WICHTIGE STUDIEN · KRITISCH GELESEN Orale, Interferon-freie Therapie Hoffnung für Hepatitis-C-Patienten In zwei Studien konnten mit einer rein oralen, Interferonfreien Therapie ermutigende Erfolge in der Behandlung von Hepatitis-C-Patienten erzielt werden. In der ersten Studie (1.) wurden in einer offenen Studie 44 unbehandelte Patienten mit Genotyp 1, 44 mit Genotyp 2 oder 3 und 41 mit erfolgloser Vorbehandlung mit 60 mg Daclatasvir, einem HCV NS5A (Nicht-Strukturprotein, Teil des Membran-assoziierten Replikationskomplexes) Replikationskomplex-Hemmer, und 400 mg Sofosbuvir, einem HCV NS5B (Nicht-Strukturprotein RNA-abhängige RNA-Polymerase) Polymerase-Hemmer, mit oder ohne Ribavirin, während 24 Wochen behandelt. Weitere 82 Patienten ohne Vorbehandlung wurden über 12 Wochen behandelt. 98% der unbehandelten und 98% der erfolglos vorbehandelten Patienten hatten eine SVR (anhaltende virologische Antwort) 12 Wochen nach Abschluss der Behandlung. Die höchste Rate an SVR fand sich beim Genotyp 1 mit 98% beim Subtyp 1a, der in den USA prädominant ist, und 100% beim Subtyp 1b, der in Europa, Japan und China prädominant ist. Das Resultat wurde durch Ribavirin, Rasse, IL28-Genotyp und Vorgeschichte eines Therapieversagens auf Protease-Hemmer nicht signifikant beeinflusst. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Kopfweh und Übelkeit. Bei der zweiten Studie (2.) handelt es sich um eine Phase2b-Studie, in der 571 Patienten mit Genotyp 1 ohne oder mit erfolgloser Vorbehandlung, in 14 verschiedenen Gruppen Interferon-frei mit der Kombination von ABT450 (Inhibitor der HVC NS3/4A Protease) und Ritonavir (ABT450/r) zusammen mit ABT-267 (NS5A Inhibitor) oder ABT-333 (NS5B Polymerase-Hemmer) oder beiden und Ribavirin während 8, 12 oder 24 Wochen behandelt wurden. Von denjenigen Patienten, die mit drei direkt antiviral wirkenden Substanzen zusammen mit Ribavirin behandelt wurden, betrug die SVR 24 Wochen nach Abschluss einer 8- resp. 12-wöchigen Therapie 88%, resp. 95%. Über alle Gruppen betrug die SVR 83-100%. An Nebenwirkungen wurde vor allem Müdigkeit, Kopfweh, Übelkeit und Schlaflosigkeit beobachtet. Beide Studien zeigen, dass die Interferon-freie, rein orale Therapie der Hepatitis C Wirklichkeit werden wird. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit der vorgestellten Studien sind im Vergleich zur heute üblichen Therapie mit Telaprevir u.o. Boceprevir/Peginterferon/Ribavirin v.a. beim Genotyp 1 so hervorragend, dass weltweit ein Paradigmenwechsel bezüglich Therapie der Hepatitis C erwartet werden darf, zumal weitere Substanzen und Therapiekombina­ tionen dazu kommen werden. wwDr. med. Hans Kaspar Schulthess Quellen: 1. Daclatasvir plus Sofosbuvir for Previously Treated or Untreated Chronic HCV Infection. N Eng J Med 2014;370:211-21 2. Phase 2b Trial of Interferon-free Therapy for Hepatitis C Virus Genotype 1. N Eng J Med 2014;370:222-32 Nach TIA und Schlaganfall ASS plus Clopidogrel nicht besser als Clopidogrel-Monotherapie Eine aktuelle Meta-Analyse findet keinen Vorteil, wenn Patienten nach TIA oder Schlaganfall eine duale Thrombozytenhemmer-Therapie länger als ein Jahr lang durchführen. Die Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern ist Standard in der Sekundärprophylaxe nach TIA und Schlaganfall. Es gibt gute Gründe zu erwarten, dass die Schutzwirkung vor Rezidiven bei Behandlung mit zwei Substanzen mit unterschiedlichem Wirkmechanismus grösser ausfällt. Allerdings kann sich auch das Blutungsrisiko erhöhen, und es ist daher sinnvoll, dieses genau zu quantifizieren. Gerade bei Patienten mit zerebrovaskulären Ischämie-Ereignissen könnte das Risiko für die besonders folgenschweren intrakraniellen Blutungen höher sein als etwa bei Herzinfarktpatienten. Die Autoren haben sieben randomisierte kontrollierte Studien mit knapp 40 000 Patienten und mehr als einem Jahr Beobach- der informierte arzt _ 101 _ 2014 tungszeit gepoolt und gründlich ausgewertet. Sie fanden heraus, dass das Risiko für einen erneuten Schlaganfall gleich hoch war, egal, ob die Patienten ASS, Clopidogrel oder ASS plus Clopidogrel eingenommen hatten. Das Risiko für intrakranielle Blutungen war gleich hoch in den Gruppen, die ASS in Monotherapie oder ASS plus Clopidogrel eingenommen hatten. Es war signifikant niedriger in der Gruppe, die Clopidogrel in Monotherapie einnahm. Nach diesen Ergebnissen scheint die langfristige Monotherapie mit Clopidogrel die beste Nutzen-Risiko-Bilanz nach Schlaganfall aufzuweisen. wwWFR Quelle: M. Lee, J.L. Saver, et al.; Risk-Benefit Profile of Long-Term Dual- Versus Single-Antiplatelet Therapy Among Patients with Ischemic Stroke. Ann Intern Med 2013; 159: 463-470 7 WICHTIGE STUDIEN · KRITISCH GELESEN Zunahme der Herpes Zoster-Erkrankungen An der Varizellen-Impfung liegt es nicht Dass immer mehr ältere Menschen an Herpes Zoster erkranken kann nicht auf die vor einiger Zeit eingeführte VarizellenImpfung im Kindesalter zurückgeführt werden, berichten amerikanische Autoren in den Annals of Internal Medicine. Die primäre Infektion mit dem Varizellen-Zoster-Virus führt zu hoch ansteckenden Windpocken, die bei kleinen Kindern in der Regel milde verlaufen. Nach überstandener Infektion verbleibt das Virus im Körper, und kann im Alter oder bei Immunschwäche eine Gürtelrose auslösen. In den USA allein erkranken jährlich eine Million Menschen an einem Herpes Zoster. Die Inzidenz nimmt seit Jahren zu. Seit 1996 werden in den USA Kinder im Alter zwischen 12 und 18 Monaten routinemässig gegen Varizellen geimpft. Auch Kanada, Australien und Deutschland haben die Impfung eingeführt. In anderen europäischen Staaten bleibt die Impfung Personen mit erhöhtem Erkankungs- oder Komplikationsrisiko vorbehalten. In der Theorie könnte die Varizellen-Impfung etwas mit der Herpes Zoster-Inzidenz im hohen Erwachsenenalter zu tun haben: Wenn Erwachsene seltener Kontakt mit Kindern haben, die an Windpocken erkrankt sind, entfällt die natürliche spezifische Verstärkung des Immunsystems gegen das Virus. Vor diesem Hintergrund wurde nun untersucht, ob die Inzidenz der Herpes Zoster-Infektion in den USA seit Einführung der Varizellen-Impfung zugenommen hat. Die Autoren analysierten dazu die Krankenversicherungsdaten von knapp drei Millionen Personen im Alter über 65 Jahren. Die Ergebnisse zeigen zum einen, wie häufig der Herpes Zoster ist: 281 000 Zoster-Infektionen wurden zwischen 1992 und 2010 registriert, ca. 10% der Versicherten erkrankten. Die Inzidenz hat dabei von 10 pro 1000 Personenjahren im Jahr 1992 auf 13,9 pro 1000 im Jahr 2010 um 39% zugenommen. Allerdings war der Anstieg im Untersuchungszeitraum linear. Es fand sich keinerlei Hinweis auf eine signifikante Zunahme nach Einführung der Varizellen-Impfung. Fazit: Warum immer mehr ältere Personen an Herpes Zoster erkranken, bleibt weiterhin unklar. Die Autoren empfehlen einen breiteren Einsatz der Herpes Zoster-Impfung bei Personen über 60 Jahren. Diese wird in den USA derzeit nur von 14,4% der Zielgruppe wahrgenommen. w WFR Quelle: C.M. Hales, R. Harpaz, et al. ; Examination of Links Between Herpes Zoster Incidence and Childhood Varüicella Vaccination. Ann Intern Med 2013; 159: 739-745 Grosse orthopädische Operationen Neue Antikoagulanzien sind nur marginal besser als niedermolekulare Heparine In der Thromboseprophylaxe nach elektiven Hüft- und Knieoperationen sind neue orale Antikoagulanzien nach aktuellem Stand der Studienlage nur marginal effektiver als niedermolekulare Heparine (LMWH), bergen dafür aber ein leicht erhöhtes Blutungsrisiko. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Meta-Analyse von sechs grossen klinischen Reviews, in denen Wirksamkeit und Sicherheit von direkten Faktor Xa-Inhibitoren oder direkten Thrombininhibitoren in dieser Indikation beurteilt wurden. In den sechs Reviews waren 22, 43, 16, 9, 5 und 12 Studien ausgewertet worden. In der Gesamtbetrachtung reduzierten Faktor-Xa-Inhibitoren das Rezidivrisiko für tiefe Venenthrombosen um 4 pro 1000 im Vergleich zu LMWH, erhöhten dabei aber das Risiko für schwere Blutungen um 2 pro Tausend. Kein Einfluss zeigte sich auf Lunge- nembolien oder das Sterberisiko. Studien mit Dabigatran zeigten in Summe keine Unterschiede bei Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber LMWH. Venöse Thromboembolien sind eine häufige Komplikation nach Hüft- und Kniegelenksersatz. Ohne Prophylaxe trifft diese Komplikation 4,3% der Patienten in den ersten 35 postoperativen Tagen, 1,5% der Patienten erleiden schwere Nachblutungen, wie die Autoren berichten. Die Thromboseprophylaxe halbiert das Thromboembolie-Risiko, erhöht aber das Blutungsrisiko. In Anwendung sind niedermolekulare Heparine, Fondaparinux, Vitamin-K-Antagonisten, Heparin, neue orale Antikoagulanzien, und mechanische Methoden wie Beinkompression. wwWFR Quelle: S.S. Adam, et al.; Comparative Effectiveness of New Oral Anticoagulants and Standard Thromboprophylaxis in Patients Having Total Hip or Knee Replacement. Ann Intern Med 2013; 159: 275-284 _ 2014 _ der informierte arzt 801