ds P1 P2 P1 Die elektrische Spannung U ist die im Potenzial geleistete oder freiwerdende Arbeit pro Ladung. Nm J kg m 2 U 1 1 1 1 V (Volt) C C A s3 2 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Geladene Teilchen der Ladung q werden im elektrostatischen Feld beschleunigt. Ihre kinetische Energie nach Durchlaufen des Potenzials U ist W q U W 1 J (Joule) alternativ : W 1 eV 1,6 10-19 C 1 J 1,6 1019 J C Ein Elektronenvolt ist die Energie, die eine Elementarladung beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz von 1 V gewinnt, z.B. Kathodenstrahlröhre ~ 10 keV Röntgenröhre ~ 50 keV Van-de-Graff-Beschleuniger ~ 10 MeV Zum Vorzeichen: Wenn die Spannung und die Ladung positiv ist, ist die Änderung der kinetischen Energie positiv und die Änderung der potenziellen Energie ist negativ: DEkin DEpot q U Eges Ekin Epot 3 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Laplace- und Poisson-Gleichung div E E E grad 0 2 2 2 div grad 2 2 2 D y y 0 x Mit Ladungsdichte D Ladungsdichte = 0 D 0 0 Siméon-Denis Poison (1781-1840) Poisson-Gleichung Pierre-Simon Marquis de Laplace (1749-1827) Laplace-Gleichung Das elektrische Feld läßt sich leicht mit dem Coulombschen Gesetz berechnen, wenn alle Ladungen und ihre Positionen im Raum bekannt sind. Meistens sind jedoch leitende Objekte gegeben, die sich auf einem bestimmten Potenzial befinden, z.B. an eine Spannungsquelle angeschlossen sind (Netzgerät, Batterie o.ä.). Die beweglichen Ladungen verteilen sich so um, dass an der Oberfläche des Leiters das Potenzial konstant ist (so dass durch weitere Bewegung der Ladungen kein energetisch günstigerer Zustand erreicht werden kann) und in jedem Punkt des Raums die Poisson- bzw. LaplaceGleichung erfüllt ist. Die Positionen der Ladungen sind dabei im allgemeinen nicht bekannt. Um das elektrische Feld außerhalb der Leiter zu ermitteln, wird also zunächst das Potenzial als Lösung der Laplace-Gleichung bestimmt und daraus durch Bildung des Gradienten das Feld berechnet. Anschauliche Bedeutung der Laplace-Gleichung (numerische Näherung, hier in 2 Dimensionen): D 1 x 0 0 x 1 y 0 0 y 1 x x y y 40 d d d d d d d 2 1 x x y y 4 Die Laplace-Gleichung besagt, dass das elektrische Potenzial an jedem Punkt das arithmetische Mittel der Potenziale der Nachbarpunkte ist. D 0 0 4 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Lösung der Laplace-Gleichung bedeutet, eine räumliche Verteilung des Potenzials finden, die der Laplace-Gleichung genügt. Randwertproblem: Gegeben sind Potenziale auf Randflächen (Dirichlet-Randbedingung) oder Normalkomponenten von E-Feldern d/dn (von-Neumann-Randbedingung) - numerische Lösung durch ein interaktives Computerprogramm - für einfache Geometrien gibt es "Tricks", z.B. die Methode der Bildladungen (Spiegelladungen) Spiegelladungen: In manchen Situationen kann man Ladungen definieren, die "hinter der Wand" sitzen und das Feld außerhalb der Wand nicht ändern. Einfachstes Beispiel: Punktladung vor einer leitenden Ebene. Da die Feldlinien senkrecht auf der Ebene enden, kann man sich eine gleich große Ladung im gleichen Abstand und entgegengesetztem Vorzeichen hinter der Wand vorstellen. Das elektrische Feld berechnet sich durch Superposition der Felder der "echten" Ladungen und der Spiegelladungen. 5 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Beispiele für numerisch berechnete Potenzialverteilungen in 2 Dimensionen Das Potenzial ist jeweils vertikal gegen zwei Ortskoordinaten aufgetragen. Das elektrische Feld erhält man, indem man den Gradienten des Potenzials bildet zwei ungleichnamige Ladungen for i=1:60 for j=1:100 "Schleife" über das zweidimensionale Gitter if m(i,j) == 0 Punkte mit konstantem Potenzial sind mit m(i,j)=1 markiert sum=0.0; count=0.0; if (i-1) > 0 linker Rand? sum=sum+x(i-1,j); count=count+1; end rechter Rand? if (i+1) < 62 sum=sum+x(i+1,j); count=count+1; end if (j-1) > 0 unterer Rand? sum=sum+x(i,j-1); count=count+1; end if (j+1) < 102 oberer Rand? sum=sum+x(i,j+1); count=count+1; end zwei positive und zwei negative Ladungen xnew(i,j)=sum/count; end neuer Wert = Mittelwert = Summe / Zahl der Summanden end end 6 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.1.3 Elektrische Dipole Das elektrisches Feld eines Dipols hängt von seiner Orientierung ab und nimmt mit 1/r3 ab. Ohne Beweis: 1 E 4 0 r 3 3 er ( p er ) cos p p Qd d r1 r2 elektrisches Dipolmoment Elektrischer Dipol im homogenen elektrischen Feld Das Drehmoment eines elektrischen Dipols ( positive und negative Ladung Q bei r1,2 ) ist D r1 F1 r2 F2 r1 Q E r2 Q E Q d E mit d r1 r2 D p E mit p Qd el. Dipolmoment: Vektor von der negativen zur positiven Ladung Die potenzielle Energie ist Epot p E d.h. sie ist am kleinsten (größter negativer Wert), wenn der Dipol im elektrischen Feld ausgerichtet ist. Elektrischer Dipol im inhomogenen elektrischen Feld z.B. 1 - dim in x : dE F p dx Ein inhomogenes elektrisches Feld übt auf einen elektrischen Dipol nicht nur ein Drehmoment, sondern auch eine beschleunigende Kraft aus. Beispiel: Dipol im Feld einer negativen Punktladung bei x = 0. Das elektrische Feld ist zur Ladung gerichtet. Wenn der Dipol ausgerichtet ist, dann wird aufgrund der verschiedenen Abstände die positive Dipolladung stärker angezogen als die negative Dipolladung abgestoßen wird. r1 d r p r2 p 7 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.1.4 Kondensator speichert Ladung (Vorläufer: Leidener Flasche) - Plattenkondensator - Kugelkondensator (zwei konzentrische Kugelflächen) - Drehkondensator (variable Fläche) In der Elektronik i.d.R. aus aufgerollten Platten (große Fläche, kleiner Abstand) mit einem "Dielektrikum" zwischen den Platten (s. später). Leidener Flasche Proportionalitätsfaktor zwischen Spannung und gespeicherter Ladung +Q und Q an den gegenüberliegenden Platten: Kapazität C C 1 C 1 F (Farad) Q C U V Modellfall: Plattenkondensator mit Plattenabstand x2 x1 = d Laplace-Gleichung in 1 Dimension: linearer Verlauf des Potenzials 2 0 a integriert x a x b integriert x 2 x E x grad E Q 0 A 0 U Qd A0 Verschiedene Kondensatoren (Quelle: Wikipedia, CC, Autor: Fabian R) U const 2 1 x d d (s. weiter oben: Anwendung des Gaußschen Gesetzes) C Q A 0 U d Kondensatorbank im Hochfeld-Magnetlabor (Quelle: Helmholtzzentrum Dresden-Rossendorf) 8 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Energie des elektrischen Felds Aufladen eines Kondensators. Änderung der Energie durch Hinzufügen der Ladung dq dW U dq Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Versuche mit Plattenkondensator: Erhöhung der Spannung erhöht das elektrische Feld, ebenso eine Verringerung des Plattenabstands. 1 q dq C Q 1 1 Q2 1 W q dq C U 2 C0 2 C 2 Am Beispiel des Plattenkondensators: W 1 A 1 1 2 0 E d 0 E 2 A d 0 E 2 V 2 d 2 2 Allgemein: Energiedichte (Energie/Volumen) des elektrischen Felds: w W 1 0 E2 V 2 Parallel- und Reihenschaltung von Kondensatoren C Q U parallel : in Reihe : 1 Qi i Ci U i 1 1 U i Q i i Ci C gesamt 1 C gesamt Kapazität und damit die Ladung wird addiert Spannung wird addiert, Kapazität wird kleiner. 9 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.1.5 Dielektrika im elektrischen Feld Wenn man in einen Plattenkondensator bei konstanter Ladung einen Isolator (Dielektrikum) einbringt, sinkt die anliegende Spannung und das elektrische Feld, d.h. die Kapazität (Ladung pro Spannung) mit Dielektrikum (D) hat sich gegenüber der Kapazität mit Vakuum oder Luft (V) um einen Faktor erhöht. Dieser Faktor heißt relative Dielektrizitätskonstante, Dielektrizitätszahl oder relative Permittivität. Typische Werte: Glas Porzellan Keramiken Wasser Luft UD ca. 3-5 ca. 6-7 100-1000 81 1,0006 UV C D CV ED EV Ursache ist die Polarisierung des Dielektrikums, in dem die Ladungen nicht frei beweglich sind. Im E-Feld bilden sich elektrische Dipole, deren Dipolmoment proportional zum Feld ist. Manche Dielektrika bestehen aus Molekülen mit einem Dipolmoment, das sich im E-Feld ausrichtet (Orientierungspolarisation, z.B. Wasser), andere bilden Dipole durch Verschiebungen der Elektronenhülle gegen den Atomkern (Verschiebungspolarisation, nur ca. 1/10.000 Atomdurchmesser). Die Vektorsumme aller Dipolmomente pro Volumen heißt Polarisation: 1 P pi 0 c ED V i P C m2 c = dielektrische Suszeptibilität (dimensionslos) ED EV EV ED P 0 P 0 EV c ED pol 0 ED 1 EV 1 c c 1 P pol Durch Polarisation entstehen an den Oberflächen des Dielektrikums Polarisationsladungen. Ihre Flächendichte hat denselben Betrag wie die Polarisation 10 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Energie des elektrischen Felds in Dielektrika Die Kapazität eines Kondensators erhöht sich um den Faktor . Energie bei konstanter Spannung: 1 1 1 WD CD U 2 CV U 2 WV 0 E 2 V 2 2 2 1 wD 0 E 2 2 Verhalten des E-Felds an den Oberflächen von Dielektrika Wenn das elektrische Feld senkrecht auf der Oberfläche steht, verkleinert sich E um den Faktor : Für die Normalkomponente von E gilt also E ED V Wenn aber das Feld schräg auf der Oberfläche steht (was bei Nichtmetallen ok ist), bleibt die Tangentialkomponente (parallel zur Oberfläche) konstant, weil die Rotation null sein muss. S rot E 0 E ds 0 ED|| EV|| S 11 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.2 Der elektrische Strom 4.2.1 Ladungstransport Während für den Zusammenhalt der Materie die Gesetze der Elektrostatik ausreichend zu sein scheinen (eine vollständigere Erklärung benötigt man allerdings die Quantenmechanik), basieren die meisten Anwendungen der Elektrotechnik und Elektronik auf dem elektrischen Strom, d.h. der Beweglichkeit von Elektronen in Metallen und Halbleitern. Es gibt aber noch andere Arten des Ladungstransports. Im Allgemeinen bezeichnet man mit "Strom" die Ladungsmenge, die pro Zeiteinheit durch eine gedachte Fläche tritt, egal wie die Bewegung der Ladung verursacht wird: André-Marie Ampère (1775-1836) dQ Q dt I 1 C 1 A (Ampere) s I Ladungstransport: - Bewegung von Elektronen in Metallen und Halbleitern - Bewegung von Ionen z.B. in wässrigen Lösungen - Bewegung von Elektronen und Ionen in Plasmen - Bewegung von Ladung durch mechanischen Transport (van-de-Graaf-Generator) - Bewegung von geladenen Teilchen als Teilchenstrahl in Beschleunigern Beispiel für Teilchenstrahlen: Elektronenspeicherring DELTA Strahlstrom 130 mA, Geschwindigkeit ≈ c, Umfang 115,2 m. Umlaufzeit = Umfang/c Ladung = Strom·Umlaufzeit Elektronenzahl = Ladung/e 115,2 m 3,84 10 7 s 384 ns 3 108 m/s C Q I T 0,13 3,84 10 7 s 5 10 8 C 50 nC s 8 Q 5 10 C N 3,11011 Elektronen 19 e 1,6 10 C T 12 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Zur Erinnerung: Die SI-Einheit 1 A ist die Stromstärke, bei der zwei parallele Leiter (unendlich dünn, unendlich lang) pro Meter eine Kraft von 2∙107 N aufeinander ausüben. Technische Stromrichtung = Richtung der Bewegung positiver Ladungen (≠ Richtung der Elektronen in einem Leiter) 4.2.2 Das Ohmsche Gesetz Angenommen, der Strom wird durch ein elektrisches Feld bewirkt (kein mechanischer Transport, kein Teilchenstrahl). Dann ist die Stromdichte j (Strom/Fläche) dem elektrischen Feld proportional: j el E el 1 A2 As 1 A2 m 1 m N m V A Vm Georg Simon Ohm (1789-1854) elektrische Leitfähigkeit Leiter mit Querschnitt A und Länge L I jA el 1 el R el L A U EL I el el 1 V m 1 m A R 1 V 1 A A 1 A U U U L el L R spezifischer Widerstand (z.B. Kupfer 1,7∙10-8 m) (Ohm) elektrischer Widerstand I U R U RI R U I 13 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Driftgeschwindigkeit der Elektronen in einem Draht Elektronen bewegen sich unter dem Einfluss eines elektrischen Felds durch ein Metall, wobei sie oft Stöße mit Atomen erleiden. Wie groß ist die resultierende Driftgeschwindigkeit, wenn durch einem Draht mit Querschnitt 1 mm2 ein Strom von 1 A fließt? Realistische Annahme: 1 freies Elektron pro Atom → ungefähr n = 1029 Elektronen / m3 I 1 vDrift C DQ n A DL e vDrift vDrift s DL DL I 1 C m3 0,6 mm/s n A e 10 29 s 10 6 m 2 1,6 10 19 C Supraleitung Der Widerstand steigt normalerweise mit der Temperatur (zunehmende Zahl von Kollisionen). Bei vielen Materialien verschwindet der Widerstand jedoch völlig (!) unterhalb einer "Sprungtemperatur" von wenigen K. Dieser quantenmechanische Effekt wurde 1911 zuerst an Quecksilber beobachtet und erst in den 1950er Jahren erklärt (BCS-Theorie). Im Jahr 1986 wurden "Hochtemperatur"-Supraleiter entdeckt (damals bei 85 K, also oberhalb der Temperatur von flüssigem Stickstoff), für die noch keine vollständige theoretische Erklärung vorliegt. Wesentliche Anwendung: Magnete mit hohem Feld für die Medizin (Magnetresonanztomografie MRT) und in Teilchenbeschleunigern (z.B. LHC bei CERN). Georg Bednorz (*1950) Alexander Müller (*1927) Heike Kamerlingh Onnes (1853-1926) 14 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.2.3 Elektrische Energie und Leistung Arbeit W U Q U I Dt dW P U Q U I dt P 1 J 1 VA 1 W s W 1 J 1 Ws (auch kW h ) Mit dem Ohmschen Gesetz: P U I 2 U RI2 R Bauformen elektrischer Widerstände (Wikipedia, GFDL, Autor: Honina) Die elektrische Energie, die sich durch einen elektrischen Widerstand ausdrücken lässt, wird in Wärme umgewandelt und muss abgeführt werden (z.B. Wärmeleitung; Konvektion, oft unterstützt durch Lüfter; Wasserkühlung), kann aber z.B. auch zum Heizen verwendet werden. 4.2.4 Stromkreise, Kirchhoffsche Regeln Ein Stromkreis beinhaltet einen geschlossenen Kreis mit Strom/Spannungsquelle und mind. einem Verbraucher. Beide haben einen elektrischen Widerstand. Knotenregel: Ein Knoten ist ein Punkt, an dem mehrere Leiter sich treffen. Die Summe der einlaufenden Ströme ist gleich der Summe der auslaufenden Ströme - 1. Kichhoffsches Gesetz I 0 i i Maschenregel: Eine Masche ist ein geschlossener Stromkreis. Die Summe aller an den Verbrauchern abfallenden Spannungen ist gleich der Generatorspannung (kann wie Verbraucherspannung mit entgegengesetztem Vorzeichen in die Summe eingehen) - 2. Kirchhoffsches Gesetz. U j U0 j Anmerkung: "abfallende" Spannung = Widerstand des Verbrauchers ∙ Strom (Ohmsches Gesetz) 15 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen (a) Reihenschaltung: die Spannungsabfälle addieren sich U i I Ri U 0 i Rgesamt R1 R2 i (b) Parallelschaltung: die Ströme addieren sich I i U i i G 1 R 1 0 Ri 1 Rgesamt Ggesamt G1 G2 1 1 R1 R2 ( Summe der Leitwerte Gi ) Spannungsteiler (2 Widerstände in Reihe) Spezialfall der Reihenschaltung von Widerständen I U1 U gesamt R1 R1 R2 U1 R1 U gesamt R1 R2 16 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.2.5 Aufladen/Entladen von Kondensatoren Ein Kondensator (Kapazität C) wird über einen Widerstand (R) mit einer Spannungsquelle (U0) geladen. Zur Zeit t = 0 wird ein Schalter geschlossen. U(t) ist Spannung am Kondensator: U 0 U R (t ) U C (t ) R I (t ) Q(t ) C U 0 Q(t ) R R C 1 1 dI dt I (t ) R C I (t ) dI (t ) 1 dQ(t ) 1 I (t ) dt R C dt R C 1 ln I (t ) t const t 0 : const ln I (0) R C 1 I (t ) I (0) exp t R C ln I (t ) ln I (0) ln I (t ) 1 t I (0) R C 1 U C (t ) U 0 R I (t ) U 0 1 exp t R C (analoge Rechnung für den Entladevorgang) Beispiel: 17 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.2.6 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen Strom fließt in Elektrolyten – Flüssigkeiten, in denen Säuren, Laugen oder Salze gelöst sind, in denen sich also bewegliche Ionen befinden. Ionen bilden sich, wenn die Dissoziation (d.h. die Auflösung des gelösten Moleküls in Ionen) energetisch günstig ist. Dissoziation kostet Energie, aber die Anlagerung von Wassermolekülen (mit elektrischem Dipolmoment) an die Ionen ist mit einem Energiegewinn verbunden. Die Leitfähigkeit erhöht sich mit der Ionenkonzentration (bis zur Sättigungskonzentration) und der Temperatur. In Gasen entstehen Ionen, wenn Atomen in Stößen die zum Entfernen eines Elektrons notwendige Energie zugeführt wird: - thermische Ionisation (Stöße der Atome aufgrund ihrer kinetischen Energie) - chemische Prozesse (z.B. in einer Kerzenflamme) - Elektronenionisation (Stöße der Atome mit beschleunigten Elektronen) - Photoionisation (Stöße mit hochenergetischen Lichtteilchen, UV- oder Röntgenphotonen) Gasentladungen: Elektronen werden zwischen Kathode und Anode soweit beschleunigt, dass sie die zur Ionisierung benötigte Energie überschreiten. Ionen prallen auf die Kathode und setzen weitere Elektronen frei. Werden mehr Elektronen freigesetzt als verbraucht, brennt die Entladung selbständig. Bei diesen Prozessen werden Atome auch angeregt (Leuchterscheinungen). - Glimmentladung: geringe Stromstärke in Gas bei niedrigem Druck - Bogenentladung: hoher Strom bei hohem Druck, Glühemission aufgrund von Erwärmung - Funkenentladung: kurzzeitige Bogenentladung (Blitzgerät, Gewitterblitz) Hörnerelektroden: Entladung an Luft Elektrodenabstand ca. 5 mm, Spannung 10,6 kV. Bei größerem Elektrodenabstand sorgt eine Kerzenflamme für die Ionisierung der Luft. 18 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.2.7 Stromquellen Erzeugung von Strom - bei der Trennung von Ladungen (mechanisch, chemisch, durch Induktion ...) wird Arbeit gegen die elektrostatische Anziehung geleistet. Es entsteht eine Potenzialdifferenz (elektrische Spannung). - verbindet man die Orte getrennter Ladungen mit eine Leiter, fließt ein Strom. Bedingungen für den Stromfluss: Ohmsches Gesetz und Fluss der Stromquelle U dQ I R I dt d.h. die Quelle kann die Ladungen nicht unbedingt so schnell liefern, wie das Ohmsche Gesetz bei gegebenem Widerstand R des Leiters verlangt. Die Klemmenspannung ("elektromotorische Kraft") der unbelasteten Quelle sinkt aufgrund des Innenwiderstands, wenn ein Verbraucher mit Widerstand R angeschlossen wird und ein Strom fließt: U U 0 Ri I U U0 und I U0 R Ri Ri R Ri Ri U 0 U U 0 1 R Ri R Ri R R Ri Alessandro Volta führt Napoleon seine Batterie vor (1801) 19 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Galvanische Elemente (elektrochemische Zellen) sind Anordnungen aus zwei Elektroden in einem Elektrolyten. Bei Primärelementen verbrauchen sich die beteiligten Substanzen, sie sind nicht regenerierbar (Batterien, von frz. battre = hauen, prügeln). Sekundärelemente sind, wenngleich nicht beliebig oft, regenerierbar (Akkumulatoren). Ein in einen Elektrolyten getauchtes Metall gibt in begrenztem Maße positive Ionen ab und wird durch die verbleibenden Elektronen elektrisch negativ. An der Grenzfläche entsteht ein elektrisches Potenzial, das einen für jedes Metall charakteristischen Wert hat. Taucht man zwei verschiedene Metalle in einen Elektrolyten, so entsteht eine Potenzialdifferenz. Verbindet man die Metalle mit einem Leiter, fließt ein Strom, dessen Richtung von den jeweiligen Potenzialen abhängt. Beispiel: Elektronen fließen von einer Zinkelektrode zu einer Kupferelektrode (Strom von "Pluspol" Kupfer zum "Minuspol" Zink), wenn beide in eine Kupfersulfatlösung getaucht sind. Ein Zinkatom , das zwei Elektronen abgegeben hat, bleibt in der Lösung. Ein gelöstes Kupferatom, das zwei Elektronen aufnimmt, wird elektrisch neutral und scheidet sich an der Kupferelektrode ab. Die Zinkelektrode verbraucht sich, die Kupferelektrode wird dicker. Man sagt, Kupfer sei "edler" als Zink (edel zu sein hat offenbar etwas mit Dickwerden zu tun). Die Elektronenabgabe nennt man Oxidation, die Elektronenaufnahme Reduktion. Beides zusammen wird als Redoxreaktion bezeichnet. Thermoelektrische Spannung entsteht, wenn zwei Metalle ringförmig verbunden sind und die beiden Kontaktstellen verschiedene Temperaturen haben (Seebeck-Effekt). Für kleine Temperaturdifferenzen U S1 S2 DT Si = Seebeck-Koeffizienten, typisch einige 10 mV/K Fügt man eine Spannungsquelle ein, so erwärmt sich eine der Kontaktstellen, die andere kühlt sich ab (Peltier-Effekt). 20 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.3 Magnetostatik 4.3.1 Beobachtugen Permanentmagnete Bereits im Altertum wurde beobachtet, dass es Mineralien gibt, die Eisen anziehen. Auch Eisen kann diese Wirkung haben, wenn es längere Zeit einem Magnetfeld ausgesetzt wurde (z.B. dem Erdmagnetfeld). Materialien, die dauerhaft diese Eigenschaft besitzen, heißen Permanentmagnete. Jeder Magnet hat zwei Pole, "Nordpol" und "Südpol" genannt, weil sich ein frei beweglicher Magnet (z.B. eine Kompassnadel) sich ungefähr in der geografischen Nord-Süd-Richtung ausrichtet. Gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. Einzelne magnetische Pole werden nie beobachtet. Magnetfelder stationärer Ströme (I = const.) Elektrischer Strom beeinflusst eine Kompassnadel (Rosagnosi 1802, Oerstedt 1820). Dies ist das erste Phänomen, das eine Verbindung zwischen Elektrizität und Magnetismus zeigte. In der Umgebung eines geraden Leiters richtet sich eine Kompassnadel tangential zu einem Kreis um den Leiter aus. Gian D. Romagnosi Hans Christian Oersted 1761-1835 1777-1851 Zwei parallele Leiter mit gleichsinnigem Strom ziehen sich an, mit entgegengesetztem Strom stoßen sie sich ab. Da die Leiter elektrisch neutral sind (auch wenn ein Strom fließt), kann dies nicht die elektrostatische Coulomb-Kraft sein, sondern muss die Wirkung eines anderen Felds sein. 21 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.3.2 Erzeugung zeitlich konstanter magnetischer Felder Magnetische Flussdichte B SI : B 1 V 2s 1 T (Tesla) m cgs : B 1 G (Gauss) 10 4 T (auch magnetische Induktion oder - inkorrekt - Feldstärke genannt) Magnetfelder wirken auf Ströme, also auf bewegte Ladungen. Da die Bewegung eine Richtung hat, ist der Zusammenhang zwischen Kraft und Feld etwas komplizierter als bei elektrischen Feldern: F qE F q v B F Q E v B B 1 N s Cm 1 J s V s 1 2 2 Cm m Beide Kräfte zusammen werden als Lorentzkraft bezeichnet. Kraft auf ein Leiterstück der Länge L mit Ladungsdichte l senkrecht zu einem homogenen Magnetfeld B: v B: F qv B l Lv B I L B Stationäre Ladungen erzeugen konstante elektrische Felder: Elektrostatik Stationäre Ströme erzeugen konstante magnetische Felder: Magnetostatik Für stationäre Ströme betrachten wir ausgedehnte zeitunabhängige Stromverteilungen. Analog zum Coulomb-Gesetz beschreibt das Biot-Savart-Gesetz das Magnetfeld, das von einem Strom I entlang eines Leiterstücks dl erzeugt wird. 22 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Das Biot-Savartsche Gesetz Magnetisches Feld am Ort r2 aufgrund eines stromdurchflossenen Leiters am Ort r1 m0 dl e21 m0 e21 dl I e21 r2 r1 r21 e21 r212 dl 4 I r212 4 I r212 r2 r1 r21 2 2 7 T m 7 V s m 7 V s m0 4 10 4 10 4 10 Am m2 A m Am J s N 4 10 7 4 10 7 2 m0 0 1 / c 2 CAm A m0: magnetische Feldkonstante (auch Induktionskonstante oder Vakuumpermeabilität) m B(r2 ) 0 4 Etwas andere Formulierung des Biot-Savartschen Gesetzes: m B(r2 ) 0 4 j e21 dV r212 j 1 A2 m Stromdichte Jean-Baptiste Biot 1774-1862 Félix Savart 1791-1841 Hieraus lassen sich folgende Gesetze herleiten (was wir hier nicht explizit tun wollen): B div B 0 B dA 0 (hier wurde der Satz von Gauß verwendet) V Die Divergenz des Magnetfelds ist null. Es gibt keine Quellen und Senken des Magnetfelds, d.h. es gibt keine magnetischen "Ladungen", also keine magnetischen Monopole. Magnetische Feldlinien beginnen und enden nirgends, sondern sind stets geschlossen. B rot B m0 j B ds m0 I (hier wurde der Satz von Stokes verwendet) S Ampèresches Gesetz: Die Rotation des Magnetfelds ist nicht 0, sondern gleich der Stomdichte (mal m0 in SI-Einheiten). Das Magnetfeld ist nicht wirbelfrei, da magnetische Feldlinien nicht an magnetischen "Ladungen" enden. 23 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Beispiel: Magnetisches Feld eines unendlich langen stromdurchflossenen Drahts Ähnlich der Berechnung des elektrischen Felds eines homogen geladenen Stabs gibt es bei der Berechnung des Magnetfeld eines unendlich langen stromdurchflossenen Drahts - eine komplizierte Variante: Biot-Savart-Gesetz und Integration über den Draht - eine einfache Variante: Amperesches Gesetz, betrachte einen Kreis um den Draht mit Radius r B ds B 2 r m0 I S B m0 I 2 r Beispiel: Magnetisches Feld einer langen Spule Die Spule besteht aus N Windungen und hat die Länge L. Beim Linienintegral kann das Feld außerhalb der Spule vernachlässigt werden. B ds B L m0 N I S B m0 n I mit n N (Dichte der Windungen) L 24 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.3.3 Magnetische Kräfte auf Leiter und geladene Teilchen Kraft zwischen zwei parallelen stromdurchflossenen geraden Drähten Strom in jedem Draht I, Abstand zwischen den Drähten R: F I LB m I B 0 2 R mit F m0 I 2 I2 7 N 2 10 L 2 R A2 R Annahme: Strom beider Drähte in dieselbe Richtung, z.B. nach oben. Das Feld von Draht 2 zeigt am Ort von Draht 1 aus der Bildebene heraus (rechter Daumen in Stromrichtung, Finger zeigen Richtung des BFelds). Die Kraft auf Draht 1 zeigt nach rechts (rechter Daumen folgt dl, Zeigefinger in Feldrichtung, Mittelfinger zeigt die Richtung der Kraft). Ergebnis: Gleichsinnig stromdurchflossene Drähte ziehen sich an, gegensinnig durchflossene Drähte stoßen sich ab. Kraft auf ein geladenes Teilchen mit Ladung q in einem homogenen B-Feld Bewegung senkrecht zum Magnetfeld, z.B. in einem Detektor, Teilchenbeschleuniger oder Speicherring. Bedingung: Zentripetalkraft = Lorentzkraft a) m v2 eR q v B vB R m v 2 m0 v 2 qv B R R R m0 v p qB qB b) Umlaufszeit und Kreisfrequenz (sog. "Zyklotronfrequenz") T 2 R 2 m0 v qB 2 qB T m0 Beispiel: Zwei Beschleunigertypen a) Beim Zyklotron nimmt der Bahnradius mit zunehmendem Impuls zu (die Umlaufzeit ist konstant solange ≈ 1) b) Bei Synchrotron wird das Magnetfeld synchron mit dem zunehmenden Impuls hochgefahren. 25 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Ein einfacher Unipolarmotor (rechts), der mit dem sog. Barlowschen Rad (1822) verwandt ist. Elektronen bewegen sich in radialer Richtung und senkrecht zu einem Magnetfeld, durch das sie eine Lorentzkraft erfahren. Durch Stöße der Elektronen mit dem Atomgitter überträgt sich ihre Bewegung auf das Rad (das im rechten Fall gleichzeitig der Magnet ist). Kapitel 3/4 Kabel Batterie Peter Barlow (1776-1862) Schraube Magnet 4.3.4 Das magnetische Vektorpotenzial Weil die Rotation des E-Felds null ist, kann man ein elektrostatisches skalares Potenzial definieren. Dies ist für das B-Feld nicht der Fall, aber: Weil die Divergenz des B-Felds null ist, kann man ein magnetisches Vektorpotenzial definieren: B rot A A weil div B A 0 ist. Dies folgt aus Regeln für Divergenz und Rotation. Ohne Beweis: die Divergenz der Rotation ist immer null. Das elektrostatische Potenzial ist nicht eindeutig. Man kann eine Funktion addieren, deren Gradient null ist (also eine Konstante). Auch das magnetische Potenzial ist nicht eindeutig. Man kann ein Feld addieren, dessen Rotation null ist (z.B. Coulomb-Eichung, Lorenz-Eichung, s. elektromagnetische Wellen) 4.3.5 Das Magnetfeld als relativistischer Effekt Die Lorentz-Kraft auf eine bewegte Ladung in der Umgebung eines stromdurchflossenen Drahts kann als eine Modifikation der Coulomb-Kraft aufgrund der relativistischen Lorentz-Kontraktion der bewegten Ladungsverteilung gedeutet werden. Magnetismus ist also ein relativistischer Effekt, der sich sogar bei den kleinen Geschwindigkeiten der Elektronendrift in einem Draht bemerkbar macht! Der relativistische Effekt ist winzig, aber da die Ladungsdichte pro Länge ist sehr groß ( l0 ≈ 104 C/m bei ca. 1 freien Elektron pro Atom), ergibt sich eine deutliche Wirkung. 26 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Elektrostatik Magnetostatik Elementare Objekte: positive/negative Ladungen q Elementare Objekte: bewegte Ladungen, Ströme, atomare magnetische Dipole Feld: elektrisches Feld E F e E div E Feld: magnetisches Feld B F ev B div B 0 B rot A rot B m0 j 0 rot E 0 E grad Coulombsches Gesetz: 1 q E 2 er 4 0 r Biot-Savartsches Gesetz: m0 e21 dl B(r2 ) I 4 r212 Gaußsches Gesetz: q div E E dA Ampèresches Gesetz: rot B m0 j B ds m0 I V 0 Shaukat Khan Kapitel 3/4 S Dipol im elektrischen Feld: D pel E pel q d Dipol im magnetischen Feld: D pm B pm I A Materie im elektrischen Feld: Polarisation 1 P pel ,i P 0 c ED V i E 0 D Hilfsfeld D: (diel. Verschiebungsdichte) Materie im magnetischen Feld: Magnetisierung 1 M pm,i M cm H V i B m0 m H Hilfsfeld H: (mag. Erregung, mag. Feldstärke) 27 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.3.6 Materie im magnetischen Feld Der Hall-Effekt Die Kräfte auf bewegte Ladungen in einem Leiter bewirken nicht nur eine Kraft auf den Leiter als Ganzes, sondern auch eine Ladungstrennung quer zur Stromrichtung. Durch eine Metallplatte der Breite b und Dicke d fließt ein Strom I, senkrecht dazu sei ein Magnetfeld B. Die Zahl der beweglichen Elektronen pro Volumen sei n. Mit der Lorentzkraft lässt sich die Hall-Spannung berechnen: F q EH q v B U H b EH b v B UH I B ned mit (v B ) j nev b j B ne I j bd Wichtige Anwendung: Messung von Magnetfeldstäken (Hall-Sonde) Edwin Hall (1855-1938) Kraft auf eine (rechteckige) Stromschleife im Magnetfeld Nur die Kräfte auf die senkrechten Segmente heben sich nicht auf F I b B sin D pm B a b a D 2 F sin I a b B sin 2 pm Drehmoment 28 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Magnetisierung von Materie im Magnetfeld Magnetische Felder bewirken in Materie eine Magnetisierung M, definiert als die Summe der magnetischen Dipolmomente p, geteilt durch das Volumen - ähnlich der Polarisation, die durch ein elektrisches Feld verursacht wird. 1 A m2 A B M V p m ,i M 1 i m3 1 m m0 Hier werden - existierende, aber ungeordnete atomare Dipole parallel zum B-Feld ausgerichtet (Paramagnetismus) - Dipole "induziert", die (im Gegensatz zur Polarisation) antiparallel zum Feld sind (Diamagnetismus) Diese magnetischen Eigenschaften sind allgegenwärtig, aber die Kräfte auf die meisten Materialen sind so schwach, dass sie kaum beobachtet werden. Nur Eisen, Kobalt und Nickel sowie einige Legierungen zeigen einen stärkeren magnetischen Effekt (Ferromagnetismus), so dass der falsche Eindruck entsteht, die meisten Materialien seien "nicht magnetisch". Die atomaren Dipole kann man sich als kleine Stromschleifen vorstellen. In der Tat können Elektronen aufgrund ihrer Bahn um den Atomkern ein magnetisches Dipolmoment haben. Darüber hinaus haben sie aber ein magnetisches Moment aufgrund ihres "Spin". Der Effekt geht über die klassische Elektrodynamik hinaus. Die "atomaren Stromschleifen" können daher nur im Rahmen der Quantenmechanik beschrieben werden und sollen im Folgenden ohne weitere Erklärung vorausgesetzt werden. Polarisationsströme Im Innern eines homogen magnetisierten Materials heben sich die Ströme der "atomaren Stromschleifen" auf, am Rand addieren sie sich zu einem Polarisationsstrom. 29 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Das Gesamtfeld wird von "freien" Strömen (in Drähten) und Polarisationsströmen hervorgerufen. Damit kann das Ampèresche Gesetz neu formuliert werden: 1 rot B M j f 0 m rot H j f H ds I f H 1 A m H Die Größe H wird oft als "magnetisches Feld" bezeichnet, oder (um sie besser vom B-Feld abzugrenzen, als "magnetische Erregung". Für Para- und Diamagnete gilt näherungsweise M cm H B m0 H M m0 1 c m H m0 mr H m H cm = magnetische Suszeptibilität (dimensionslose Proportionalitätskonstante) Hysterese B und H hängen nicht linear voneinander ab. Darüber hinaus ist die Beziehung nicht eindeutig, sondern hängt von der "Vorgeschichte" ab (Hysteresekurve) - erstmalige Magnetisierung: Neukurve - Sättigung bei Feld HS bzw. BS - magnetische Erregung null (Strom null): remanentes Feld BR - B-Feld null bei entgegengesetzter Erregung: Koerzitivfeldstärke HC 30 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Paramagnete Stoffe mit permanenten magnetischen Dipolen, z.B. Al, Na. Suszeptibilität positiv im Bereich von 10-6 bis 10-9. Diamagnete Stoffe, die keine permanenten magnetischen Dipole besitzen, z.B. Edelgase, Cu, Ag, Au, Pb. Suszeptibilität negativ im Bereich von 10-4 bis 10-6. Ferromagnete Ein Aluminiumstäbchen (Paramagnet) dreht sich parallel zum magnetischen Feld, ein Stäbchen aus Wismut (Diamagnet) dreht sich senkrecht dazu. Stoffe mit permanenten magnetischen Dipolen, die das Bestreben zeigen, sich wie ihre Nachbarn auszurichten (kollektives Phänomen), z.B. Fe, Co, Ni. Suszeptibilität positiv und sehr hoch im Bereich von 102 bis 106. Ohne äußeres Feld sind die magnetischen Momente innerhalb kleiner Bereiche ausgerichtet (Domänen oder Weißsche Bezirke). Die Orientierung der Domänen ist zunächst zufällig. In einem starken Magnetfeld verschieben sich die Domänengrenzen, so dass eine Magnetisierungsrichtung vorherrscht. Die Domänen haben das Bestreben, diesen Zustand beizubehalten (Permanentmagnete). Thermische Bewegung wirkt der Ausrichtung entgegen. Bei der sog. Curie-Temperatur werden Ferromagnete paramagnetisch (z.B. Fe TC = 774 C). Andere magnetische Materialien Ferrimagnete und Antiferromagnete sind Stoffe, deren Kristallgitter sich durch Untergitter mit entgegengesetzen magnetischen Momenten beschreiben lassen. 31 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.4 Zeitlich veränderliche Felder 4.4.1 Das Faradaysche Induktionsgesetz Romagnosi 1802, Oerstedt 1920: Magnetismus durch elektrischen Strom Faraday 1831: Elektrischer Strom durch Magnetismus, Grundlage der Stromwirtschaft Eine Spannung wird in einer Spule "induziert", wenn sich der magnetische Fluss (Skalarprodukt aus B-Feld und Fläche) durch die Spule ändert: - Änderung des Magnetfelds durch Nähern/Entfernen eines Permanentmagneten oder durch Änderung des Stroms in einer zweiten benachbarten Spule - Änderung der Spulenfläche durch Zusammendrücken/Auseinanderziehen/Drehen oder Änderung der Windungszahl. N Je schneller die Änderung, desto höher die induzierte Spannung U ind U ind d d B dA m dt dt E ds rot E dA d E d s m dt d rot E B dt Michael Faraday 1791-1867 S Faradaysches Induktionsgesetz (Satz von Stokes) V Messverstärker oder Spiegelgalvanometer Dieses E-Feld ist nicht konservativ. Ein elektrostatisches Potenzial gibt es nur für ein E-Feld, das durch statische Ladungen erzeugt wird. Beispiel: rotierende Spule im Magnetfeld d d U ind B dA B N A1 cost B N A1 sin t dt dt N: Windungszahl A1: Fläche einer Windung 32 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Versuche zur Induktion Shaukat Khan Kapitel 3/4 a) a) Stab bewegt sich nach rechts, Fluss durch die Schleife vergrößert sich. Vom Strom I bewirktes Feld in der Schleife ist dem äußeren Feld entgegengesetzt. b) Stab bewegt sich nach rechts, Fluss durch die Schleife verkleinert sich. Vom Strom I bewirktes Feld in der Schleife ist dem äußeren Feld richtungsgleich. b) dA U ind B B b v dt c) Strom fließt durch den Stab, die Kraft auf den stromdurchflossenen Leiter bewegt ihn nach links. c) Beispiel: Flugzeug im Erdmagnetfeld Boeing 747, Spannweite b = 70 m, v = 1000 km/h = 278 m/s Erdmagnetfeld B = 0,05 mT Annahme: v senkrecht zu B. Ergebnis: induzierte Spannung zwischen den Flügelenden ca. 1 V 33 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.4.2 Die Lenzsche Regel Der durch eine induzierte Spannung fließende Strom ist so gerichtet, dass er ein Magnetfeld erzeugt, das der Änderung des magnetischen Flusses entgegenwirkt. Beispiel: Wirbelströme bremsen die Bewegung einer metallischen Scheibe durch ein Magnetfeld - wird als Fahrzeugbremse verwendet ("Wirbelstrombremse") Heinrich Lenz (1804-1865) Konsistent mit der Lorentzkraft - Beispiel: Ring bewegt sich auf Nordpol zu, d.h. Elektronen bewegen sich im Magnetfeld und erfahren eine Lorentzkraft, wobei es auf die Feldkomponente senkrecht zur Bewegung ankommt (3-Finger-Regel der linken Hand, weil Elektronen negativ sind). Aus der resultierenden (technischen) Stromrichtung und der Rechte-Hand-Regel ergibt sich ein Magnetfeld, das dem zunehmenden Feld des Magneten entgegensteht. Ein Ring springt beim Einschalten des Magneten aufgrund des Induktionsstroms nach oben (Lenzsche Regel), ein geschlitzter Ring bleibt liegen. 34 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Ab hier noch nicht in der Vorlesung behandelt ! 4.4.3 Selbstinduktion und gegenseitige Induktion Selbstinduktion U ind d m dt t2 m , 2 m,1 U ind dt t1 Für eine gegebene Leiterschleife oder Spule ist der magnetische Fluss proportional zum Strom. m B dA L I U ind L L = Selbstinduktionskoeffizient, Induktivität L 1 V s 1 H dI dt A (Henry) Ändert sich der Strom durch die Spule, so wird eine Induktionsspannung induziert. Dies nennt man "Selbstinduktion", also Induktion aufgrund des Spulenfelds, nicht eines äußeren Magnetfelds. Beispiel: Induktivität einer Spule Magnetfeld einer Spule mit Windungsdichte n: B m0 n I U ind n l mit n N l m m0 n I A d m dI dI n l m0 n A L dt dt dt L m0 n 2 l A m0 n 2 V 35 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 4.4.4 Der Verschiebungsstrom Bisher: B rot E t und rot B m0 j Ein Analogon zum Ampèreschen Gesetz (etwa: Rotation E = Stromdichte magnetischer Ladungen) ist mangels magnetischer Monopole nicht zu erwarten. Welche Auswirkung hat aber ein zeitlich veränderliches E-Feld? Beispiel: Ein Kondensator wird aufgeladen. Das Integral über eine Schleife um die Zuleitungen ergibt nach dem Ampéreschen Gesetz den eingeschlossenen Strom (multipliziert mit m0). Eine Schleife um den Raum zwischen den Kondensatorplatten würde aber keinen Strom umschließen. Eine zeitliche Änderung des Felds im Kondensator führt aber auch hier zu einem Magnetfeld: 1 E E rot B m0 j jV m0 j m0 0 m0 j 2 t c t Zur Erinnerung: elektrisches Feld eines Kondensators ist durch die Flächenladungsdichte gegeben E 0 jV E 0 t t Dieser Ausdruck wird als Verschiebungsstrom bezeichnet. 36 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 3/4 Zusammenfassung: Maxwellsche Gleichungen (im Vakuum) Differenzielle Form Integralform div E Q E dA 0 0 Elektrische Ladungen sind Quellen des elektrischen Felds (Gaußsches Gesetz ). An ihnen beginnen und enden elektrische Feldlinien. div B 0 B dA 0 Es gibt keine magnetischen "Ladungen". Magnetische Feldlinien haben keinen Anfang oder Ende. B rot E t 1873 E d s B dA t Geschlossene elektrische Feldlinien entstehen durch die zeitliche Änderung magnetischer Felder (Induktionsgesetz). 1 E rot B m 0 j 2 c t 1 B d s m I E dA 0 c 2 t Geschlossene magnetische Feldlinien entstehen durch die zeitliche Änderung elektrischer Felder (Verschiebungsstrom) sowie durch einen Strom bewegter elektrische Ladungen (Amperesches Gesetz). James Clerk Maxwell (1831-1879), Katherine Maxwell und Toby 37